und wie zugleich die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze weder vertrieben noch assimiliert wurden, sondern ihre Eigenständigkeit bewahren können. Wir haben das Glück, dass unser Grenzland gestärkt aus dem ehemaligen Konflikt hervorgegangen ist. Die Minderheiten unseres Grenzlandes haben darüber hinaus und vereint Brücken gebaut und Wege geebnet. Sie haben das Leben im Grenzland geprägt.
Als ehemaliger Rektor der Flensburger Universität und Förderer der deutsch-dänischen Studiengänge und der Hochschulkooperation der Grenzregion weiß ich auch, dass diese grenzüberschreitende Kooperation das alltägliche Leben nicht nur an den Hochschulen prägt und verändert hat. Den Minderheiten haben wir, Deutsche und Dänen, es zu verdanken, dass in unseren Ländern einen Reichtum an Sprachen und Kulturen gibt.
Diese Vielfältigkeit ist keine Selbstverständlichkeit und vom Gegeneinander über das Miteinander zum Füreinander gewachsen ist. Deshalb war es uns Sozialdemokraten auch wichtig, auf verschiedenen Veranstaltungen in den letzten Wochen Unterschriften für die Bürgerinitiative Minority SafePack und damit für die Stärkung der Minderheitenrechte zu sammeln. Wir wissen in unserer Grenzregion um die Bedeutung der Minderheiten und stehen deshalb auch für die Unterstützung aller Minderheiten in Europa.
Wir können heute nicht voraussagen, ob die UNESCO diesem Vorschlag Folge leisten wird. Aber selbst wenn die Initiative des Bundes Deutscher Nordschleswiger und der Sydslesvigsk Forening keinen Erfolg haben sollte, wird dieser Antrag einen Beitrag dazu leisten, das Modell „dänischdeutsche Grenzlandbeziehungen“ in Europa besser bekannt zu machen und zu verankern. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die demokratischen Parteien in diesem Parlament gemeinsam ein klares Zeichen der Unterstützung setzen. Wir wünschen dem Antrag auf jeden Fall viel Erfolg!
Herr Präsident! Bei dem Begriff „Kulturerbe“ denken die meisten sicherlich erst einmal an historische Bauwerke wie den Kölner Dom. Die Auszeichnung „Immaterielles Kulturerbe“ ist dagegen weniger bekannt. Dabei gibt es eine lange Liste mit bereits anerkannten Kulturgütern, wie unter anderem das Hebammenwesen, Skatspielen, den Rheinischen Karneval, das Biikebrennen, der Poetry Slam und
Der Bund Deutscher Nordschleswiger und der Südschleswigsche Verein haben sich jetzt gemeinsam mit dem Minderheitenmodell in unserem Grenzland beworben.
Dabei geht es konkret um einen Eintrag in das Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes.
Wir begrüßen und unterstützen diese Bewerbung. Es würde mich sehr freuen, wenn das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheiten im deutschdänischen Grenzland in dieser Form Anerkennung und international Aufmerksamkeit bekäme.
Die Art und Weise, wie dieses Zusammenleben auch institutionell im politischen System verankert ist, könnte ein Modell sein auch für andere Grenzregionen in Europa. Wir in der deutsch-dänischen Grenzregion wissen, dass es gemeinsam, miteinander, besser geht als gegeneinander, dass kulturelle Vielfalt nichts Trennendes ist, sondern einen gemeinsamen Reichtum darstellt.
Konkurrenz, Wettstreit um kulturelle Dominanz, brauchen wir nicht. Unser Grenzland ist anders. Es ist eine bunte Antwort auf den grassierenden Nationalismus. Wir können damit leben, und leben damit sehr gut in unserer Grenzregion, in der es Menschen gibt, die sich nicht eindeutig in einer abgegrenzten nationalen Identität verorten, sondern von sich sagen, ich bin dänisch und deutsch, oder einfach Südschleswiger.
Wir möchten diese Erfahrung weitergeben - nicht als starre Haltung, als Traditionspflege, sondern dynamisch, lebendig, in der Hoffnung, dass sich daraus eine virulente Kraft entwickelt, die über die Region hinauswirkt.
Das Besondere an dieser Bewerbung ist, dass es eine doppelte Bewerbung ist, einmal auf dänischer Seite, einmal auf deutscher Seite, weil es nun einmal so ist, dass das Bewerbungsverfahren in nationalen Grenzen organisiert ist.
Während nach unseren Informationen auf dänischer Seite das Aufnahmeverfahren unbürokratisch ist, steht auf deutscher Seite ein mehrstufiges Verfahren bevor. Unser Antrag dient dafür als Rückendeckung für das weitere Verfahren.
Es gibt für die diesjährige Runde zur Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe noch zwei weitere Bewerbungen aus Schleswig-Holstein.
Das Schöne ist, dass, wie ich gehört habe - die Ministerin wird dazu sicher noch berichten -, alle drei als Vorschlag an die Kultusministerkonferenz weitergegeben werden sollen.
Ich denke aber, es ist gerechtfertigt, angesichts der Bedeutung, die dieses Beispiel gelebter Praxis eines förderlichen kulturellen Miteinanders für die Identität Schleswig-Holsteins als Ganzes hat, dass wir uns hier im Landtag auch damit beschäftigen. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Antrag hier heute gemeinsam beschließen könnten.
Unser Ziel sollte sein, zum 100-jährigen Jubiläum der Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark die Anerkennung unser Minderheitenmodells als Immaterielles UNESCO Weltkulturerbe feiern zu können.
Wir bedanken uns bei SPD und SSW dafür, dass Sie die Initiative aus der Opposition heraus unterstützen. Ich freue mich auf die weitere Beratung.
Herr Präsident! Unser Grenzland im Norden ist ein tolles Land! Das liegt zum einen an unseren langen Stränden, stillen Förden, grünen Hügeln und dem blauen Meer. Das liegt an den weiten Horizonten, dem Wechsel von Ebbe und Flut und dem frischen Wind. Aber liebenswert wird dieses tolle Land erst durch seinen ganz besonderen Schlag Menschen.
Die Geschichte des Landesteils Schleswig ist kompliziert, wechselhaft und konfliktreich. Hier, in dem Land zwischen Deutschland und Dänemark, prallten die Interessen der Mächtigen im Laufe der Jahrhunderte mehrfach unversöhnlich aufeinander. Das kennen wir aus historischen Geschichten, davon zeugen noch heute viele Denkmäler und Kriegsgräber oder historische Bauwerke wie Wehrkirchen oder das Dannewerk.
Als 1920 endgültig die Teilung Schleswigs in eine nördliche, dänische, und eine südliche, deutsche, Hälfte vollzogen wurde, wurden die lange schwelenden Grenzstreitigkeiten zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark zwar beseitigt - spannungsfrei blieb das Verhältnis zwischen beiden Ländern entlang der neuen Grenze dadurch aber nicht. Die Minderheiten, die im jeweiligen Staat lebten, besaßen noch lange nicht den Schutz und die Sicherheiten, über die sie heute verfügen, und waren häufig Zielscheibe von Nationalismus.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ernsthafte Bemühungen, die deutsche und die dänische Minderheit offiziell anzuerkennen und besonders zu schützen. Ausgangspunkt waren die Bonn-/Kopenhagener Erklärungen, die 1955 von der deutschen und der dänischen Regierung verabschiedet wurden. Beide Regierungserklärungen waren zwar nicht rechtsverbindlich, doch wurden die darin festgehaltenen Prinzipien rasch umgesetzt. Die Gleichbehandlung wirklich aller Staatsbürger und das Recht zum freien Bekenntnis zur Volkszugehörigkeit sind mittlerweile Selbstverständlichkeiten in Schleswig- Holstein.
Später wurden die Rechte der Minderheiten tiefer verankert. So in der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten, oder in der Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen. In Schleswig-Holstein haben wir außerdem ausdrücklich in der Landesverfassung den Schutz von nationalen Minderheiten und Volksgruppen zu einer Aufgabe des Landes gemacht.
Diese Abkommen und Gesetze bilden nur den politischen und rechtlichen Rahmen des vielfältigen und vielgestaltigen Zusammenlebens der Minderund Mehrheiten dies- und jenseits der deutsch-dänischen Grenze. Im Laufe der Jahrzehnte ist aus dem Gegeneinander ein Miteinander geworden, das charakteristisch für das Grenzland geworden ist.
Der gegenseitige Austausch findet auf vielen Ebenen statt, politisch, wirtschaftlich, kulturell und privat. Das Miteinander schafft Offenheit und Bereitschaft, das Schöne und Bereichernde anderer Kulturen anzuerkennen und sich daran zu erfreuen. Nationalismus und Gegeneinander sind offenbar überwunden.
Dass sich das deutsch-dänische Grenzland um die Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturerbes (IKE) bemüht, scheint angesichts solcher Erfolge richtig. In diese Liste werden Kulturformen aufgenommen, die von menschlichem Wissen und Können getragen sind und Kontinuität und Identität vermitteln. Das deutsch-dänische Grenzland stiftet Identität(en): Eine deutsch-dänische, eine dänischdeutsche, und zugleich eine europäische. Wer als Däne in Schleswig-Holstein, oder als Deutscher in Dänemark lebt, erkennt, dass er unabhängig von seiner nationalen Zugehörigkeit vor allem auch Europäer ist.
Die Aufnahme des Grenzlandes in die IKE-Liste wäre vor allem wegen der größeren Aufmerksamkeit, die es dadurch erfahren würde, ein Erfolg. Das Grenzland soll in das Register Guter Praxisbeispie
le aufgenommen werden, sodass dessen Model- und Vorbildcharakter weithin sichtbar wird. Andere Grenzregionen - ich denke etwa an die zahlreichen auf dem Balkan - nehmen sich vielleicht das deutsch-dänische Modell zum Vorbild und sehen einen Ausweg aus nicht enden wollenden nationalen und ethnischen Konflikten, in denen am Ende niemand gewinnen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion unterstützt mit voller Überzeugung den Antrag der Regierungsfraktionen für die Bewerbung „Weltkulturerbe deutsch-dänisches Grenzland“, und wir hoffen wie alle übrigen Fraktionen, dass am Schluss dieses Bewerbungsverfahrens die erfolgreiche Aufnahme in das internationale Verzeichnis der UNESCO stehen wird.
Grenzregion mit Modellcharakter: Die deutsch-dänische Grenzregion kann in der Tat für sich einen Modellcharakter beanspruchen: Seit den Volksabstimmungen des Jahres 1920 gibt es nationale Minderheiten beiderseits der damals neu festgelegten deutsch-dänischen Grenze, die ihre kulturellen und historischen Traditionen auf vielfältige Weise pflegen, besonders auch in eigenen Schulen und Kindergärten.
Die Bonn-/Kopenhagener Erklärungen des Jahres 1955 sind oft als Vorbild für die friedliche Lösung von Minderheitenproblemen hervorgehoben worden. Dabei ist jedoch zu ergänzen, dass dies eine gleichgewichtige Lage der Minderheiten beiderseits der Grenze und eine politisch konstruktive Zusammenarbeit der benachbarten Staaten voraussetzt. Dies ist bei Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland seit langem der Fall, aber dies dürfen wir nicht als selbstverständlich betrachten, wie ein gleichzeitiger Blick auf das deutsch-polnische Verhältnis zeigt, das derzeit von erneuten Forderungen nach Reparationszahlungen beeinträchtigt wird.
Der geschichtliche Kontext ist einzubeziehen: Die deutsch-dänische Grenzregion kann nach unserer Auffassung gerade dann Modellcharakter für sich beanspruchen, wenn auf dem Weg zum 100. Jahrestag der Volksabstimmungen in Schleswig von 1920 der gesamte historische Kontext in die Betrachtungen einbezogen wird. Deshalb sollte nicht verschwiegen werden, dass es im deutsch-dänischen Verhältnis über mehrere Generationen - über den Krieg hinaus - auch Konflikte und Verwerfungen gegeben hat. Nach der Niederlage Deutschlands im
Ersten Weltkrieg, an dem Dänemark nicht teilgenommen hatte, wurde im Versailler Vertrag eine Volksabstimmung für die nördlichen Bereiche Schleswigs vorgesehen. Dabei erfolgte die Festlegung von Abstimmungszonen und -modalitäten nach den Interessen Dänemarks, was gerade im nördlichen Abstimmungsgebiet die Nichtberücksichtigung regionaler deutscher Mehrheiten - zum Beispiel in den Städten Apenrade, Sonderburg und Tondern - zur Folge hatte.
Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb das deutsch-dänische Verhältnis lange Zeit spannungsgeladen, und dies gerade in einer Zeit, in der die Aufnahme von zahlreichen heimatvertriebenen Deutschen eine beispiellose sozial- und wirtschaftspolitische Herausforderung für das kriegszerstörte Deutschland darstellte.
Wer erinnert sich heute noch daran, dass der schleswig-holsteinische Landtag im Jahr 1951 aufgrund einer Initiative des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Friedrich Wilhelm Lübke die Sperrklausel bei Landtagswahlen zulasten des SSW auf 7,5 % hochsetzte, was kurze Zeit später vom Bundes-verfassungsgericht für unwirksam erklärt wurde? Dies war damals eine unmittelbare Reaktion auf fortbestehende Benachteiligungen der deutschen Minderheit nördlich der Grenze, zum Beispiel das Verbot weiterführender Schulen und die fehlende Anerkennung von Schulabschlüssen.
Doch mein Besuch beim Bund der Deutschen in Nordschleswig, den ich vor Kurzem in Apenrade unternommen habe, zeigt, dass sich das Verhältnis in der heutigen Generation deutlich entspannt hat. Es geht sogar so weit, dass sich viele der Deutschen dort auch als Dänen fühlen, weil sie bestens integriert sind.
Wir können daher viel von unseren Nachbarn lernen, sei es in der pragmatischen Parteipolitik, sei es in der Flüchtlingsfrage, sei es in der Grenzsicherung.
Fazit: Heute liegen die Konflikte lange hinter uns. Gerade deshalb aber haben wir den Auftrag, das heute friedliche Miteinander im deutsch-dänischen Grenzland nicht als selbstverständlich anzusehen, sondern es im Sinne einer wirklichen Gleichberechtigung immer wieder praktisch neu auszugestalten. Die beiderseitige Pflege des immateriellen kulturellen Erbes wird dabei ein wichtiger Bestandteil sein. Von daher wünschen wir der Bewerbung bei der UNESCO viel Erfolg!
Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Begriff „Immaterielles Kulturerbe“ ist auf den ersten Blick vielleicht ein wenig sperrig. Ich fürchte, dass viele Menschen sich darunter wenig vorstellen können. Aber wenn man ihn näher beschreibt, wird deutlich, wie wichtig unser immaterielles, unser geistiges Kulturerbe ist. Es geht um unsere Heimat, und es geht zugleich um Europa und die Welt.
Es geht um das Kleine im Großen und zugleich um das große Ganze: Es geht um Wissen, Können und Weitergeben - das ist der Dreiklang, mit dem die deutsche UNESCO-Kommission wirbt. Es geht um Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturheilkunde und Handwerkstechniken, um Traditionen, die ohne die UNESCO vielleicht bald vergessen wären und ohne die unsere Kultur, die Menschheit insgesamt, ärmer wäre.
Weltweit haben knapp 170 Vertragsstaaten die UNESCO-Konvention von 2003 ratifiziert, das ist ein großer Erfolg. Deutschland ist 2012 beigetreten. Schleswig-Holstein ist in der dritten Bewerbungsrunde für das Immaterielle Kulturerbe in Deutschland mit insgesamt drei Bewerbungen dabei. Neben der Bewerbung, die sie heute aus dem Landtag heraus aktiv unterstützen, hat unser IKE-Beirat die Anträge zur Tradition der „Helgoländer Dampferbörte“ und zur „Alte Kremper Stadtgilde von 1541“ als aussichtsreich für eine Anmeldung bei der KMK empfohlen. Die Landesregierung ist diesem Votum am Dienstag gern gefolgt.
Im Herbst entscheidet ein unabhängiges Expertenkomitee, das Bundesregierung und KMK gemeinsam eingesetzt haben, über die Aufnahme unserer Anträge in das bundesweite Verzeichnis. Erst wenn wir diese Hürde genommen haben, gibt es eine Chance für die Anmeldung bei der UNESCO in Paris - für die „Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity“. Ein längerer Weg liegt also noch vor uns allen und vor allem den schleswig-holsteinischen Antragstellern.
Gern möchte ich Ihnen zur Einordnung des Themas noch Folgendes berichten: Die Kultusministerkonferenz hat sich vergangene Woche mehrheitlich für die Nominierung des Hebammenwesens für die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ ausgesprochen. Hebammen tragen ein jahrtausendealtes Wissen weiter, sie unterstützen die Geburt und begleiten in den ersten Wochen und Monaten danach. Ein unschätzbarer
Wert für unsere Gesellschaft und für die Sicherheit und Begleitung von Müttern und Säuglingen vor, während und nach der Geburt.
Davor hatte Deutschland den Orgelbau- und Orgelwerk und das Genossenschaftswesen erfolgreich in Paris nominiert; das Deutsche Theaterwesen ist noch in der internationalen Warteschleife.
Ich möchte mit diesen Beispielen zeigen: Die Latte liegt hoch. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie insbesondere mit der Bewerbung des deutsch-dänischen Grenzlandes als gutes Praxisbeispiel für das Immaterielle Kulturerbe überspringen könnten. Denn es geht bei dieser Bewerbung um „Großes“: Um Frieden, um gelingende Minderheitenpolitik, um Europa.