Protocol of the Session on November 7, 2018

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Alle sagen, dass Bildung das wichtigste Thema sei. Ich glaube, bei jeder Partei steht das auf der Seite eins ihres Parteiprogramms. Das haben die CDU und auch die SPD, gerade in Bezug auf Bildungsgerechtigkeit. Alle sagen, das ist Thema Nummer eins. Die Befristung wird beim Wohnen und beim Verkehr herausgenommen, nicht aber beim Digitalpakt. Ich verstehe es nicht. Also, da hätte ich gern einmal eine Antwort von den beiden Parteien der GroKo. Ich hoffe allerdings, dass wir da zumindest im Land gemeinsam kämpfen.

Jetzt kommt diese wirklich komplizierte Geschichte mit dem Digitalpakt. Je mehr wir im Bundesrat fordern, dass es mehr freie Mittel oder mehr Kooperationsmöglichkeiten vom Bund gibt, desto mehr will der Bund Einfluss auf die Bildungspolitik nehmen. Logisch, die sagen dann: klebrige Hände. Ich habe mir neulich den Beitrag eines Kollegen angeguckt, der sagte, wenn man den Ländern Geld gibt, dann das ist doch klar - kommt es ohnehin nicht dort an, wo es hin soll. Ich meine, wofür geben denn fast alle Länder ihr Geld aus? Sie stecken das in Bildung, und zwar ganz egal, wer Ministerpräsident ist beziehungsweise welche Farbe seine Partei hat. In fast jedem Land wird das Geld für Bildung ausgegeben, und fast jedes Land hat viel zu wenig Geld für Bildung.

Dass sich jemand im Bundestag hinstellt und sagt, wenn wir denen dafür Geld in Form von mehr Umsatzsteuerpunkten geben, dann geben die das für den falschen Zweck aus, hat mich befremdet. Das würde ich zum Beispiel über die Kommunen nicht sagen. Gäben wir den Kommunen Geld, würde ich nicht sagen, dass die alles für falsche Sachen ausgeben. Das finde ich ein bisschen komisch.

Hinsichtlich größerer Einflussmöglichkeiten des Bundes sagen die reichen Länder - das ist zum Beispiel Herr Kretschmann in Baden-Württemberg, der sich das leisten kann -: Na, wir wollen dann kein Bundesgeld, wenn die bei uns Einfluss nehmen. Bildungsnahheit und Föderalismus stehen für uns über allem; wir möchten gerne selbst bestimmen. In diesem Zwiespalt stecken wir sozusagen. Ich wünsche mir,

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

- Wunschkonzert -, dass wir immer das Kind oder den jungen Erwachsenen in 20 oder 30 Jahren im Blick behalten. Wenn Kinder heute in Bezug auf digitales Lernen nicht gut ausgebildet werden und keine Chancen haben, dann werden sie doch nicht

fragen, ob das damals eine Bundesentscheidung, eine Landesentscheidung oder eine Entscheidung des Schulträgers vor Ort war. Das ist den Bürgerinnen und Bürgern vollkommen „Lattenhagen“. Wir müssen dafür sorgen, dass die nächste Generation gut aufgestellt ist. Nur darum geht es. Das muss auch gerecht geschehen, egal, welcher Herkunft das Kind ist. Jedes Kind muss eine gute Chance haben. Deswegen müssen wir - ich finde, in SchleswigHolstein gelingt das schon sehr gut - an einem Strang ziehen und dafür sorgen, dass das Geld für digitale Bildung fließt. Ich werde mich in meiner Partei dafür einsetzen und gehe davon aus, dass Sie sich in ihren Parteien ebenfalls dafür einsetzen werden. Das ist ein Zeichen, was von hier ausgehen muss. Wir brauchen einen Schulterschluss. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der SPD-Fraktion ausgesprochen dankbar für die Anmeldung dieser Aktuellen Stunde. Wir haben bei Aktuellen Stunden schon deutlich schlechtere Themen gehabt, wie ich finde.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Zuruf SPD)

Es ist ein sehr wichtiges und aktuelles Thema. Der Antrag hätte auch von uns kommen können, und ich freue mich, dass die SPD immer noch so einfach zu begeistern ist. Hier kommen zwei große Themen zusammen, die meine Fraktion sehr umtreiben, und zwar der Umgang mit der Digitalisierung und die notwendige Stärkung der Bildungslandschaft. Seit Jahren schon wird innerhalb der Großen Koalition, die ja gar nicht mehr so groß ist, über den Digitalpakt diskutiert. Jetzt müssen wirklich auch einmal Taten folgen. Es ist aus unserer Sicht kein Ruhmesblatt, dass seit über zweieinhalb Jahren über den Digitalpakt verhandelt wird und das Ergebnis dann so aussieht, wie es derzeit der Fall ist. 5 Milliarden € für fünf Jahre klingen ja erst einmal nach viel Geld; das ist es ja auch. Allerdings muss man sagen: Es ist letztlich viel zu wenig, wenn man das Problem vernünftig anpacken will.

(Beifall FDP)

(Eka von Kalben)

Wenn man das nachrechnet - der Kollege Habersaat hat das schon getan -, dann stellt man fest, dass das nicht einmal 100 € pro Schüler und Jahr sind. Ich halte es nicht für besonders nachhaltig, hier nur wieder eine Art Anschubfinanzierung für Investitionen vorzunehmen. Die Digitalisierung der Schulen muss deutlich mehr beinhalten als das, was hier vorliegt. Es macht keinen Sinn, nur den Overheadprojektor, den wir alle noch kennen und der teilweise in Schulen immer noch zum Einsatz kommt, durch einen Beamer zu ersetzen. Das hat mit Digitalisierung der Bildung nichts zu tun. Das ist nicht das Ziel.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Martin Habersaat [SPD])

Meine Damen und Herren, auch Breitbandanschlüsse, woran das Land ja schon konsequent arbeitet, und moderne Hardware allein reichen nicht aus. Wir brauchen auch entsprechende Lehreraus- und -fortbildung. Wir brauchen in der Tat digitale Hausmeister. Ich glaube, man wird nicht sofort für jede Schule einen IT-Fachmann bekommen, sondern man muss da auch Firmen aus der Region einsetzen. Aber dafür braucht man eben auch Geld, das man das dauerhaft hat. Das kostet eben nicht wenig. Man braucht auch pädagogische Konzepte, auf deren Grundlage man die Digitalisierung sinnvoll in die Schulen bringt. Auch das ist ein Punkt, bei dem wir großen Nachholbedarf haben. Das haben einige Vorredner schon gesagt. Das Geld muss also dauerhaft und verlässlich an die Schulen und die Kommunen kommen. Das muss das Ziel sein.

Die Bundesregierung ist hier also nicht nur extrem langsam, sondern sie springt auch viel zu kurz. Der bisherige Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist aus unserer Sicht viel zu ambitionslos und würde nicht dazu beitragen, dass wir bei der Digitalisierung der Bildung nennenswert aufholen können. Das muss man doch ernsthaft diskutieren. Da kann man doch nicht mit irgendwelchen Appellen kommen. Nicht einmal die 5 Milliarden € - auch das wurde schon gesagt - sind im Bundeshaushalt bisher gesichert. Auch das ist eine schlechte Grundlage, um darüber zu beraten.

(Beifall FDP)

Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass der Bund mindestens die doppelte Summe für diesen Zeitraum in die Hand nehmen sollte, also ungefähr 200 € pro Schüler und Jahr. Das sagt auch ungefähr die Bertelsmann-Stiftung, die sich sehr intensiv damit beschäftigt hat. Ich empfehle jedem, sich das anzuschauen.

Der Kern der Debatte ist doch folgender: Der Bildungsföderalismus in seiner jetzigen Form ist überholt und nicht mehr zielführend.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist gut, gerade nach den - ich sage einmal - etwas durchwachsenen Jamaika-Gesprächen im vergangenen Jahr, dass sich FDP und Grüne für eine Grundgesetzänderung einsetzen, die über das hinausgeht, was die Große Koalition vorschlägt. Ich weise noch einmal dezent darauf hin: FDP und Grüne werden für eine Grundgesetzänderung im Bundestag gebraucht, wenn man nicht mit den LINKEN und der AfD zusammenarbeiten will. Es ist eben sinnvoll, dass hier nicht nur Investitionen bezuschusst werden, sondern dass dauerhaft und stärker mitfinanziert wird. FDP und Grüne auf Bundesebene haben das erkannt. Wir wollen, dass das unsinnige Kooperationsverbot ganz gekippt wird, wie wir das eigentlich alle seit Jahren fordern. Bildung muss eine gesamtstaatliche Aufgabe sein.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die FDP hat lange mit sich gerungen, und es ist in fast jeder Partei wohl ein Nord-Süd-Konflikt, weil natürlich die finanz- und wirtschaftsstarken südlichen Bundesländer sagen: Nein, wir wollen das allein machen. Wir wollen den Bund da nicht drin haben; denn wenn er mit bezahlt, will er natürlich auch mitreden. - Das ist ja völlig logisch. Ich kann verstehen, dass Bundesländer - wie Baden-Württemberg - immer noch sagen: Gebt uns doch einfach mehr Geld aus dem allgemeinen Steuertopf, und dann machen wir das selber, Kulturhoheit der Länder. - Das finde ich sehr sympathisch und auch nachvollziehbar. Das Problem ist nur, dass das völlig unrealistisch ist. Das wird nicht passieren. Deswegen muss man den anderen Weg gehen und sagen: Okay, der Bund muss in die Finanzierung rein, dann redet er auch mit. - Das ist dann auch die Chance, zu gemeinsamen Standards zu kommen, die wir brauchen.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Chancen eines jungen Menschen dürfen aus unserer Sicht nicht vom Wohnort abhängen. Sie dürfen nicht davon abhängen, ob man an der Westküste, in Kiel oder im Hamburger Umland groß wird. Sie dürfen auch nicht davon abhängen, ob man aus Bremen, Bayern oder Brandenburg kommt. Die Chancen eines jungen Menschen müssen in Deutschland insgesamt gleich sein. Wir stehen in

(Christopher Vogt)

einem internationalen Wettbewerb, und die Welt wartet nicht auf uns.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich finde es schon schräg - Herr Kollege Loose, Sie haben es heute wieder getan, wie schon andere Unionsvertreter, teilweise auch SPD-Vertreter, habe ich gelesen -, wenn jetzt gesagt wird: Mein Gott, wir haben zweieinhalb Jahre gebraucht, um so ein dürftiges Ergebnis vorzulegen, jetzt müssen FDP und Grüne einmal zustimmen; ansonsten ist das Trödelei. - Wie schräg kann man drauf sein, Herr Kollege Loose? Man muss ganz ehrlich sagen, das alles war so ambitionslos und so langsam, dass man ein bisschen mehr Selbstkritik üben und sich vielleicht daran erinnern sollte, wie unsere Verfassung aussieht.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man eine gemeinsame Mehrheit braucht, dann muss man auch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. So einfach ist das. Die Blockierer sitzen bei Union und SPD und nicht bei FDP und Grünen. Das muss man noch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt haben wir beide die Koalition schon zu Beginn der Landtagssitzung erfolgreich gespalten.

(Heiterkeit)

Das ist doch wunderbar. Es kommen ja noch Tagesordnungspunkte, bei denen wir wieder mehr zusammenfinden.

Ich will noch einmal deutlich sagen, um das versöhnlich abzuschließen: Schleswig-Holstein wird sich sehr konstruktiv einbringen. Im Bundestag muss jetzt erst einmal eine vernünftige Lösung her. Ich bin mir sicher, dass auch im Bundesrat - vielleicht mit Ausnahme von Baden-Württemberg - eine ausreichende Mehrheit zustande kommen wird. Wir müssen die Digitalisierung engagiert anpacken. Bildung muss Priorität haben. Dafür braucht es mehr Anstrengung und weniger Sabbelei. - Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die SPD hat es wieder getan, was auch mich verwirrt hat. Sie hat eine Aktuelle Stunde zu einem wichtigen Thema beantragt, aber so aktuell ist es dann doch nicht. Immerhin: Das Treffen der Länderchefs ist schon zwei Wochen vorbei.

(Martin Habersaat [SPD]: Wie lange ist das her?)

- Genau, wie lange ist das her? Einmal kurz nachrechnen: Ein Antrag hätte es durchaus auch getan. Zwei Wochen ist es her.

(Zuruf SPD: Nein, nach Antragsfrist, Herr Kollege!)

- Ein Antrag hätte es auch getan. Aber es muss schon eine Aktuelle Stunde sein. Damit können Sie die Ihnen verbliebenen Wähler natürlich beeindrucken. Mit ihrer Machtfülle beantragt die SPD eine Aktuelle Stunde. Schade nur, dass eben nichts Aktuelles, nichts wirklich Aktuelles auf der Tagesordnung steht. Das gibt uns aber die Gelegenheit, einmal etwas Grundsätzliches zum Thema Digitalisierung von Schule und zum Thema Kooperationsverbot zu sagen.

Zunächst einmal zur Grundgesetzänderung. Der Bund lockt nun also mit Förderprogrammen für Schulen. Gut, könnte man sagen. Die Digitalisierung zu bewerkstelligen, ist natürlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es kann nicht sein, dass man in Berlin auf gut gefüllten Finanzsäcken sitzt, während einige Länder es nicht schaffen, ihre Schulen mit dem Notwendigsten auszustatten. Wir reden hier über etwas Grundsätzliches, über eine zeitgemäße digitale Infrastruktur, die eben nicht nur mit dem Smartphone oder dem Tablet auskommt. Letzteres gilt auch für Schleswig-Holstein. Ich kann deswegen ja auch die Bildungsministerin Prien gut verstehen, dass sie auf diese 43,5 Millionen €, die unserem Land dann voraussichtlich ab dem 1. Januar 2019 zugutekommen werden, eigentlich nicht verzichten will.

Einmal mehr soll aber dafür nun das Grundgesetz geändert werden. Eine Grundgesetzänderung ist nichts Geringes. Das ist nichts, was man einfach einmal so nebenbei macht. Es geht es um den Artikel 104 c GG, den es so lange ja auch noch gar

(Christopher Vogt)

nicht gibt. Künftig soll es also so sein, dass nicht nur finanzschwache Gemeinden und Kommunen Gelder beantragen können, vielmehr sollen alle Kommunen Gelder beantragen können. Aber weil schon die Einführung des Artikels 104 c GG ein Fehler war, macht es das nicht gerade leichter, diesen Weg weiter zu gehen. Man könnte jetzt auch erkennen: Mensch, das war ein Fehler; wir bereinigen das, wir heilen das. - Aber das ist nicht geplant, sondern das Gegenteil ist geplant. Es soll eher ein Zwei-Stufen-Modell verfolgt werden. Zunächst einmal soll Artikel 104 c GG noch einmal geändert werden, um dann letztlich die völlige Aufhebung des Kooperationsverbotes zu erreichen.

Mit uns, meine Damen und Herren, wird es das nicht geben. Es wird keine scheibchenweise Auflösung des Föderalismus geben. Die Bildungshoheit der Länder - das war vor Jahren noch Konsens - ist der Garant dafür, die Schulen, die Bildung vor Gleichmacherei und vor Experimentierwut zu schützen.