Protocol of the Session on February 22, 2018

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Meine Damen und Herren, für Eltern ist es oft nur ein Gefühl. Das Kind kommt schon wieder früh nach Hause. Die Zahl der Freistunden oder die des eigenverantwortlichen Arbeitens, also EVA, nimmt zu, und Vertretungsunterricht durch nicht ausgebildete Lehrkräfte erweckt den Eindruck, dass unsere Schulen ihrem Lehrauftrag nicht ausreichend nachkommen. Wie gut oder wie schlecht die tatsächli

(Ines Strehlau)

che Unterrichtsversorgung in den einzelnen Schularten nun ist, versuchen - wir haben es gehört - seit 41 Jahren verschiedenste Landesregierungen mit unterschiedlichsten Methoden statistisch darzustellen. Ganz ehrlich gesagt, zufriedenstellend war bis heute keine, und Lösungen haben diese schon gar nicht geliefert.

Interessant war der kleine Nebensatz von meiner Kollegin Ines Strehlau, die eben sagte, der erweiterte Katalog, den wir von der letzten Landesregierung abgefragt haben, sei von der damaligen SPD-Ministerin nicht begeistert aufgenommen worden. Das finde ich bezeichnend.

Für eine vorausschauende Personalentwicklung ist es wichtig, valide und transparente Statistiken zur Unterrichtssituation zu bekommen. Wir müssen wissen, wo Problemfelder sind, damit wir sie beseitigen können. Die SPD beweist mit ihrem Antrag, dass sie diesen Gestaltungswillen nicht hat; denn allein mit dem kleinteiligen, pepitamäßigen Ausweiten von Personengruppen erreichen Sie keine Qualitätsverbesserung.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Ich habe den Eindruck, Sie wollen den Bürgern suggerieren, dass Sie die einzig Wahren sind, die in der Lage sind, die bildungspolitischen Wunden aufzuzeigen. Sie vergessen dabei völlig, dass Sie diese Wunden selber gerissen haben. Sie haben es doch in der letzten Legislaturperiode überhaupt erst ermöglicht, dass Lehrkräfte mit der ersten Staatsprüfung, die nicht im Vorbereitungsdienst sind, im Unterricht eingesetzt werden können. Auf die damit verbundenen Probleme haben wir deutlich hingewiesen. Sie haben sie ignoriert.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Meine Damen und Herren, ja, ich verzichte nicht darauf, es zu sagen: Wir haben ein schweres Erbe von Ihnen angetreten.

(Zurufe SPD)

Der Unterschied zwischen dieser und der letzten Regierung liegt darin, dass wir die Augen vor den Problemen nicht zumachen. Wir schauen ihnen ins Gesicht, und wir wollen Abhilfe schaffen.

(Beifall FDP, CDU und Zurufe SPD)

Wir wollen eine verlässliche Datenbasis mit einer wirklichen Transparenz. Wir wollen wissen - dahin zielen der Begriff Bildungsmonitoring und der Auftrag ans Ministerium -, was gute, moderne Schulen in Zukunft brauchen. Das Schönen von Zahlen muss endlich ein Ende haben. Das ist zum Wohle

der Bildung in unserem Land, zum Wohle unserer Kinder und deren Zukunft. Mut und Ehrlichkeit hätte ich mir auch von der letzten Landesregierung gewünscht, Herr Habersaat.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Wir bitten daher die Landesregierung mit unserem Antrag, ein Konzept für ein umfassendes Bildungsmonitoring zu erarbeiten, das die verschiedensten Erhebungen, Statistiken und Berichte zu Bildungsstandards und zur Qualitätssicherung miteinander verknüpft. Dabei sehen wir den bisherigen Bericht der Unterrichtsversorgung auch als einen Teil des Bildungsmonitorings, und natürlich werden wir den Bericht erweitern müssen.

Herr Habersaat, Sie hatten nachgefragt, warum wir Ihren Antrag nicht übernehmen. Wir haben das im Prinzip in unserem dritten Punkt in unserem Antrag alles drin. Wenn Sie das nur verstehen, wenn Sie die Details so aufgelistet haben, gut, dann können wir uns gern im Ausschuss darüber noch einmal unterhalten.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Wir wollen natürlich Informationen über die Qualifizierung aller Personengruppen haben, die zur Sicherung der Unterrichtsversorgung eingesetzt werden. Das PUSH-System ist eine Basis, aber sie ist noch nicht optimal.

Eines zum Schluss: Es wird immer einen Bedarf für Lehrkräfte geben, die Vertretungsunterricht erteilen, solange wir den Unterricht mit Menschen gestalten, und ich denke, dass wir das nicht verändern wollen. Aber wir möchten dafür Sorge tragen, dass die Zahl der Vertretungsstunden deutlich reduziert wird, und wir möchten dafür Sorge tragen, dass die Vertretungsstunden dann qualitativ gut sind. In diesem Sinne ist auch die Befragung des Bildungsministeriums zur Gesundheit und Arbeitsbelastung der Lehrkräfte zu verstehen; denn sie wird dafür sorgen, dass wir in unserem Anspruch, eine Verbesserung der Qualität in den Schulen hinzubekommen, erfolgreich werden.

Meine Damen und Herren, gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie Probleme und Pannen, die unweigerlich auftreten, zu managen weiß. Helfen kann uns in diesem Punkt durchaus die Digitalisierung, aber nicht nur im Erheben von Daten und deren Auswertung, sondern auch mit Unterstützung, wenn es um Material geht, das man zum Beispiel im Unterricht im Notfall einmal einsetzen kann. Vor allem das Teilen von Erfahrungen, das Vernetzen von Wissen werden uns künftig dabei

(Anita Klahn)

helfen. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss, und vielleicht schaffen wir es ja, die SPD zu überzeugen, dass unser Antrag doch recht gut ist. Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Gäste und Schüler! Als erstes möchte ich mich einmal bei der Bildungsministerin für den vorliegenden Bericht zur Unterrichtssituation bedanken. Zweifelsohne ist er Grundlage für jede sachorientierte Auseinandersetzung und für die zu entwickelnden Lösungsansätze. Es ist eben angeklungen, seit über 40 Jahren gibt es diesen Bericht. Einige meiner Kinder sind auf der Carl-Maria-von-Weber-Schule. - Ja, ich gehöre auch zu den Eltern, die sich dann, wenn die Kinder nach der vierten Stunde schon wieder da sind, fragen: Was ist denn los? - Weiß ich auch nicht. Aber ich liebe diese Schule. Gar keine Frage.

Der Bericht gibt den Grad der Unterrichtsversorgung wieder und offenbart dabei den Handlungsbedarf besonders in den Bereichen berufliche Bildung, Sonderpädagogik und Grundschule. Angesichts der gestiegenen Zahl von Vertretungsstunden stellt sich außerdem die Frage nach der Qualität der Vertretungsstunden. Es ist allerdings schon scheinheilig oder wirft zumindest Fragen auf, wenn sich jetzt gerade die SPD für eine Weiterentwicklung des Berichts einsetzt. Ja, das ist angeklungen. Sie hätten dafür Zeit genug gehabt, und es gab durchaus richtig gute Ansätze. Aber jetzt kommt es mir so vor, als ob Sie Tipps geben, wie man die Scherben wieder wegfegen kann.

Wie notwendig die Debatte auch im Hinblick auf die Zukunft ist, zeigt eine Pressemeldung der Europa-Uni Flensburg vom 8. Dezember 2017. Sie weist auf den gravierenden Mangel an pädagogisch voll ausgebildeten Lehrern an Berufsschulen hin. So übersteigt die Zahl der offenen Stellen an den Berufsschulen die Zahl der Studienabschlüsse bei Weitem. Konsequenz schon heute: In SchleswigHolstein besteht an den berufsbildenden Schulen nur 91 % Unterrichtsversorgung. Das ist ein Unding.

Zu den allgemeinbildenden Schulen: Hier ist die Personalsituation etwas besser, aber natürlich ist die Situation auch hier angespannt. An Förderzentren und Grundschulen - so GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke - fehlen aber auch schon wieder mehr Lehrer, um alle offenen Stellen zu besetzen. Die Umsetzung der Forderung der Grundschullehrer auf dem Forum Grundschulbildung Ende Januar, in IKlassen durchgehend eine Doppelbesetzung einzuführen, ist in weiter, weiter Ferne. Nachfragen bei Schulleitern, ob es eventuell irgendwie realisiert werden könnte, stießen erwartungsgemäß vielfach auf reine Resignation.

Im Gegenteil: Doppelbesetzungen in den Klassen werden häufig aufgehoben, sobald in einer anderen Klasse Lehrer fehlen, und das, obwohl die Zahl der Unterrichtsstunden je Schüler in Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien teilweise erheblich unter den durchschnittlichen Werten anderer Länder liegt. Beispiel Grundschule: Die Schüler in Schleswig-Holstein erhalten in den ersten vier Klassen mit die wenigsten Unterrichtsstunden in der Summe, und zwar 92. Zum Vergleich: Hamburg 108 Stunden, Bayern 104 Stunden. Das gehört auch zur Sache, weil es nämlich zeigt, dass wir bereits jetzt erhebliche Probleme haben, obwohl nach oben noch immer Luft wäre.

In dem Zusammenhang möchte ich auch nicht vergessen zu erwähnen, dass es gut ist, dass die Regierung es angepackt hat, dass künftig in den Grundschulen mehr Unterrichtsstunden geleistet werden, indem diese Zahl erhöht wurde.

Was ist also zu verbessern? - Meine Damen und Herren, um die Weichen für einen umfassenderen und transparenteren Bericht zur Unterrichtssituation zu stellen, fordert die AfD-Fraktion die Landesregierung auf, im nächsten Bericht auch deutlich zu machen, in welchem Umfang die Stundenanzahl von vornherein reduziert wird, weil sich für eine unbesetzte Stelle kein Fachlehrer findet. Diese nicht gegebenen Stunden müssen sichtbarer werden.

Zusätzlich sollte der Bericht zur Unterrichtssituation ein Kapitel zur Ausbildung und den erworbenen Qualifikationen der unterrichtenden Lehrer, die zur Unterrichtsversorgung insgesamt eingesetzt werden, enthalten. Insofern, Herr Habersaat, stimme ich mit Ihnen überein. Aber - das muss jetzt noch kommen - vor allen Dingen sollte der Bericht zur Unterrichtsversorgung zu einer Gesamtstrategie führen.

Der Alternativantrag aus Jamaika, der den Bericht perspektivisch zu einem Bildungsmonitoring wei

(Anita Klahn)

terentwickeln möchte, geht genau in diese Richtung. Deswegen freue ich mich auch in diesem Bereich auf die Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Bericht über die Unterrichtssituation kategorisch weiterzuentwickeln, finden wir sehr sinnvoll. Uns geht es nicht nur um die Situation der Quer- und Seiteneinsteiger. Wir haben zudem steigende Schülerzahlen, mehr Unterrichtsstunden in der Grundschule, den Ausbau von Ganztagsschulen. Schließlich steht auch noch die Umstellung von G 8 auf G 9 bevor. Und all das bei ständigen Klagen der Lehrkräfte über Termin- und Leistungsdruck und kräftezehrenden zusätzliche Aufgaben.

Das bestätigt ja auch zumindest der Ersteindruck der Selbsteinschätzungsumfrage unserer Lehrkräfte, die das Bildungsministerium im November letzten Jahres gestartet hat. Man kann sicherlich noch überlegen, woran es liegt, dass nur 9.100 von 30.400 Lehrkräften antworten. Aber mit Sicherheit festhalten lässt sich ja schon einmal Folgendes: Zwei Drittel der Lehrkräfte stehen unter Termin- und Leistungsdruck. Mehr als die Hälfte empfinden die zusätzlich anfallenden Aufgaben als belastend. 93 % empfinden den Lärm, dem sie ausgesetzt sind, als besonders anstrengend. Fast 80 % der Lehrkräfte gehen krank zur Arbeit.

Das Bildungsministerium macht daraus die Presseinformation: ,,Lehrer sind zufrieden“. - Das ist schon etwas wagemutig. Der Lehrkräftemangel springt uns förmlich an, und wir brauchen Möglichkeiten, diese Situation aufzufangen. Die derzeitige Landesregierung setzt bekanntlich zuversichtlich auf den Quereinstieg.

Für den Quereinstieg in die Berufs- oder Förderschule brauchen die Bewerberinnen und Bewerber den Master- oder Magister-Abschluss oder ein Diplom in einem dringend benötigten Fach. Für die berufsbildenden Schulen ist zusätzlich eine mindestens einjährige förderliche berufspraktische Tätigkeit vonnöten.

Für den sogenannten Seiteneinstieg in alle Schularten hingegen wird neben dem Magister-, Masteroder Diplom-Abschluss eine mehrjährige praktische Berufserfahrung vorausgesetzt. Dabei kann auch eine unbefristete Weiterbeschäftigung oder ein Beamtenverhältnis angestrebt werden. Den Direkteinstieg lasse ich einmal außen vor.

In den Fächern, in denen wir einen besonders großen Mangel haben, gibt es also bei uns in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, sich nach einem abgeschlossenen Studium und Berufserfahrung durch Fortbildungskurse in Pädagogik und Didaktik für die Arbeit an Schulen zu qualifizieren. Somit haben wir es nicht mit komplett fachfremden Menschen zu tun, sondern ja auch durchaus mit fachlich bereits im Vorfeld Geeigneten.

Uns interessiert, wie viele der Quereinsteiger und Seiteneinsteigerinnen schon eine pädagogische Vorbildung im Sinne einer Erzieherausbildung oder eines pädagogischen Anteils im Studium haben. Deshalb haben wir auch gefordert, dass mit der Erweiterung des Berichts zur Unterrichtssituation explizit auf die Menschen eingegangen wird, ohne die wir zurzeit nicht auskommen.

Unsere Lehrkräfte sind auf unterschiedliche Weisen sehr stark gefordert. Wir sollten sie dementsprechend unterstützen.

Abschließend erlaube ich mir noch einen anderen Hinweis: Sie kommen nicht darum herum, die Attraktivität des Berufsbildes insgesamt zu steigern. Das geht zwar auch mit den sogenannten weichen Faktoren, das reicht aber nicht aus. Wir verlieren den Wettbewerb mit den anderen Ländern, wenn wir unseren Grundschullehrkräften nicht endlich das zahlen, was sie verdienen.

(Beifall SSW und SPD)

Nicht umsonst haben wir dazu gestern auch einen gegenfinanzierten Haushaltsantrag formuliert, der von Jamaika abgelehnt wurde. Während sich da alle anderen Parteien lange sehr zurückhaltend gezeigt haben, fordern wir schon seit einem Jahr sehr laut A 13 für Grundschullehrkräfte.

Ich möchte aber noch auf Tobias Loose und Anita Klahn eingehen. Tobias Loose hat gesagt, die Landesregierung sei keine Schulverwaltung. - Sie ist die oberste Schulverwaltung.