Herr Präsident! - Das ist noch etwas ungewohnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Teil der Argumentation bezüglich der Alterskohorten geht irrigerweise davon aus, dass die Wahlbeteiligung linear mit dem Alter korreliere. Dem ist nicht so. Die einzig validen Zahlen liegen aus Bremen vor, und diese stammen aus den Jahren 2011 und 2015. Und - damit könnte ich jetzt Weinflaschen gewinnen, aber ich verzichte darauf, indem ich gleich löse -: Die Wahlbeteiligung lag bei beiden Wahlen tatsächlich bei den 16- bis 17-Jährigen unter der durchschnittlichen Wahlbeteiligung. Das ist korrekt. Aber die niedrigste Wahlbeteiligung wies die Alterskohorte von 25 bis 29 Jahren auf. Damit lag sie mehr als 15 % unter der Wahlbeteiligung der 16-Jährigen. Nach dieser Argumentation müsste man also das Wahlrecht mit etwa 25 Jahren entziehen. Und, Herr Kollege Kubicki -
- Die müssen arbeiten. Genau. Nach dieser Argumentation müssen die Frauen wohl weniger arbeiten als die Männer; denn interessanterweise liegt die Wahlbeteiligung bei den 16-jährigen Mädchen in Bremen höher als bei den 40-jährigen Männern. Wenn Sie über Unterschiede in der Wahlbeteiligung diskutieren wollen: Die größten gibt es gar nicht beim Alter, sondern beim Geschlecht. Wir können hier gern einmal untersuchen, warum es in Bremen in der Alterskohorte mit der niedrigsten Wahlbeteiligung einen zehnprozentigen Unterschied zwischen der Wahlbeteiligung von Männern und Frauen gibt.
Es ist übrigens altbekannt, dass sich gerade junge Menschen besonders für Politik interessieren. Wir haben ja die Jugendorganisationen, um sie dort abzuholen, damit eben keine Lücke zwischen Schule, politischer Bildung und dem Zeitpunkt, zu dem sie das erste Mal gefragt werden, entsteht. Dass sich die Wahlbeteiligung erhöht, kann man an den Zahlen aus Bremen sehr schön zeigen. Das können wir dann im Ausschuss tun.
Übrigens: Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, das Wahlrecht stehe jedem als Grundrecht zu, eigentlich auch schon dem Säugling, und für die Einschränkung eines Grundrechts brauche man einen zwingenden Grund. Der zwingende Grund muss von jenen kommen, die sagen: Ich möchte schlicht und ergreifend nicht, dass derjenige oder diejenige wählt. Nun können wir uns über eine Grenze von 15, 16 oder 18 Jahren lange unterhalten, aber der Begründungszwang liegt, bitte schön, nicht bei jenen, die nachweisen können, dass zwischen 16- und 18-Jährigen kein politischer Entwicklungsunterschied besteht.
Sie werden keine Studie finden, die etwas anderes sagt. Es gibt einen Unterschied zwischen 18- und 25-Jährigen, und es zeigt sich im Augenblick übrigens, dass unser tatsächliches Politikverdrossenheitsproblem in der Altersgruppe zwischen 25 und 40 und nicht bei den 16- bis 18-Jährigen liegt. Bei den Männern ist die Wahlbeteiligung, wie gesagt, durchgehend geringer, außer bei den über 70-Jährigen. Hier beteiligen sich interessanterweise die Männer mehr. Herr Kollege Kubicki, wir warten in fünf Jahren auf Ihre ersten Berichte, woran das wohl liegen könnte.
Nun zum Thema des aktiven und passiven Wahlrechts. Es besteht ein Unterschied in der Verantwortung. Beim passiven Wahlrecht, wenn jemand in ein Mandat gewählt wird, hat er Entscheidungen zu treffen, und für diese Entscheidungen muss er meiner Auffassung nach volljährig sein. Aber beim aktiven Wahlrecht geht es um die Repräsentanz: Wem traue ich zu, für mich Entscheidungen zu treffen? Nur darum geht es bei Wahlen. Das kann man viel früher.
Ich komme zum letzten Satz. - Es geht beim Wahlalter von 16 mitnichten darum, dass jemand eine schädliche Entscheidung für sich treffen könnte, wie beispielsweise Alkohol zu trinken, sondern es geht um die Frage: Wem traue ich zu, meine Interessen wahrzunehmen? Genau das können 16-Jährige, und deshalb ist dies auf jeder Ebene das Richtige.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat jetzt der Herr Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.
Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine hochinteressante Diskussion gewesen. Für mich gilt eines: Mitbürgerinnen und Mitbürger - egal welchen Alters und welchen Geschlechts - für Politik zu interessieren, zu begeistern, zu motivieren, ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben, die wir haben, denn es geht um unser Zusammenleben, um unsere Gemeinschaft.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich bereits in der letzten Legislaturperiode in diesem Haus mit der Absenkung des Wahlalters beschäftigt und dies auch für die Landtagswahlen so beschlossen. Bei der vergangenen Landtagswahl am 7. Mai 2017 durften damit die 16- und 17-Jährigen zum ersten Mal in Schleswig-Holstein ihre Stimme abgeben. Das ist in diesem Land nicht die erste Erfahrung mit einer Wahl ab 16. Bereits 1997 - vor 20 Jahren - ist das Recht für Jugendliche zwischen 16 und 17 zur Teilnahme an Kommunalwahlen eingeführt worden. Auch damals war es das Ziel, Jugendliche an Politik heranzuführen, um der - wie es damals wörtlich hieß - grassierenden Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Begründet - so ist nachzulesen wurde die Absenkung seinerzeit mit zwei Argumenten: Was auf kommunaler Ebene entschieden wird, sei für die Jugendlichen am ehesten aus der täglichen Anschauung erfassbar und einer eigenen fundierten Beurteilung zugänglich.
Diese Argumentation ist allerdings auf die Wahlen zum Deutschen Bundestag, wie ich finde, nicht unbedingt ohne Weiteres übertragbar. Jetzt geht es um die Unterscheidung für den Gesetzgeber, nicht, was hier sehr wohl diskutiert ist, um die politisch emotionale Würdigung. Es muss folgende Frage gestellt werden: Besteht für den Jugendlichen das notwendige Maß - so heißt es dort - an Persönlichkeitsbildung, verfügt er oder sie über genügend Kenntnisse für eine verantwortliche Wahlentscheidung, die sogenannte Wahlmündigkeit?
zu. Die Frage ist sicherlich auszuwählen, nicht, wem ich es einräume, sondern wem ich es nicht einräumen kann. Diese Variante des Ansatzes ist völlig richtig. Es geht für uns als Ministerium zunächst einmal um die Frage der rechtlichen Beurteilung. Das Argument, man könne mit der Einräumung des aktiven Wahlrechts für Jugendliche ab 16 etwas an der Politikverdrossenheit ändern, hat sich in den letzten Jahren leider nicht unbedingt bestätigt; denn trotz der Einräumung des Wahlrechts ab 16 gehört die Wahlbeteiligung dieser Altersgruppe - wir haben es vorhin auch von Herrn Harms gehört - häufig zu den niedrigeren.
Im Rahmen der Ausschussberatungen besteht daher sicherlich auch die Möglichkeit, die Wahlbeteiligungen der ersten 16- und 17-Jährigen bei unserer Landtagswahl zu eruieren und näher zu betrachten.
Sicherlich stimmt es, dass junge Menschen heute einen viel breiteren Zugang zu Medien haben, als es früher der Fall war, und damit mit Sicherheit mehr Informationsmöglichkeiten als früher. Doch die ungefilterten Informationen führen nicht unbedingt immer dazu, dass die jungen Menschen auch besser informiert sind oder sich besser informiert fühlen; denn trotz gesteigerter Informationsmöglichkeiten ist das Interesse an Politik leider nicht unbedingt gestiegen, sondern leider gesunken. Die Bekämpfung von Politikverdrossenheit geht nicht nur damit einher, dass ihnen das Recht zu wählen eingeräumt worden ist, sondern sie müssen - das haben wir vorhin auch in der Debatte besprochen - aktiv in die Wahlmöglichkeit eingebunden werden. Das zusätzliche Mittel, um Politikverdrossenheit zu beseitigen, muss gefunden werden. Es ist zu fragen, ob es einschließlich oder ausschließlich in der Frage einer Wahlmöglichkeit gegeben ist.
Unabhängig von dem messbaren Erfolg bei der Wahlbeteiligung bleibt es somit auch eine politische Frage, aber - das hat Herr Peters hier vorhin sehr ausführlich erörtert - eine politische, eine rechtliche Würdigung. Daher sollten wir dieses Thema im Ausschuss, wie Sie es selbst schon gesagt haben, sehr intensiv diskutieren und vorbereiten. Seitens unseres Ministeriums werden wir diese Beratung gern konstruktiv und mit weiteren Informationen unterstützen. - Vielen Dank.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/24 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht für das vergangene Jahr, den ich Ihnen heute vorstellen darf, lässt sich in drei Kernbotschaften zusammenfassen. Erstens: Die Lage bleibt angespannt. Zweitens: Sie erfordert weiterhin hohe Wachsamkeit in alle Richtungen. Drittens: Schleswig-Holstein ist alles in allem ein sicheres Land. Aktuell sehe ich vor allem Gefahr durch getarnte einreisende Dschihadisten. Diese Form der Bedrohung hat uns im vergangenen Jahr in besonderem Maße beschäftigt und treibt uns weiter um. Das islamistische Personenpotenzial hat sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr von 370 auf 440 Personen erhöht. Dies liegt vor allem daran, dass die Zahl der Salafisten auf 370 gestiegen ist. Diese versuchen nach wie vor, Migrantinnen und Migranten für ihre Ideologie zu gewinnen.
Eine weitere Herausforderung für die innere Sicherheit sind Personen, die sich in Deutschland radikalisiert haben, ebenso Rückkehrer, die sich zeitweilig dem sogenannten Islamischen Staat oder anderen islamistischen Terrororganisationen in Syrien oder im Irak zum Kampf angeschlossen haben.
Auch der Bereich Rechtsextremismus muss uns Sorge bereiten. 2016 hatten wir ein Personenpotenzial von 1.350 Rechtsextremisten im Land, das sind 50 mehr als im Jahr davor.
Parallel dazu stieg auch die Zahl der politisch motivierten Kriminalität von rechts um 145 auf insgesamt 785 Straftaten. Rechtsextremisten werden trotz rückläufiger Flüchtlingszahlen weiter mit rassistisch geprägten Vorurteilen gegen Ausländer und Flüchtlinge hetzen, soziale und wirtschaftliche Ängste schüren und das Bedrohungsszenario einer angeblichen Islamisierung Europas an die Wand
malen. Verfängt diese Strategie nicht mehr, versuchen sie über den Umweg rechtspopulistischer Standpunkte Anschluss in der Mitte der Bevölkerung zu finden. Das klingt dann weniger radikal, bleibt aber im Kern rechtsextremistisch.
Wir werden uns frühzeitig inhaltlich mit populistischen und extremistischen Strömungen in allen Erscheinungsformen auseinandersetzen. Wir werden nicht zulassen, dass die Deutungshoheit über gesellschaftliche und politische Themen diejenigen bestimmen, die sich gegen unsere gesellschaftlichen und rechtsstaatlichen Werte stellen.
In diesem Zusammenhang erwähne ich ausdrücklich die sogenannte identitäre Bewegung. Diese Gruppe scheint auf den ersten Blick modern-avantgardistisch zu sein, im Kern jedoch vertritt sie eine zutiefst elitäre und kulturrassistische Ideologie.
Diese Bewegung ist ein einziger Etikettenschwindel. Sie stiftet gerade keine Identität, sondern spaltet die Gesellschaft und sät Hass und Zwietracht.
Ein Problem ist auch die erstarkte Reichsbürgerbewegung. Der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein teilt deshalb alle gerichtsverwertbaren Erkenntnisse zu Reichsbürgern mit waffenrechtlichen Erlaubnissen unmittelbar den zuständigen Waffenbehörden mit, damit dort die waffenrechtliche Zuverlässigkeit geprüft wird und gegebenenfalls Erlaubnisse umgehend entzogen werden können. Wer die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, darf keine Waffen besitzen.
Angesichts des nahenden G-20-Gipfels in Hamburg weise ich auch auf die linksextremistischen Gruppierungen hin. Der Gipfel am nächsten Wochenende wird ein Hauptagitationsschwerpunkt der Linksextremisten in diesem Jahr sein. Wir rechnen damit, dass dazu auch gewaltorientierte Autonome auch aus Schleswig-Holstein anreisen werden. Massive Ausschreitungen und Gewalttaten sind nicht auszuschließen.
Überraschend sind diese Entwicklungen leider - so sage ich einmal - alle nicht. Die öffentliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut und ein Garant für das Funktionieren unserer Zivilgesellschaft. Sie muss verteidigt werden, und zwar
mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Die schleswig-holsteinischen Sicherheitsbehörden stellen sich diesen Herausforderungen. Ihnen liegt der umfangreiche Bericht vor. - In diesem Sinne: Vielen Dank.