Protocol of the Session on September 7, 2018

- Noch einmal: Ich verstehe, ehrlich gesagt, Ihr Problem nicht. wir haben Gemeinschaftsschulen mit Oberstufen. Da ist es sinnvoll, dass Gymnasiallehrer eingesetzt werden können, die eine passgenaue Ausbildung dafür haben. Das finde ich absolut sinnvoll. Sie sind ja auch Gymnasiallehrer geworden. Ich weiß nur nicht, was das mit Standesdünkel zu tun hat. Ich denke, es macht Sinn, für unterschiedliche Schulformen die Lehrer ideal auszubilden. Das Problem der SPD verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht. Es gibt an vielen Gemeinschaftsschulen Oberstufen, und dass da Gymnasiallehrer eingesetzt werden sollen, ist meines Erachtens völlig logisch. Ich verstehe Ihr Problem nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist ein kluger Kompromiss, der die Lehrerausbildung besser macht. Ich freue mich auf die Ausschussberatung und die Weiterentwicklung der schleswigholsteinischen Lehrerausbildung. Ich denke, das ist ein gutes Gesetz für unsere Bildungslandschaft. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste, liebe Schüler! Dass es heute um mehr geht als um eine nebensächliche Anpassung im Lehrkräftebildungsgesetz, das dürfte inzwischen jedem klar geworden sein. Um des Pudels Kern aber besser zu erfassen, lassen Sie mich einmal kurz chronologisch vorgehen. Zum besseren Verständnis, was genau passiert ist, habe ich einmal ein paar Zwischenüberschriften gewählt: ein

„schlechter Tag“, ein „guter Tag“ und ein „sehr guter Tag“ für unsere Schullandschaft.

Ein schlechter Tag: 1. August 2014. Die Küstenkoalition hatte Hauptschule und Realschule vor Kurzem abgeschafft und zusammengelegt. Viele Sonderschulen waren zu diesem Zeitpunkt auch schon geschlossen worden. Nur die letzte Bastion der bürgerlichen Mitte, das ungeliebte Gymnasium, war noch nicht in der Einheitsschule aufgegangen.

Um mittelfristig ein paar Fakten schaffen zu können, erfanden SPD und SSW kurzerhand das Sekundarschullehramt. Man konnte fortan nicht mehr Lehrer für Hauptschule, Realschule oder Gymnasium werden, sondern war als Sekundarlehrer universal einsetzbar von Klasse 5 bis 13. Ohne Gymnasiallehramt kein Gymnasium mehr. Das war der Plan. Was für eine Raffinesse!

Die CDU sprach damals wahlweise von einem - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - „vermurksten“ oder „bescheuerten“ Gesetz. Das, was die CDU damals wohl eigentlich aussagen wollte, was sie meinte, versuche ich einmal zu übersetzen: bescheuert, vermurkst - gleich: Das Gesetz hält pädagogischen Erkenntnissen nicht stand; denn Lehrer müssen entsprechend der Bedürfnisse ihrer Schüler ausgebildet werden. Und weil nicht alle Schüler gleichermaßen klug, fleißig, begabt, motiviert und interessiert sind, kann dem das Einheitslehrermodell auch nicht gerecht werden.

Ein guter Tag: 7. September 2018. Das stufenbezogene Einheits- und Sekundarschullehramt wird ersetzt. Künftig wird in der Lehrerausbildung zwischen Gemeinschaftsschullehrern und Gymnasiallehrern unterschieden. Das neue Lehrkräftebildungsgesetz sieht wieder eine spezifische schulartbezogene Ausbildung für Lehramtsstudenten vor. Und das, meine Damen und Herren, bedeutet nicht weniger als eine Trendwende. Dass damit der Traum von der Einheitsschule zumindest nach sozialistischer Vorstellung geplatzt ist, ist nur ein äußerst beruhigendes Nebenprodukt; darum geht es nicht.

(Beifall AfD)

Frau Ministerin, lassen Sie mich aber auch in Klammern sagen, dass wir bei den getrennten Ausbildungswegen auch die örtliche Trennung gewünscht hätten: Kiel mit Konzentration auf die fachwissenschaftliche Ausbildung der Gymnasiallehrer, Flensburg mit seinen pädagogischen Schwerpunkten. In der Folge wäre die Profilschärfung der beiden Standorte viel klarer zutage getreten. Damit wäre in der Regel auch eine höhere Qua

(Christopher Vogt)

lität der Ausbildung einhergegangen. Das ist nicht nur wahrscheinlich, sondern das hat etwas mit Profil und Profilbildung zu tun.

Nebenbei: Von Standesdünkel, der hier angeklungen ist, zwischen Kieler Studenten und Flensburger Studenten ist inzwischen - jeder, der die Studenten kennt und mit ihnen gesprochen hat - längst nicht mehr die Rede. Das ist ein herbeigeredetes Problem.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie mit den Studenten denn geredet?)

- Genau, ich habe mit ihnen geredet. Das ist längst passé.

Wir sehen aber auch, dass Sie, Frau Prien, mit den Hochschulen in Kiel und in Flensburg rasch zu Lösungen kommen und dass Sie zunächst einen Konsens finden wollten. Es ist gut, dass das in so kurzer Zeit gelungen ist. Jetzt aber des Lobes genug; denn wir haben natürlich noch ein bisschen mehr Kritik.

Der Rhetorik geschuldet noch einmal zu meinen Zwischenüberschriften, dieses Mal ein wenig hypothetisch, eine Zukunftsperspektive:

1. August 2022: ein sehr guter Tag. - Wir reden von 2022! Inzwischen war man konsequenterweise wieder ganz zur schulartbezogenen Lehrerausbildung zurückgekehrt. Es wurden außer reinen Gymnasiallehrkräften nun auch wieder Realschullehrkräfte und Hauptschullehrkräfte ausgebildet. Die hohe Qualität konnte so abermals gesteigert werden. Viele Gemeinschaftsschulen waren schon zuvor dazu übergegangen, einzelne Fächer wieder räumlich getrennt in Leistungskursen anzubieten. Mit der ewigen Differenzierung, die nur oberflächlich war und nach vier oder fünf Lernniveaus erfolgen sollte, war niemand mehr glücklich. Man hatte erkannt, dass es den Bedürfnissen der Schüler nicht gerecht wird, wenn man oberflächlich bleibt.

Meine Damen und Herren, so gut und so richtig die nun eingeleitete Trendwende ist, so bleibt sie aus unserer Sicht doch halbherzig; denn es gibt sehr gute Gründe, die leistungsstärksten Kinder von speziell ausgebildeten Gymnasiallehrern unterrichten zu lassen. Es gibt ebenso gute Gründe, Schüler mit einer schwerwiegenden Behinderung von speziell ausgebildeten Sonderschullehrern unterrichten zu lassen. Aber auch das Gros der Schüler, die breite Masse, ist nicht als Einheitsbrei zu behandeln. Wenn wir diesen dann am Ende ihrer Schulzeit unterschiedliche Abschlusszeugnisse übergeben - Realschulzeugnis, Hauptschulzeugnis und so weiter -, dann spiegelt das die unterschiedlichen Bedürfnisse

und Begabungen der Schüler wider. Und daraus müssen wir die Konsequenz ziehen.

Wer also ernst machen will mit einer Ausbildung nicht nach Stufen, sondern nach den Bedürfnissen und Unterschiedlichkeiten der Schüler, der muss künftig auch wieder zwischen Hauptschul- und Realschullehramt differenzieren. Differenzierung, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, hat nichts mit Blick in die Zukunft zu tun, Differenzierung hat nichts mit Trennung zu tun, sondern Differenzierung schafft vor allem Qualität. Dementsprechend brauchen wir - das ist eben schon angeklungen - die Beibehaltung des Grundschullehramtes aus dem Jahre 2014, wir brauchen Sonderschullehrer, wir brauchen konsequenterweise aber auch Realschullehrer und Hauptschullehrer und kein Gemeinschaftsschullehramt.

Wir hätten uns ganz klar nicht nur eine Weiterentwicklung des Lehrkräftebildungsgesetzes, sondern eine Reform gewünscht. Der Großteil der Eltern favorisiert nach wie vor das differenzierte Schulsystem - Hauptschule, Realschule und Gymnasium -, und dem sollte auch perspektivisch Rechnung getragen werden. In der Vergangenheit wurden viel zu viel Kraft und Zeit vor allem darauf verwendet, die Eltern zu belehren, ihnen zu sagen, dass die Politiker es sowieso besser wüssten. Damit muss Schluss sein; denn nichts, meine Damen und Herren, ist ungerechter als Ungleiches gleich zu behandeln. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW die Kollegin Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fange mit einem Faktencheck an: Die Hauptschule ist nicht durch die Küstenkoalition abgeschafft worden, sondern sie ist von der Großen Koalition im Jahr 2007 abgeschafft worden. Der Kompromiss in der Großen Koalition war, eine Regionalschule zu schaffen.

(Zuruf SPD: Genau!)

Viele Kommunen und Schulträger machten sich damals, im Jahr 2007, auf den Weg, Regionalschulen sowie Gemeinschaftsschulen zu etablieren, und sie hatten ihre Gymnasien. Das war 2007. Die Regionalschulen liefen dann zum Teil aus, weil sie bei den Eltern ein nicht mehr so großes Interesse fan

(Dr. Frank Brodehl)

den und die Eltern gesagt haben - Eltern stimmen ja dann auch für ihre Kinder mit den Füßen ab -: „Wir möchten lieber, dass unsere Kinder auf eine Gemeinschaftsschule kommen als auf eine Regionalschule.“

Insofern schauen wir auch noch einmal zurück in das Jahr 2014 mit unserem Lehrkräftebildungsgesetz. Ja, wir haben hart miteinander gerungen. Wir hatten in der damaligen Küstenkoalition über dieses Gesetz auch gut diskutiert. Ich fand auch, dass wir das gut auf den Weg gebracht haben. Der Gedanke bei der Schaffung dieses Gesetzes war, dass wir endlich für Gemeinsamkeiten in der Besoldung und in den Lehrerzimmern gesorgt hatten. Zum damaligen Zeitpunkt gab es nämlich auch noch die Probleme, dass wir unterschiedliche Bezahlungen für die gleiche Arbeit hatten. Damit hatten wir damals aufgeräumt. Das hatten wir bereinigt und glattgezogen. Die Grundschullehrer waren zu dem Zeitpunkt ja nicht in einem Sek-I-Bereich oder in einem Sek-II-Bereich; deshalb saßen sie nicht im Lehrerzimmer. Das also haben wir hingekriegt.

Ganz wichtig war uns aber dieses: Im Jahre 2014 hatten wir leider nicht das große Glück, so viel Geld zu haben wie Jamaika heute. Wir mussten dafür Sorge tragen, dass unsere Standorte Flensburg und Kiel an einer Lehrerausbildung zusammenarbeiten wollten, die für alle jungen Menschen in Schleswig-Holstein auch eine große und hohe Qualität haben sollte. Wir wollten mit dem Semesterticket - das leider immer noch nicht eingeführt worden ist - erreichen, dass Studierende von Flensburg nach Kiel, von Kiel nach Flensburg oder auch nach Lübeck hätten kommen können, um dort jeweils eine gute Ausbildung erhalten zu können.

(Beifall SSW und SPD)

Wir wollten ein Gesetz schaffen, das auch die Ressourcen nachhaltig betrachtet. Es ist in aller Munde, Tobias Koch und Hans-Jörn Arp, dass uns Lehrer fehlen.

(Tobias Koch [CDU]: Stimmt!)

- Perfekt! Dann seid ihr ja auch im Thema.

(Heiterkeit CDU und FDP)

Heute, am 7. September 2018, fehlen uns die Lehrer. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb uns die Lehrer fehlen.

(Zuruf CDU: Vergangenheit! - Unruhe)

- Nicht nur Vergangenheit. - Es gab Prognosen, dass wir nicht mehr so viele junge Menschen im Schulsystem haben werden. Es gab Prognosen, die

nicht davon ausgingen, dass wir plötzlich so vielen Menschen helfen mussten, die sich auf die Flucht begeben haben, weil sie von Krieg, Vergewaltigung und Tod umgeben waren. Es gibt jetzt mehr junge Menschen in unserem Schulsystem als 2013 oder 2014.

Deshalb finde ich, dass die Lehrerausbildung so sein muss, dass man sich, wenn irgendwann in zehn oder fünfzehn Jahren vielleicht nicht mehr so viele Schülerinnen und Schüler im System sind, flexibel an einen anderen Arbeitsplatz, an eine andere Schule begeben kann. Und wir sollten nicht das Ziel aus den Augen verlieren, dass die Lehrinnen und Lehrer im Sek-I-Bereich die jungen Menschen auf einen höheren Bildungsabschluss vorbereiten sollen, der nicht unbedingt zum Abitur führen muss.

Das vermisse ich bei der Aufteilung im Lehrerbildungsgesetz. Ich höre, dass die Bildungsministerin sagt, dass die Gemeinschaftsschulen ihre Aufgaben haben. Sie sind für Integration, Inklusion und Migration verantwortlich. Das sind Aufgaben, die die Gymnasien nicht erledigen müssen. Da wird mir angst und bange.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Das ist ein Rückschritt und zeigt, dass die Gymnasien keine Durchlässigkeit haben, dass sie sich wieder nicht dieser Aufgabe anzunehmen brauchen.

(Beifall SSW und SPD)

Das passt nicht zur Bildungspolitik 2018, und das passt auch nicht zu all den guten Werten, die die jungen Menschen in Schleswig-Holstein dank engagierter Lehrerinnen und Lehrer erreicht haben.

Der Gesetzentwurf ist kein besonders großer Wurf. Das Einzige, das uns in dem Gesetz ganz gut passt und was wir befürworten, ist die Möglichkeit für Berufsschullehrer, anders in den Job zu kommen, der Quereinstieg. Das ist der einzige Punkt. Die langsame Anhebung der Besoldung der Grundschullehrkräfte - darüber haben wir heute noch gar nicht gesprochen - ist auch ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir hätten das Gesetz so nicht gemacht. Wir haben 2014 ein anderes Gesetz auf den Weg gebracht. Ich hoffe, dass die Europa-Universität Flensburg unter diesem Lehrkräftebildungsgesetz nicht leiden wird. Die Ministerin hat gesagt, die einzelnen Standorte sollten ihre Vorteile nutzen. Ich hoffe, dass das tatsächlich so bleibt. Nichts wäre schlimmer, als wenn unsere EUF, die sich so gut etabliert hat, irgendwelche Einbußen erleiden sollte, bloß weil Jamaika ein