Protocol of the Session on November 17, 2017

Gut ist, dass dieses Thema jetzt relativ große mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Es ist besonders wichtig, dass wir gemeinsam ganz schnell handeln; denn wenn Frauen zu allem Überfluss auch noch das Gefühl bekommen, dass sie im Fall der Fälle nicht auf eine Unterbringung hoffen können, wird die Befreiung aus einem gewaltvollen Leben noch schwieriger. Wozu dies im Zweifelsfall führt, möchte ich mir gar nicht vorstellen müssen.

Häusliche Gewalt bedeutet Angst. Sie bedeutet, nicht zu wissen, wie man sich aus dieser Situation befreien kann; sie bedeutet, gefangen zu sein in einer Beziehung, in der es körperliche und seelische Gewalt gibt.

Es ist trotzdem oft unglaublich schwer, sich aus diesen Verhältnissen zu befreien; denn diese sind häufig zusätzlich geprägt von manipulativem Verhalten, von Abhängigkeiten und von der Sorge um die gemeinsamen Kinder. Wenn Frauen es endlich schaffen, aus diesen Verhältnissen auszubrechen, dann kann es doch nicht sein, dass sie vor verschlossenen Türen stehen! Das ist, wie ich finde, zutiefst unerträglich.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist richtig und wichtig, dass wir gemeinsam handeln. Unser umfassender gemeinsamer Antrag zeigt, dass wir das auch tun. Aber es ist Eile geboten, damit der Antrag seiner Überschrift - es geht um ein Sofortprogramm - auch gerecht wird. Die Frauenhäuser sind in ihren Forderungen ja auch sehr klar: mindestens 130 zusätzliche Frauenhausplätze landesweit, die Absenkung der geltenden Vollbelegung von 85 % auf 75 %. Das Land muss auch in seiner Förderpraxis beweglicher werden, um der teilweise stark schwankenden Nachfrage durch das Bereithalten von Notfallplätzen gerecht werden zu können.

Frauenhäuser brauchen einen Etat, aus dem sie bei Bedarf Mittel für Renovierung, Sanierung und Instandsetzung abrufen können.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser hat uns die großen strukturellen Schwierigkeiten aufgezeigt: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Schleswig-Holstein führt dazu, dass Frauen mit ihren Kindern überdurchschnittlich lang im Frauenhaus bleiben. Wir können außerdem einen Zuwachs von schutzsuchenden geflüchteten Frauen beobachten. Diese Frauen verfügen oft noch

(Jörg Nobis)

nicht über ausreichende Deutschkenntnisse, brauchen aber dringend Unterstützung, etwa bei Behördengängen und Arztbesuchen, erst recht bei Beratungsgesprächen, um ihnen einen Weg aus ihrer unglaublich schwierigen Situation heraus zu zeigen. Im Etat der autonomen Frauenhäuser sind aber keine Gelder zur Kostenübernahme für Sprachmittlerinnen vorgesehen.

Grundsätzlich gibt es also im gesamten Frauenhausbereich einen deutlich spürbaren Mehrbedarf. Wir müssen sowohl Plätze als auch Personal aufstocken. Bei den Richtlinien für Frauenhäuser wird von einer 85-prozentigen Belegung ausgegangen. Danach ist der Personalschlüssel berechnet. Wir haben mittlerweile aber eine knapp 100-prozentige Auslastung und dementsprechend Bedarf nach mehr Personal.

(Beifall)

Ich bin von ganzem Herzen dankbar für die Arbeit der Frauenhäuser. Es ist traurig genug, dass es sie geben muss. Sie erfüllen eine gesellschaftliche Aufgabe und füllen eine Lücke, die wir alle auslösen. Insofern: Tusind tak for jeres opmærksomhed.

(Beifall)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Frau Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich will versuchen, zunächst die Fragen, die hier in den vorigen Redebeiträgen aufgekommen sind, zu beantworten.

Frau Midyatli, Sie hatten sich zunächst nach den Abfragen erkundigt. Ich kann Ihnen berichten, dass diese Abfragen alle zwei Monate geschehen. Insbesondere wird danach gefragt, wie lang die Verweildauer ist, weil dies ein zentraler Punkt ist, den wir klären müssen; das haben Sie alle bereits geäußert. Anschließend wird in einem gemeinsamen Gespräch weiter geklärt, was der Grund für eine möglicherweise zu lange Verweildauer ist. Wir sind dran und prüfen es wirklich regelmäßig ab.

Dann haben Sie gefragt, wie oft die Anlaufstelle benutzt und angerufen wird. Es ist eine gemeinsame Anlaufstelle mit Hamburg, insofern können wir Ih

nen da leider keine Zahlen nennen. Wir können aber versuchen, diese herauszufinden. Es ist so, dass die Frauen sich erst bei den Frauenhäusern melden, wenn sie akut in Gefahr sind und Schutz benötigen. Wenn die Frauenhäuser voll belegt sind, wird die Anlaufstelle angerufen, die dann versucht, noch freie Plätze zu finden. Da muss man ganz klar sagen: Es gibt zu wenig Plätze. Das ist also nicht immer von Erfolg gekrönt.

(Beifall)

Wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie dann nach den Mitteln des KIK-Projektes gefragt. 45.000 € sind von der Küstenkoalition eingestellt worden. Abgerufen sind 2017 - Stand Anfang November - 29.750 €. Die Mittel sind also nicht komplett abgerufen.

Dann will ich noch versuchen, Ihre Frage, Frau Waldinger-Thiering, zu beantworten, beziehungsweise ich möchte richtigstellen: Sie hatten gesagt, Sprachmittlerinnen würden nicht bezahlt. Das ist aber in den neuen Förderrichtlinien drin, Sprachmittlerinnen werden jetzt mit finanziert.

In Schleswig-Holstein stehen seit etwa 2015 - das haben Sie alle gesagt - nicht mehr genügend Plätze in den 16 Frauenhäusern zur Verfügung, um von Gewalt betroffenen Frauen Schutz bieten zu können. Dies hat mehrere Gründe.

Erstens. Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Frauen nehmen ihre Rechte zunehmend selbstbewusst wahr und nehmen häusliche Gewalt einfach nicht mehr hin.

(Beifall)

Die einzige Möglichkeit für sie ist zunächst oft, Schutz in einem der Frauenhäuser zu suchen.

Zweitens. Mit dem Flüchtlingsstrom 2015 sind auch viele Frauen aus Kulturen zu uns gekommen, in denen ein selbstbestimmtes Leben von Frauen noch nicht die Regel ist. Gerade auch aus dieser Bevölkerungsgruppe kommen viele Frauen in die Frauenhäuser, oft mit ihren Kindern. Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle Lebensgewohnheiten erfordern hier häufig einen höheren Aufwand bei der Betreuung, Sie haben es angesprochen.

Schließlich fehlt insbesondere in Ballungszentren bezahlbarer Wohnraum, sodass die Verweildauer der Betroffenen in vielen Frauenhäusern deutlich gestiegen ist. Dadurch werden die für die akute Betreuung erforderlichen Plätze zusätzlich verknappt.

(Jette Waldinger-Thiering)

Diese Gesamtentwicklung hat dazu geführt, dass Frauen in akuten Notlagen in einigen Frauenhäusern teilweise nicht mehr aufgenommen werden konnten. Wir haben die Zahlen eben gehört: Die Auslastung liegt bei durchschnittlich 95 %. Das ist auch für die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern, die ja helfen wollen, ein großes Problem. Deshalb an dieser Stelle mein ganz herzlicher Dank an alle, die an dem Gesamtprojekt Frauenhäuser mitarbeiten.

(Beifall)

Darüber hinaus besteht in vielen Frauenhäusern ein erheblicher baulicher Sanierungsbedarf. Dabei steht Schleswig-Holstein mit Blick auf die Zahl der Frauenhausplätze gar nicht so schlecht dar. Bezogen auf die Einwohnerzahl steht auf 9.000 Einwohnerinnen und Einwohner ein Platz in einem Frauenhaus zur Verfügung. Da liegen wir bundesweit auf Platz fünf. Sieht man auf die Landesförderung, belegt Schleswig-Holstein sogar den zweiten Platz.

Trotzdem ist aber richtig, dass wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, die langfristige, dauerhafte Finanzierung der Frauenhäuser im Rahmen einer Novellierung des FAG zu prüfen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir dann die Zahl der Plätze in den Frauenhäusern möglicherweise erhöhen und gegebenenfalls weitere Fördermaßnahmen ergreifen können. Nur durch eine solche Gesetzesänderung ist der Weg für die notwendige Anpassung der Förderrichtlinie offen.

Dafür brauchen wir aber Zeit. Es geht beim FAG das wissen Sie alle - nicht nur um die Frauenhäuser, sondern insgesamt um die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen. Deshalb wollen und müssen wir jetzt kurzfristige Maßnahmen ergreifen. Wir werden so nicht alle Probleme lösen können, aber ich bin überzeugt, dass wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen sind. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, zusätzliche investive Mittel in Höhe von 3 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Damit wollen wir die dringenden Sanierungsrückstände in den Frauenhäusern beheben. Das gehen wir jetzt an: Für 2018 läuft die Anfrage bei den Frauenhäusern und den kommunalen Landesverbänden, welche Maßnahmen bereits kurzfristig realisiert werden können.

Mit Blick auf die angestrebte Änderung des FAG werden wir uns spätestens am Beginn des nächsten Jahres mit Kommunen und Frauenhäusern an einen Tisch setzen und besprechen, wo welcher Sanierungsbedarf besteht.

Gleichzeitig haben wir ein Projekt auf den Weg gebracht, das kurzfristig wirklich helfen wird, die Verweildauer in den Frauenhäusern durch die Verbesserung der Wohnraumsituation zu reduzieren: Frauen, mit oder ohne Kinder, die keinen akuten Schutz in den Frauenhäusern mehr brauchen, wird bei der anschließenden Wohnungssuche geholfen. Sie werden finanziell unterstützt, bekommen Mietbeihilfen, Umzugshilfen, ihnen wird bei Möbelkäufen geholfen und so weiter.

Soweit Sie es in den Haushaltsberatungen genehmigen, soll das Projekt die nächsten fünf Jahre, also bis 2022, laufen und jährlich mit einem Finanzvolumen von 800.000 € ausgestattet werden. Wir wollen es also über die gesamte Legislaturperiode verstetigen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Geld soll sowohl für investive Maßnahmen als auch für den Aufbau von Regionalstellen, über die dann der Wohnraum beschafft werden soll, genutzt werden. Davon erhoffen wir uns eine unmittelbare Entlastung der Frauenhäuser. Mittelbar wird uns das Projekt dabei helfen, den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln. Ich freue mich sehr - es ist eben schon angeklungen -, Ihnen mitteilen zu können, dass wir gerade vorgestern den ersten Zuwendungsbescheid über 200.000 € für ein Vorprojekt auf den Weg gebracht haben. Sie sehen: Die ersten Schritte sind getan.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Schließlich unterstützen wir die Frauenberatungsstellen und die Stellen für das „Kooperations- und InterventionsKonzept - Netzwerk bei häuslicher Gewalt“, kurz KIK, mit zusätzlichen Mitteln. Sie erhalten in den Jahren 2017 bis 2019 zusätzlich 700.000 € Euro pro Jahr.

In der Gesamtbetrachtung werden die Frauenfacheinrichtungen in 2018 neben der FAG-Förderung zusätzlich rund 1,5 Millionen € erhalten. Das ist ein Plus von ungefähr 25 %. Hier sind die Mittel aus dem IMPULS-Programm für kurzfristige Sanierungsmaßnahmen noch gar nicht eingerechnet.

Meine Damen und Herren, dies heißt keineswegs, dass damit alle Probleme gelöst sind; das wissen wir alle. Aber die Dringlichkeit der Gesamtproblematik - das ist hier heute auch schon angesprochen worden - ist uns allen sehr bewusst. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg und arbeiten zusammen an Lösungen - kurzfristig, aber auch langfristig.

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

Deshalb begrüßen wir den zur Beratung vorgelegten Antrag ausdrücklich. Er unterstützt uns in unserem gemeinsamen Ziel, die Situation der von Gewalt betroffenen Frauen in dieser Legislaturperiode deutlich zu verbessern. - Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um rund dreieinhalb Minuten überschritten. Diese Redezeit stünde jetzt allen Fraktionen zur Verfügung. Ich sehe aber nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird. Insofern schließe ich die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag in der Drucksache 19/293 (neu) - 2. Fassung - einstimmig angenommen.

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 und 9 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes