Protocol of the Session on June 28, 2017

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian zu seinem ersten Beitrag in diesem Hohen Haus.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Die Anträge des SSW zur Vergabe öffentlicher Aufträge im öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenpersonennahverkehr greifen wichtige Aspekte zur Sicherung von Standards und der Sicherheit von Arbeitsplätzen auf.

Das Land hat auf die Einhaltung dieser Standards stets einen großen Wert gelegt. Ich bin sicher, dass auch die neue Landesregierung genau darauf achten wird, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Personennahverkehr oder im Schienenpersonennahverkehr kommt.

Nach dem geltenden Vergaberecht können öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen verlangen, dass bisherige Mitarbeiter durch einen neuen Anbieter übernommen werden. In der Praxis wird es meist so sein, dass neue Anbieter von Verkehrsdienstleistungen auf das qualifizierte und erfahrene

(Flemming Meyer)

Personal des vorherigen Anbieters zurückgreifen, um im Interesse der Fahrgäste, aber auch im eigenen Interesse die Servicequalität auf einem hohen Niveau zu halten. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu; denn sie sind es, die die Vorortkenntnisse haben und mit in den neuen Betrieb einbringen können. Keiner kennt die örtlichen Gegebenheiten besser als sie.

Durch die Übernahme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann ein mindestens gleichhohes Qualitätsniveau durch einen neuen Anbieter zeitgerecht gehalten werden. Deshalb bin ich sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des bisherigen Anbieters auch stets bei einem neuen Anbieter große Chancen auf Weiterbeschäftigung haben. Eine Vielzahl öffentlicher Auftraggeber macht bereits jetzt von dieser Kann-Regelung des § 5 Gebrauch und verlangt damit die Übernahme der bisherigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den neuen Anbieter. Dass es hierzu bisher keine Verpflichtung gab beziehungsweise sich im Vergabegesetz keine zwingende Regelung mit einer Muss-Formulierung befindet, lag möglicherweise an damit verbundenen höheren Kosten und Konnexitätsauswirkungen. Deshalb werden wir dies im weiteren Gesetzgebungsverfahren sehr intensiv prüfen müssen.

Mit der Bundesratsinitiative zum Personenbeförderungsgesetz hat Schleswig-Holstein Ende des Jahres 2016 das Ziel, bestehende rechtliche Lücken bei der Sicherung sozialer Standards zu schließen. Die Ausschreibungspraxis des Landes war davon allerdings ausdrücklich nicht berührt. Schleswig-Holstein hat sich bereits vor Jahren fraktionsübergreifend für Ausschreibungen im öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenpersonennahverkehr entschieden. Wir wollen Wettbewerb, und gerade dieser Wettbewerb hat in den letzten Jahren zu einem erheblichen Plus an Service und Qualität im öffentlichen Personennahverkehr geführt.

Da es hier um eigenwirtschaftliche Verkehre geht, ist mir der Hinweis wichtig, dass es ein Erfolg der schleswig-holsteinischen Ausschreibungspraxis ist, wenn Anbieter auch ohne einen Zuschuss des Landes oder der beteiligten Kreise Leistungen anbieten und eigenwirtschaftlich die Busse auf ihren Linien fahren lassen. Mehr Erfolg ist durch eine öffentliche Ausschreibung gar nicht zu erreichen, als dass die örtlichen Aufgabenträger von Zuzahlungen entlastet werden. Dies muss auch nicht zu sozialen Verwerfungen führen; denn der Lohntarif OVN für den Busverkehr wurde Ende 2016 für allgemeinverbindlich erklärt. Damit sind die sozialen Rege

lungen dieses Tarifvertrages von allen Anbietern automatisch einzuhalten. Dies ist für die Beschäftigten in der Personenbeförderung ein großer Erfolg und sichert damit auch die Zahlung von Tariflöhnen.

(Beifall CDU und Wolfgang Kubicki [FDP])

Auch vor diesem Hintergrund muss geprüft werden, inwieweit die Bundesratsinitiative der bisherigen Landesregierung überhaupt noch eine Regelungsnotwendigkeit hat. Sie befindet sich im Übrigen derzeit in den Ausschussberatungen des Bundesrates, auf deren Zeitplan das Land Schleswig-Holstein bekanntermaßen keinen Einfluss hat.

Ich beantrage, beide Anträge des SSW in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, damit wir dort auch im Rahmen einer Anhörung eine profunde Entscheidungsgrundlage finden können. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Das Wort für die Abgeordneten der SPD hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein steht für die Ausweitung und die Einhaltung von Tarifverträgen. Mit dem schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz, dem Tariftreue- und Vergabegesetz sowie dem Landesmindestlohn und dem Korruptionsregister schützen wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen, die sich an geltende Tarifverträge halten, vor einem ruinösen Tarifvertragswettkampf mit Billigkonkurrenz und Lohndumping.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist unser schleswig-holsteinischer Beitrag zur guten Arbeit. Wir, die SPD, stehen zu einem guten Wettbewerb mit sozialen Leitplanken, von denen Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren. Unternehmen, die mit Lohndumping erfolgreich sein wollen, können bei öffentlichen Aufträgen in Schleswig-Holstein sowohl bei Land und Kommunen nicht mehr berücksichtigt werden. Unser Ziel ist und bleibt es, dass öffentliche Auftraggeber ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigen.

(Lukas Kilian)

Darum unterstützen wir das Anliegen der Kolleginnen und Kollegen des SSW, Lohn- und Sozialdumping im Personennahverkehr zu verhindern. Die SPD-Fraktion unterstützt daher als ersten landesseitigen Schritt die Weiterentwicklung des Tariftreueund Vergaberechts in Schleswig-Holstein.

Bei einer Neuvergabe der Verkehrsleistungen an einen anderen Betreiber muss gesichert sein, dass die Beschäftigten nicht die Opfer des Verfahrens werden. Es geht insbesondere um die sogenannten eigenwirtschaftlichen Anträge; denn es kann bei einer Neuvergabe von Verkehrsleistungen an einen anderen Betreiber nicht sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus fordern wir, wie auch die Betriebs- und Personalräte der Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs in Schleswig-Holstein, und zwar aller Unternehmen in diesem Bereich, und ihrer Gewerkschaft ver.di, die Streichung des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre beziehungsweise die Klarstellung im Personenbeförderungsgesetz, dass auch eigenwirtschaftliche Verkehre soziale Standards und Tariftreue einhalten müssen,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

was sich eigentlich von selbst versteht, wenn das Ziel, gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, geteilt wird.

Die SPD-geführte Landesregierung hat in der letzten Legislatur daher eine Bundesratsinitiative unterstützt, die genau hier ansetzt. CDU und CSU im Bundestag und Minister Dobrindt blockieren sie. Das wollen wir nicht weiter hinnehmen, denn es besteht Handlungsbedarf. Erfahrungen aus anderen Bundesländern, beispielsweise aus Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, zeigen die verheerenden Auswirkungen für die Beschäftigten. Von bis zu 600 € Lohneinbuße im Monat und deutlichen Verschlechterungen bei Arbeitsbedingungen wird dort berichtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein fairer Wettbewerb darf nicht zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgetragen werden. Ein fairer Wettbewerb kann nur durch klare Wettbewerbsregeln wie Mindestlohn und weitere sozial-ökologische Standards bei Vergaben gewährleistet werden. Dies ist für die SPD Richtschnur unseres Handels auf allen Ebenen.

(Beifall SPD)

Mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz und dem Register zum Schutz des fairen Wettbewerbs wur

den in Schleswig-Holstein Maßstäbe gesetzt. Das Tariftreue- und Vergabegesetz sichert dabei gute Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung und einen fairen Wettbewerb bei Vergaben öffentlicher Aufträge bei Land und Kommunen.

Gute Arbeit, fairer Wettbewerb, soziale und ökologische Standards sowie gute Löhne sind für uns keine vergabefremden Kriterien, auf die man verzichten kann oder verzichten darf. Jeder Aufweichung dieser Prinzipien werden wir deshalb entschieden entgegentreten.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich am Anfang meines Redebeitrags klar sagen: Wir Grünen stehen zu hohen sozialen und ökologischen Standards. Das hat sich mit Beginn dieser Wahlperiode nicht geändert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Für uns Grüne gilt: Dort, wo die öffentliche Hand in der Verantwortung ist, müssen faire Löhne gezahlt sowie soziale und ökologische Standards berücksichtig werden.

Wir bedanken uns bei den Kollegen vom SSW sowohl für den Entwurf eines Gesetzes zur Personalübernahme bei Ausschreibungen im öffentlichen Personennahverkehr als auch für den Antrag zur Tariftreue. Damit werden wichtige Aspekte der Arbeitsmarktpolitik auf die Tagesordnung gesetzt.

(Beifall SSW)

In Dithmarschen, Steinburg oder Nordfriesland überall spielten diese Aspekte in der jüngsten Vergangenheit bei der Ausschreibung von ÖPNV-Aufträgen eine wichtige Rolle, manchmal eine positive, manchmal auch eine negative; die Kollegen sind schon darauf eingegangen. Es ist gut, dass wir heute über konkrete Verbesserungen der Tariftreue debattieren und das Debattenniveau von Facebook und Twitter aus den letzten Wochen verlassen.

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

(Wolfgang Baasch)

So mancher Oppositionspolitiker hat den Landesmindestlohn mit dem Vergabemindestlohn verwechselt. Auch meinen Freunden vom Deutschen Gewerkschaftsbund will ich dies gern noch einmal sagen.

Wir begrüßen im Grundsatz den Gesetzentwurf des SSW. Wettbewerb auf der Schiene und im ÖPNV ist grundsätzlich zu begrüßen. Wettbewerb kann zu innovativeren Konzepten, mehr Service und mehr Verbindungen führen. Der Wettbewerb darf aber nicht zulasten von Busfahrerinnen und Busfahrern, Zugführerinnen und Zugführern oder anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrieben gehen. Auch dafür stehen wir Grüne ein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn bei Ausschreibungen einzig und allein das Kostenargument ausschlaggebend ist, wird oft zulasten des Personals entschieden. Die Geschichte zeigt: Personal wird oft abgebaut, Gehälter werden oft gekürzt. - Das wollen wir nicht. Deshalb müssen klare Kriterien für Ausschreibungen auch in Gesetzen formuliert werden.

Wenn das Personal nicht übernommen werden muss, geht dies nicht nur zu dessen Lasten; das haben die Kollegen von SPD und SSW in ihren Redebeiträgen schon gesagt. Es kann auch zu Wettbewerbsverzerrungen aus der Sicht der Betriebe kommen, die den Auftrag zurzeit haben. Das ist ebenfalls keine gute Entwicklung.

Wir Grünen wollen im Rahmen der Ausschussberatungen auch negative Aspekte, die Veränderungen auf Gesetzesebene mit sich bringen können, erörtern. Herr Kollege Kilian hat schon einige genannt, die in die Diskussion einzubeziehen sind. Zu prüfen sind unter anderem folgende Fragen: Was bedeutet das für den Wettbewerb im ÖPNV und im Schienenverkehr? Wie notwendig sind solche Gesetzesverschärfungen, obwohl wir im Mobilitätsbereich vor einem Fachkräftemangel stehen? Was bedeutet es in Sachen Konnexität, wenn wir das der kommunalen Ebene vorschlagen? Welche Praxiserfahrungen wurden an anderen Orten schon gesammelt? Diese Aspekte gehören zu einer ergebnisoffenen Beratung im Wirtschaftsausschuss dazu.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die von einem Land eingebrachte Bundesratsinitiative zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes wurde von uns in der Küstenkoalition unterstützt. Wir unterstützen sie auch jetzt. Eine breite Mehrheit im Bundesrat möchte - so zumindest die

Signale, die wir aus der Kammer erhalten -, dass auch bei eigenwirtschaftlichen Verkehren soziale und ökologische Standards eingefordert werden können. Dies ist aus unserer Sicht eine sinnvolle und unterstützenswerte Klarstellung im Personenbeförderungsgesetz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)