Protocol of the Session on September 26, 2018

Da kann man schon das Gefühl bekommen: Es geht gar nicht so sehr um die Person, die dort geschädigt worden ist. Es geht gar nicht so sehr um Gewalt von Männern gegenüber Frauen, sondern es geht der AfD nur darum, wieder einmal einen Einzelfall zu nutzen, um gegen Ausländer zu hetzen. Das dürfen wir Ihnen so nicht durchgehen lassen.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Schauen wir uns doch einmal an, was wir gestern berichtet bekommen haben. Ich finde es wichtig, dass die Menschen draußen hören, was gestern im Ausschuss berichtet wurde.

Es gab einen Iraner, der eine Frau mit einem Messer angegriffen hat. Die Frau ist verletzt worden. Es bestand glücklicherweise keine Lebensgefahr. Die Frau ist inzwischen wieder aus dem Krankenhaus heraus, was mich sehr froh stimmt. Andere Mitbewohner haben der Frau im Übrigen beigestanden und den Mann überwältigt. Das waren übrigens auch Ausländer. Davon gibt es in Boostedt ein paar mehr.

Vor diesem Hintergrund haben wir - wie soll man es ausdrücken? - inzwischen eine recht gute Informationslage. Wir haben auch mitgeteilt bekommen - wir leben in einem Rechtsstaat -, dass die Person, die die Tat verübt hat, mittlerweile in Gewahrsam ist. Es ist also alles sicher. Die Person hat sich auch nicht außerhalb der Einrichtung gewalttätig hervortun können, weil sie gleich in Gewahrsam genommen worden ist. Es bestand also auch keine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Boostedter. Es war eine Beziehungstat.

Es war eine Beziehungstat, wie wir sie auch von Deutschen kennen - leider auch von Deutschen kennen. Diese Straftat unterscheidet sich nicht von Straftaten, die wir auch von Deutschen kennen. Dann fragt man sich schon: Warum wird denn nicht jeder Fall genutzt, um ihn hier in einer Aktuellen Stunde zu debattieren, also auch die Fälle, in denen Deutsche die Täter sind? Wieder stellt man fest: Es geht der AfD nur darum, gegen Ausländer zu hetzen. Nur dann werden solche Fälle hier im Parlament auf Antrag der AfD behandelt.

(Christopher Vogt)

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Wir haben gestern eine weitere Information bekommen, nämlich dass es zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei vereinbarte Leitlinien gibt, wie man mit Fällen in der Öffentlichkeit umgeht. Bei Beziehungstaten ist die Grundlage eigentlich immer der Schutz der betroffenen Personen. Oft sind mittelbar Kinder beteiligt, wenn sich die Eltern miteinander „streiten“ und es möglicherweise zu Gewaltdelikten kommt. Dann sagt man grundsätzlich erst einmal, man gibt keine Information heraus, es sei denn, man wird gefragt. Das tut man, um Menschen, die darum herum beteiligt sind, aber möglicherweise auch das Opfer zu schützen.

(Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

- Das ist vernünftig. Ganz wichtig: Daran sollte man auch festhalten.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Ich sage es noch einmal, weil es mir ganz wichtig ist: Der Täter war in Haft. Es bestand auch keine Gefahr, dass man hätte erzählen müssen: „Leute, es besteht eine Gefahr, weil dieser Täter noch herumläuft.“ Diese Gefahr bestand nicht.

Wir reden hier darüber, was man auf einer Einwohnerversammlung hätte sagen können, kurz nachdem die Tat passiert ist, nämlich einige Tage später. Nun kann man erst einmal sagen: Wenn die Regierung in Boostedt bei wechselnder Couleur Einwohnerversammlungen durchführt, Leute über alles Mögliche informiert, Sorgen der Bevölkerung aufnimmt, mit ihr diskutiert - wie viel mehr Offenheit kann es geben, meine Damen und Herren? Das ist Offenheit, und das ist auch gut so. Erst einmal ist festzustellen: Unsere Regierung hat offen und transparent gearbeitet.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Trotzdem hätte auf der Einwohnerversammlung eine Information erfolgen sollen. Man hätte sich vorher abstimmen und schauen können, ob man das den Leuten zur Kenntnis geben kann, weil es in der lokalen Gemeinschaft sicherlich eine Relevanz hat. Das hat man nicht getan. Man hat aber festgestellt das hat man uns gestern in der Sitzung des Innenund Rechtsausschusses gesagt -, dass man das in Zukunft anders handhaben will. Was mehr kann ich von einer Regierung verlangen, wenn Sie selber einen Fehler einsieht, dass sie sagt: „Den werde ich

in Zukunft korrigieren“? Dann ist für mich als Politiker eigentlich ein Schlussstrich darunter zu ziehen. Das ist okay. Dann weiß ich, es wird in Zukunft besser laufen.

Das ist es aber nicht, was die AfD interessiert. Das konnten wir gerade eben bei Herrn Schaffer hören; er hat zu 90 % über völlig andere Dinge als über dieses Thema geredet.

Man muss sich immer vor Augen halten: Wenn wir über Mord- und Totschlagdelikte und darüber reden, dass Männer gegen ihre Frauen vorgehen, reden wir in diesem Deliktfeld über 400 Fälle - also jeden Tag einer und viele mit tödlichem Ausgang. Das ist das eigentliche Problem.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Darüber, wie man solcher Gewalttaten Herr werden kann - egal, welche Nationalität die Leute haben; die meisten davon sind Deutsche -, können wir gern einmal fachlich reden.

Betrachtet man die Straftaten bei uns, ergibt das ein ganz interessantes Bild, auch wenn Eka von Kalben sagt, man erreiche damit nicht viele Leute. Anfang der 2000er-Jahre hatten wir 9.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Das ist noch gar nicht so lange her; daran können sich die meisten noch gut erinnern. Im Jahr 2017 waren es 6.557 Straftaten - ein Rückgang um 25 %. Ich finde, das kann uns erst einmal recht zufrieden machen.

Natürlich sind das immer noch 6.557 Straftaten zu viel, aber man merkt: Da geht etwas zurück. Man kann das auch bei den Mord- und Totschlagdelikten sehen - nicht nur wenn eine Tat vollendet wird, sondern auch bei einem Versuch handelt es sich um ein Delikt -: 731 Delikte hatten wir im Jahr 2017, davon wurden 83 Delikte von Ausländern, die anderen 90 % von Deutschen begangen. Die Ausländertatbeteiligung in solchen Fällen lag in der Vergangenheit immer zwischen 50 % und 70 %. Da gibt es also eine kleine Steigerung. Es waren in diesem Deliktfeld tatsächlich zehn Leute mehr „tätig“. Trotzdem, meine Damen und Herren, sind das Zahlen, die wesentlich niedriger ausfallen als in der Vergangenheit. Noch im Jahr 2000 betrug diese Zahl 1.000 und in der alten Bundesrepublik - ohne die ehemalige DDR - immer zwischen 700 und 1.000. Das heißt: Die Kriminalitätszahlen der letzten zehn Jahre fielen niedriger aus als in den Jahrzenten zuvor.

Wir leben in einem sicheren Land, weil wir hier einen funktionierenden Rechtsstaat und eine Polizei

(Lars Harms)

haben, die wirklich hervorragend arbeitet, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch etwas: Der Kollege Schaffer hat einen Rundumschlag gemacht. Er hat sich noch einmal über Abschiebung und das angebliche Versagen der Landesregierung ausgelassen und hat sicherlich über einen Zeitungsbericht von heute reflektiert. Darin stand: Auf eine Abschiebung kommen drei Abschiebungen, die nicht funktioniert haben. - Da kann man erst einmal den Gedanken haben: Oh, das ist ja ganz fürchterlich! Man hat versucht, die Leute zu finden, und die sind alle weggerannt, und dann waren die weg. - Nein, es sind die wenigsten, die tatsächlich untertauchen.

Warum kann eine Abschiebung möglicherweise nicht vollzogen werden? - Weil erstens möglicherweise jemand Kirchenasyl in Anspruch nimmt. Dagegen kann man etwas haben; dann soll man das sagen. Ich finde es immer noch gut, dass Kirchen so etwas machen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt kann sein: Die betroffene Person wird krank und ist nicht transportfähig. Ich finde, auch dann sollte man jemanden nicht abschieben, sondern kann noch ein bisschen warten, bis diese Person wieder gesund ist.

Der dritte Punkt - auch das gibt es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD -: Es könnte sein, dass der eine oder andere Rechtsmittel einlegt. Wir leben in einem Rechtsstaat. Jeder Mensch - nicht nur jeder Deutsche, sondern jeder Mensch - hat das Recht, Rechtsmittel einzulegen. Das könnte dazu führen, dass man dann noch nicht abgeschoben wird.

Damit komme ich zum letzten Punkt, und der ist mir besonders wichtig, weil es ein schleswig-holsteinischer Punkt ist - so würde ich es einmal nennen -: Wir haben ein Rückkehrmanagement. Manchmal werden Abschiebeverfügungen auch ad acta gelegt, weil man sich mit den Menschen einig geworden ist, auf welche Art und Weise jemand freiwillig zurückkehrt. Das sind die meisten Fälle. Darüber, dass wir das so hinbekommen haben, können wir wirklich froh sein.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf die Zeit.

Ja, vielen Dank, Herr Präsident. - Das zeigt eben ganz deutlich, wes Geistes Kind die AfD ist. Man will hier nur hetzen, man will hier nur gegen Ausländer vorgehen. Das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir wollen ein freiheitliches und ordentliches Land haben. Wir werden dafür weiter kämpfen und sind ohnehin die Mehrheit. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schaffer, ich habe mich inzwischen oft erklärt und für die, die es hören wollen, auch die Zusammenhänge erläutert - in Presseerklärungen, in Interviews und erst gestern ausführlich im Innenund Rechtsausschuss. Das war wirklich eine gute Informationsrunde; aber die dort getroffenen Aussagen, Herr Schaffer - das muss ich einfach konstatieren -, haben Ihnen nicht gepasst; sonst hätten Sie sich an dem Gespräch beteiligt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Herr Schaffer, ich gehe nicht auf Ihre Aussagen hier ein, möchte aber eines in jedem Fall noch einmal festhalten: Für mich ist ein offener und transparenter Umgang mit dem Thema Kriminalität insgesamt wichtig, und dabei gilt es, die Situation weder zu beschönigen noch zu dramatisieren. Es gilt, die Lage so, wie sie ist oder wie es die Situation verlangt, darzustellen. Dazu gehört für mich, dass wir mit Straftaten von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit genauso offen wie mit jeder anderen Straftat in diesem Land umgehen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich sage aber auch ganz bewusst: Allein die Tatsache, dass eine Straftat von einem Flüchtling oder Zuwanderer begangen wird, begründet für mich

(Lars Harms)

kein gesteigertes öffentliches Interesse, so wie Sie es heute darstellen möchten.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich stelle mich ganz entschieden gegen jeden Versuch, die Taten Einzelner für pauschale Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Zuwanderer zu missbrauchen.

Wir nehmen die Sorgen der Menschen in diesem Land sehr ernst. Wir haben das auch in Boostedt getan; darum sind Torsten Geerdts und ich da hingegangen. Darum hat der Staatssekretär im Vorwege dort so viele Gespräche mit dem Bürgermeister geführt. Aufgrund von Vorfällen innerhalb wie außerhalb der Einrichtung haben wir mit Verstärkung beim Betreuungspersonal, beim Wachpersonal und - intensiv - bei der Polizei und beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten reagiert. Auch hierzu habe ich gestern im Innen- und Rechtsausschuss ausführlich vorgetragen. Von Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD, kam keine einzige Frage. Heute kamen, wie ich finde - das muss ich wirklich sagen; ich bin ja sehr vorsichtig mit der Beurteilung -, nur Polemik und Agitation. Was Sie hier machen, hat nichts, aber auch gar nichts mit Klärung zu tun, sondern ist pure Hetze gegen Asylsuchende.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Herr Schaffer, wir werden in Schleswig-Holstein weiterhin Asylsuchende aufnehmen und ihnen helfen. Das ist richtig so - nicht nur, weil es im Grundgesetz steht, sondern weil es richtig ist. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)