Protocol of the Session on January 24, 2019

Drittens. Wir haben die Fachkräfteinitiative organisatorisch verschlankt, weil es notwendig war. Sie hat in vielen Sitzungen zu viel Papier geführt, aber nicht überall zu den notwendigen Ergebnissen.

Viertens. Wir haben etwas getan, was wichtig ist, um klarzumachen, wohin es laufen soll. Wir haben nämlich messbare Ziele definiert, und zwar für alle Partner. Diese Ziele sind gemeinsam mit den Unternehmensverbänden, den Kammern, der Agentur für Arbeit und den Gewerkschaften festgesetzt worden. Damit wird klar: Das wollen wir in diesem Land erreichen, um die Misere zu bekämpfen.

Ich will es gleich am Anfang sagen: Wir werden auch mit dieser Initiative den Fachkräftemangel nicht gänzlich beheben. Das ist schon aufgrund bestimmter soziodemografischer Strukturen nicht möglich. Wir wollen das Problem aber so strukturieren - und möglichst einschränken -, dass wir bestmöglich durchkommen.

Lassen Sie mich zu den Punkten im Einzelnen kommen. Ziel der Fachkräfteinitiative SchleswigHolstein ist und bleibt die Entwicklung und Sicherung des Fachkräfteangebots; denn Anwerbung, Ausbildung und Weiterbildung gut qualifizierter Arbeitskräfte sind für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Schleswig-Holstein von zentraler Bedeutung.

Ich will einen Punkt herausheben, der immer durch die Diskussion um den Fachkräftemangel schwirrt: Wenn es in der Projektion für Schleswig-Holstein heißt, dass ab dem Jahr 2030 - noch nach alter Erhebung; auf die neue komme ich gleich zu sprechen - rund 100.000 Fachkräfte fehlen werden, dann haben viele Leute angesichts der Berichte über Digitalisierung und ähnliche Themen die Vorstellung, dass es sich im Wesentlichen um Studierte, um Menschen mit Hochschulabschluss handeln werde. 85.000 der 100.000 Fachkräfte, die uns ab 2030 wahrscheinlich fehlen werden, sind solche mit einer normalen mittleren beruflichen Ausbildung. Deshalb muss ein Schwerpunkt darauf liegen, die berufliche Ausbildung wieder in den Blickpunkt zu rücken und zu stärken. Wenn es möglich ist, sollten alle hier im Hause daran mitwirken. In der Vergangenheit war der bildungspolitische Fokus eher auf anderes gerichtet. Wir sollten ihn wieder stärker auf die berufliche Ausbildung richten; denn diese ist ein zentrales Element unserer dualen Ausbildung, um die wir überall auf der Welt beneidet werden.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Volker Schnurrbusch [AfD])

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Themenspektrum der Fachkräfteinitiative zu breit gefasst war und die verfügbaren Kapazitäten nicht ausreichten, um alle Bereiche wirkungsvoll abzudecken. Deshalb haben wir mit den Kernpartnern eine Fokussierung auf bestimmte Themen und Schwerpunktbranchen beschlossen. So bündeln wir die Kräfte und erzielen mehr Output für die Betriebe, für die wir das Ganze schließlich machen.

Die zukünftige Arbeit der Fachkräfteinitiative wird sich entlang der Kette des Berufseinstiegs, der beruflichen Ausbildung sowie der Fort- und Weiterbildung ausrichten. Unser Credo lautet: Niemand darf uns verloren gehen, insbesondere nicht in jungen Jahren.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sind uns der erfolgreiche Übergang von der Schule in den Beruf und die Stärkung der dualen Ausbildung so wichtig.

Der Weiterbildungsbereich wiederum ist vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Arbeitswelt von großer Bedeutung; denn wer im digitalen Zeitalter mit den rasanten technologischen Entwicklungen nicht Schritt halten kann, der ist schnell abgehängt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir den Fokus auf Fort- und Weiterbildung legen. Wir müssen allen Menschen - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch Arbeitgebern - sagen, dass es erforderlich ist, sich in dem einmal eingeschlagenen Berufsweg weiterund fortzubilden, damit man weitere Chancen wahrnehmen kann.

Dass sich die Fachkräfteinitiative nicht um alle Branchen kümmern kann, habe ich vorhin bereits gesagt. Deshalb galt es zu identifizieren, in welchen Branchen der Fachkräftebedarf beziehungsweise der Fachkräftemangel am größten sein wird: Wir fokussieren uns auf die Bereiche Pflege, Handwerk, Logistik sowie Hotel- und Gaststättengewerbe; um diese Branchen wird sich die Initiative besonders intensiv kümmern.

Dafür brauchen wir klarere und effizientere Strukturen und Ziele. Es reicht nicht aus, sich hier mit stolz geschwellter Brust hinzustellen und zu sagen, wie viele Projektpartner mit dabei seien und wie viele tolle Einzelmaßnahmen es gebe. Es muss darum gehen, real etwas zu bewirken. Deswegen ist

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

das Setzen von Zielmarken in diesem Prozess besonders wichtig gewesen. Ich danke allen Partnern der Initiative dafür, dass es dazu gekommen ist.

Fünf Zielmarken haben wir uns für das Jahr 2025 gesetzt. Erstens: Wir wollen den Anteil der Jugendlichen im sogenannten Übergangsbereich - zwischen Schule, gegebenenfalls auch ohne Abschluss, und einer richtigen Ausbildung - auf 15 % senken. Der Anteil der Jugendlichen in diesem Bereich ist in Schleswig-Holstein nun einmal besonders hoch. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei 14,6 %; in Schleswig-Holstein befinden sich 21,5 % der Jugendlichen in diesem Bereich. Wir müssen den Anteil der Jugendlichen im Übergangsbereich senken. Wir wollen auf den Bundesdurchschnitt von 15 % kommen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: Wir müssen die Quote bei den sogenannten Ausbildungsvertragslösungen verringern. Auch hier ist der Anteil in Schleswig-Holstein im Bundesdurchschnitt mit derzeit etwa 29 % überdurchschnittlich hoch; wir wollen diesen Anteil auf 22 % senken.

Drittens: Wir wollen die Beschäftigungsquote von Frauen von derzeit 54 % auf 58 % erhöhen.

Viertens: Wir wollen die Beschäftigungsquote von älteren Menschen, von Menschen zwischen 60 und 65 Jahren, von derzeit 39 % auf 48 % steigern; dieser Bereich hat ein erhebliches Potenzial zur Behebung des Fachkräftemangels.

Fünftens: Wir wollen den Anteil von Fachkräften an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 75 % auf 86 % steigern.

Meine Damen und Herren, das sind die Ziele. Mit unseren Maßnahmen - nicht über das Vergaberecht - sorgen wir dafür, dass sich das Lohnniveau und anderes in Schleswig-Holstein in die richtige Richtung bewegt.

(Beifall FDP und CDU)

Um diese Benchmarks zu erreichen, neue Schwerpunkte zu setzen und diese mit einer aussagekräftigen Datenbasis zu unterlegen, haben wir eine neue Studie Fachkräfteprojektion 2035 für SchleswigHolstein erstellt. Diese Studie prognostiziert für das Jahr 2035 einen noch stärkeren Fachkräftemangel als bisher angenommen. 2035 sollen im Land etwa 180.000 Arbeitskräfte fehlen. Würde man annehmen, dass die Wirtschaft weiterhin kontinuierlich wächst, kann sich der Mangel auf bis zu 300.000

Arbeitskräfte im Land erhöhen. Das muss man auch in der weiteren politischen Diskussion berücksichtigen, in der wir oft noch über Arbeitslosigkeit reden.

Der Faktor, der das Wirtschaftswachstum derzeit am meisten hemmt, ist der Mangel an Fachkräften. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle Zielgruppen, die wir erschließen können, ansprechen. Dazu gehören insbesondere auch die Zielgruppen, die ich genannt habe.

Lassen Sie mich zum Schluss auch sagen: Dazu gehört auch die Zuwanderung.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir brauchen die Zuwanderung für den Arbeitsmarkt. Die Auswahl der Zugewanderten sollte nicht nur vor dem humanitären Hintergrund erfolgen. Wir brauchen die Zuwanderung vor dem Hintergrund dieser Projektion - das ist abzusehen -, um den Bedarf für die Wirtschaftskraft des Landes tatsächlich decken zu können. - Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überzogen. Diese Zeit steht natürlich allen Fraktionsrednern zusätzlich zur Verfügung. Die Zeit in Anspruch zu nehmen, ist allerdings nicht verpflichtend.

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Lukas Kilian.

(Zurufe: Oh!)

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Minister hat es auf den Punkt gebracht: Wir müssen die Durchschlagskraft erhöhen und Fachkräfte gewinnen. Wir müssen Schwerpunkte setzen und uns auf die Bereiche konzentrieren, bei denen es massiv brennt; bei der Fachkräftegewinnung haben wir insgesamt ein sehr großes Problem.

Wenn die Zahlen, die Sie zum Abschluss genannt haben, zutreffen, besteht in diesem Land bis 2035 eine Lücke von bis zu 300.000 Fachkräften. Dann geht es gar nicht anders, als dass wir uns als Land zumindest politisch auf einen Teilbereich konzentrieren, weil wir nicht alle Probleme lösen können.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Die Landesregierung - Sie haben es angesprochen will sich auf vier Bereiche konzentrieren. Ich halte die Auswahl der Bereiche für sehr gut. Es handelt sich unter anderem um den Bereich der Pflege. Die Situation in der Pflege ist bekannt. Es ist schon jetzt unfassbar schwierig, Pflegefachkräfte zu gewinnen. Der Mangel an Pflegefachkräften wirkt sich insbesondere bei denjenigen aus, die Hilfe und Unterstützung dringend brauchen.

Den Fachkräftemangel erlebt man allerdings auch im Handwerk, einem weiteren Bereich, der ausgewählt wurde. Bereits 1669 hieß es im Simplicissimus: „Gut Ding will Weile haben.“

Diesen Spruch kann man sich mittlerweile ins Gedächtnis rufen, wenn man einen Handwerkertermin vereinbaren möchte. Durch die massive Auslastung und den Fachkräftemangel kommt es in diesem Bereich inzwischen zu erheblichen Wartezeiten. Allerdings bezieht es sich nicht nur darauf, dass der Kunde warten muss. Das gilt auch für Betriebsübernahmen. Ganze Handwerksbetriebe und die Arbeitsplätze sind in diesem Land durch den Fachkräftemangel massiv gefährdet. Wir versuchen mit der Meistergründungsprämie, da gegenzusteuern. Aber ich finde es gut und richtig, dass wir mit der Fachkräfteinitiative ebenfalls gegensteuern.

In der Logistik und im Tourismus - das weiß man herrscht ein sehr harter Wettbewerb um Fachkräfte. In meinem Heimatkreis Stormarn haben wir diesen Sommer einen massiven Abwerbewettbewerb bei Lkw-Fahrern erlebt. Der eine oder andere im Kreis Stormarn und im Herzogtum Lauenburg hat über Wochen immer wieder aus dem Fenster geschaut und gehofft, dass die Mülltonne geleert, dass der Gelbe Sack abgeholt wird. Inzwischen gibt es für Lkw-Fahrer Kopfprämien, weil es so schwierig ist, diese Fachkräfte zu gewinnen.

Ohne Logistik funktioniert keine Wirtschaft. Wir brauchen Logistik, um unsere Waren in die Supermärkte zu bringen; wir brauchen Logistik, um unsere Bestellungen von Amazon oder anderen Anbietern zu uns nach Hause transportiert zu bekommen. Unsere Gesellschaft ist derart vernetzt, dass das ein massiver Bereich ist, der dazu dient, unseren Wohlstand zu sichern.

Deswegen ist es richtig, dass der Bereich Logistik und der Bereich Tourismus - er ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Schleswig-Holstein - für die Fachkräfteinitiative ausgewählt wurden.

Wenn man sich die Schwerpunkte anschaut - Logistik, Pflege, Handwerk und Tourismus -, dann sieht

man, dass - das soll keine Provokation sein – die Jamaika-Koalition funktioniert.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Die ausgewählten Branchen sind von besonderer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Potenzial von Geflüchteten, Frauen, älteren Menschen und Menschen mit Behinderung für den Arbeitsmarkt. Lassen Sie die Zielgruppen, die unsere Landesregierung damit identifiziert hat, auf sich wirken. Daran sieht man, dass gute Wirtschaftspolitik soziale Fragen wie Integration und Gleichstellung ganz ohne großes Tamtam und Trara umfasst. Wenn man gute Wirtschaftspolitik macht, kann man die Menschen ganz anders und viel besser einbinden.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich glaube, es ist völlig richtig, die Anstrengungen zu konzentrieren. Ohne Fachkräfte, ohne gut ausgebildete und weitergebildete Mitarbeiter nützt die beste Wirtschaftspolitik eines Landes nichts. Der Fachkräftemangel wird immer größer; das wurde dargestellt.

Deswegen müssen wir uns auf die drängendsten Bereiche fokussieren. Die Landesregierung macht das jetzt. Wir werden die Landesregierung bei der Umsetzung ihrer Fachkräfteinitiative tatkräftig unterstützen. Wir danken für den Bericht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags die Damen und Herren der CDUSenioren-Union. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!