Lebensmittel sind Mittel zum Leben und gehören nicht in den Müll. Sie verdienen nicht nur eine hohe Wertschätzung, sondern auch einen angemessenen Preis. Jeder, der mit Lebensmittelerzeugung zu tun
hat, weiß um den langen Weg von der Aussaat bis zur Ernte und um den großen Wert unserer hochwertigen Erzeugnisse. Leider korrelieren Preis und Qualität nicht mehr miteinander, ganz im Gegenteil sind Lebensmittel zum Billigprodukt verkommen und zur Schnäppchenware geworden. Was nichts kostet, ist nichts wert, sagt der Volksmund, und so ist aus mangelnder Wertschätzung eine Geringschätzung von Lebensmitteln geworden.
Auch hier brauchen wir Veränderungen: eine bessere innere Haltung und ein Gewissen für den Umgang mit Lebensmitteln. Das ist auch ein Appell an die für das Lebensmittelrecht Verantwortlichen.
Das Thema Lebensmittelverschwendung ist in der Politik nicht neu. Die CDU-Fraktion hat es vor einigen Jahren in ihre Positionen zum Verbraucherschutz und auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Heute sagen wir: Wir brauchen eine neue Wertschätzung und Gewissensbildung im Umgang mit Lebensmitteln.
Ich bin davon überzeugt, dass unser Antrag diesen Weg möglich macht, und bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Den Antrag der SPD lehnen wir ab. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dimension der Verschwendung von Lebensmitteln hat erschreckende Ausmaße erreicht. Die beiden Vorrednerinnen haben es bereits dargestellt. Weltweit geht ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel verloren oder wird weggeworfen. Je nach Basis weichen die Zahlen zum Teil erheblich voneinander ab. Auch die Zahlen für die Bundesrepublik sind unterschiedlich. Die 18 Millionen t, die zum Beispiel im SPD-Antrag genannt sind, stammen wohl aus der Studie des WWF. Auf der anderen Seite werden auf der Homepage des Bundesministeriums 11 Millionen t jährlich genannt. Ein Vergleich dieser Zahlen bringt im Grunde nichts, wenn es keine einheitliche Definition und Erfassung gibt. Damit wir politisch wissen, worüber wir reden, ist es wichtig, dass die EU einen einheitlichen Rahmen für die Ermittlung angestoßen hat. Das ist mehr als nur Statistik. Das ist die Basis, um zu handeln und zu evaluieren.
Lebensmittelverschwendung haben auch die Vereinten Nationen als globales Problem erkannt und die Reduktion der Lebensmittelverschwendung in die Ziele der SDGs, der Sustainable Development Goals, einbezogen. Bis zum Jahr 2030 sollen die Verluste auf Privat- und Einzelhandelsebene halbiert werden. Entlang der Produktions- und der Lieferkette sollen sie ebenfalls verringert werden.
Schleswig-Holstein hat sich zur Umsetzung verpflichtet. Dies soll im Rahmen der Landesentwicklungsstrategie geschehen. Ich halte das für sinnvoll; denn es braucht einen ressortübergreifenden Ansatz. Die Punkte, die die SPD in ihrem Antrag genannt hat, sind an sich nicht verkehrt und sollten dabei Berücksichtigung finden. Ich denke, das ist klar.
An konkreten Schritten und Zusammenarbeit der Akteure ist in der Vergangenheit bereits einiges gelaufen. Hieran sollte angeknüpft werden, anstatt das Rad immer wieder neu zu erfinden. Einen neuen, zusätzlichen Strategieprozess brauchen wir daher meiner Ansicht nach hier auf Landesebene nicht. Allerdings - das halte ich für wichtig, und das steht ja auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene -: Es wird Zeit, dass der Bund die angekündigte nationale Strategie mit verbindlichen Zielen und Maßnahmen untermauert und dass auch die Branche entlang der Wertschöpfungskette verbindliche Branchenvereinbarungen trifft.
Ich finde es richtig, hier weiter Aufklärung zu leisten. Die Bildungsangebote sind bereits genannt worden. Diese sollten aber nicht nur im Rahmen der schulischen Bildung gemacht werden, sondern in allen Bereichen, in denen Bildung stattfindet.
Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Einkommen ist in den letzten Jahrzehnten immer geringer geworden. Sie werden immer und überall, in allen Facetten, im Überfluss und oft billig angeboten. Das ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass die Wertschätzung für Lebensmittel bei vielen Menschen mindestens im Alltag nicht mehr so vorhanden ist, wie es sein sollte. Aber es ist bei Weitem zu kurz gegriffen, nur an die Verbraucherinnen und Verbraucher zu appellieren. Die Verschwendung hat vielmehr mit dem System der Nahrungsmittelerzeugung und -bereitstellung zu tun. Wie diese strukturiert ist, richtet sich wiederum nach dem Rahmen, den die Politik setzt, nach Rechtsnormen, Hygienevorschriften, Kennzeichnungspflichten, Dokumentationspflichten, aber auch nach der Förderung zum Beispiel im System der EU-Agrarzahlungen.
Heute besteht ein Überangebot an Lebensmitteln. Die Dumpingpreise der Supermärkte decken oft kaum die Produktionskosten, ganz zu schweigen von den indirekten ökologischen und sozialen Folgekosten. Das ausdifferenzierte, durchindustrialisierte System der Lebensmittelversorgung mit langen Lieferketten und durch den Handel vorgegebenen Normen ist ein echtes Problem geworden. So nett, wie es auch ist, dient es in erster Linie der Absatzförderung und begünstigt damit die Verschwendung. Gleichzeitig hat es zu dem Verpackungswahnsinn geführt, der uns zu Weltmeistern beim Verpackungsmüll und bei der Erzeugung von Plastikbergen gemacht hat.
In einer Politik, die einen Einzelhandel wie „Unverpackt“, regionale Verarbeitung und Vermarktung, kurze Lieferketten und direkte Kontakte zwischen Erzeugern und Verbrauchern stärkt, sehen wir unter anderem einen Weg, um der Verschwendung zu begegnen. Es wurde schon mehrfach angesprochen, wie viele umfangreiche und sehr gute Aktivitäten der verschiedenen NGO es in diesem Bereich gibt.
Zum Schluss: Wenn ich von vermeidbaren 10 Millionen t Lebensmittelabfällen ausgehe, so erzeugen wir bei uns in Deutschland auf 2,6 Millionen ha, also auf einer landwirtschaftlichen Fläche, die 2,6 mal so groß ist wie die Schleswig-Holsteins, Lebensmittel für die Tonne. Das macht deutlich: Wir haben eine globale Verantwortung und dürfen nicht das billig machen, was in Wirklichkeit wertvoll ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Privileg, in einer Gesellschaft zu leben, in der uns Nahrung im Überfluss prinzipiell zugänglich ist. Von früh bis spät steht uns eine riesige Auswahl an Lebensmitteln zur Verfügung. Es ist ein großes Privileg, nicht mit der täglichen Sorge um die Essensbeschaffung zu leben. Das führt aber nicht automatisch dazu, dass man sich keine Gedanken darüber macht, wie es um die Nahrung steht.
Liebe Kollegin Röttger, insofern muss ich Ihnen leider ein bisschen widersprechen. Der Schelte, dass sich junge Menschen nicht mit Essen auseinandersetzten und nicht wüssten, woher es kommt, schließe ich mich ausdrücklich nicht an. Wenn man sieht, dass die Anzahl von bewussten Vegetariern und Veganern gerade bei den jüngeren Menschen in Deutschland deutlich höher ist als beim Rest der Bevölkerung, gehe ich davon aus, dass sich junge Menschen schon Gedanken machen, wie es ums Essen und die Nahrungsbeschaffung in Deutschland steht.
Der Überfluss stellt uns vor eine Herausforderung, denn aus Überfluss wird häufig Verschwendung. Verschwendung von Lebensmitteln ist nicht nur ein Problem, weil leider immer noch viele Menschen in einigen Teilen der Welt Hunger leiden, es ist auch ein enormes Problem für die Ökologie. Mit Nahrungsverschwendung geht Verschwendung von Wasser einher, Verschwendung von Energie, Verschwendung von Verpackungsmaterialien. Statt Verschwendung haben wir am anderen Ende dann unnötigerweise einen Überschuss, und zwar einen Überschuss an Plastikmüll.
Deswegen ist es volkswirtschaftlich, ökologisch und aus sozialen Gesichtspunkten notwendig, Lebensmittelverschwendung konsequent zu vermeiden. Die Frage ist: Wie kann man angesichts des überbordenden Überflusses sicherstellen, dass weniger davon in der Mülltonne landet?
Die Uni Stuttgart hat das 2012 untersucht und die Verluste entlang der kompletten Wertschöpfungskette analysiert, von der Erzeugung über die Verarbeitung, den Transport, Handel und anschließend die Versorgung und natürlich auch das Essen selbst. Das Ergebnis: Ungefähr 11 Millionen t Lebensmittel werden pro Jahr entsorgt. Die Privathaushalte sind für 61 % der Abfälle verantwortlich, Industrie 17 %, Großverbraucher 17 % und der Handel selbst, was man in den Läden sieht, lediglich für 5 %.
Die Zahlen sind interessant, aber sie müssen mit Vorsicht genossen werden, denn es gab - das hat die Uni Stuttgart selbst festgestellt - erhebliche Probleme bei der Erhebung und Vergleichbarkeit der Daten. Aber aus diesen Schätzungen kann man Tendenzen ableiten.
Ein weiteres Grundproblem der Debatte ist, dass die Begriffe Lebensmittel und deren Verschwendung häufig unterschiedlich definiert werden. Wir
brauchen eine bessere Datenlage. Deswegen können wir auch nicht sofort anfangen, eine nationale Strategie zu erarbeiten, weil wir erst einmal definieren müssen, dass wir von den gleichen Werten sprechen.
Die EU arbeitet derzeit an einer einheitlichen Definition. Für die EU ist ein Lebensmittel etwas, das für den Verbrauch vorgesehen ist, also für die Nahrungsaufnahme. Deutschland sollte sich dem gemeinsamen EU-Vorschlag zu Messmethoden und Analyseprozessen anschließen. Erst wenn wir eine einheitliche Datenlage haben, können wir lösungsorientiert und fundiert eine Strategie formulieren, bevor es wieder gut gemeint ist, aber nicht gut gemacht wird.
Bis dahin sollten wir aber nicht in uns ruhen, sondern mindestens pragmatisch Projekte fördern, die dort ansetzen, wo Verschwendung konkret ersichtlich ist. Viele Abfälle sind vermeidbar. Das sieht man als Endverbraucher, das sieht man aber auch als Mitarbeiter in einer Großküche oder bei sich zu Hause im Kühlschrank. Denn hier passiert der größte Teil der Verschwendung, in den Privathaushalten.
Wir müssen hier ansetzen und auf Aufklärung setzen. Aber das wird nicht reichen. Auch ich selbst ärger mich häufig über mich selbst wie die Pest, wenn ich in den Kühlschrank gucke und wieder feststelle: Verdammt noch einmal, da war noch ein Brotlaib. Den habe ich leider zugestellt, vergessen, er ist verschimmelt, schade! Oder ich habe übersehen, dass der Salat leider weg muss. Auch wenn man das Bewusstsein hat, ist es letztendlich nicht zu vermeiden, dass man als Einzelperson hier und da Lebensmittel wegschmeißen muss, weil sie ungenießbar sind. Aber man sollte vielleicht häufiger daran denken, damit das nicht so häufig passiert.
Händler und Hersteller wollen Verbrauchern ein bestmöglich bestücktes Warenangebot zu gewinnbringenden Preisen liefern; schließlich wollen sie davon leben. Das führt einerseits dazu, dass Verluste in der Produktion im Vorwege minimiert werden, aber das führt auch dazu, dass der Einzelhändler häufig mit mehr Lebensmitteln kalkulieren muss als im Endeffekt verkauft werden. Das bedeutet, die weggeworfenen Produkte werden preislich mit kalkuliert.
Es ist - glaube ich - auch halbwegs normal, dass man lieber in ein volles Regal mit Tomaten greift, als wenn da nur noch ein oder zwei abgegrabbelte liegen. Das ist menschlich, auch wenn die beiden
letzten Tomaten meistens in Ordnung sind. Auch da müssen wir ansetzen, auch das ist ein großes Problem. In diese Zusammenhänge können wir leider nicht eingreifen.
Meine Zeit ist leider abgelaufen. - Wir brauchen eine europaweite Definition, um weiter daran zu arbeiten und zu wissen, in welche Richtung es gehen kann. - Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Das für Deutschland typische Einkaufsverhalten hat ein einzigartiges Einzelhandelsoligopol entstehen lassen. Seit Jahren dominiert ein Dutzend Firmen den Einzelhandel, die selbst eingefleischten Konzernen wie dem Handelsriesen Walmart den Marktzugang verwehren. Der USKonzern versuchte zehn Jahre lang vergeblich, einen Fuß in den deutschen Markt zu bekommen, und trotz ruinös gedumpter Preise scheiterte Walmart und setzte rund 3 Milliarden € in den Sand.
Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel ist lukrativ, wird aber vom Billigsegment dominiert. Das Erfolgsmodell lautet: massenhafte Versorgung von Millionen zu niedrigsten Stückkosten. Wenn in Deutschland aber Massen von Lebensmitteln erzeugt oder importiert werden, muss immer ein gewisser Prozentsatz übrig bleiben, den dieses System nicht zu verarbeiten vermag. Wenn wir also von Lebensmittelverschwendung reden, reden wir zunächst von einer deutlich besseren Planung in der Lebensmittelproduktion, in der Logistik und im Handel.
Der Handel beruft sich aber auf die Anspruchshaltung seiner Kunden. Denn die wollen angeblich alles zu jeder Zeit und überall frisch kaufen. Jeder Bürger sollte bei dieser Diskussion also zuerst seine eigene Haltung analysieren und überdenken, denn genau hieraus resultiert der Überfluss in den Supermärkten, in den Kühlschränken und am Ende leider auch in den Mülltonnen.
Dazu ist Aufklärung wichtig, die im Elternhaus, aber auch in den Schulen beginnen sollte. Schon heute existieren als Zeichen von Eigeninitiative Hunderte von Lebensmitteltauschbörsen, die einen
Marktplatz für überschüssige Lebensmittel geschaffen haben. Viele junge Menschen holen sich entsorgte Lebensmittel aus Containern, die vor Supermärkten stehen. Containern ist Ausdruck einer Grundhaltung, aber auch ein Protest gegen das achtlose massenhafte Wegwerfen von Lebensmitteln.
Dabei sind wahre kulinarische Schätze zu heben, so traurig es auch ist. An dieser Stelle sei der Kantinenbetreiber im Landeshaus zu loben, der Restbestände des Mittagessens an die Schleswiger Werkstätten auf Hof Kubitzberg abgibt. So werden sie nicht weggeschmissen.
Weitere Entwicklungen, die der Verschwendung entgegenwirken, sind Regionalität und Saisonalität. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sind immerhin schon 43 % der Verbraucher an Saisonalem interessiert und 43 % der Verbraucher auch an Regionalem. Diese erfreulichen Trends müssen aber auch um die Einsicht erweitert werden, dass ein Angebot begrenzt sein muss und nicht unendlich, überall und zu jeder Zeit verfügbar sein kann. Dieser Gedanke kommt dem Bild recht nahe, welches Erich Fromm in seinem Werk „Haben oder Sein“ von einer gesunden Gesellschaft malte, in der nämlich Menschen nur das produzieren und konsumieren, was sie tatsächlich benötigen. Das ist zwar schon lange her - es war in meiner Studienzeit -, aber das ist auch heute noch bedenkenswert.
In Frankreich dürfen Supermärkte seit zwei Jahren gar keine Lebensmittel mehr wegwerfen. Große Supermärkte müssen sich hier sogar vertraglich zur Abgabe von Überbeständen an karitative Einrichtungen verpflichten. Die Aufgabe der Tafeln bei uns im Land ist dabei zentral, auch wenn die Gründe dafür, dass es diese Tafeln gibt und geben muss, ein trauriges Kapitel für sich sind.