Einen Moment bitte. Frau Kollegin Midyatli, hier findet kein Zwiegespräch statt. Bei aller Sympathie für die Wichtigkeit dieses Themas hat jetzt die Kollegin Touré das Wort. Danach fahren wir in der Liste derjenigen, die sich zu Wort gemeldet haben, fort.
Das ist kein schlechtes Gewissen. Ich versuche klarzustellen, was in der Öffentlichkeit falsch dargestellt wird. Das werde ich in den nächsten fünf Jahren immer wieder tun. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich hier feststellen, dass für uns als Sozialdemokraten in diesem Haus - auch für mich,
als ich Innenminister gewesen bin - bei der Frage des Umgangs mit Geflüchteten immer galt, dass wir unbeschadet der Rechtslage und unterschiedlicher Auffassungen in der Sache die humanitären Spielräume zugunsten von Menschen maximiert haben. Darauf sind wir stolz, und dabei ist es geblieben. Das lassen wir uns hier von niemandem vorwerfen. Das will ich ganz deutlich sagen.
Ein zweiter Punkt: Das hieß dann gelegentlich auch, dass man sich mit der eigenen Partei und dem eigenen Bundesminister anlegt. Ich habe es einmal mit dem Kollegen Schily getan, andere auch. Das ist dann so, und man muss es aushalten. Man sollte das nicht kritisieren, das gibt es auch in anderen Parteien. Wir waren der Meinung, dass wir da - übrigens auch mit unserer Härtefallkommission - eine besonders gute Tradition haben. Diese Härtefallkommission kümmert sich - nebenbei bemerkt - um Menschen, bei denen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Herr Innenminister, mit Verlaub: Ich finde es deswegen völlig überflüssig, auf das Kirchenasyl hinzuweisen und es bundesweit zum großen Thema zu machen. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Auch Herr de Maizière hat das übrigens getan. Die Kirchen gehen damit verantwortungsvoll um.
Eins muss ich sagen, Frau Kollegin Touré: Wir haben vor Studierenden diskutiert, und ich habe in der Tat gesagt, dass sich die Praxis angefangen hat zu ändern, dass Menschen Probleme haben. Das hat die Kollegin Frau Midyatli auch dargestellt. Was aus Ihren Worten spricht - es geht nämlich nicht um Spin -, ist das schlechte Gewissen, dass die Grünen bestimmte Dinge mittragen - auch bei den Verhandlungen und der Sondierung in Berlin. So ist es nämlich gewesen. Das merkt man bei jedem einzelnen Redebeitrag in diesem Haus.
- Es wird ja veröffentlicht, was da vereinbart worden ist. Ich verstehe das mit dem schlechten Gewissen. So ist das manchmal in Koalitionen.
Deshalb muss ich ehrlich sagen, ist die Erregung eigentlich nur Ausdruck davon, dass Sie wissen, dass Frau Midyalti - die übrigens exzellent über all diese Dinge Bescheid weiß; an sie wenden sich nämlich die Menschen in diesem Land - das hier richtig darstellt. Sie wissen das, deshalb weisen wir das in der Form zurück, wie Sie das hier machen.
Was bei der Diskussion genau von Ihnen gesagt wurde, wissen wir vielleicht nicht alle. Aber was Sie bei Facebook in Ihrem Video zur Ankündigung dieser Plenarwoche sagen, kennen wir. Sind Sie immer noch der Meinung, dass es 2015 einen Winterabschiebestopp gab? Sie sagen, es gab in der Küstenkoalition immer einen Winterabschiebestopp. Ich war damals noch nicht im Parlament, vielleicht erinnere ich mich deshalb falsch. Wenn die Praxis anders ist, warum gab es dann keine parlamentarische Befassung damit im Innen- und Rechtsausschuss oder Kleine Anfragen zu den Fällen, die hier beschrieben worden sind?
- Ich habe hier gesagt, und dabei bleibe ich, dass de facto die Probleme, die es jetzt gibt, in den letzten Wochen und Monaten aufgetreten sind, und es gab sie noch nicht in der Zeit, über die wir hier reden, wo Sie dem Parlament noch nicht angehört haben.
Sondern wir haben um eine Praxis gerungen. Das hat Frau Midyatli dargestellt. Das haben wir in der jeweils rechtlich zulässigen Form gemacht. Das will ich gern sagen. Insofern sage ich noch einmal: Der Punkt ist der, es ändern sich die Gegebenheiten. Das kann man merken. Alles andere, was Frau Midyatli zu Afghanistan gesagt hat, ist eben auch zutreffend. Das gefällt Ihnen nicht, das ist aber so.
Ich möchte aber auch noch einmal etwas an die andere Seite dieses Hauses richten. Herr Kollege Kalinka, eine Partei, die uns hier ernsthaft mit Ab
schiebe-TV und solchen Dingen im Landtag kommt und so wie Herr Günther zu dieser Frage aufgetreten ist, von der verbitten wir uns jedwede Form von Belehrung, was dieses Thema angeht. Das will ich Ihnen sagen: jedwede Belehrung!
Sie haben da ganz, ganz schlechte Karten. Das wissen alle Beteiligten. Sie können da schon unterscheiden.
Was Rechtsaußen angeht, möchte ich an dieser Stelle einmal sagen: Das richtet sich alles gegen Sie selbst. Es ist nicht einmal wert, dass man darauf etwas erwidert. Es ist sowieso eine Schande, was Sie zu diesem Thema beizutragen haben. Dazu will ich mich gar nicht äußern.
Aber bei Ihnen, Herr Kollege Kalinka, muss ich schon sagen: Ein bisschen genauer hingucken, was Ihre eigenen Spitzenleute sagen, denn dann stellt man sich hier nicht so breitbeinig in den Saal und ist hier so voller Empörung, die in Wirklichkeit Scheinheiligkeit pur ist. Das will ich Ihnen ganz deutlich entgegenhalten.
Herr Kollege Stegner, habe ich Sie gerade richtig verstanden, es sei eine Schande, was ich gesagt habe?
- Ich habe gesagt, dass ich mir von einer Partei, die mit ihrem Spitzenkandidaten hier für AbschiebeTV geworben hat, die gesagt hat, die Leute sollten das bitte einmal sehen, wie das mit der Abschiebung funktioniere, dass ich mir von einer solchen Partei und ihren Vertretern jede Belehrung verbitte. Ich halte es für eine Schande, ausgerechnet der SPD hier so etwas vorzuwerfen. Das habe ich in der Tat gesagt, das wiederhole ich gern noch einmal.
Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat nun die Kollegin Eka von Kalben für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Serpil Midyatli, erstens möchte ich sagen, dass ich es gut finde, wenn Sie an dieser Stelle auch als Opposition immer wieder den Finger in die Wunde legen, wenn wir an irgendeiner Stelle nicht humanitär genug sind und nicht genug auf die Einzelfälle achten. Das ist ein wichtiges Anliegen, und es ist auch gut, dass wir darüber hier eine Debatte führen.
Zweitens möchte ich sagen, dass wir in unserer Zeit, in der wir in der Küstenkoalition waren und diese Einzelfallregelung hatten, auch jede Menge mit bestimmten Ausländerbehörden in bestimmten Kreisen zu tun hatten. Es war manchmal schwierig, eine humanitäre Abschiebepraxis, die wir aus Innenministeriumssicht, aus Regierungssicht und als Fraktion wollten, durchzusetzen. Das Problem, dass reihenweise Anrufe gekommen sind, war auch zu unserer Zeit ein Thema.
(Zuruf Sandra Redmann [SPD] Es hat sich unter Umständen auch deshalb ver- schärft, weil es einfach mehr Geflüchtete, deren Rechtsverfahren abgeschlossen sind, und jetzt auch mehr Abschiebungen gibt. Das ist ein Fakt. Deswe- gen steigt jetzt die Zahl der problematischen Ein- zelfälle. (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)
Drittens finde ich es wirklich schwierig, wenn hier so getan wird - und es tut mir leid, lieber Ralf Stegner, ich saß bei dieser Podiumsdiskussion im Publikum, als sowohl Sie als auch Lars Harms das gesagt haben, und auch ich war auf einmal verunsichert -, als hätten wir immer einen Winterabschiebestopp gemacht. - Das war aber nicht so, sondern wir haben uns im letzten Jahr nicht darauf einigen können - deswegen haben Sie das auch als Kompromiss bezeichnet -, weil es nämlich Fraktionen gab, die einen generellen Abschiebestopp wollten, und eine Fraktion, die das aus politischen Gründen nicht wollte. Deswegen haben wir uns darauf geeinigt. Jetzt frage ich Sie
- gut, dass Sie ans Mikro gehen, Sie können ja auch fragen -: Sagen Sie, welche Fraktion war es wohl, die gern diese Einzelfallregelung wollte?
Ganz unabhängig von Ihrer Formulierung, Frau Kollegin, hat sich der Kollege Stegner dazu gemeldet, Ihnen eine Frage zu stellen.
Wenn Sie erlauben, Herr Vizepräsident, würde ich es bei einer Bemerkung belassen und sagen, dass wir zum einen dafür gesorgt haben, dass es de facto keine Abschiebungen gegeben hat. Das ist der Punkt, um den es nämlich geht - bei all den Einzelfragen, auf die Sie sich eben bezogen haben,
die diesbezüglich problematisch gewesen wären, nämlich dass es auch da Anrufe gegeben hat. Es wurde eben geregelt. Der Unterschied ist - und darauf habe ich hingewiesen; Frau Touré hat nämlich gesagt, sie habe dem Parlament nicht angehört -, dass sich die Dinge jetzt in der Sache geändert haben und Familien Probleme bekommen. Das war eben nicht der Fall in der gemeinsamen Regierungszeit, die wir miteinander hatten. Wir haben die Dinge regeln können. Das fängt an, sich zu ändern. Das merken Sie.
Deswegen betreiben Sie jetzt Begriffsklauberei. Ob die Sache jetzt förmlich Winterabschiebestopp heißt oder ob es de facto einer war, das ist ja nicht der Kern der Diskussion.