Das ist das eine. Das andere betrifft die Pendlerinnen und Pendler: Schleswig-Holstein ist ein Flächenland. Jeden Tag fahren viele Tausend Menschen auf unseren Straßen nach Hamburg oder nach Dänemark. Die haben sich aus guten Gründen für Dieselfahrzeuge entschieden, für Modelle, die die Automobilindustrie als „clean“ oder „eco“ bezeichnet und die sie sogar als umweltfreundlich beworben hat. Jetzt stehen Fahrverbote im Raum. Deswegen müssen wir den Spagat schaffen, sowohl die Schadstoffbelastung in den Städten in den Griff zu bekommen als auch gleichzeitig unsere Pendlerinnen und Pendler zu schützen.
Deshalb muss man auch klar benennen, wer hier die Verantwortung hat. Das dürfen nicht die Betrogenen sein, sondern das müssen die Betrüger sein, denn es ist die Pflicht der Automobilindustrie, sich entweder um eine kostenfreie Nachrüstung zu kümmern, und zwar um eine, die etwas taugt, also nicht nur um Software-Updates, oder aber sie müssen das mangelhafte Fahrzeug ersetzen.
Es ist nicht mehr die Zeit für faule Ausreden. VW konnte seinen Nettogewinn von 2016 auf 2017 auf 11,4 Milliarden € verdoppeln. Der Konzernchef knackt die groß angekündigte Gehaltsobergrenze von läppischen 10 Millionen € schon ein Jahr nach der Einführung. Wer sich so präsentiert, der sollte mit dem Geld seiner Kunden vielleicht ein bisschen anders umgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es darf nicht so sein, dass die Menschen dabei auf den Goodwill der Konzerne angewiesen sind. Wir brauchen Waffengleichheit. Das richtige Modell dafür ist die Musterfeststellungsklage, die lange
Zeit von der Union blockiert worden ist. Wir haben sie im Koalitionsvertrag auf Bundesebene endlich durchgesetzt. Spätestens zum 1. November 2018 tritt diese in Kraft. Aber auch in Schleswig-Holstein liegt unser Antrag seit September 2017 vor, und die Koalition kann sich nicht verständigen und verschleppt dieses Thema. Ich will noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Das wäre das richtige Instrument, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.
Hinzu kommt: Man sichert Industriearbeitsplätze in Deutschland nicht dadurch, dass man die Konzerne vor den ohnehin relativ schlaffen Grenzwerten schützt, sondern indem man ihnen Dampf macht, damit sie sich um emissonsfreie Fahrzeuge bemühen. Sonst werden die Arbeitsplätze nämlich in Japan und China geschaffen, und das ist falsch. Wir müssen auch die Arbeitsplätze in Deutschland schützen. Das geht nicht mit weniger Schutz, sondern mit mehr. Sich an die Umweltstandards anzupassen, ist Pflicht und nicht Kür, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen geht es erstens darum, dass wir den Konzernen Druck machen. Ich finde, das ist bisher zu wenig erfolgt. Zweitens ist die Landesregierung dahin gehend gefragt, dass sie den Kommunen bei den Luftreinhalteplänen und bei den Förderprogrammen hilft. Die Pendler müssen ein besseres Angebot durch einen abgestimmten ÖPNV, durch zügig vorangetriebene E-Mobilität oder verbesserte Bedingungen durch den Umstieg aufs Rad erhalten. All dies sind Beiträge für saubere Luft und Klimaschutz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man all das zusammenfasst, dann gibt es eigentlich nur vernünftige Argumente dafür, sowohl etwas für Klima- und Umweltschutz zu tun, als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen, die nämlich nicht für Dinge bestraft werden können, die sie nicht angerichtet haben.
Drittens muss Druck gemacht werden, damit sich unsere Industrie endlich umstellt. Es ist nämlich vernünftige Industriepolitik, den Standards nicht auszuweichen, sondern diese gefälligst zu erfüllen.
sere Anträge, die wir in Ausschüssen stellen. Machen Sie doch einmal etwas, und einigen Sie sich; denn das Problem ist doch, dass Sie hier schöne Reden halten wie Herr Koch, sich in Ihrer Koalition aber nicht einig sind.
Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Fritzen?
Ich habe, Herr Kollege Dr. Stegner, mit meinem Zwischenruf auf die Plakette reagiert, dass die Plakette ein sehr geeignetes Instrument dafür ist, die Industrie sehr viel stärker unter Druck zu setzen, emissionsärmere Autos zu bauen, weil es nämlich sehr offensichtlich wäre, dass man mit einer solchen Plakette die Autos kennzeichnen könnte und auf diese Weise den Druck auf den Markt erhöhen würde. Das haben Sie gerade gefordert, und gleichzeitig lehnen Sie die Plakette ab. Das ist für mich ein Widerspruch, auf den ich hinweisen wollte.
- Ich will das gern beantworten. Die Plakette bestraft in allererster Linie zunächst die Autobesitzer. Und das sind meistens keine wohlhabenden Leute, die sich Diesel-Autos gekauft haben. Deswegen darf es nicht Umweltschutz gegen Verbraucherschutz geben, sondern beides muss erfolgen. Ich werbe dafür, Druck auf die Industrie auszuüben. Insoweit müssten Sie besser Ihre Kollegeninnen und Kollegen von CDU und FDP überzeugen, nicht aber die Sozialdemokraten in diesem Haus.
Nehmen Sie doch einmal Ihren schlappen Antrag, den Sie heute gestellt haben. Der ist doch lauwarm von vorne bis hinten; da steht nichts zu den Themen drin, die ich hier gerade angesprochen habe, gar nichts.
- Doch, ich beantworte sie. Die Plakette hilft eben nicht, den Druck zu verstärken, sondern sie bestraft zunächst die Besitzer älterer Autos. Diese müssen entschädigt werden, und zwar so, dass die Industrie dafür bezahlt. Dass ist der Kern und der Unterschied zwischen uns, Frau Fritzen.
Nein, es ist wie immer: Auch bei diesem Thema ist die Koalition schlapp, und es gibt eine Frühjahrsmüdigkeit. Ich habe vorhin schon gesagt: Sie schlafen, statt etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen. Auf der Bundesebene machen wir der Union ja gerade Beine, indem wie eine entsprechende Musterfeststellungsklage angestrengt haben. Ich bin mal sehr gespannt, ob der Kollege Altmaier in Brüssel dann zu denjenigen gehören wird, die auf die Automobilindustrie Druck ausüben, damit sie nicht vor den Standards geschützt wird, sondern damit sie diese endlich einmal einhält. Wie wollen wir denn eigentlich Autos verkaufen, die in der Zukunft solchen Standards nicht mehr genügen? Das kann nicht richtig sein.
Also halten Sie hier keine Sonntagsreden, sondern handeln Sie! Dazu fordern wir Sie auf. Wenn Sie etwas Gutes tun wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu; das wäre das Beste. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rund 38.000 Menschen sind einer Hochrechnung zufolge wegen nicht eingehaltener Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen allein im Jahre 2015 vorzeitig gestorben. Das ist jetzt nicht zitiert aus der Abgasstudie der Deutschen Umwelthilfe, weil die ja auch immer diskreditiert, dass wir möglicherweise japanische Autos förderten. Nein, das stammt aus einer internationalen Studie von einem wissenschaftlichen Team um Susan Anenberg von der Organisation Environmental Health Analytics in Washington.
Internationale Studien sind sich also darüber einig, dass die Stickoxidausträge hohe gesundheitliche Gefährdungen für Menschen erzeugen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler errechneten, dass Dieselfahrzeuge jährlich rund 4,6 Millionen Tonnen Stickoxide mehr ausstoßen, als sie nach geltenden Abgasgrenzwerten ausstoßen dürften. Im Jahr 2015, so die Studie, habe der Gesamtausstoß in der Folge bei 13,1 Millionen Tonnen gelegen, nachzulesen im Fachmagazin „Nature“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts dieser Fakten bin ich doch ein wenig bestürzt darüber, dass es immer wieder Parteien gibt - dazu zähle ich Sie, liebe AfD, ausdrücklich hinzu -, die diese Fakten ignorieren.
Das, was Sie schreiben und sagen, sind für mich Fake News pur. Es muss wie Hohn in den Ohren der Menschen klingen, die an besonders gefährlichen Orten leben, wie zum Beispiel an dem Theodor-Heuss-Ring in Kiel, nur wenige 100 m von hier entfernt.
Es ist auch völlig peinlich und eine politische Fehleinschätzung, lieber Herr Schnurrbusch, die Sie hier vorgetragen haben. Ich kann mir das nur so erklären, dass Sie sich bei Dieselfahrerinnen und Dieselfahrern einschleimen wollen.
Diese Menschen sind jedenfalls bitter enttäuscht. Sie haben nämlich in gutem Glauben ein Dieselfahrzeug gekauft und sind durch die Industrie hinter die Fichte geführt worden. Das ist im Prinzip die Debatte darüber, dass diese Menschen zu Recht erwarten, dass die Automobilindustrie in die Haftung genommen wird,
und zwar, wie der Kollege Koch auch bereits gesagt hat, muss es zu kostenlosen Umrüstungen kommen. Die Industrie steht in der Verantwortung, nicht aber die Nutzer und die Verbraucher, die sich dieses Auto gekauft haben.
Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, ich darf daran erinnern, dass es auch die Große Koalition sowie Herr Gabriel noch als Bundeswirtschaftsminister waren, die zusammen mit Minister Dobrindt an der Seite der Automobilindustrie gestanden haben. Diese Tricksereien waren der Bundesregierung lange bekannt. Die deutsche Automobilindustrie hat weltweit ihr Vertrauen auf besonders perfide Art durch Profitstreben verspielt.
Ich bin nicht glücklich zu sehen, wer jetzt die Nachfolge übernimmt. Herr Scheuer ist ja in der gleichen Diktion unterwegs wie Herr Dobrindt.
Kopfschütteln gibt es auch über das politische Agieren der Stadt Kiel und des von mir sehr geschätzten Herrn Oberbürgermeisters Dr. Ulf Kämpfer. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass sich die Stadt Kiel dieses Gutachten von Volkswagen bezahlen lassen will, sozusagen von der Mutter aller Abgasskandale. Da wird doch der Bock zum Gärtner gemacht.
Herr Kämpfer hat das noch in der Presse schönzureden versucht und hat dann gemerkt, dass das so nicht klappt. Herr Kämpfer ist ja auch Mitglied Ihrer Partei, Herr Dr. Stegner. Es ist ja auch nicht logisch. Und was macht er? Er lässt durch ein unabhängiges Institut das Gutachten von Volkswagen noch einmal daraufhin überprüfen, ob die das richtig gemacht haben. Da fragt sich doch jeder vernünftige Mensch: Warum hat er nicht gleich ein unabhängiges Institut damit beauftragt? Warum diese ganze Aktion? Das ist politisch nicht zu vermitteln und ganz ehrlich: Auch ich habe es nicht verstanden.
Nach unserer Auffassung müssen wir bei zwei zentralen Forderungen bleiben: Wir müssen schnell handeln, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, und die Verhältnismäßigkeit muss stimmen.
Doch welche Maßnahmen auch immer beschlossen werden, es hilft nichts, nur an den Symptomen herumzudoktern. Die Energiewende im Verkehr muss endlich vorankommen.
Warum kann Kiel nicht von Oslo lernen? Dort gibt es 100.000 E-Fahrzeuge, freie Schnellladeinfrastruktur in der Stadt, E-Autos fahren auf Busspuren und sind von der City-Maut ausgenommen. Die Stadt Oslo hat gesagt: Bis 2030 fährt im gesamten Stadtgebiet nicht ein einziger Verbrenner mehr. Mutig? Nein, innovativ, meine Damen und Herren. Eine kluge Politik, eine moderne Stadt- und Mobilitätspolitik im 21. Jahrhundert sieht so aus. Das ist der Weg, den Städte gehen sollten, wenn sie eine moderne und stabile Stadt- und Mobilitätspolitik machen wollen. Kiel ist davon meilenweit entfernt.
Wir müssen die Mobilität neu denken. Dazu gehört die Stärkung des ÖPNV. Zum Beispiel effizientere E-Busse, aber auch die Idee der Stadtbahnen machen sie attraktiv. Wir haben immer für eine StadtRegionalBahn gestimmt. Städte brauchen alternative Formen auch des ÖPNV.