Protocol of the Session on July 5, 2018

Deshalb finde ich es zum Beispiel sehr gut, dass sich die grünen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Lübeck auf den Weg machen und überlegen, ob Lübeck einen Notfallplan benötigt, um die Frauen auffangen zu können.

Es ist uns allen klar, dass es mit der Sanierungsmaßnahme nicht getan ist. Die Frauenhäuser brauchen mehr Mitarbeiterinnen, und sie brauchen auch mehr Plätze. Wir als Grüne unterstützen die Frauenhäuser bei diesen Forderungen.

Wenn ich einmal grundsätzlich werden darf, dann bin ich der Meinung, dass wir dieses Thema mehr unter einem sicherheitspolitischen Aspekt diskutieren müssen, weil es nämlich um nichts Geringeres geht. Es wird in der Regel diskutiert, dass es um Frauen geht, die sich freiwillig in gewaltvolle Beziehungen begeben oder sich aus einer solchen nicht lösen wollen. Das stimmt schlichtweg einfach nicht.

Ich besuche gerade alle 16 Frauenhäuser hier im Land. Wenn man die Frauenhausmitarbeiterinnen

fragt, welche Frauen ins Frauenhaus kommen, dann sagen sie alle durch die Bank: Es sind unterschiedlichste Frauen jeglicher Schicht. Der einzige Unterschied ist, dass die Anwältin in der Regel bei ihrer Freundin, die Lehrerin ist, unterkommt oder die Ferienwohnung, die sie übergangsweise mietet, selbst zahlen kann.

Eine Mitarbeiterin einer Einrichtung sagte zu Recht: Es ist eine absurde Situation, die man als Frau, die Gewalt erfahren hat, erlebt. Ich möchte ein Beispiel nennen. Der Mann verprügelt seine Frau, sie flieht. Der nächste Schritt ist das Frauenhaus. Sie muss alles aufgeben: ihr Umfeld, ihre Adresse und lebt fortan irgendwo im Geheimen. Bei vorhandenen Kindern müssen diese die Schule wechseln.

Man kommt nicht an der Frage vorbei: Wo und wann fängt dieses Problem eigentlich an? Es fängt nicht mit dem Anruf im Frauenhaus an. Fast jede Frau kennt diese Situation, dass irgendein wildfremder Typ einem hinterherpfeift, einen dummen Spruch bringt, einen im Club belästigt, man Panik vor dem Moment hat, nach Hause zu kommen, weil irgendein Creep einen bis zur Haustür verfolgt. Diese Situationen erleben zum Glück nicht alle Frauen, aber viele machen diese Erfahrung.

Zum Glück erfahren nicht extrem viele Frauen sexuelle oder andere Gewalt, wenn aber doch, dann findet diese in den allermeisten Fällen in ihrem eigenen sozialen Umfeld statt. Was sagt uns das? Es sagt uns, dass die Grenzüberschreitungen zur Normalität von Frauen gehören. Die Zahlen geben genau das her. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sagt dazu - ich zitiere -:

„Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu fast 99 % weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 90 %. Bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung sowie bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 81 % der Opfer Frauen. …

Seit 2012 lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg der Opferzahlen von Partnerschaftsgewalt feststellen.“

Weiter heißt es:

Vorsätzliche, einfache Körperverletzung: über 69.700 Frauen,

„Bedrohung: über 16.700 Frauen,

(Aminata Touré)

gefährliche Körperverletzung: rund 11.900 …

- Stalking: über 7.600

- Mord und Totschlag: 357“

Wir haben ein strukturelles Problem mit Gewalt gegenüber Frauen. In der Regel gewinnt das Thema immer nur dann Aufwind, wenn der Täter ein Geflüchteter war. Aber das kann und das darf nicht sein. Die Zahlen geben uns Anlass genug, um tagtäglich über Gewalt gegen Frauen zu sprechen.

Wir müssen über männliche Gewalt sprechen. Wir müssen Programme und Projekte unterstützen, die wir hier in Schleswig-Holstein haben, die sich dieser Gewalt entgegenstellen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Sütterlin-Waag, vielen Dank für Ihren Bericht und für die erfreulichen Zahlen. Die gute Botschaft des heutigen Tages lautet: Es gibt mehr Geld für Frauenhäuser, für die Frauenberatungsstellen und den Landesverband Frauenberatung.

Die konkreten Maßnahmen und die dazugehörigen Zahlen hat die Ministerin genannt. Ich möchte sie dennoch gerne wiederholen, weil sie sehr beeindruckend sind und ich den Eindruck hatte, dass sie nicht jeder ganz verstanden hat:

- 5,6 Millionen € Förderung durch das FAG pro Jahr,

- 30.000 € Förderung durch das FAG für eine Geschäftsstelle des Landesverbandes Frauenberatung pro Jahr,

- 50.000 € zusätzliche Mittel für eine Geschäftsführung des Landesverbandes Frauenberatung, befristet bis 2019; dann müssen wir weiterschauen,

- 76.000 € zusätzliche Mittel für den Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein für die Bekämpfung gegen strukturelle Gewalt gegen Frauen,

- 18.000 € zusätzliche Mittel für das Projekt Suse pro Jahr, das sich dem Ziel einer sicheren und

selbstbestimmten Lebensführung von Frauen und Mädchen mit Behinderung verschrieben hat, zusätzlich 10 % Erhöhung Platzkostenpauschale,

- 50.000 € zusätzlich für eine Koordinierungsstelle der Frauenhäuser,

- jeweils 700.000 € zusätzlich zum FAG in den Jahren 2017, 2018 und 2019 für Personal- und Sachkosten der Frauenberatungsstellen,

- jeweils 800.000 € jährlich bis 2022 für das Wohnraumprojekt „Frauen Wohnen“,

- 3 Millionen € zusätzlich für Investitionen in den Jahren 2018 und 2019; die Richtlinie dazu folgt.

Liebe Frau Raudies, wo ist das, was wir tun, jetzt noch immer zu wenig?

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jörg Nobis [AfD])

Meine Damen und Herren, das, was ich eben aufgelistet habe, ist richtig viel Geld, und noch besser: Es ist sehr gut angelegtes Geld; denn es ist für unsere Frauen.

(Beifall FDP - Martin Habersaat [SPD]: Und warum haben Sie das vorgelesen?)

- Ja, es tut mir leid, aber diese Zahlen wollte ich korrekt vortragen; deswegen habe ich sie abgelesen.

Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass wir es gemeinsam geschafft haben, diese zusätzlichen Landesmittel für Investitionen in den Frauenhäusern einzuwerben und dass dieser Betrag auch noch deutlich über das hinausgeht, was wir im Koalitionsvertrag festgelegt hatten.

Wie groß der Sanierungsstau beziehungsweise der Erweiterungsbedarf in den Frauenhäusern ist, wird regelmäßig an uns alle, insbesondere aber auch an die kommunalpolitischen Akteure, herangetragen. Ich finde es völlig richtig, dass die Ministerin sagt, sie werde jetzt ein Gutachten, eine Studie in Auftrag geben, um den tatsächlichen Bedarf festzustellen, um danach gute Entscheidungen zu treffen.

Ich appelliere an uns alle, dass wir dies als eine gemeinsame Aufgabe verstehen und dafür Sorge tragen, was den Frauen und Kindern in einer besonderen Notsituation eine Unterstützung zukommt, die ihnen Schutz, Sicherheit und Ruhe gibt, um ihre Situation bewerten zu können und einen Plan für die Zukunft zu schmieden.

Wer jemals ein Frauenhaus besucht hat, der weiß, dass diese eher spartanisch und zweckmäßig ausgestattet sind, dass Mütter und Kinder gemeinsam in

(Aminata Touré)

einem Raum wohnen und manches Mal ein mit Matratzen ausgelegtes Büro herhalten muss. Aber ich habe nicht gehört, dass sich eine der Frauen darüber beklagt hätte, denn alle Frauen haben das gefunden, was sie gesucht haben: Schutz vor der Gewalt, die sie zu Hause erfahren haben. Deshalb finde ich es wirklich sehr spannend, was Sie sich hier heute geleistet haben, Frau Raudies.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, Küchen, Toiletten, Badezimmer, Gemeinschaftsräume werden hoch beansprucht und sind damit auch schneller sanierungsbedürftig, als wir dies im privaten Umfeld erleben. Frau Rathje-Hoffmann hat hierzu Details aufgeführt.

(Beifall FDP)

Zum Schluss, weil das ein wenig in den Hintergrund geraten ist, möchte ich mich bei all denen bedanken, die sich ehrenamtlich und hauptberuflich für Frauen, aber auch für Männer - auch das muss einmal gesagt werden; denn es gibt auch Männer, die unter häuslicher Gewalt leiden - in den Hilfsund Beratungsstellen, in den Frauenhäusern sowie im gesellschaftlichem und im persönlichem Umfeld einsetzen.

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns, dass die Geschichte der Frauenhäuser erst 1976 in Berlin begonnen hat. In Schleswig-Holstein wurde das erste Frauenhaus in Rendsburg 1977 gegründet, also vor etwas mehr als 40 Jahren. Damals waren das Modellprojekte. Heute sind sie ein fester Bestandteil in unseren Kreisen und in unseren Kommunen. Alle haben die Pflicht, diese mitzufinanzieren, damit es eine Hilfe für von Gewalt bedrohte Menschen und von Vergewaltigung bedrohte Frauen und Mädchen gibt.

Wir haben inzwischen ein großes, breites Netzwerk an weiteren Möglichkeiten, um diesen Menschen Schutz zu geben. Ich möchte an dieser Stelle nur das Stichwort „Wegweisung“ nennen. Auch das ist ein Instrument, das sich als sehr erfolgreich erwiesen hat.

(Beifall FDP und AfD)