Protocol of the Session on June 14, 2018

Drittens. Die typischen Nebentatbestände, die regelhaft nicht bereits den Finanzämtern gemeldet wurden, müssen möglichst einfach einzubinden sein. Dazu gehören Spenden ebenso wie außergewöhnliche Belastungen für medizinische Artikel und andere steuermindernde Sachverhalte wie haushaltsnahe Aufwendungen.

Wir halten daher beide Anträge für in der Sache abstimmungsreif. Dem Alternativantrag der Regierungskoalition können wir zustimmen, weil er entsprechend offen gefasst ist und insbesondere den Abschluss der Auswertung des Pilotprojekts in Mecklenburg-Vorpommern abwartet. Der Antrag der SPD ist hingegen reichlich untauglich und gehört in dieser Form, nüchtern betrachtet, nicht weiter diskutiert. Wir beantragen daher Abstimmung in der Sache. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das deutsche Steuerrecht gehört zu den kompliziertesten der Welt - so zumindest lautet die subjektive Wahrnehmung bei vielen, aber irgendwie ist ein bisschen Realismus dabei. Die Hälfte der Steuerliteratur auf diesem Erdball ist nämlich deutschsprachig.

Wenn man sich jedoch den Aufgabenbereich, der dort abzudecken ist, oder besser gesagt das Ziel und das Wirken des Steuerrechts ansieht, mag dies nicht so sehr verwundern: Das Steuersystem soll die Schwächsten in der Gesellschaft unterstützen, Leistung anerkennen, jede Lebenssituation abdecken und gleichzeitig dem Staat wichtige Einnahmen für sein eigenes Dasein, aber auch für Investitionen lie

fern. Klar: Das müssen auch andere Staaten stemmen, aber bei uns in Deutschland passt die Steuererklärung eben in der Tat nicht auf einen Bierdeckel.

Ganz anders läuft es da in Dänemark. Im Vergleich könnte man bei unseren Nachbarn im Norden schon fast von einer automatischen Steuerabrechnung sprechen. Dort müssen sich alle Menschen nicht allzu viele Gedanken machen, wann eventuelle Fristen ablaufen oder wie und ob sämtliche Rechnungen in Tabellen aufgeführt werden müssen. Man bekommt dort seine Steuerabrechnung automatisch auf einem DIN-A-4-Zettel zugeschickt und muss sich nur noch melden, wenn man besondere Tatsachen geltend machen will, wenn man also beispielsweise im Laufe eines Jahres Gewerkschaftsmitglied geworden ist. Ansonsten war es das schon: Nach Ablauf von vier Wochen gilt der Bescheid als festgestellt, und man ist durch mit der Nummer. Es ist also viel einfacher als bei uns. Es wirkt insofern in skandinavischen Augen schon etwas komisch, was wir heute diskutieren.

Betrachten wir einmal das von der SPD genannte Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort arbeitet man mit einem vereinfachten Verfahren für Rentnerinnen und Rentner. In einem Pilotprojekt soll geschaut werden, ob man die Steuer pauschal abrechnen kann, wenn sich Tatbestände nicht ändern. Das ist natürlich gut. Wenn man allerdings steuerentlastende Tatbestände hat, ist man wieder im alten System und kann wieder Kopien von seinen Kontoauszügen ziehen und ähnliche Geschichten machen. Dann hat man wieder diesen Aufwand.

Nichtsdestotrotz kann ich mir gut vorstellen, dass es für die jeweiligen Betroffenen eine Erleichterung sein mag. Es ist ein Punkt mehr, den man gedanklich als abgehakt markieren kann. Es wäre aber schön - und das mag ja das Ziel der SPD sein, dass darüber im Ausschuss noch einmal nachgedacht wird -, eine solche Lösung für alle Steuerzahler finden zu können. Auch einige Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben die gleichen Probleme und genauso wenig andere zu berücksichtigende Tatbestände wie Rentnerinnen und Rentner. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass wir uns da auf etwas einigen könnten. Dann wäre es nicht das Pilotprojekt aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern das Pilotprojekt aus Schleswig-Holstein. Das müssen wir uns noch etwas genauer angucken, meine Damen und Herren.

Ich kann es aber grundsätzlich begrüßen, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Das finde ich richtig. Ich denke, dass es eine Möglichkeit ist,

(Jörg Nobis)

durchaus vielen Menschen entgegenkommen zu können. Es liegt die Vermutung nahe, dass es relativ viele Rentnerinnen und Rentner gibt, die tatsächlich nicht mehr diese vielen Ausnahmetatbestände aufweisen. Das muss man sich etwas genauer ansehen, ob es wirklich so ist.

Ich glaube aber auch, dass wir nicht bei dieser Erleichterung stehenbleiben sollten, sondern dann die Gelegenheit nutzen sollten zu gucken, ob es etwas gibt, das wir als Schleswig-Holsteiner andernorts anbringen können, um auch dem normalen Steuerpflichtigen das Ganze zu erleichtern.

Allerdings: Das wird eindeutig nicht der riesige Bürokratieabbau sein. Es ist eher ein Gimmick für die Menschen, die ohnehin festliegende Tatbestände haben. Wenn wir über richtigen Bürokratieabbau sowohl für die Verwaltung als auch für die Menschen, die davon betroffen sind - reden, müssen wir immer noch über eine komplette Reform des Steuerrechts reden. Wir sind da viel zu verrechtlicht; es ist viel zu kompliziert. Das ist dann aber eben die ganz große Nummer, die vielleicht schwer zu drehen ist. Deswegen sollten wir erst einmal mit einer etwas kleineren Nummer anfangen. Deswegen bin ich dankbar für den Vorschlag der SPD. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, wenn wir beide Anträge in den Ausschuss überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat Frau Finanzministerin Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass Verfahren im Steuerbereich weiter vereinfacht werden und Bürgerinnen und Bürger von einem guten Serviceangebot profitieren. Seit Beginn des Jahres stehen in allen Finanzämtern zentrale Informations- und Annahmestellen bereit, an die sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen wenden können und die gut angenommen werden. Auch Steuererklärungen können hier persönlich abgegeben werden.

Zudem bietet das Finanzministerium bereits im fünften Jahr Veranstaltungen zum Thema Steuerrecht für Vereine an. Ein Expertenteam aus dem Finanzministerium informiert ehrenamtlich Engagierte vor Ort über das komplexe Steuerrecht. Ich war ein paar Mal mit dabei, es ist total spannend, wenn

Sie sehen, wie viele Menschen da wirklich mit ihren Fragen kommen.

(Zuruf und Beifall Beate Raudies [SPD])

Ein weiteres Serviceangebot speziell für Rentnerinnen und Rentner ist der sogenannte Alterseinkünfte-Rechner auf der Internetseite des Finanzministeriums. Er hilft dabei zu überprüfen, ob ich als Rentnerin oder Rentner steuerpflichtig bin. Auch damit war ich vorab mehrfach im Land unterwegs. Glauben Sie mir, es ist eine bunte Mischung: Sie sehen dort, wie bunt das Leben von Rentnerinnen und Rentnern ist. Sie haben unterschiedliche Einkommensarten, aber auch sehr unterschiedliche Sonderausgaben. Da wollen die Rentnerinnen und Rentner natürlich, dass diese berücksichtigt werden.

Nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums müssen für 2017 rund 4,25 Millionen von insgesamt etwa 21 Millionen Rentnern und Rentnerinnen in Deutschland Steuern zahlen, wobei ein zusammen veranlagtes Ehepaar in dieser Statistik als ein Steuerpflichtiger gilt.

Meine Damen und Herren, neben den Serviceangeboten geht es auch um Verfahrensvereinfachungen. Bereits in diesem Jahr haben wir bundesweit eine neue Vereinfachung eingeführt, es ist bereits erwähnt worden: Erstmals müssen mit der Einkommensteuererklärung grundsätzlich keine Belege und separaten Aufstellungen mehr eingereicht werden. Stattdessen gibt es eine Belegvorhaltepflicht. Das heißt: Sie müssen Belege nur noch bei gesonderter Anforderung durch das Finanzamt vorlegen.

Auch in Zukunft wollen wir weitere Vereinfachungen einführen. Wir streben an, das Angebot zur Nutzung der vorausgefüllten Steuererklärung auf alle Steuerpflichtigen auszuweiten. So sollen zukünftig zum Beispiel auch Spendenbescheinigungen in dieses Verfahren der vorausgefüllten Steuererklärung implementiert werden.

Eine weitere mögliche Vereinfachung ist die Einführung eines Amtsveranlagungsverfahrens für Rentnerinnen und Rentner, die neben ihrer Rente und das ist das Entscheidende - keine weiteren Einkünfte erzielen und keine Sonderausgaben berücksichtigt haben wollen. Das bedeutet: Diese Gruppe von Rentnerinnen und Rentnern könnte zukünftig beantragen, dass das Finanzamt die Einkommensteuer allein auf Grundlage der vom Rentenversicherungsträger übermittelten Daten eigenständig festsetzt. Die Abgabe einer Steuererklärung wäre damit überflüssig. Dieses Verfahren befindet sich zurzeit in zwei Bundesländern im Pilot.

(Lars Harms)

Hessen hat mit seiner Pilotierung im März 2018 begonnen, in Mecklenburg-Vorpommern läuft das Projekt bereits seit 2017. Im ersten Jahr haben ungefähr 2,7 % der steuerlich geführten Rentnerinnen und Rentner am Verfahren teilgenommen. Die SPD hat die Zahl 2.400 genannt, wir haben die Zahl 700. Das wird sich dann klären lassen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Ich habe die Zahl 2.400 aus Ihrem Antrag.

(Beate Raudies [SPD]: Ich weiß!)

Noch sind die gemachten Erfahrungen begrenzt, aber Länder und Bund werden in regelmäßigen Abständen über den Verlauf informiert.

Das Bundesministerium begleitet die Pilotierung mit dem Ziel, nach Möglichkeit eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. Wir sind hier nicht alleine, Frau Raudies. Herr Scholz ist tatkräftig an unserer Seite. Bund und Länder haben natürlich das Ziel, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. Alles andere macht im Steuerrecht keinen Sinn.

Auf der Agenda der schleswig-holsteinischen Finanzverwaltung steht zurzeit keine eigene Pilotierung dieses Projektes, sondern wir wollen die Ergebnisse aus dem jetzigen Pilotverfahren abwarten, gemeinsam mit den Ländern und dem Bund auswerten, um dann ein möglichst bundesweit gut abgestimmtes und vor allem rechtlich abgesichertes Verfahren zu haben.

Noch gibt es viele offene Fragen zu klären; das ist hier heute ja schon benannt worden. Insbesondere geht es um die Frage: Wie gehe ich damit um, dass steuermindernde Umstände aufgrund fehlender elektronischer Daten derzeit nicht berücksichtigt werden können? Da haben die Rentner und Rentnerinnen sehr viel. Es sind die Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung, es sind die Spenden, die abzuziehen sind, es sind die Dienstleistungen im Haushalt; aber es ist beispielsweise auch der Fall, wenn ein behindertes Kind mit im Haushalt lebt und deshalb teilweise auch berücksichtigt werden kann.

Ich glaube, es liegt an dieser bunten Vielfalt von Einnahmen und Ausgaben der Rentner und Rentnerinnen, dass in Mecklenburg-Vorpommern nach unserer Statistik 2,7 % an diesem Veranlagungsverfahren teilnehmen; denn es ist ja freiwillig. Alle wissen, wer daran teilnimmt. Dann ändert sich die Situation - auch das ist gesagt worden -: Wer muss anschließend gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen? - Auch das ist natürlich Bürokratie.

Das System läuft noch nicht rund. Schleswig-Holstein hat das Ziel, eine gut durchdachte, rundum funktionierende und rechtliche Lösung zu finden, die es für die Rentnerinnen und Rentner, aber auch für alle Steuerbürgerinnen und Steuerbürger einfacher macht als bisher. Deshalb freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich bin gespannt auf die Auswertung des Pilotverfahrens.

Ich freue mich, dass es im Steuerbereich immer Länder gibt, die ein Pilotverfahren starten. Alle anderen Länder können davon lernen. Nicht alle Länder können zu allen Fragen ein Pilotprojekt machen; deshalb teilen wir uns das ein bisschen auf. Der Bund begleitet das. Es wird ausgewertet, und ich hoffe, dann gibt es ein rechtlich einwandfreies Ergebnis, das wir dann selbstverständlich auch gerne übernehmen, weil wir ein starkes Interesse daran haben, eine möglichst unbürokratische, bürgerfreundliche Steuerverwaltung zu haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten überzogen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass diese Zeit jemand für sich in Anspruch nehmen will. - Das ist nicht der Fall. Also schließe ich die Beratung.

Es ist zunächst beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/734 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/791 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Jörg Nobis [AfD]: Könnten wir vielleicht einzeln abstimmen lassen?)

Sie haben beantragt, Herr Abgeordneter, beides dem Finanzausschuss zu überweisen. Ich lasse also so abstimmen, wie Sie es -

(Jörg Nobis [AfD]: Ich habe es nicht bean- tragt! - Weitere Zurufe)

Wer auch immer es beantragt hat; es ist jedenfalls beantragt worden, beide Anträge zu überweisen. Deswegen habe ich so abstimmen lassen.

Ich schlage vor, dass wir zunächst die Abstimmung, in der wir uns jetzt befinden, zum Ende führen. Wer also beide Anträge dem Finanzausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das ist dann bei

(Ministerin Monika Heinold)

Stimmenthaltung der Fraktion der AfD so beschlossen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der Jagdsteuer (Änderung des Kommunalabgabengesetzes)

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 19/758