Protocol of the Session on June 14, 2018

Ich finde es aber gut und richtig, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern seit Januar 2017 ein Pilotverfahren zu diesem Thema durchführt. Daraus können wichtige Erkenntnisse für die Praxis gewonnen werden. Darum soll sich auch unser Finanzministerium eingehend mit dem Thema befassen. Wir sollten dann im Finanzausschuss beraten, ob und - wenn ja - wie wir die Amtsveranlagung praxistauglich umsetzen können, ohne dass den Steuerpflichtigen hierdurch Nachteile entstehen. Dabei soll auch geprüft werden - das ist uns ganz wichtig -, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Werbungskosten unter dem Werbungskostenpauschbetrag liegen, mit einbezogen werden können. Wir haben bewusst kein Datum in den Antrag geschrieben, um dem Finanzministerium Zeit zu geben, sich eingehend damit auseinanderzusetzen.

Ich bitte darum, die beiden vorliegenden Anträge an den Finanzausschuss zu überweisen, damit wir das Thema im Ausschuss im Sinne einer effektiven

Vereinfachung für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Verwaltung beraten können. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Nach einer SPD-Finanzbeamtin und einem CDU-Steuerberater zum Amtsveranlagungsverfahren zu reden - das Thema ist sehr weit abgedeckt. Ich möchte trotzdem ein paar Worte dazu verlieren.

Wenn ich an mein Rentnerdasein denke - ich denke selten daran -, dann denke ich an sehr viele Situationen, aber nicht unbedingt an meine Steuererklärung. Wenn die Möglichkeit besteht, diese gar nicht erstellen zu müssen, weil ich Einkommen beziehe, das - abgesehen von der Rente - nicht besteuerungspflichtig ist, und wenn ich nichts zum Absetzen habe, zum Beispiel Spenden oder andere Ausgaben, dann ist das eine sinnvolle Sache. In MecklenburgVorpommern gibt es dieses sinnvolle Angebot schon. Ebenso sinnvoll ist der Antrag der SPD. Das kann man neidlos anerkennen. Dafür bedanke ich mich auch.

Wir haben allerdings die Möglichkeit, Angebote immer weiter zu optimieren. In Mecklenburg-Vorpommern haben dieses Angebot im ersten Jahr, in dem es gemacht wurde, 722 Menschen wahrgenommen. Man muss allerdings dazusagen: Längst nicht jeder wusste davon.

Anschließend - ich glaube, beginnend ab Januar dieses Jahres - hat man über 20.000 Rentnerinnen und Rentner per Post darüber informiert, dass es jetzt das Amtsveranlagungsverfahren im Sinne der Auslandsbesteuerung gibt, wie es Kollegin Raudies schon gesagt hat.

Insofern gibt es aus Mecklenburg-Vorpommern Erkenntnisse, die wir gern in unsere Bewertung einbeziehen möchten. Wir möchten schauen, ob dieses Angebot auf Rentnerinnen und Rentner beschränkt bleiben muss oder ob es auch auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erstreckbar ist, die abgesehen von ihrem Einkommen, das dem Finanzamt möglicherweise bekannt ist, keine weiteren steuerrelevanten Komponenten aufweisen.

(Ole-Christopher Plambeck)

Wir möchten darüber sprechen, wie es möglich ist, bestimmte Ausgaben, die man steuerlich absetzen kann, ebenfalls zu berücksichtigen. Nehmen wir das Beispiel der haushaltsnahen Dienstleistungen: Dazu erfolgt in der Regel einmal im Jahr eine Meldung durch die Knappschaft. Diese Angaben kann das Finanzamt direkt erhalten. Es hat sie auf einer Seite und kann den Fall direkt abarbeiten. Nehmen wir als weiteres Beispiel Spenden und Beiträge. Auch deren Absetzbarkeit kann man sicherlich unbürokratischer regeln.

Die entsprechenden Erkenntnisse wollen wir einfließen lassen. Deswegen plädiere ich dafür, beide Anträge an den Finanzausschuss zu überweisen, damit wir dort darüber diskutieren können - gern sowohl mit der Steuerberaterkammer als auch mit der Lohnsteuerhilfe - und anschließend schnell zu einem sinnvollen Verfahren auch für die schleswigholsteinischen Rentnerinnen und Rentner kommen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Alle Jahre wieder steht sie an - die Steuererklärung. Privatpersonen, die keine besonderen, zumindest keine umfangreichen Sachverhalte zu erklären haben, gehen selten zum Steuerberater. Sie erstellen ihre Steuererklärung meistens allein - oder eben gar nicht. Selbst bei Kenntnis über Erstattungsansprüche zögern viele Bürger ihre Erklärung bis zum letzten Tag oder sogar noch länger hinaus. Die Steuererklärung fertigzumachen, ist ungefähr so beliebt wie ein Termin beim Zahnarzt zur Wurzelbehandlung. Oft ist die Abscheu sogar so groß, dass selbst bei rechtlicher Zulässigkeit auf die Erstellung einer Steuererklärung verzichtet wird. Im Durchschnitt schenkt der Steuerzahler dem Staat in diesem Fall ungefähr 800 € jedes Jahr.

Es muss unser fortwährendes Ziel sein, Bürger und Verwaltung so weit wie möglich von Bürokratie zu entlasten. Manche zucken jetzt vielleicht. Ja, auch unsere Verwaltung leidet unter der anfallenden Bürokratie.

In Mecklenburg-Vorpommern läuft ein Pilotprojekt zum Amtsveranlagungsverfahren für Senioren. Das

Finanzamt kann die Einkommensteuer eigenständig festsetzen, sofern lediglich Einkünfte der gesetzlichen Rentenversicherung oder sonstige Ruhegelder bezogen werden.

Die SPD fordert in ihrem Antrag, ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern nun auch in SchleswigHolstein ein Pilotprojekt zu starten, also ein Pilotprojekt zum selben Sachverhalt. Wir haben ein etwas anderes Verständnis von Bürokratieabbau, als zwei gleichartige Pilotprojekte parallel laufen zu lassen.

Frau Raudies, Sie gingen in Ihrer Rede sogar noch weiter. Sie sprachen nicht mehr von einem Pilotprojekt, sondern sogar von der unreflektierten Umsetzung, das heißt der sofortigen Einführung ab dem Veranlagungszeitrum 2019.

Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung jedoch auf, nach Abschluss des Pilotprojekts in Mecklenburg-Vorpommern selbst eine Evaluierung der Ergebnisse vorzunehmen. Wir wollen wissen, ob das Verfahren ein geeigneter und praktikabler Weg ist, die Beteiligten von unnötiger Bürokratie zu entlasten. Lassen Sie uns die richtigen Schlüsse aus dem Pilotprojekt unseres östlichen Nachbarlandes ziehen! Aber lassen Sie uns auch nicht dort haltmachen, wo Mecklenburg-Vorpommern aufgehört hat! Wir erwägen deshalb - einige Vorredner sagten es bereits -, die Amtsveranlagung auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu ermöglichen. Wir sehen in unserem Antrag eine Prüfung vor, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Werbungskosten, die unterhalb des Pauschbetrags liegen, einbeziehen lassen können.

Wann ist dieses Verfahren überhaupt sinnvoll? Nachteile für Rentnerinnen und Rentner und, wenn wir es erweitern, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen auf keinen Fall entstehen. Denn grundsätzlich, dessen müssen wir uns bewusst sein, gibt es beim Amtsveranlagungsverfahren auch Tücken. Zwar werden sämtliche Einkünfte berücksichtigt. Bei den absetzbaren Ausgaben sieht es schon ganz anders aus. Der Staat, das wissen wir alle, hat nicht selten eine sehr klebrige Hand. Arztrechnungen, Pflegekosten und haushaltsnahe Dienstleistungen - die Aufwendungen dafür steigen in der Regel mit zunehmendem Alter des Steuerzahlers - bleiben beim Amtsveranlagungsverfahren unberücksichtigt. Mit dem Amtsveranlagungsverfahren verzichten Senioren auf sämtliche Ermäßigungsmöglichkeiten. Auch Spenden blieben beim Abzug unberücksichtigt.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

(Lasse Petersdotter)

- Warum fordern Sie dann die unreflektierte Einführung, wenn Sie sagen, das hätten Sie gesagt? Das wollen wir ja nicht!

Bleibt das Recht des Steuerzahlers auf Einspruch oder Klage gegen den Steuerbescheid bestehen? Wären vereinfachte Steuerformulare für Senioren nicht gegebenenfalls der bessere Weg? Das gilt es doch einmal zu evaluieren. Man könnte auch Broschüren zum Thema „Steuererklärung - leicht gemacht“ herausgeben. Eine weitere Idee wäre ein Bürgerbüro im Finanzamt zur Unterstützung bei der Erstellung von Erklärungen. Das wäre eine Alternative.

(Beate Raudies [SPD]: Das ist aber nicht er- laubt!)

Eines darf nicht in den Hintergrund geraten: Die Finanzverwaltung und die gesamte öffentliche Hand müssen für den Bürger da sein - das vergessen einige manchmal -, nicht umgekehrt.

Bei der Evaluierung des Pilotprojekts setzen wir eine Priorität: die bereits erwähnte Vermeidung von Nachteilen für jene Steuerzahler, für die das Amtsveranlagungsverfahren infrage kommen könnte. Das Amtsveranlagungsverfahren darf nicht dazu führen, dass amtsveranlagte Steuerzahler ebenfalls auf durchschnittlich 800 € Steuererstattung jährlich verzichten. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Steuerzahler! Die wenigsten Menschen in diesem Land assoziieren die Abgabe ihrer Steuererklärung mit Spaß oder gar Freude. Für die meisten derjenigen, die entweder verpflichtet sind, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, oder die dies in Erwartung einer Rückerstattung freiwillig tun, handelt es sich wohl eher um ein notwendiges Übel.

Das gilt im Zweifel umso mehr für Rentner, die aufgrund der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung in zunehmender Anzahl zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind. Da erscheint es auf den ersten Blick naheliegend, bei diesem Personenkreis immer dann unterstützend ein

zugreifen, wenn ausschließlich Einkünfte zu versteuern sind, deren Höhe den Finanzämtern bereits elektronisch gemeldet worden ist. Genau um dies auszuprobieren, gab es ein Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern; wir haben es bereits mehrfach gehört.

Wir von der AfD unterstützen alle Anstrengungen, überflüssige Bürokratie auszumerzen oder zumindest bürokratische Hindernisse abzubauen, wo immer es geht. Das muss aber mit Bedacht geschehen. Genau daran mangelt es dem Antrag der SPD.

Es ist schon einigermaßen erstaunlich: Noch bevor das erste Pilotprojekt gründlich ausgewertet wurde, wollen Sie bereits das nächste starten. Die Sozialdemokratie sucht noch nach ihrer Identität. Gestern versuchten Sie es mit mittelmäßiger Facebook-Satire, Herr Dr. Stegner, heute konkurrieren Sie mit den Schildbürgern. Die Idee bei einem Pilotprojekt ist doch gerade, nur einmal einen Testballon steigen zu lassen und nicht in jedem Bundesland einen eigenen. Wir halten daher die gesamte Debatte zum Amtsveranlagungsverfahren im Wesentlichen für eine Scheindebatte.

Seit Kurzem können über das kostenfreie ELSTERProgramm der Finanzämter und über Software mit entsprechender Schnittstelle die bereits beim Finanzamt vorhandenen Daten abgefragt werden.

(Kathrin Wagner-Bockey [SPD]: Das erzäh- len Sie einmal meiner Mutter!)

Dieses Verfahren läuft unter der Bezeichnung „Vorausgefüllte Steuererklärung“. Es ist noch recht neu.

(Beate Raudies [SPD]: Ja, eben! Deshalb un- ser Antrag!)

Daher ist es vielleicht bei der ältesten der hier im Haus vertretenen Parteien noch nicht ganz angekommen.

(Beate Raudies [SPD]: Ich glaube, ich habe davon mehr Ahnung als Sie!)

- Das kann gut sein. Warum erwähnen Sie dann in Ihrer Rede nicht, dass es das schon gibt?

Mit dieser vorausgefüllten Steuererklärung ist ein erster Schritt in die Richtung von weniger Bürokratie bereits gemacht, übrigens im Interesse sowohl der Steuerzahler als auch der Finanzämter. Übertragungsfehler und Prüfaufwand nehmen dort ab.

Die Ergebnisse aus dem Pilotprojekt MecklenburgVorpommerns abzuwarten und dann im Finanzausschuss zu diskutieren, ist sicherlich der richtige

(Annabell Krämer)

Weg. Dabei sind für uns die folgenden Punkte bereits als besonders wichtig absehbar.

Erstens. Es darf auch zukünftig keinen Automatismus und keinen De-facto-Zwang zu diesem Verfahren geben. Das steht zwar momentan noch nicht zur Debatte, scheint aber für mich trotzdem erwähnenswert.

Zweitens. Es darf durch eine wie auch immer geartete Hilfestellung seitens der Finanzämter niemand schlechtergestellt werden als ohne. Dies betrifft insbesondere offene Fragen beim Rechtsschutz.

Drittens. Die typischen Nebentatbestände, die regelhaft nicht bereits den Finanzämtern gemeldet wurden, müssen möglichst einfach einzubinden sein. Dazu gehören Spenden ebenso wie außergewöhnliche Belastungen für medizinische Artikel und andere steuermindernde Sachverhalte wie haushaltsnahe Aufwendungen.