Protocol of the Session on June 14, 2018

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Stephan Holowaty.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines vorwegschicken: Europäischer Datenschutz ist aus meiner Sicht ein echter europäischer Mehrwert. Datenschutz kann in der digitalen Welt nicht an Ländergrenzen aufhören. Ein einheitlicher und zuverlässiger Datenschutz ist oder wäre eine verlässliche Grundlage für alle europäischen Unternehmen und für alle europäischen Bürger.

Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass Dinge, die gut gedacht sind, auch gut gemacht werden. Dem Kollegen Burghard Peters danke ich für die intensiven rechtlichen Ausführungen zu der Frage, wann ich jetzt fotografieren darf oder nicht, aber just genau da liegt schon das erste Problem, das wir haben: Wird von mir erwartet, dass ich mich - bei all seiner Fachkenntnis - beim Kollegen Peters in ein Seminar setzte, um beurteilen zu können, ob ich ein bestimmtes Foto machen darf oder nicht?

Lassen Sie uns doch einmal in die Praxis gucken: Ich war am vorvergangenen Wochenende bei der Eröffnung der örtlichen Wirtschaftsmesse der HHG des Vereins Handel, Handwerk, Gewerbe in Henstedt-Ulzburg zu Gast. Ich habe meinen Ohren nicht getraut, als ich gehört habe, was der Vorsitzende erzählt hat. Es war nämlich nicht möglich, einen Veranstaltungsfotografen zu finden, da man der Meinung war, dass dieser gemäß der Daten

schutz-Grundverordnung eine persönliche schriftliche Einwilligung aller über 400 Anwesenden gebraucht hätte.

Ich höre mittlerweile von Apotheken, die darüber nachdenken, Kunden nur noch einzeln einzulassen, damit bei der so wichtigen Beratung Unbeteiligte nicht mithören können. Ich lese von Bedenken, Visitenkarten entgegenzunehmen, da diese ohne schriftliche Einwilligung des Abgebenden nicht irgendwo abgespeichert werden dürfen. Wir alle kennen die Quelle. Die „Bild“-Zeitung titelt: Datenschutzwahnsinn, netzpolitik.org - die Netzpolitiker unter Ihnen kennen diese Quelle - beklagt ein Sterben von Blogs, den massenhaften Rauswurf von Jugendlichen aus sozialen Netzwerken und Unmengen von Klick-Zumutungen für Web-User. Ob Handwerker, Ärzte, Apotheker, Lehrer oder WhatsApp-User, eigentlich sind derzeit alle verzweifelt über die Datenschutz-Grundverordnung.

Ist das überhaupt berechtigt? Man könnte nun sagen: Die haben alle jahrelang Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Aber die Wahrheit ist doch, dass die nötigen Hilfsmittel meist erst kurz vor Torschluss bereitstanden, dass die praktische Handhabung kaum geprüft wurde und dass der Reality-Check des Gesetzgebers kaum durchgeführt wurde. Die Wahrheit ist aber auch, dass die öffentliche Hand erst kurz vor Torschluss reagiert hat. Selbst das Landesdatenschutzgesetz, das sich im Wesentlichen auf die öffentlichen Behörden und auf die reine Presse bezieht, ist erst neulich von uns in diesem Plenum beraten worden.

Ich habe daher auf den ersten Blick durchaus Sympathien für den Antrag der sozialdemokratischen Kollegen. Aber er greift wieder kurz: Nicht nur Fotografen haben Probleme mit der Datenschutzverordnung. Land, Wirtschaft, Handel, Handwerk, Dienstleister, aber auch Vereine und Verbände sind vollkommen darüber verunsichert, was denn noch erlaubt ist, was unterschrieben werden muss, was dokumentiert und was gespeichert oder nicht gespeichert werden darf.

Tatsache ist auch, dass die Bundesregierung die Öffnungsklausel der Datenschutz-Grundverordnung nicht genutzt hat, um einen praktikablen Datenschutz zu gewährleisten. Sie hat auch die Zeit nicht genutzt, um praktikable Umsetzungen zu schaffen und eine rechtssichere Handhabung oder auch nur Fallstudien bereitzustellen.

Deshalb danke ich der SPD für diesen Antrag, denn Sie haben ein wichtiges Thema in das Plenum gebracht. Ja, der Antrag richtet sich inhaltlich am En

(Burkhard Peters)

de des Tages an die Bundesregierung und dort vor allem an das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Soweit ich mich erinnere, war Heiko Maas der Minister, der im Vorfeld des Inkrafttretens der Datenschutz-Grundverordnung zuständig war. Insofern auch vielen Dank für das Vertrauen, das Sie in die Jamaika-Koalition beziehungsweise in den Landtag des Landes Schleswig-Holstein haben, die Probleme zu lösen, die Heiko Maas nicht gelöst hat.

(Beifall FDP)

Wir stimmen deshalb einer Überweisung an den Ausschuss zu und wünschen uns eine breite Diskussion über die notwendigen Konsequenzen aus dem existierenden Chaos, der Verunsicherung und, und das ist mir ganz wichtig, an der Überreaktion und den Falschinformationen, die es zu der Datenschutz-Grundverordnung gibt. Wir sollten uns im Ausschuss auch darüber unterhalten, wie wir sicherstellen und erreichen können, dass die Menschen und Unternehmen im Land Schleswig-Holstein die Informationen bekommen, damit sie den Datenschutz effektiv und rechtssicher gestalten können. - In diesem Sinne: vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags den Landesvorstand der Jungen Liberalen aus Schleswig-Holstein. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Wieder einmal bewegt uns die EU-Vorgabe zum Datenschutzrecht. Das Landesdatenschutzgesetz ist erwähnt worden, und es war wahrlich nicht einfach, das einigermaßen zu fassen. Es hat doch viele Kontroversen ausgelöst, und das schon hier im Hause.

Die DSGVO schlägt nun auch zunehmend in den privaten Bereich durch. Viele hier im Haus dürften anhand der zahllosen E-Mails endlich wieder einen Überblick darüber haben, wo man überall im Internet registriert ist. Personenbezogene Daten - auch und gerade das eigene Bild - sind in besonderem

Maße schützenswert. Dieses Grundverständnis greift allmählich auch in der Gesellschaft.

Problematisch wird es nun, so klingt es zumindest durch, wenn es um das Fotografieren in der Öffentlichkeit geht, und das fängt bereits bei einfachen Aufnahmen in der Freizeit an, betrifft aber auch künstlerische oder journalistische Aufnahmen im öffentlichen Raum.

Artikel 9 der DSGVO beschreibt zu schützende Daten und lässt auch den EU-Mitgliedstaaten keine Möglichkeit, hier eine eigene nationalstaatliche Regelung zu treffen, die abweichend gefasst ist. Weitergehende Regelungen sind auf nationaler Ebene sehr wohl möglich.

Artikel 85 regelt, dass für die Verarbeitung, die zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen vom Verbotstatbestand treffen können. Dies muss erforderlich sein, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten auf den einen Seite mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit auf der anderen Seite in Einklang zu bringen.

Die SPD verfolgt mit ihrem Antrag das Ziel, dass auch nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung weiterhin Rechtssicherheit für das Fotografieren in der Öffentlichkeit besteht. In der Tat erscheint das spontane Fotografieren im öffentlichen Raum nach der strengen Lesart des Artikels 9 Datenschutz-Grundverordnung kaum noch möglich, ohne dabei gegen dieses europäische Rechtsmonstrum zu verstoßen. Zur Ehrlichkeit gehört allerdings auch, dass das Landesdatenschutzzentrum dies doch deutlich entspannter sieht.

Die eben beschriebene Öffnungsklausel des Artikels 85 der DSGVO beschreibt die Gewährleistung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und öffnet damit die Möglichkeit, dieses nationale Gesetz mit Leben zu füllen. Der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedstaaten hier also bewusst Raum gelassen, um diese Frage auf nationaler Ebene zu verantworten. Ich bin der Meinung, wir sollten diese Möglichkeit nutzen, um eine EU-konforme Lösung zu finden, die außerdem die freie Meinungsäußerung hinreichend wahrt, denn umfasst ist bei dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auch die im Bild geäußerte Meinung. Dieses nach dem Bundesverfassungsgericht als konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verstehende Grundrecht ist zu wichtig, als dass wir unseren gesetzgeberischen Spielraum an dieser Stelle ungenutzt lassen dürfen.

(Stephan Holowaty)

Insofern ist es ein wenig irritierend, dass das ausgerechnet aus den Reihen der SPD, der Partei, deren ideologischer Kern zum Zensurgesetz NetzDG führte, der Wunsch nach gesetzlich gesicherter Meinungsfreiheit kommt. Wir, die AfD, stehen immer aufseiten der Meinungsfreiheit und stimmen dem Antrag daher zu. Wir würden uns auf eine Beratung im Ausschuss freuen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was immer wieder deutlich wird, ist, dass bei uns insgesamt noch eine große Verunsicherung bezüglich der Datenschutz-Grundverordnung besteht. Weder Privatpersonen noch Vereine scheinen sich gerade sicher zu sein, welche Fotos sie verbreiten dürfen und welche nicht. Deswegen schließt sich der SSW generell auch der Forderung an, dass die Bundesregierung von der Öffnungsklausel des Artikels 85 der DSGVO Gebrauch machen möge, um bei der Rechtssicherheit beim Fotografieren Klarheit zu schaffen.

Insgesamt sind das ja keine vollkommen neuen Problemstellungen. Tatsächlich ist mein Eindruck, dass nicht erst seit der neuen Datenschutz-Grundverordnung viel Halbwissen im Umlauf ist, was man darf und was man nicht darf, wenn es um die Veröffentlichung von Fotos geht.

Bis zum Inkrafttreten der DSGVO haben bei uns Kunsturhebergesetz und Bundesdatenschutzgesetz ineinander gespielt. Das Recht am eigenen Bild besagt, dass Personen selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie damit einverstanden sind, dass Aufnahmen von ihnen veröffentlicht werden. Vor jeder Veröffentlichung von Bildnissen einer Person brauchte es also prinzipiell schon immer die Einwilligung der abgebildeten Person. Allerdings gab es hier schon Ausnahmen, wann es zulässig war, ein Foto einer Person auch ohne deren Einverständnis zu veröffentlichen. Beispielsweise bei Bildern, auf denen die Personen nur als Beiwerk erschienen - so ist es formuliert -, oder auf Bildern von Versammlungen, an denen die dargestellten Personen in dem Wissen, dass fotografiert wird, teilgenommen haben, oder wenn die Verbreitung des Bildes einem höheren Interesse der Kunst diente - was

auch immer das ist. Da war es möglich, die Bilder ohne Einverständnis zu veröffentlichen.

Selbst diese Einschränkung konnte wieder aufgehoben werden, nämlich wenn ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten oder - falls diese verstorben waren - deren Angehörigen verletzt wurde. Auch das musste man im Einzelfall nachweisen. Die Lage war schon immer ordentlich knifflig.

Nun sind weitere sicherlich berechtigte, aber eben auch verkomplizierende Regelungen dazugekommen, die wir alle noch einzuschätzen lernen müssen. Berichterstattung und damit auch die Pressefreiheit, wie im SPD-Antrag erwähnt, sehen wir dabei nicht in Gefahr. Der Kollege Peters ist schon darauf eingegangen. Wir haben ja das Medienprivileg für Journalistinnen und Journalisten, das es ihnen erlaubt, persönliche Daten im Rahmen ihrer Recherche zu verwenden.

Eine Einschränkung muss ich allerdings machen: Diejenigen, die frei und ohne festen Redaktionsauftrag arbeiten, also freie Journalisten, haben es rechtlich etwas schwerer. Hier müsste man überlegen, wie man es hinbekommen kann, dass sie frei recherchieren können.

Den Abwägungsprozess zwischen Persönlichkeitsrechten und Presse- oder Kunstfreiheit hat es - wie gesagt - schon vorher gegeben, und den wird es auch weiter geben müssen. Vollkommene Rechtssicherheit werden wir wahrscheinlich nicht erreichen können, es werden auch weiter einige strittige Fälle vor Gericht landen.

Wohl aber nehmen wir die Irritationen ernst, die vor allem durch Vereine an uns herangetragen worden sind. Sie fürchten, ihre Webseiten nicht DSGVO-konform halten zu können, und sehen schon Abmahnungsprozesse auf sie zurollen. Es ist eben so, dass sie sich mit Arbeitsschritten auseinandersetzen müssen, die vorher eher ein bisschen lockerer gehandhabt worden sind.

Stellen Sie sich beispielsweise die Online-Bildergalerie Ihres Fußballvereins im Dorf vor: Drei Spieler suchen sich einen neuen Verein, wollen aber nicht mehr mit ihrem alten Verein assoziiert werden. Müssen die alten Mannschaftsbilder von der Homepage verschwinden oder die betreffenden Personen verpixelt werden? Mit welchen Fristen hat das rückwirkend zu geschehen? Es mag sein, dass man aktuelle Bilder schnell rausnehmen kann, aber wie ist es mit denen, die schon zehn Jahre alt sind? Das wird für Vereine möglicherweise sehr aufwendig, und davor fürchten die sich zu Recht.

(Claus Schaffer)

Dass die DSGVO vorsieht, dass, wenn es um personenbezogene Daten geht, vor der Verbreitung die Einwilligung eingeholt werden muss, ist angebracht. Allerdings darf man hier nicht über das Ziel hinausschießen. Das Filmen oder Fotografieren kann man am Beginn einer Veranstaltung ankündigen und so die Einwilligung abfragen.

Wir leben im digitalen Zeitalter, in dem wir uns jetzt aufs Neue mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auseinandersetzen müssen. Aber die Sensibilisierung bei diesem wichtigen Thema das tun wir heute - darf nicht zu Handlungslähmung führen. Wir dürfen nicht erstarrt dastehen, sondern müssen gucken, wie wir die neue Situation am besten handeln können. Deswegen macht es Sinn, das Ganze im Ausschuss in Ruhe zu beraten. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur ein paar Ergänzungen. Kollege Holowaty hat sicherlich recht, und das ist auch unsere Intention, dass das Thema eigentlich breiter diskutiert werden sollte. Ich glaube, dass Klärung und Information dringend erforderlich sind, weil die Verunsicherung breit ist. Ich nenne Ihnen drei Beispiele aus dem persönlichen Bereich, die ich problematisch finde.

Beim Schwimmkurs meiner Tochter bin ich mit Verweis auf den Datenschutz gebeten worden, dass die Eltern keine Fotografien mehr machen. Auch in der Kita meiner Tochter werden seit letztem Jahr überhaupt keine Aufnahmen mehr gemacht, weder bei Verabschiedungen noch bei der Weihnachtsfeier, mit dem Hinweis, dass das datenschutzrechtlich schwierig sei. Auch in den Schulen passiert es mittlerweile, dass gesagt wird: bitte keine Aufnahmen mehr machen.

Was man als Eltern gern hat, Schulabschlussfotos und so weiter, all das wird nicht mehr gemacht. Das ist nicht richtig, aber man sieht daran, wie groß die Verunsicherung bei Schulleitern, Kita-Leitungen und wo auch immer ist.

Jetzt werden einfach keine Fotos mehr gemacht. Das finde ich ein großes Problem. Das zeigt, dass

das Thema von Bedeutung ist, dass wir hier aufklären und Sicherheit schaffen müssen. Sonst haben wir die Situation, dass wir das, was wir nicht nur im Privaten, sondern auch im halböffentlichen Bereich haben, nicht mehr stattfindet: Es gibt keine schönen Fotos mehr. - Schönen Dank.