Protocol of the Session on February 22, 2018

Handlungsrichtlinie und Aufforderung zum Handeln sein sollte. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und beantrage, den Bericht an alle Ausschüsse zu überweisen.

(Beifall SPD, SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Baasch, die Idee, diesen Antrag als Signal an alle Ausschüsse zu überweisen, finde ich sehr gut. Ich unterstütze das, weil dieser Tätigkeitsbericht zeigt, dass Inklusion wirklich alle Themengebiete betrifft und nicht nur eine Frage ist, die im Sozialausschuss beraten werden sollte. Vielen Dank also für diese Anregung.

Meine Damen und Herren. Schon im Oktober vergangenen Jahres hat Uli Hase seinen 7. Tätigkeitsbericht für die Jahre 2015 bis 2017 vorgelegt, und ich freue mich, dass wir heute, an einem Donnerstag um 10 Uhr, in einem gesetzten Tagesordnungspunkt über diese spannende Lektüre beraten.

Für 20 Jahre engagiertes Handeln im Interesse von Menschen mit Behinderung möchte ich Uli Hase ganz persönlich danken. Gestern habe ich mich immer dem Dank aller anderen angeschlossen. Heute möchte ich den Dank selbst aussprechen und nicht Zeit sparen. - Das ist eine lange Zeit, und du hast sehr viel erreicht. Herzlichen Dank auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im bewährten Team des Landesbeauftragten. Ohne Sie alle stünden wir in Schleswig-Holstein in Sachen Inklusion sehr viel schlechter da. Vielleicht an dieser Stelle auch einmal nicht nur ein Dank an Sie alle als Stellvertreter derjenigen, die sich besonders politisch einsetzen, sondern an die vielen anderen, die sich in Vereinen und Verbänden, bei sozialen Trägern und in Schulen um das Thema Inklusion bemühen und sich engagieren. Auch ihnen gilt unser ausdrücklicher Dank hier im Haus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt SSW und Beifall Wolfgang Baasch [SPD])

Der Bericht selbst ist auch inklusiv. Das ist neu, und es ist gut, dass er in Leichte Sprache und in Gebärdensprache übersetzt wurde. Aus meiner Sicht

gehört dies zu den wichtigsten Dingen, die wir erreichen müssen, nämlich, dass wir nicht übereinander reden, sondern dass wir miteinander reden, dass die Dinge, die Menschen mit Behinderung angehen, auch von den Menschen verstanden werden, die dies betrifft. Das ist das, was man modern nennt, und das ist das, was inklusiv ist. Wer, wenn nicht die betroffenen Menschen selber sollen lesen und hören können, was für sie schon erreicht worden ist und wo es nach wie vor Probleme gibt? Inklusion beim Wort nehmen und einfach gemeinsam gestalten, das sollte die Maxime unseres Handelns sein.

Ebenfalls neu ist die Beilage zum Bericht „Einfach handeln“. Man kann auch sagen, das ist ein Auftragsbuch an die Politik. Das nehmen wir ernst. Ich glaube, alle Fraktionen in diesem Haus haben das sehr aufmerksam gelesen und genau herausgepickt, welche Punkte uns betreffen, welche vielleicht die Regierung betreffen und welche auf anderen Ebenen geklärt werden müssen. Das ist eine sehr gute Idee. Wir Grüne nehmen dieses Angebot sehr gern an.

Was weniger neu ist, das sind die großen Themenschwerpunkte des Berichts: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission, Inklusion und Teilhabe, Diskriminierung, Kita, Bildung, Eingliederungshilfe und so weiter.

Frau Tschacher hat schon einige Themen angesprochen, die wir in der Jamaika-Koalition angehen wollen. Ich möchte noch auf ein Thema hinweisen, das mir immer wieder besonders auffällt. Ich bin ja für den Bereich Kita im GAK Bildung zuständig. Die Inklusion und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sind in unserer Gesellschaft wirklich noch sehr rückständig. Wenn ich zum Beispiel höre, dass man in der betreuten Grundschule ein Kind wegen einer Diabetes-Erkrankung nicht anmelden kann oder dass man am Ferienpass - auch das ist im Bericht erwähnt - nicht teilnehmen kann, weil man im Rollstuhl sitzt, dann ist das erbärmlich und ein ganz schlechtes Zeichen für unsere Gesellschaft. Daran müssen wir dringend arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SSW und vereinzelt SPD)

Ein ganz wichtiges Thema - das sagte ich eingangs bereits - ist die Teilhabe, also die Mitbestimmung, das Empowerment derjenigen, die von Inklusion besonders betroffen sind. Es geht um Grundrechte und nicht um Fürsorge. Es geht um Beteiligung und Empowerment, nicht um ein „ohne und über uns“. Deshalb muss die UN-Konvention mit Leben erfüllt werden, und deswegen muss das Bundesteilhabege

(Wolfgang Baasch)

setz gut umgesetzt werden. Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns dafür Zeit nehmen und uns den Regierungsentwurf im Ausschuss noch einmal sehr genau anschauen. Wir müssen dabei die ausführlich dargestellten Kritikpunkte der Beteiligten auch wirklich ernst nehmen. Es ist nicht drin, was drauf steht. Wir werden uns dafür einsetzen, dass mehr drin stehen wird.

Unser Bestreben ist es, ein gutes Gesetz zu machen, ein Gesetz für und mit den Menschen, um die es geht. Wir laden auch die Opposition ein, diesen Weg mit uns zu gehen. Verschanzen Sie sich nicht hinter der pauschalen Kritik, sondern werden Sie konstruktiv.

So weit, so gut oder auch so schlecht.

Ich möchte an dieser Stelle noch einen Dank für mein ganz persönliches Highlight Ihrer Tätigkeit sagen. Ich durfte schon verschiedene Male in der Jury des Krach-Mach-tachs sein. Der Krach-MachTach ist wirklich ein deutliches Signal im Rahmen der Kieler Woche.

(Wortmeldung Dennys Bornhöft [FDP])

- Willst Du eigentlich eine Frage stellen?

(Dennys Bornhöft [FDP]: Nein, nein! Jetzt nicht!)

- Ach so.

Laut und bunt machen die Menschen in Bands mit Musik ihr Anliegen deutlich. Ich darf dort in der Jury sein und mache das immer wahnsinnig gerne. Bleiben Sie laut, bleiben Sie hartnäckig! - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, vereinzelt SPD und SSW)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion der Herr Abgeordnete Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe natürlich nicht nur eine Frage, sondern möchte zum Tätigkeitsbericht auch gern noch eine Stellungnahme abgeben.

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Hase, zunächst möchte ich mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedanken, nicht nur für den äußerst ausführlichen Bericht, sondern vor allem für die Arbeit, die letzt

lich die Grundlage dafür ist, hier einen so ausführlichen Bericht vorlegen zu können.

Als neuer Abgeordneter bin ich immer sehr dankbar für solche Berichte und lese interessiert vor allem die Schilderung der Einzelfälle, die bearbeitet werden. Mit jährlich rund 1.000 Anfragen ist dokumentiert, wie etabliert die Stelle des Landesbeaufragten ist. Sie weisen auch darauf hin, dass einige Fälle, die sich auf die Diskriminierung beziehen, auch in Zusammenarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle des Landes bearbeitet werden.

Die anonymisierten Einzelfälle, die dargestellt werden, zeigen auf, wie teilweise aus vermeintlichen Kleinigkeiten große negative Folgewirkungen entstehen. Aus falsch verstandener Fürsorge hat eine Kommune bei ihren Ferienpass-Angeboten vermerkt, dass diese nicht für Kinder mit Schwerbehinderungen geeignet seien. Gemeint war hierbei, dass es für Rollstuhlfahrer zum Teil hätte schwierig sein können, an den Angeboten teilzunehmen. Formuliert jedoch wurde es so, als ob prinzipiell alle Kinder mit Beeinträchtigungen von einer Teilnahme an den Ferienfreizeiten per se ausgeschlossen wären.

Das Gespräch mit dem Landesbeauftragten hat dazu geführt, dass das Angebot von Aktivitäten mehr auf die Belange von Kindern mit Behinderung überprüft wird und die Formulierungen für etwaige Angebotseinschränkungen präziser werden.

Verwundert war ich beim Lesen des Falles mit der vorübergehenden Parkerlaubnis. Mehrere öffentliche Stellen wussten nicht, wer für das öffentlich zugängliche Beantragungsformular wirklich zuständig ist. Der Fall konnte noch nicht abschließend geklärt werden, ich hoffe aber, dass die betreffenden Behörden positiv damit umgehen und dies zu einem guten Abschluss gebracht werden kann.

Ein absolutes Unding wiederum ist der Fall - der wurde schon erwähnt - „Vorstellungsgespräch nur ohne Hund“, bei der sich eine Petentin, die aufgrund einer starken Zuckererkrankung auf einen Diätbegleithund angewiesen ist, beim Land bewerben wollte. Sie wurde mit dem Hund aber nicht in das Gebäude gelassen, weil Haustiere keinen Zutritt hätten. Wegen solch mangelnder Flexibilität oder falsch verstandener Überkorrektheit muss ich als Regierungsrat über meinen Berufsstand mehr als nur den Kopf schütteln. Da das Bewerbungsgespräch aufgrund der Hausordnung wegen eines Haustieres nicht stattfinden konnte, wurde der Petentin mit Ihrer Hilfe, Herr Professor Hase, also mit Hilfe des Landesbeauftragten, am Ende gerichtlich

(Eka von Kalben)

recht gegeben, und sie erhielt zumindest eine finanzielle Entschädigung.

Dieser Fall ist beispielhaft dafür, auf wie viele Arten und Weisen es Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt schwer gemacht wird. Benachteiligungen im Berufsleben sind für erwachsene Menschen mit Behinderungen eine der größten Hürden für ein selbstbestimmtes Leben. Hierauf wird von Betroffenen und ihren Verbänden auch hinlänglich hingewiesen. Die Regierung hat darauf, zum Beispiel mit dem Bundesteilhabegesetz, reagiert und das Instrument des Budgets für Arbeit auf Bundesebene verstetigt. Hiermit sollen Personen, die zum Beispiel in Maßnahmen bei Werkstätten für Menschen mit Behinderung tätig sind, in sozialversicherungspflichtige Jobs gebracht werden. Dieser Ansatz ist genau richtig.

Auf Seite 24 des Berichts wird darauf hingewiesen, dass trotz positiver konjunktureller Entwicklung weiterhin Menschen mit Behinderung deutlich häufiger ohne Arbeit sind und nicht im gleichen Maße am Arbeitsplatzzuwachs partizipieren wir der Rest der Bevölkerung. Dieser Umstand bestätigt, wie wichtig die bestehende Maßnahme der Ausgleichsabgabe ist und dass die Erhöhung der monatlichen Summen folgerichtig gewesen ist. Ein kleiner Hinweis hierzu: Die Zahlung der Ausgleichsabgabe ist dabei jedoch kein Ersatz für die Erfüllung der Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderung bei den Unternehmen.

Solch ein Bericht, wie er uns nun vorliegt, ist auch immer Rückblick und Ausblick zugleich. Der Fonds für Barrierefreiheit, der auf Seite 28 erwähnt wird, ist bereits parlamentarisch angestoßen worden. Weiterhin wird die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung eine Daueraufgabe sein, da es noch einige Hürden gibt, bis wir in Schleswig-Holstein und in Deutschland in einer voll umfänglich inklusiven Gesellschaft angekommen sein werden.

Wir als Parlamentarier erhalten von Ihnen, Herr Hase, nicht nur Forderungen und mahnende Worte, sondern auch Rat und Tat. Hierfür bin ich besonders dankbar und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Nicht wenig von dem, was der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in seinem Bericht schildert, kommt mir bekannt vor, und zwar deshalb, weil sowohl mein Vater als auch meine Mutter schwerbehindert sind. Beide haben dabei voll im Erwerbsleben gestanden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie mit ihrem Schicksal gehadert hätten, aber sehr wohl daran, dass sie immer drei Schritte machen mussten, wo andere nur einen brauchten, dass es teilweise massives Mobbing am Arbeitsplatz gab, und ich erinnere mich auch, dass es zwar gut gemeint, aber letztlich doch entwürdigend war, wenn in ihnen nicht zunächst der Kollege gesehen wurde, sondern ein Objekt der Fürsorge.

Gerade in Bezug auf den zuletzt genannten Punkt ist es gut, dass sich der Fokus in den letzten Jahren verschoben hat. Nicht mehr das Sorgenkind, sondern der Mensch steht im Mittelpunkt. Dieser Perspektivwechsel war seit Langem überfällig. Aber wir wissen auch, damit allein wird es nicht getan sein. Das spiegelt sich auch im Bericht unseres Landesbeauftragten wider; denn wenn man zwischen den Zeilen liest, geht es letztlich immer um die eine einfache Frage: Wird die Meinung der Betroffenen selbst wahr- und ernstgenommen, oder wird sie übergangen? Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist leider keine rhetorische Frage, auch nicht auf politischer Ebene.

Lassen Sie mich, um das zu belegen, aus dem Staatenbericht des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2015 zitieren. Dort heißt es bezüglich der Werkstätten für Behinderte ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis

„Der Ausschuss ist besorgt über … Segregation auf dem Arbeitsmarkt … und empfiehlt die schrittweise Abschaffung der Werkstätten für behinderte Menschen durch sofort durchsetzbare Ausstiegsstrategien …“

Was löst eine solche Empfehlung bei denjenigen aus, die jeden Tag dort arbeiten gehen?

Ein weiteres Beispiel für die Nichteinbeziehung Betroffener, auch dieses Mal wieder aus eher unerwarteter Ecke: So empfiehlt das Deutsche Institut für Menschenrechte der Kultusministerkonferenz 2011 nicht mehr und nicht weniger als das Wahlrecht von Eltern behinderter Kinder, zwischen Regel- und Sonderschulbeschulung entscheiden zu können, zu beschneiden. Es heißt hier, dass das Elternwahlrecht den Aufbau eines inklusiven Bil

(Dennys Bornhöft)

dungssystems verzögere und dass es nicht mit dem Recht auf inklusive Bildung in Einklang zu bringen sei. Das Wahlrecht der Eltern ist - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - „nur übergangsweise vertretbar.“ Es wird weiter ausgeführt, wie man Eltern dahin gehend beeinflussen kann, sich in jedem Fall gegen die Beschulung in einem Förderzentrum zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, zum Glück haben wir in Schleswig-Holstein mit Dr. Uli Hase einen Landesbeauftragten, der die Sache nicht bevormundend, sondern pragmatisch angeht. Auch das spiegelt sich in seinem Bericht wider. So führt er bezüglich des Elternwahlrechts unmissverständlich aus, dass - ich zitiere - „die Förderzentren wieder eine Stärkung erfahren sollen und die Betroffenen eine Wahlfreiheit zwischen Förderzentrum und dem allgemeinen Schulsystem erhalten sollen.“ Klare Worte, die aber leider angesichts der eben zitierten Aussage nicht für alle eine Selbstverständlichkeit sind.