Protocol of the Session on September 5, 2018

Statuserhebung zur Arbeitsfähigkeit und Gesundheit aus der Sicht von Lehrkräften

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/631

Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich an dieser Stelle all den Lehrkräften, die sich an unserer Online-Umfrage beteiligt haben, ganz herzlich danken. Sie haben dafür Sorge getragen, dass wir repräsentative und aufschlussreiche Befragungsergebnisse haben.

(Beifall)

Sie sind eine gute Grundlage zur Entwicklung eines wissenschaftlich basierten Konzepts zur Verbesserung des Gesundheitsmanagements an Schulen. Ich will an dieser Stelle auch Herrn Dr. Christian Hetzel vom Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation für die Durchführung und Auswertung der Befragung herzlich danken.

Meine Damen und Herren, die Gesundheit unserer Lehrkräfte ist ein sehr hohes Gut. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel dieser Landesregierung, das Gesundheitsmanagement an unseren Schulen zu verbessern. Dafür brauchen wir eine fundierte Fachgrundlage, die uns jetzt vorliegt.

Der erste Schritt, den die Regierungsfraktionen unmittelbar nach dem Regierungswechsel, im Juli 2017, angestoßen haben, ist damit vollzogen. Die Belastungssituation der Lehrerinnen und Lehrer ist auf ganz breiter Basis in den Fokus gerückt worden, auch in den öffentlichen Fokus. Das ist mir besonders wichtig, denn dies ist Teil unserer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber.

Nach dem Motto „Fakten sind Nachrichten“ möchte ich mit einer guten Nachricht einsteigen: Als besonders positiv bewerten 62 % der befragten Lehrkräfte ihre Aufgabenvielfalt. Monoton ist der Job des Lehrers nicht. 93 % bewerten ihre eigenen Handlungsspielräume positiv. 96 % schätzen die hohe Bedeutsamkeit ihrer Arbeit, 95 % die soziale Unterstützung und 97 % das Gemeinschaftsgefühl im Kollegium. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, über eine gute bis sehr gute Arbeitsfähigkeit zu verfügen. Mehr als drei Viertel, 79 %, äußerten, eine gute bis ausgezeichnete allgemeine Gesundheit zu haben. Und 72 % sind mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden.

Diese Ergebnisse sind erfreulich. Wenn ich das einmal unwissenschaftlich ausdrücken darf, zeigt das, dass wir eine tolle, hochmotivierte Schar von Lehrerinnen und Lehrern haben, die ihren Beruf sehr schätzen und gern machen. Wissenschaftlich gesprochen sind dies sogenannte Schutzfaktoren, die den Belastungsfaktoren, zu denen ich gleich komme, entgegenwirken können.

Nun zu den Belastungsfaktoren und den weniger guten Nachrichten: Besonders häufig sind von den Befragten aufgabenbezogene Belastungen genannt worden wie Termin- und Leistungsdruck mit 63 %, neue und zusätzliche Aufgaben beklagen 51 beziehungsweise 62 % der Befragten, aber auch 61 % Störungen. Ein weiterer gewichtiger Faktor ist für 40 % der befragten Lehrkräfte die mit der Tätigkeit an der Schule verbundene hohe gefühlsmäßige Belastung. Weitere Belastungen entstehen - ebenfalls zu 40 % - durch Konflikte im Spannungsfeld von Arbeit, Privat- und Familienleben.

Die Tatsache, dass an der Schule die Pause oft nicht als Erholung empfunden wird und ihr Zeitpunkt nicht selbst gewählt werden kann, wird von 38 % der Befragten als Belastungsfaktor genannt. Eine

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

große Rolle als Belastungsfaktor spielt auch die Arbeitsumgebung. Hier empfinden 41 % der Befragten Unzulänglichkeiten bei den Arbeitsmitteln und bei der IT-Ausstattung.

Als größter Belastungsfaktor erscheint jedoch für 70 % der Befragten das Thema Lärm und Geräusche, ganz besonders an den Grundschulen mit insgesamt 96 % und an den Förderzentren mit 88 %.

Deshalb hat die Landesregierung in diesem Punkt unverzüglich reagiert: Lärmschutz ist die erste Maßnahme, die die Landesregierung in Angriff genommen hat. Mit 7 Millionen € aus dem IMPULSProgramm für Schulbauförderungsmaßnahmen sollen Lärmschutzmaßnahmen an Grundschulen und Förderzentren realisiert werden können.

Als zweite praktische Konsequenz aus den Ergebnissen der Befragung hat das IQSH sein Präventions- und Fortbildungsangebot bereits weiterentwickelt. So wurde beispielsweise in Reaktion auf die Belastungen im Bereich „Konflikt Arbeit-Privates“ das Thema „Work-Life-Balance“ neu in den Veranstaltungskanon aufgenommen.

Die Analyse und Arbeit an den „gefühlsmäßigen Belastungen“ kann auf einem neu konzipierten Schulentwicklungstag thematisiert werden. Ich danke dem IQSH-Team für die schnelle und professionelle Umsetzung dessen. Das waren, meine Damen und Herren, aber nur die „Sofortmaßnahmen“: Lärmschutz und Prävention.

Nun muss es weitergehen: Wir benötigen weitere differenzierte Analysen, um aus den erhobenen Belastungsfaktoren weitere Handlungsbedarfe ermitteln zu können. Diese werden zunächst im Arbeitskreis Betriebliches Gesundheitsmanagement des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur umfassend erörtert. Ebenso sprechen wir mit dem Hauptpersonalrat, den Schulaufsichten und dem IQSH. Wir wollen eine offene Diskussion darüber, wie wir unsere Lehrkräfte besser unterstützen können.

Ich will einige Handlungsfelder, bei denen wir genau hinschauen müssen und die wir bereits jetzt identifiziert haben, hervorheben. Da gibt es das Thema Präsentismus: Warum gehen so viele Lehrkräfte zur Arbeit, obwohl sie eigentlich krank sind? Das sind die Themen Termin- und Leistungsdruck, gefühlsmäßige Belastung, Belastung von Führungskräften, Schulpause als Erholung - oder eben nicht als Erholung - und der Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben.

Als Nächstes werden nun die Schulaufsichten die Ergebnisse mit Schulleitungen und Lehrkräften in einem Workshop auswerten und diskutieren. Damit gewinnen wir Erkenntnisse darüber, was den Lehrkräften aus ihrer Sicht helfen wird, ihre Arbeitsplatzsituation zu verbessern.

Durch die Statuserhebung kennen wir jetzt sehr genau die einzelnen Belastungsfaktoren. Aber wir wissen noch nicht genug darüber, was wirklich hilfreich ist, um die Gesundheit unserer Lehrkräfte und ihre Arbeitszufriedenheit dauerhaft zu fördern. Diesen Fragen werden wir deshalb mit wissenschaftlicher Unterstützung vertieft nachgehen. Deren Ergebnisse werden dann zusammen mit den Beratungsergebnissen der Schulaufsichten Grundlage für ein verbessertes Gesundheitsmanagement an unseren Schulen sein. Es wird eine wesentliche Aufgabe sein, die deutlich gewordenen Schutzfaktoren weiter zu stärken und die Belastungsfaktoren zu mindern. Unsere Lehrkräfte haben einen Anspruch auf einen gesunden Arbeitsplatz Schule, denn nur eine gesunde Schule ist auf Dauer eine gute Schule. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Ich eröffne die Aussprache. - Die Ministerin hat die Redezeit um 2 Minuten überschritten. Diese Redezeit steht jetzt allen Fraktionen zur Verfügung.

Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Tobias Loose das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Beginn dieser Legislaturperiode hat Jamaika deutlich gemacht, dass die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit von Lehrkräften für uns sehr wichtige Anliegen sind. Der Bericht, den die Ministerin gerade gegeben hat, unterstreicht, dass wir insbesondere bei diesem Thema auf Transparenz setzen. Ich weiß, dass in der letzten Legislaturperiode Maßnahmen angekündigt worden sind, die aber nicht gekommen sind und sich gerade Verbände in diesem Punkt mehr gewünscht hätten.

Uns geht es im Grundsatz darum, die Wertschätzung des Lehrerberufs deutlich zu machen und der Aufgabe des Landes als Dienstherr gerecht zu werden. Für die folgenden drei Aspekte steht unsere Landesregierung - wir unterstützen das -: Uns ist es

(Ministerin Karin Prien)

nicht egal, unter welchen Umständen und Rahmenbedingungen Lehrkräfte arbeiten. Wir wollen Lehrkräfte bei dem Thema Arbeitsfähigkeit und Gesundheit nicht alleinlassen.

Wir wollen dabei einen offenen Diskurs über die Situation und mögliche Verbesserungen. Dieser Bericht ist dabei ein ganz wichtiges und transparentes Element, weil Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden - das ist oft bei diesen Themen, die unangenehm sind, etwas, was gemacht wird -, sondern auf den Tisch kommen, und dann soll man darüber sprechen. Dieses Vorgehen soll am Ende auch dazu führen, dass der Lehrerberuf noch attraktiver wird und wir in der Folge - das ist aktuell sehr wichtig - mehr Menschen für den Lehrerberuf gewinnen können, die sagen: Ich möchte Lehrer werden.

Zur Ehrlichkeit gehört am Ende auch dazu zu sagen: Das hilft uns auch bei der Unterrichtsversorgung, zum einen, weil mehr Gesundheit automatisch dazu führt, dass weniger Unterricht ausfällt, und zum anderen können wir auf diese Art und Weise - ich habe es eben schon angedeutet - unseren Lehrkräftemangel reduzieren. Das heißt, aus ganz verschiedenen Aspekten ist dies eine Winwin-Situation, bei der sowohl die Lehrer als auch das Land als Arbeitgeber sehr stark profitieren können.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Befragung, die jetzt erstmalig durchgeführt wurde, ist aber nur ein Bestandteil unserer Maßnahmen. Die Ergebnisse bilden die Grundlagen für ein wissenschaftlich basiertes Konzept zur Verbesserung des Gesundheitsmanagements an Schulen.

Es ist sehr wichtig - die Ministerin hat das eben schon einmal skizziert -, dass man jetzt nicht mit einer Einzelerhebung aufhört, sondern sagt: Wir machen weiter. - Da sind etwa die Themen Terminund Leistungsdruck, neue und zusätzliche Aufgaben, emotionale Belastung, Präsentismus sowie Führung. Gerade das Thema Führung - also: Was können Schulen dafür tun, um Lehrer entsprechend beim Gesundheitsmanagement zu unterstützen? - ist ein sehr weites Feld, in dem wir wahrscheinlich noch besser werden können. Auf den Erkenntnissen, die wir durch die Befragung haben, sollen am Ende auch die zusätzlichen Maßnahmen aufbauen. Ich bin sehr gespannt auf diese Ergebnisse der Studie, weil sie der Politik, aber auch der Verwaltung nützliche Hinweise für weitere Handlungsschritte geben.

Damit nicht genug: 2019 ist ein Kongress zum Thema „Gesunde Schule“ geplant. Auch dort können wir offene Fragen diskutieren. Mittelfristig - das finde ich auch sehr wichtig - geht es beim Thema Gesundheit und Schule eigentlich nicht nur um Lehrkräfte, sondern auch um Schülerinnen und Schüler. Wir überlegen: Wie kann gesunde Schule stattfinden? - Auch das ist hier schon einmal Thema gewesen; da spielt bestimmt der Aspekt der Ernährung eine ganz wesentliche Rolle.

Eine kurze Würdigung der Studie: Das Bildungsministerium hat jede Lehrerin und jeden Lehrer in unserem Bundesland persönlich angeschrieben. Über 9.000 Lehrkräfte haben sich beteiligt. Dies entspricht einer Quote von rund 30 % - eine sehr gute Teilnahme, wenn man bedenkt, dass die meisten Lehrkräfte noch nicht über eine dienstliche EMail-Adresse erreichbar sind. Diese große Teilnahme macht am Ende das Ergebnis - das ist auch in der Studie dargestellt - repräsentativ.

Zu den Ergebnissen: Zum Ersten haben 79 % eine gute bis ausgezeichnete Gesundheit. Das ist ein wichtiger Befund. Zum Zweiten sind 72 % mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden. Zum Dritten bewerten 90 % - das finde ich sehr wichtig, wenn man fragt: Wie sind wir als Arbeitgeber dort aufgestellt? - das Gemeinschaftsgefühl in ihrem Kollegium positiv. Das sind Ergebnisse, die ermutigen. Selbstverständlich müssen wir auch hier an Verbesserungen arbeiten, aber grundsätzlich haben wir ein sehr gutes Niveau.

Große Belastungsfaktoren sind - wenig erstaunlich - Lärm und Geräusche, Termin- und Leistungsdruck - das ist etwas, worin man vielleicht noch besser werden sollte - und natürlich noch immer das Thema zusätzliche Aufgaben. Diese Themen überraschen im Gesamtbild nicht wirklich. Die Ministerin hat es gesagt: Gerade beim Thema Lärm haben wir schon eine Maßnahme ergriffen und konkret beim Thema Schulbau Lärmsanierung mit zum Thema gemacht. Dort gibt es auch erste Maßnahmen, die umgesetzt werden.

(Beate Raudies [SPD]: Das ist doch noch nicht einmal freigegeben!)

- Geduld, Frau Raudies: Am Ende ist es aber so, dass man bestimmte Probleme zielgenau angeht; das ist vielleicht etwas Neues.

Wichtig ist auch, wenn ich auf einzelne Schularten gucke, dass zum Beispiel in Förderzentren Informationsmangel und Aufgabenunklarheit ein Problem sind. Das hat mit Sicherheit etwas mit Inklusion zu tun, worüber man dann ehrlich sprechen muss, weil

(Tobias Loose)

sich das Profil in der Sonderpädagogik verändert hat.

Nachvollziehbar fand ich auch den Befund, dass es an Grundschulen ergonomische Belastungen durch Möbel gibt. Das liegt in der Natur der Sache, weil Schüler dort viel kleiner sind als an anderen Schulen. Wenn Lehrer das gleiche Mobiliar nutzen, ist das auch ein Thema, über das man sich Gedanken machen muss.

Ich möchte mich besonders bei der Bildungsministerin bedanken, beim Bildungsministerium, aber auch bei der Landesregierung insgesamt. Sie setzen auf Wertschätzung und Unterstützung der Lehrkräfte und der Landesbeschäftigten insgesamt. Ich freue mich, dass hier ein ehrlicher und transparenter Anfang in dieser Diskussion gefunden wird, und glaube, man kann hier schon versprechen, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir im Plenum in dieser Legislaturperiode über Lehrergesundheit gesprochen haben. - Danke, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kai Vogel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Es ist wahrlich gut, dass die Debatte über den Bericht kein weiteres Mal verschoben worden ist. Ich glaube, viele Lehrkräfte hätten dies irgendwann als Missachtung des Themas wahrgenommen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich zum vierten Mal mit dem Bericht befasst. Wir sind wahrscheinlich alle in der Lage, über das entsprechende Zahlenmaterial Vorseminare zu geben, weil man sich jedes Mal wieder in die Vielfalt und die Seiten einarbeiten durfte.

Die Ergebnisse sind für uns - so ist das wahrscheinlich aus dem Blickwinkel der Opposition - alles andere als beruhigend. Insgesamt 21 % der Lehrkräfte berichten eine weniger gute oder gar schlechte Gesundheit. 28 % sind mit ihrer Arbeit unzufrieden, und fast die Hälfte beurteilt ihre eigene Arbeitsfähigkeit als mäßig oder gar schlecht.

Man lernt bei solchen Berichten immer wieder etwas für den eigenen Wortschatz hinzu. Das Wort „Präsentismus“, also die Anwesenheit in der Schule, hat sich - jedenfalls bei mir - in der Um