Zweitens habe ich überhaupt nicht bestritten, und keine der Nachfragen bringt mich in die Richtung, hier zu bestreiten, dass wir in Einzelfällen solche Plätze brauchen.
- Ich sage: in Einzelfällen! Wenn man das in Einzelfällen regeln muss, kann man Vereinbarungen mit den Nachbarländern treffen. Wir reden hier aber nicht über Einzelfälle, sondern wir reden über eine große Abschiebehaftanstalt für Norddeutschland, wo sich Schleswig-Holstein gemeldet und gesagt hat: Wir wollen das in Glückstadt machen. Das hat die Koalition beschlossen. Damit setze ich mich auseinander, und das darf ich hier als Opposition kritisieren, insbesondere gegenüber den Grünen, die ihre Haltung geändert haben.
Sehr geehrter Kollege, es gibt weiteren Nachfragebedarf, diesmal von der Kollegin Touré. Gestatten Sie von ihr eine Frage?
Bevor Frau Touré das Wort erhält, bitte ich alle anderen Abgeordneten der SPD-Fraktion, die nicht am Rednerpult stehen, etwas ruhiger zu werden. Dies gilt nicht nur für SPD-Abgeordnete, sondern auch für die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau von Kalben. - Jetzt hat die Abgeordnete Touré das Wort zu einer Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung.
Herr Stegner, Sie werden wahrscheinlich wissen, dass wir über 20 Plätze für Schleswig-Holstein sprechen und nicht über eine „riesengroße“ Einrichtung, 20 Plätze pro Bundesland. Man kann die Abschiebehafteinrichtung für falsch halten, das kann ich teilen, da haben wir eine ähnliche Position.
- Das verheimliche ich auch nicht, Birte Pauls. - Die Frage ist für mich: Inwiefern ist es für die inhaftierte Person ein Unterschied, ob sie in Schleswig-Holstein oder in Brandenburg untergebracht ist? Können Sie mir das erklären?
Was ich Ihnen gern erklären möchte, ist, dass es die gemeinsame Position von SPD, Grünen und SSW in der vergangenen Legislaturperiode war, dass wir keine eigene Abschiebehaftanstalt in SchleswigHolstein wollen, dass wir die entsprechende Abschiebehafthaftanstalt in Rendsburg schließen wollen. Das stand in unserem Wahlprogramm, das stand in unserem Koalitionsvertrag, damit sind wir wieder in die Wahl gegangen, dafür haben wir geworben, und das haben wir durchgesetzt. Sie haben Ihre Position geändert. Insofern richtet sich die Frage doch nicht an uns, wo die am besten untergebracht werden, sondern die Frage richtet sich an Sie, warum Sie in dieser Frage Ihre Position geändert haben. Das ist die Antwort, Frau Kollegin Touré.
Wenn ich die Antwort noch um einen Satz ergänzen darf: Ich weiß nicht, wie viele dieser Einzelfälle, über die wir hier sprechen, wir insgesamt haben werden. Das weiß ich nicht. Das ist eine Frage, über die man Mutmaßungen anstellen kann. Wenn ich mir die Debatte in Berlin in den letzten Tagen so betrachte, wohin die Debatte in Deutschland allmählich rutscht, werden wir wahrscheinlich in der Tat Rieseneinrichtungen brauchen.
Ich bin bisher von wenigen Einzelfällen ausgegangen, und ich bin davon ausgegangen - Frau Kollegin, in der vergangenen Legislaturperiode war das die gemeinsame Position -, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um Menschen möglichst zu ersparen, dass sie in Abschiebeeinrichtungen kommen. Das war unsere Position, und das ist mein Hintergrund für das, was ich hier sage.
Dann frage ich jetzt Herrn Dr. Stegner, ob er eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Touré erlaubt.
Herr Präsident, lassen Sie es mich so formulieren: Solange nicht die Rechtspopulisten fragen, gestatte ich das immer.
Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Sie haben nicht erklären können, inwiefern es für die einzelne Person einen Unterschied macht, ob sie hier oder in einem anderen Bundesland untergebracht wird. Im Übrigen hat sich unsere Position - mir ist wichtig, das noch einmal zu sagen - nicht verändert, nur weil wir jetzt eine Inhaftierung hier vornehmen und nicht in einem anderen Bundesland. Das hat auch in der letzten Legislaturperiode stattgefunden. Dazu gibt es einen Landeserlass. Sie können selber in die Gesetze reingucken. Diese Praxis hat stattgefunden. Es ist Bigotterie - ich meine nicht nur die SPD, sondern uns insgesamt als Küstenkoalition -, wenn wir sagen, wir haben keine Abschiebehafteinrichtung gehabt, aber sie hat in der Praxis trotzdem stattgefunden. Deshalb soll man mir erklären, inwiefern das einen Unterschied macht.
Lieber Kollege Dr. Stegner, bevor Sie antworten, möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Wenn eine Kollegin eine Zwischenfrage stellt, hat die Kollegin das Wort und kein anderer Abgeordneter. Daraus entwickelt sich bitte kein Dialog. Sonst kommen wir hier nicht ordnungsgemäß durch die Debatte.
Liebe Frau Kollegin Touré, erstens finde ich es altmodischerweise richtig, dass Sie Fragen stellen oder Bemerkungen machen und ich darauf so antworte, wie ich es richtig finde.
Zweitens unterscheide ich mich deutlich von Ihnen. Ich empfinde die Vereinbarung, die die Küstenkoalition hatte, mitnichten als Bigotterie, sondern als Teil unserer Überzeugung.
Ich glaube, dass die Frage, in wie vielen Einzelfällen das notwendig ist, ganz viel mit der eigenen Politik zu tun hat. Unsere Anstrengungen galten dem Umstand, möglichste wenige Einzelfälle haben zu müssen. Das waren unsere Anstrengungen.
Es gibt Anfragen dazu, in wie vielen Fällen das in der letzten Legislaturperiode stattgefunden hat. Sie waren da noch nicht hier, aber Sie haben die Antworten nachgelesen. Dann werden Sie festgestellt haben, dass es sehr wenige Einzelfälle gewesen sind, bei denen das der Fall war.
Die Politik, die man macht, und die Anzahl der Einzelfälle, die dabei herauskommen, haben etwas miteinander zu tun. Die Abgrenzung, die ich vorhin vorzunehmen versucht habe, als der Kollege Rossa mich gefragt hat, war die: Ich glaube, es gibt ganz wenige Menschen, die unseren Schutz nicht brauchen, sondern die unseren Schutz sogar missbrauchen, weil sie hier kriminell werden oder Gefährder sind.
Aber für die vielen anderen, gerade Familien mit Kindern, die nichts verbrochen haben, die möglicherweise keine Anerkennung bekommen - mancher wird übrigens auch abgeschoben, bei dem sich die Leute fragen: wieso ausgerechnet diese Familie? -, wollen wir doch nicht allen Ernstes Einrichtungen bauen, um die in Haft zu stecken! Das kann doch nicht allen Ernstes unsere Position sein! Darüber rede ich hier, das ist mein Thema, egal welche Zwischenfragen ich hier bekomme.
Ich gehe davon aus, dass Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Koch gestatten. - Damit hat jetzt der Kollege Koch das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Herr Dr. Stegner, das einzige Argument, das ich von Ihnen bisher gehört habe, war die Größe der Anstalt. Sie sprachen von „riesiger Einrichtung“, „großer Abschiebehaftanstalt“. Die Kollegin Touré wies gerade zu Recht darauf hin, dass es sich um 20 Plätze für Schleswig-Holstein handelt. Im SPD-regierten Bremen gibt es ebenfalls einen Abschiebehafttrakt im Polizeipräsidium mit 20 Plätzen. Nun ist Bremen um ein Vielfaches kleiner als Schleswig-Holstein und mit 500.000 Einwohnern gerade einmal ein Fünftel so groß wie Schleswig-Holstein. Halten Sie vor diesem Hintergrund 20 Plätze für Schleswig-Holstein für überdimensioniert?
- Sehr geehrter Herr Kolleg Koch, es ist ein bisschen eigentümlich, wenn ich eine Minute meiner Redezeit verbraucht und inzwischen zehn Zwischenfragen beantwortet habe, zu behaupten, ich hätte meine Argumente nicht vollständig vorgetragen. Das ist ein bisschen schwierig. Ich will die Frage trotzdem gern beantworten und Ihnen sagen: Ich vertrete die Position der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie und meiner SPD-Landtagsfraktion. Wir haben mit voller Überzeugung gesagt: Wir wollen die Abschiebehaftanstalt in Rendsburg schließen, und wir wollen keine neue, sondern wir wollen unsere Anstrengungen vergrößern, dafür zu sorgen, dass das nicht erforderlich ist. In den wenigen Einzelfällen muss man zusammen mit den Nachbarländern pragmatische Lösungen finden. Das ist unser Ziel. Das ist aber etwas komplett anderes, als den Finger zu heben und zu sagen: Wir wollen gern diejenigen sein, die in Glückstadt eine große Einrichtung für die gesamten norddeutschen Bundesländer bauen.
Ich will Ihnen gern eines sagen, weil ich das Argument ja kenne: Der Innenminister der letzten Koalition, Herr Studt, hatte vergleichbare Vorschläge, die er auch im Wahlkampf vorgetragen hat. Ich habe das - obwohl man das im Wahlkampf normalerweise nicht tut - öffentlich kritisiert, weil es nicht die Position der Sozialdemokraten in Schleswig
Holstein war - auch nicht der Landtagsfraktion -, und sie ist es auch nicht geworden. Deswegen trage ich unsere Position unabhängig davon vor, was andere Bundesländer für sich entscheiden.
Ich gehe davon aus, Herr Dr. Stegner, dass Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Koch gestatten?