Protocol of the Session on June 15, 2018

Das, was wir hier diskutieren, ist die Spitze des Eisberges, und wie heißt es so schön: In die Zeitung von gestern wird morgen der Fisch eingepackt. Zumindest früher war das so. Wir müssen am Ball bleiben, auch wenn dies keine Schlagzeile mehr ist. Der Antrag der SPD zur Lebensmittelverschwendung im Juli-Plenum ist einer der nächsten Schritte. Freiwillige Vereinbarungen sind schön, aber nur dann, wenn sie funktionieren. Mut zu Entscheidungen ist Aufgabe von Politik. Wir stimmen dem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr erfreut, dass bei dieser Debatte und bei diesem Thema offensichtlich große Einigkeit besteht und dass wir hier gar nicht groß gegeneinander angehen müssen. Viele Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, zu sagen, hat Sandra Redmann auch ge

sagt. Deswegen würde ich mich gern auf einige andere Punkte konzentrieren.

Ja, es ist tatsächlich so, dass der Skandal an der Schlei viele wachgerüttelt hat. Es ist tatsächlich ein großes Problem in der Umweltpolitik insgesamt, dass immer erst etwas passieren muss, damit wir alle wach werden und sagen: Ach ja, da war ja etwas mit dem Plastik in Bangladesch oder sonst wo und nun auf einmal auch bei uns.

Um es aber positiv zu sehen: Ich habe das Gefühl, die Bevölkerung und die Politik sind wachgerüttelt, und es bewegt sich etwas. Ich bin froh, dass wir mit diesem Antrag deutlich machen, dass auch wir deutlich machen, dass wir sehen, dass wir hier Regelungen ändern müssen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Bioabfallregelung und die Düngeverordnung geändert werden.

Eine Bekannte erzählte mir neulich: Als sie Komposterde gekauft und diese in ihrem Garten verstreut hatte, sah das aus wie Konfetti, weil in dieser Komposterde, mit der sie ihrem Garten etwas Gutes tun wollte, Plastikschnipsel waren. Das ist nicht nur hässlich oder zumindest ungewöhnlich, sondern es ist auch gefährlich für Vögel und andere Lebewesen. Deshalb ist es hochgradig schädlich.

Es geht also wirklich darum, dass wir weniger in den Kreislauf einbringen. Ja, dazu habt ihr schon viel gesagt. Es geht aber vor allen Dingen auch darum, dass wir Plastik vermeiden. Wir werden auf Dauer nicht alles Plastik recyceln können, wir werden einfach weniger Plastik benutzen müssen. Herr Rickers, hier bin ich nicht ganz Ihrer Meinung, dass alles schon tipptopp ist bei uns in der Abfallwirtschaft. Es wird noch viel zu viel verbrannt. Vieles von dem, das ich in meiner Küche sortiere, landet hinterher gemeinsam in einem Verbrennungsofen. Das ergibt natürlich überhaupt keinen Sinn. Wenn man ehrlich ist, dann ist es bei manchen Verpackungen auch einfach schwierig, diese zu recyceln, weil alles Mögliche miteinander verbunden ist. Das heißt, wir brauchen verbindliche Recycling-Quoten im Abfallrecht. Wir brauchen mehr echtes Recycling, und wir brauchen auch eine Änderung der Besteuerung von Erdöl für die Plastikproduktion.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn etwas nichts kostet - früher gab es an der Kasse Plastiktüten häufig kostenlos dazu -, wird es mitgenommen. Wenn dafür Geld verlangt wird, überlegt man zweimal und sagt sich, dass man auch seinen Einkaufskorb mitnehmen könnte. Außerdem muss darüber nachgedacht werden, die Verwen

(Sandra Redmann)

dung problematischer Verbundmaterialien - Materialien, die man nicht mehr trennen kann - zu begrenzen. Auch über ein Verbot überflüssiger Wegwerfprodukte aus Plastik sollte nachgedacht werden. Kein Mensch braucht einen Trinkhalm aus Plastik! Man kann auch einen Strohhalm nehmen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ja, es wäre falsch, das Plastikproblem nur auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen. Trotzdem ist es wichtig, dass auch wir uns über unser Verhalten Gedanken machen. In Kenia zum Beispiel ist es seit dem Jahr 2017 verboten, Plastiktüten zu benutzen. Das bedeutet, dass dort täglich 100 Millionen Plastiktüten eingespart werden - 100 Millionen! Wir müssen uns wirklich fragen: Wenn es dort geht, wenn sich dort etwas bewegt, warum können dann nicht auch wir auf Plastiktüten im Verkauf verzichten?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Dennys Bornhöft [FDP])

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen. Hinter alledem verbirgt sich meines Erachtens ein ganz anderer Skandal. Wir regen uns im Moment darüber auf, dass Lebensmittel, die kompostiert werden, verpackt sind. Wir müssen auch darüber sprechen, warum überhaupt so viele Lebensmittel weggeworfen werden. Eigentlich ist das der Skandal. Auch auf diesen Handlungsbedarf geht unser Antrag ein.

Auf Robert Habecks Initiative hin hat sich die Umweltministerkonferenz am vergangenen Freitag für ein Schredderverbot verpackter Lebensmittel ausgesprochen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Flem- ming Meyer [SSW] und Dennys Bornhöft [FDP])

Außerdem unterstützen die Umweltminister die Einführung einer Plastiksteuer. Das ist ein großartiger Erfolg von Ihnen und Ihrem Staatssekretär, Herrn Goldschmidt. Vielen Dank dafür von unserer Seite.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Jetzt ist es an uns, nachzulegen und ein weiteres starkes Signal in Richtung Bund zu senden. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Sandra Redmann [SPD])

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dennys Bornhöft das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist nicht nur noch amtierender Fußballweltmeister

(Zurufe: Noch!)

- die neue Fußballweltmeisterschaft findet ja jetzt statt -, sondern auch international bekannt für seine akribische, weltmeisterliche Mülltrennung. Hier wird selbst der Teebeutel auf drei verschiedene Tonnen aufgeteilt. Häufig ist Gemüse wie Feldsalat, teils auch Salatgurken, im Einzelhandel noch in Plastiktüten oder Folie eingepackt. Auch wenn wir alle vermutlich gegen Lebensmittelverschwendung sind, wird es vorkommen, dass einem zu Hause hier und da etwas vergammelt, weshalb man es nicht mehr verzehren kann, sondern wegwirft. Dann kommt es auf den Kompost. Niemand käme wohl zu Hause auf die Idee, den Salat im Plastikbeutel auf den Kompost zu werfen. Natürlich wird vorher beides voneinander getrennt.

Genau diese Selbstverständlichkeit findet im gewerblichen Bereich nicht immer zwingend statt. Hier werden die Lebensmittel in ihrer jeweiligen Verpackung geschreddert und dann zur Energiegewinnung weiterverwendet. Warum wird es so gemacht? Weil es kostengünstiger und noch erlaubt ist.

Verpackungsindustrie, Versand und Einzelhandel, vor allem der Online-Einzelhandel, müssen in der nächsten Zeit wirklich sehr aufmerksam sein, was den Umgang mit Müll, aber auch die Verschwendung von Material betrifft. Man merkt es auch an der Medienberichterstattung: Die Einschläge im Sinne von politischen Maßgaben bezüglich Müllvermeidung und Minimierung von Verschwendung kommen immer näher. Wenn im Umgang mit Plastik und Plastikmüll nicht ein Umdenken stattfindet, wird die Politik mehr und mehr Zwangsmaßnahmen erlassen, teilweise auch erlassen müssen.

Von der EU wird ein Verbot von Plastikwegwerfartikeln ergehen. Mancher mag über die EU schimpfen; das passiert auch in diesem Haus. Auch die Briten schimpfen über die EU. Jedoch beinhaltet eines der ersten Gesetze, die Theresa May vor dem Hintergrund des EU-Austritts angestoßen hat, das Vorziehen des Verbots von Plastikeinweggeschirr in Großbritannien.

(Eka von Kalben)

Als Mitglied der Freien Demokraten ziehe ich Eigeninitiative und innovative Ideen stets politisch auferlegten Verboten vor. Wir wünschen uns insoweit auch mehr eigene Impulse aus der Industrie. Wenn allerdings Ambition und Eigeninitiative kaum ausgeprägt sind, wird die Politik hier und da Maßnahmen im Sinne der Ersatzvornahme treffen müssen.

Jeder von uns kennt die Horrorbilder und -videos von den Gewässern in Asien, die man aufgrund der Müllmenge gar nicht mehr als Gewässer erkennen kann. Gelegentlich hört man, Müllvermeidung in Deutschland und Europa werde die Abfallwirtschaft im Pazifikraum nicht ändern. - Ja und nein. Der Sinneswandel wird sicherlich nicht von der Nordsee und der Ostsee bis hin zum Pazifik schwappen. Jedoch haben wir Europäer jahrzehntelang unseren Plastikmüll als Rohstoff beispielsweise nach China exportiert. Ähnlich wie den Wasserkreislauf der Meere müssen wir auch den Abfallwirtschaftskreislauf globaler als bisher denken und beispielsweise unsere Recyclingtechnologie deutlich stärker in Südostasien anbieten und dorthin exportieren.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es gibt mittlerweile kaum einen Ort auf der Welt, an dem Plastikmüll nicht gefunden wird. Selbst in der Arktis und in den Tiefseegräben sind bereits Mikroplastikpartikel aufgetaucht. Was für eine Ausbreitung eines Stoffes, der seit noch nicht einmal 70 Jahren industriell hergestellt wird!

Plastikmüll in den Meeren ist in aller Munde, Plastikmüll auf unseren Feldern und Äckern eher weniger. Jahrelang wurden Faulschlämme - wie jüngst an der Schlei - mit 0,5 % Beimengung von Plastikteilchen als Dünger auf unsere Äcker verbracht. Die 99,5 % organischen Materials sind abgebaut, die Plastikteilchen wiederum bleiben. Sie gelangen auch in Schleswig-Holstein in unsere Nahrungskette und damit in uns Menschen.

Um dieses Risiko zu minimieren, fordern wir, dass die Düngemittelverordnung in Bezug auf Gärreste verschärft und die Verunreinigung möglichst gering gehalten wird. 0,0 % werden technisch leider niemals möglich sein, nicht alles kann man herausfiltern. Aber die weitere Maßgabe, mit der das Schreddern inklusive Plastikverpackung verhindert wird, führt automatisch dazu, dass der Plastikanteil im Kompost sinkt.

Das Bild, welches wir von Kunststoffen haben, muss neu gezeichnet werden. Als Allheilmittel vor nicht einmal 70 Jahren industriell gestartet, treten

nun von Jahr zu Jahr mehr die Schattenseiten zum Vorschein: biologisch nicht abbaubar, sondern lediglich stetig in kleinere Teile zerfallend oder auch hormonell wirkend und somit unter stakem Verdacht stehend, unfruchtbar zu machen.

Der Einsatz von Plastik und dessen Hinterlassenschaften wird uns noch sehr lange begleiten. Es kann in der Umwelt Jahrtausende überdauern. Wenn man sich die mediale Berichterstattung anschaut und entsprechende Gespräche führt, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Plastikmüll, was die negativen Folgen angeht, bei der jungen Generation, die auf der Tribüne sitzt, vom Stellenwert her irgendwann das - zu Recht - miese, extrem negative Image haben wird, das heute Atomkraft hat. Der Kampf gegen Plastikmüll wird ein langer sein. Lassen Sie uns heute bitte einen großen Schritt in die richtige Richtung wagen und dem Antrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich noch einmal für meinen Zwischenruf von gestern in aller Form zu entschuldigen, auch vor diesem Forum. Meine Stimme ist bekanntlich nicht sehr stark. Deswegen wundert es mich, dass dieser Zwischenruf überhaupt notiert worden ist.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Sie sitzen doch ne- ben den Stenografen!)

- Aber da ich neben unseren hervorragenden Stenografen sitze, die alles mitbekommen - fast alles -, wurde das notiert. Ich entschuldige mich für die Wortwahl. Ich hoffe, Sie nehmen die Entschuldigung an.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, jetzt zu diesem sehr guten Antrag, den wir offenbar fraktionsübergreifend unterstützen. Die Bioabfallverordnung und die Düngemittelverordnung erlauben gewisse Vermischungsgrade von Lebensmitteln und Kunststoffen. Der Anteil an Kunststoffteilchen, die größer als 2 mm sind, darf laut Bioabfallverordnung zusammen mit allen anderen Fremdstoffen maximal 0,5 % betragen. Das klingt nach nicht viel. Aber bei 5.000 kg Abfall bedeutet dieser scheinbar

(Dennys Bornhöft)

geringe Wert immerhin 25 kg Kunststoffteilchen, die größer als 2 mm sind. Das ist schon eine Menge. Man kann sich ungefähr vorstellen, was noch an für das Auge nicht sichtbaren Teilen dabei ist; man spricht von „Mikroplastik“. Unter Mikroplastik das sage ich jetzt für die Galerie, weil die Herren und Damen hier das wahrscheinlich alle wissen versteht man Plastikpartikel der Größenkategorie kleiner als 5 mm. Erlaubt - weil nicht verboten sind derzeit Vermischungen mit Plastikteilchen, die größer als 2 mm sind.

Mikroplastik primärer oder sekundärer Art von zum Beispiel 0,8 mm Größe darf nach der bestehenden Gesetzgebung weiterhin mit Bioabfall vermengt werden. Selbst Toleranzen von 0,5 %, von denen auch im Antrag die Rede ist, torpedieren nicht nur die Kernidee einer gesetzlich vorgeschriebenen getrennten Sammlung, sondern auch die Widerstandskraft gesunder Ökosysteme.

Nun gelangen - wir haben es heute Morgen von Herrn Rickers gehört - mit Plastik vermengte Bioabfälle unter anderem durch die Biotonne aus Privathaushalten in den Umlauf. Wenn Biogasanlagen dann ihre Gärreste und Komposte an Landwirte abgeben, landen sie mitsamt den Kunststoffresten auf dem Acker oder, wie wir jüngst gesehen haben, in der Schlei.

Am Freitag der vorigen Woche überraschte der Schulleiter der Stiftung Louisenlund, Herr Dr. Peter Rösner, auf dem Schlei-Forum mit der Nachricht, dass die hauseigene Schule im Rahmen der eigenen Meeresforschung viele Monate vor der medialen Welle bereits Plastikteile in der Schlei gefunden habe.