Protocol of the Session on January 25, 2019

Auch das macht mich wütend. Aber ich finde es gut, wenn man in der Schule über solche Dinge diskutiert. Ich traue den Lehrern zu, das richtig einzuordnen und den Schülerinnen und Schülern entsprechend zu vermitteln. Das unterscheidet uns eben. Das sind Liedtexte, die von den Jugendlichen ge

hört werden. Sie müssen in der Schule lernen, mit solchen Dingen umzugehen, sie richtig zu bewerten.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Frank Brodehl?

Nein, ich möchte meinen Gedankengang zu Ende bringen.

Sie als AfD haben jetzt eine zweite Chance verpasst. Das möchte ich ausdrücklich erwähnen. Wir haben dieses Thema gerade heute mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten besprochen. Es geht darum, dass Sie als erste Chance verpasst haben, sich von Chemnitz zu distanzieren. Sie haben als zweite Chance verpasst, einen guten Antrag zu diesem Thema zu stellen.

Ich bin erschüttert über Ihr Weltbild und erschüttert darüber, dass Sie denken, dass Polizeibeamte diese Textzeile nicht richtig einsortieren könnten.

(Claus Schaffer [AfD]: Doch, das glaube ich!)

Es tut not, dass man Sie darauf hinweist. Ich bin erstaunt, dass Sie dieses Thema, das in keinem Zusammenhang mit der Polizei steht, auf die Tagesordnung gesetzt haben. - Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es steht mir als Regierungsmitglied überhaupt nicht zu, die Angemessenheit einer Debattenanmeldung zu bewerten. Das würde ich auch nie wagen. Trotzdem habe ich mir meine Gedanken gemacht. Ich muss Herrn Dr. Stegner zustimmen. Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Schülerinnen und Schüler die Aufzeichnung dieser Debatte heute oder in Zukunft anhören.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Das war ein gelungenes Lehrstück. Warum war es ein gelungenes Lehrstück? Weil man anhand dieser Debatte sehr schön lernen kann, was eigentlich ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat bedeutet.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Er bedeutet eben auch, dass unsere Polizei die Aufführung eines Kinofilms, der zunächst durch eine rechtsradikale Bedrohung nicht stattfinden konnte, bewacht. Das macht unseren freiheitlichen Rechtsstaat aus.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich danke den Polizistinnen und Polizisten, die das getan haben. Ich sage Ihnen aber auch: Ich würde mir wünschen, dass das in unserem Land nicht notwendig wäre.

(Beifall im ganzen Haus)

Nun aber ein paar Bemerkungen zum Beutelsbacher Konsens. Frau Waldinger-Thiering hat uns freundlicherweise ein bisschen eingeführt. Wir wissen, das ist gar kein Beschluss. Das hat nie jemand beschlossen. Das war eine Beratung. Wir in Schleswig-Holstein haben in der vergangenen Legislaturperiode einen neuen Erlass zur politischen Bildung verabschiedet, der die Wesensgrundsätze des Beutelsbacher Konsenses bestätigt, Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot und Schülerorientierung. Es war gut, dass der Erlass das ausdrücklich aufgenommen hat, auch um unseren Lehrkräften den Rücken zu stärken und sie in ihrem Handeln zu ermutigen.

Was sagt denn dieses Kontroversitätsgebot überhaupt aus? Es fordert die Schule zur eigenen Meinungsbildung von Schülerinnen und Schülern über wissenschaftliche, gesellschaftliche und politische Kontroversen auf. Auch im Unterricht müssen diese Kontroversen dargestellt und diskutiert werden.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist der Anspruch an Demokratie-Erziehung, andere Meinungen, andere Auffassungen zu diskutieren, sie zu hinterfragen, zu verstehen, sich selbst ein Bild zu machen und - ganz wichtig - die Meinung anderer auszuhalten.

Vielleicht muss man seine Meinung auch einmal ändern. Auch das gehört übrigens zur Demokratie,

wenn man einen Irrtum erkennt. Auch das hält Demokratie aus.

Zur Herstellung der Kontroversität im Unterricht gehört es zum Beispiel auch, dass einmal Positionen dargestellt werden, die in sich eben nicht ausgewogen sind. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, Herr Brodehl: Darf man eigentlich einen Radioauftritt von Joseph Goebbels im Politikunterricht behandeln?

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: In jedem Fall! Unbedingt!)

Das ist ohne Zweifel hochmanipulativ gewesen. Selbstverständlich kann das Gegenstand des Unterrichts sein, sollte Gegenstand des Unterrichts sein. Ich glaube, schon an dieser Stelle sehen Sie, dass Ihre Argumentation tatsächlich in die Irre führt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Dr. Frank Bro- dehl [AfD]: Das ist nicht so!)

Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen zu dem Dokumentarfilm machen, über den wir hier reden. Natürlich muss ein Dokumentarfilm nicht unseren bildungspolitischen Grundsätzen entsprechen. Warum sollte er das denn tun? Natürlich gilt für diesen Film die Freiheit der Kunst. Das ist erst einmal die Grundfeststellung.

Darüber hinaus geht es aber doch auch darum, dass Demokratie immer streitbar sein muss. Genau das lernen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht und an außerschulischen Lernorten wie im Kino. Ich finde die Einrichtung der SchulKinoWoche in diesem Zusammenhang außerordentlich sinnvoll.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Kontroversitätsgebot bedeutet eben mitnichten, dass Schule politikfrei sein sollte. Es bedeutet eben nicht, dass Schule wertneutral sein sollte. Es geht natürlich darum, die Grenzen des Akzeptablen zu wahren, die übrigens nicht das Grundgesetz als Ganzes aufmacht, sondern nur die freiheitlich-demokratische Grundordnung, der Wesenskern des Grundgesetzes mit der Menschenwürde und den Prinzipien des Artikels 20 Grundgesetz. Da ist die Grenze.

Eine zweite Grenze - das will ich zum Kontroversitätsgebot auch sagen - ist, dass wegen der notwendigen didaktischen Reduktion kein Anspruch auf Vollständigkeit zu jeder Zeit besteht. Das heißt, nicht zu jedem Zeitpunkt, zu jedem Thema muss ein Sachverhalt in vollem Umfang wertneutral mit

(Ministerin Karin Prien)

allen politischen Meinungen dargestellt werden. Es geht um die Gesamtheit der Ausgewogenheit, es geht nicht um jedes einzelne genutzte Unterrichtsmaterial. Befolgten Sie Frau Waldinger-Thierings Rat und befassten sich einmal näher damit, würden Sie das, glaube ich, ohne Weiteres erkennen.

Ein weiterer Punkt. Sie haben angesprochen, es fehle an der Schülerorientierung. Bitte, das ist doch die Musik, die unsere Söhne und Töchter hören. Wie viel mehr an Schülerorientierung wollen Sie denn haben?

Ich will noch eine letzte Bemerkung machen, die ich eigentlich nicht machen wollte. Ich finde weder den Film besonders toll, noch finde ich die Musik gut. Aber eines ist doch auch klar. Wir haben es mit einer Coming-of-Age-Band zu tun. Die Zeilen, die Sie immer zitieren, stammen aus dem Jahr 2009. Wenn man sich mit dieser Band und den Inhalten beschäftigt, sollte man das auch in diesem Zusammenhang einmal tun. Das können Schülerinnen und Schüler nämlich. Sie können differenzieren. Das konnten übrigens auch die Schülerinnen und Schüler, mit denen ich diskutiert habe. Das waren Neuntklässler einer Gemeinschaftsschule. Selbst sie waren sehr wohl in der Lage, sich mit der Frage Gewalt in der Politik zu beschäftigen. Sie waren in der Lage, sich mit dieser ambivalenten Figur des Leadsängers zu beschäftigen. Lasse Petersdotter, dieser Film ist durchaus auch eine ästhetische Herausforderung, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Heiterkeit CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, danke ich Ihnen außerordentlich für diese gute und kontroverse Debatte.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Ministerin hat die vorgesehene Redezeit um 1 Minute 30 Sekunden erweitert. Diese Zeit stünde jetzt theoretisch jeder Fraktion zur Verfügung. Ich sehe nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird.

Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1109, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Damit ist der Antrag in der Drucksache 19/1109 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeordneten des SSW, der Fraktionen von FDP und CDU gegen die Stimmen der

AfD-Fraktion und der Abgeordneten von SaynWittgenstein abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/1203 (neu), abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen sämtlicher Abgeordneten bis auf die Enthaltung der Abgeordneten Sayn-Wittgenstein angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Diskussionsprozess zur Neugestaltung der Oberstufe öffnen

Antrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1150 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne somit die Aussprache. Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Martin Habersaat.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Zeitpunkt Freitagnachmittag ist nicht so richtig günstig, der Zeitpunkt Jahresbeginn 2019 insgesamt dagegen schon. Es ist ein günstiger Zeitpunkt, um über die Neugestaltung der Oberstufe in Schleswig-Holstein zu sprechen, weil seit einiger Zeit der doppelte Abiturjahrgang unsere Schulen verlassen hat, weil G 9 wieder eingeführt worden ist, aber noch nicht bis zur Oberstufe hochgelaufen ist und weil es, wie wir alle erkannt haben, Verbesserungsmöglichkeiten an unseren Profiloberstufen gibt.