Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Frau Präsidentin! Der Sozialausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 23. Februar 2018 überwiesenen Gesetzentwurf der Landesregierung in mehreren Sitzungen, zuletzt am 30. August 2018, befasst und eine schriftliche Anhörung durchgeführt.
Im Rahmen der Ausschussberatung wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW abgelehnt und ein Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP angenommen.
Mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD bei Enthaltung von SPD und SSW empfiehlt der Ausschuss dem Landtag, die aus der rechten Spalte der Vorlage ersichtliche geänderte Fassung des Gesetzentwurfs anzunehmen. Änderungen gegenüber dem Ursprungsgesetzentwurf sind durch Fettdruck kenntlich gemacht. Ich bitte um Zustimmung zu dem so formulierten Gesetzentwurf.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon ausgegangen, dass in der zweiten Lesung zunächst das Parlament an der Reihe ist. Deswegen war ich etwas irritiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, anders als früher ist Notfallrettung heute in allererster Linie eine präklinische medizinische Versorgung. Rettungsdienst ist also der integrale Bestandteil der allgemeinen Notfallversorgung, zu der ebenso der Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung wie auch die Notfallambulanzen der Krankenhäuser zählen.
Vor diesem Hintergrund stellt das Rettungswesen damit einen in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden, und zwar einen hoch anspruchsvollen Teil der gesamten genannten Versorgungskette dar. Zugleich hat sich der Bedarf an rettungsdienstlichen Leistungen deutlich verändert. So ist die demografische Entwicklung hauptursächlich für die Zunahme chronisch und mehrfach erkrankter Patientinnen und Patienten insbesondere höheren Alters. Andererseits wird heute vielfach früher als in der Vergangenheit der Rettungsdienst gerufen. Beides sind gute Gründe, dass die Zahl der Rettungsdiensteinsätze kontinuierlich ansteigt.
Darauf müssen sich die Rettungsdienstträger ebenso einstellen wie auf die komplexen Voraussetzungen zur Bewältigung von Großschadensereignissen, bei denen eine die reguläre Grundversorgung schlagartig überschreitende Anzahl an Notfallpatientinnen und Notfallpatienten zu versorgen sind.
Gerade diese Ausnahmesituationen machen die besondere Bedeutung der Einsatzleitung des Rettungsdienstes deutlich. Der Leitenden Notärztin beziehungsweise dem Leitenden Notarzt obliegt die Weisungsbefugnis gegenüber den mitwirkenden Ärzten in medizinisch-organisatorischen Fragen, und genau das wird jetzt entsprechend in § 20 Absatz 5 im letzten Satz im Schleswig-Holsteinischen Rettungsdienstgesetz eindeutig geklärt. Aus diesem Grund muss sichergestellt werden, dass die Qualifikationsanforderungen den in Schleswig-Holstein bestehenden Spezifikationen in Bezug auf Rechtsgrundlagen, Strukturen und Organisationen Rechnung getragen wird.
Das gewährleisten wir jetzt. Wir legen die Qualifikationsanforderungen nach dem Verfahren fest, das für die Ärztliche Leitung des Rettungsdienstes nach § 11 Absatz 2 des Schleswig-Holsteinischen Rettungsdienstgesetzes bereits besteht. Weiterhin ist der Fachkundenachweis der Ärztekammer Schleswig-Holstein oder ein von dieser ausdrücklich als gleichwertig anerkannter Nachweis notwendig.
Weiter schaffen wir Rechtssicherheit für die Träger des Rettungsdienstes bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit, und zwar sowohl mit den deutschen Nachbarländern als auch in der rettungsdienstlichen Zusammenarbeit mit unseren dänischen Partnern. Ferner verankern wir für den sogenannten BabyRTW als Rettungsmittel einen verbindlichen Standard, wie es von allen Fraktionen dieses Hauses befürwortet wurde. Das bringt eine deutliche Verbesserung der Versorgungssicherheit und -qualität für unsere jüngsten Patientinnen und Patienten.
Wie bisher halten wir für den bodengebundenen Rettungsdienst an der Aufgabenträgerschaft der Kreise und kreisfreien Städte fest. Kreise und kreisfreie Städte nehmen diese Aufgabe wahr. Das bedeutet, Notfallrettung wird auch zukünftig vom Träger des öffentlichen Rettungsdienstes selbst durchgeführt - oder durch von ihm beauftragte Unternehmen. Solche Unternehmen können auch Private sein. Damit kann ein privates Unternehmen, das bisher eine Genehmigung zur Durchführung von Notfallrettung außerhalb des Rettungsdienstes innehatte, vom kommunalen Träger des Rettungsdienstes mit der Durchführung von Notfallrettung beauftragt werden. Wir wollen das allerdings rechtlich klarstellen, wobei die Aufgabenverantwortung ausschließlich beim kommunalen Aufgabenträger verbleibt, wie in § 34 Absatz 4 im letzten Satz neu festgeschrieben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf die Debatte eingehen, die wir am vergangenen Donnerstag im Sozialausschuss geführt haben, Stichwort sogenannte Bereichsausnahme. Das wird durch den Änderungsantrag von SSW und SPD wieder thematisiert. Das ist kein neues Thema, das wissen alle Kolleginnen und Kollegen, die sich damit befasst haben. Bereits im Entwurf der letzten Landesregierung zur damaligen Novellierung des Rettungsdienstgesetzes 2016 wurde explizit auf die damals neuen EU-Richtlinien zum Vergaberecht verwiesen. Zudem wurde erläutert, dass im Rahmen des Vergaberechts Kriterien einbezogen werden können, die sich auf die Bewältigung von Großschadensereignissen beziehen. Das ist § 5 Absatz 3
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bedarf keiner Bereichsausnahme, um dem Interesse der kommunalen Rettungsdienstträger an einen Rettungsdienst zu entsprechen, der in der Lage ist, mit weiteren, auch ehrenamtlich getragenen Kräften, Großschadensereignisse zu bewältigen. Schauen Sie einfach noch einmal in die entsprechenden Regelungen - wir haben das im Ausschuss diskutiert -, die Sie im Kontext sehen müssen. Dann werden Sie sehen, dass das, was Sie fordern, nicht nur nicht gebraucht wird, sondern - wenn ich mir die Stadt Bonn angucke - sogar völlig kontraproduktiv wäre. Herr Kollege Meyer, ich komme gleich darauf zu sprechen.
Es wird bei der Argumentation verkannt, dass in Schleswig-Holstein das Rechtskonstrukt derart aufgestellt ist, als dass Rettungsdienst eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Kreise und kreisfreien Städte ist. Eine operative Aufgabendurchführung kann durch Eigenbetriebe, wie zum Beispiel die Berufsfeuerwehr oder die RKiSH gGmbH, durchgeführt werden, nach § 5 beispielsweise durch das DRK, den ASB, die Malteser oder die Johanniter. Die geltende Rechtslage gibt den Trägern diese Möglichkeit in die Hand.
Meine Damen und Herren auch von den Sozialdemokraten, das war der Grund dafür, dass sich die letzte Hausspitze fachlich versiert entschieden hat, die von Ihnen heute geforderte Bereichsausnahme kategorisch abzulehnen. Sie haben das damals parlamentarisch mitgetragen, und zwar zu Recht und aus gutem Grund.
Jetzt fordern Sie die Bereichsausnahme, Sie fordern von der jetzigen Landesregierung, dass aus Ihrer Sicht ein Fehler der damaligen Landesregierung korrigiert wird. Ich sage Ihnen: Es ist kein Fehler, sondern meine Amtsvorgängerin und ihre Staatssekretärin haben sich damals vollkommen richtig verhalten.
In Bonn erleben Sie gerade genau das Gegenteil. In Bonn blockiert ein großer privater Anbieter aus Dänemark - Flemming Meyer - die Neuvergabe des Rettungsdienstes wegen der berühmten Bereichsausnahme, die mit der Vergaberechtsreform 2016 geschaffen wurde. Die Vergaberechtsreform aus
Allerdings ist rechtlich höchst umstritten, ob die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst gilt. § 107 Absatz 1 Nummer 4 des GWB gestattet die Direktvergabe an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen, jedoch ausdrücklich - jetzt lohnt es sich zuzuhören, Herr Heinemann - nur für Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die unter die sogenannten CPV-Nummern fallen. Ob dies auch für Leistungen des Rettungsdienstes gilt, liegt derzeit zur Entscheidung vor dem EuGH. Das lag übrigens auch damals schon zur Entscheidung vor dem EuGH, und deswegen hat sich die vergangene Hausspitze richtig entschieden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, heute eine Regelung aufzunehmen, die vor dem EuGH im Zweifel keinen Bestand hat.
Wenn der EuGH im Sinne von Sozialdemokraten und SSW entscheidet, können wir uns gern noch einmal neu darüber unterhalten. Heute ein Rettungsdienstgesetz zu verabschieden, das rechtlich höchst fragwürdig wäre, dazu ist diese Landesregierung nicht bereit.
Noch eine Anmerkung zur Reihenfolge der Redner: Die erste Lesung des Gesetzentwurfs hat ohne Aussprache stattgefunden; daher heute diese Reihenfolge.
Ich möchte darauf hinweisen, dass der Minister die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten und 40 Sekunden erweitert hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Februar 2017 wurde das bis dato 25 Jahre unangetastete Rettungsdienstgesetz novelliert. Nun scheint diese Periode gebrochen, denn nicht einmal zwei Jahre später müssen bestehende Lücken im Gesetz geschlossen und andere Punkte konkretisiert wer
Erstens: Qualitätsanforderungen im Bereich der Leitenden Notärzte definieren. Zweitens: Verbindliche Einführung des Baby-Rettungswagens. Drittens: Durchführung der Notfallrettung in Schleswig-Holstein.
Zu Punkt 1: Fachkundenachweis im Bereich der Leitenden Notärzte. Im Gesetzentwurf wird konkretisiert, dass Leitende Notärzte über eine entsprechende Qualifikation verfügen müssen. Der Minister hat es gesagt. Diese Qualifikation muss nachgewiesen werden. Deshalb wird das Ministerium in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer SchleswigHolstein Qualitätsanforderungen festlegen, die den Fachkundenachweis definieren und somit künftig sicherstellen, dass sich hinter dieser Begrifflichkeit keine fachlichen Unterschiede mehr verbergen. Hier wird also Klarheit geschaffen.
Zu Punkt 2: Baby-Rettungswagen. Dieser soll verpflichtend werden; diese Verpflichtung existiert derzeit nicht. Bis zum 31. Dezember 2020 müssen in Schleswig-Holstein Baby-Notfallrettungswagen in der Notfallrettung eingesetzt und vorgehalten werden. Die Fahrt in einem normalen Rettungswagen birgt für ein Neugeborenes ein zusätzliches Risiko. Die Erschütterungen auf unebener Straße können zu erheblichen Folgen führen. Das können wir uns alle vorstellen. Der Baby-Rettungswagen ist nicht nur in besonderem Umfang gefedert, sondern er hat auch speziell auf die Patienten ausgerichtete Sicherheitspakete, zum Beispiel einen Brutkasten, der quer zur Fahrtrichtung in der Fahrzeugmitte platziert ist; denn dort ist der ruhigste Platz im Fahrzeug.
Zu Punkt 3: Vergabe und Durchführung der Notfallrettung in Schleswig-Holstein. Der Minister hat das eben schon erwähnt: Träger des Rettungsdienstes sind die Kreise und kreisfreien Städte. Die Aufgabe wird als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen. Hier muss ich einfach sagen: Unsere kommunale Ebene macht diesen Job wirklich sehr gut und verantwortungsvoll - dafür ein großes Lob von dieser Stelle.