Protocol of the Session on November 16, 2017

Aus diesem Grund haben wir in der letzten Wahlperiode die UN-Behindertenrechtskonvention beim Wort genommen. Die Unterlagen zur Landtagswahl wurden 2017 in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt; für alle Wahlberechtigten gleichermaßen. Das ist, wie ich finde, ein sehr inklusiver Ansatz.

Aber der Ansatz, alle gleichermaßen mitzunehmen, hat nicht so gut funktioniert, wie wir das gewollt haben. Zu viele Menschen, sowohl in den Verwaltungen als auch bei den Wahlberechtigten, wurden durch die Leichte Sprache in den Dokumenten irritiert und fühlten sich teilweise vor den Kopf gestoßen. Der Fehler war: Es gab keine ausreichende Erklärung, was Leichte Sprache ist und warum sie wichtig ist.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Kommunen haben wir die Regelung zur Leichten Sprache überdacht. Der erste Ansatz, sie einfach zu streichen, war zu radikal und hat wiederum die Betroffenen und die Interessenverbände sehr geärgert. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Wir müssen und wir wollen nach wie vor einen praktikablen Weg finden, Inklusion im Wahlrecht umzusetzen. Ich freue mich daher, dass wir heute für die anstehenden Kommunalwahlen eine Lösung gefunden haben, welche die Kritik der angehörten betroffenen Verbände zumindest teilweise aufgenommen hat.

Es tut mir leid, dass wir in der Eile, rechtzeitig zu den Kommunalwahlen eine Lösung zu finden, viele Verbände vor den Kopf gestoßen haben. Die Anhörung ist hoppla hopp gelaufen und kam sehr schnell. Die Kritik an dem Verfahren war berechtigt, und es ist gut, dass es im Innen- und Rechtsausschuss gelungen ist, eine konstruktive zunächst nur für die anstehenden Kommunalwahlen geltende Lösung zu finden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch gut, dass wir auf diese Weise bei dem Weg bleiben, über wichtige Änderungen im Wahlrecht auf Grundlage eines möglichst breiten Konsenses zwischen den Fraktionen zu entscheiden.

(Wolfgang Baasch)

Wir machen heute den ersten Schritt also nur für das Kommunalrecht. Darin liegt durchaus ein Gewinn für mögliche Lösungen auch für das Landtagswahlrecht, denn die Durchführung der Kommunalwahlen im Mai 2018 wird auf diese Weise zu einem großen Feldversuch für die jetzt vorliegende Regelung. Wir können auf dieser Erfahrungsgrundlage dann besser und in Ruhe entscheiden, ob der jetzt gefundene Ansatz für mehr und zugänglichere Informationen für Betroffene ausreichend ist oder ob noch andere Lösungsansätze verfolgt werden sollten.

Ich glaube, wir haben erst einmal einen guten Zwischenschritt gefunden, und ich bin froh, dass das so gelungen ist. Ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen im Innen- und Rechtsausschuss, die an dieser Lösung mitgewirkt haben. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kay Richert das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es gab in diesem Haus immer einen großen Konsens darüber, dass die Teilhabe aller Menschen von großer Bedeutung für unsere Politik ist. Das gilt selbstverständlich und ganz besonders für Wahlen, denn schließlich sind Wahlen der Akt der Teilhabe in unserer Demokratie. Auch hier sollen selbstverständlich alle die gleichen Teilhabechancen haben. Das ist auch Konsens.

Mit dieser Intention kam es auch zu den bereits erwähnten und vielfach zitierten Wahlbenachrichtigungen in Leichter Sprache. Diese Benachrichtigungen und die teilweise verheerenden Reaktionen darauf sind Anlass, über Veränderungen nachzudenken. Gut gemeint, aber schlecht gemacht, das war vielfach der Tenor, und das ist auch meine Einschätzung hierzu. Wir wollen es besser machen und werden daher andere Mittel und Wege für einen barrierefreien Zugang ermöglichen. Ziel ist es doch, allen Bürgern den Zugang zu Wahlinformationen zu gewährleisten, die Hürden für alle Bürger so niedrig wie möglich zu machen, damit alle an unserer Gesellschaft teilhaben können.

Hürden bestehen nicht nur für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, sondern beispielsweise

auch für Blinde oder Gehörlose. Unser Ziel muss es auch sein, dass gesellschaftliche Teilhabe von allen Bürgern getragen und unterstützt wird. Dafür ist die Akzeptanz von barrierefreien Angeboten bei der Bevölkerung enorm wichtig. Die müssen wir erhalten und fördern. Hierfür ist sicherlich zum einen Aufklärung nötig. Zum anderen dürfen barrierefreie Angebote aber auch nicht zulasten der allgemeinen Verständlichkeit gehen. Die Irritationen bei der letzten Landtagswahl waren für die Akzeptanz bestimmt nicht förderlich.

Herr Kollege Baasch, Sie haben gesagt: Wenn man hier Schwächen erkennt, dann muss man diese evaluieren und verbessern, und genau das tun wir auch.

(Zuruf SPD: Nein!)

Mit dem jetzt vorliegenden Antrag werden wir zunächst für die Kommunalwahl statt der Wahlberechtigung in Leichter Sprache alternative barrierefreie Angebote anbieten. Nach den Erfahrungen der letzten Landtagswahl ist es richtig und wichtig, die Kommunen jetzt nicht mit dem gleichen Verfahren in die Kommunalwahl zu schicken.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Kostenargument hat schon aufgrund der Staatszielbestimmungen in unserer Verfassung bei der Abschaffung von Barrieren keine übergeordnete Bedeutung. Aber kostspielige Maßnahmen, die erkennbar die gewünschte Wirkung gar nicht entfalten, sollten wir unseren Kommunen nicht aufbürden. Der jetzige Entwurf sieht Hinweise auf weiterführende Informationen in Leichter Sprache auf den Wahlbenachrichtigungen vor. Die eigentlichen Informationen können dann entweder online abgerufen oder auch abgefordert werden. Ich halte das für einen gangbaren und wirklich erfolgversprechenden Weg. Nichtsdestotrotz werden wir natürlich die Erfahrungen, die wir auch mit dieser Wahl machen, evaluieren und - wenn notwendig - verbessern.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesen Erfahrungen wie auch aus den Erfahrungen aus der zurückliegenden Landtagswahl und den Ergebnissen der Anhörung, die noch im Innenund Rechtsausschuss stattfinden wird, werden wir unsere Schlüsse ziehen und dann hoffentlich zu einem fraktionsübergreifenden Weg für das Landeswahlgesetz kommen. Jedenfalls wurde uns die Erfüllung dieser Hoffnung in der vergangenen Ausschusssitzung am Mittwoch in Aussicht gestellt. Ziel der Koalition ist es nicht, weniger Menschen zu erreichen, sondern mehr. Hierzu brauchen wir wirklich praktikable Wege. Ich bitte Sie also dar

(Burkhard Peters)

um, diesen Weg gemeinsam mit uns zu beschreiten. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Claus Schaffer das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Die Kritik an der Verwendung der Leichten Sprache in den Wahlunterlagen der zurückliegenden Landtagswahl ist bereits ausführlich in den zurückliegenden Plenardebatten und auch heute wieder behandelt worden. Ich kann mich insofern kurz fassen.

Die AfD-Fraktion vertritt die Auffassung, dass Informationen zu Wahlen umfassend und auch barrierefrei zur Verfügung gestellt werden müssen, und das umfasst natürlich nicht nur die Leichte Sprache, sondern alle Menschen, die in irgendeiner Form Probleme haben, mit der Sprache, wie wir sie klassischerweise in den Unterlagen verwenden, umzugehen. Das schließt zum Beispiel auch die Minderheitensprachen ein. Aber diese Verwendung gehört nicht direkt in die Wahlunterlagen, denn das hat schlicht nicht funktioniert, wie wir heute schon mehrfach gehört haben.

Ich bin daher glücklich und zufrieden, dass es im Innen- und Rechtsausschuss gelungen ist, eine - so hoffe ich - mehrheitsfähige Lösung zu finden und diese mit Blick auf die vor uns liegenden Kommunalwahlen schnell umsetzen zu können. Die zuständigen Landesbehörden werden es uns danken.

Ich halte es zudem auch für eine vernünftige Lösung, die Kommunalwahl in diesem Zusammenhang tatsächlich als Testlauf zu betrachten, der dann gegebenenfalls zu weiteren Verbesserungen führen und auch exemplarisch für die Landtagswahlen herangezogen werden kann. Wir werden dem Antrag daher zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum wir diese Änderung vornehmen, ist von den Vorrednern schon gesagt worden. Darauf will ich nicht weiter eingehen. Ich möchte aber noch einmal den Unterschied zwischen der vergangenen Rechtslage und der zukünftigen Rechtslage deutlich machen.

Die vergangene Rechtslage sah rechtlich verbindlich - in Anführungsstrichen - nur vor, dass Leichte Sprache genutzt wird. Es gab keine rechtlichen Regelungen für alle anderen Fälle. Was haben wir jetzt? - Jetzt haben wir eine rechtliche Regelung, die immer noch vorsieht, dass in der Wahlbenachrichtigung in Leichter Sprache auf besondere Angebote für besonders betroffene Personenkreise eingegangen wird. Also: Leichte Sprache bleibt, wenn auch etwas weniger umfangreich, auf der Wahlbenachrichtigung bestehen.

Die neuen verpflichtenden Angebote beziehungsweise die über die Leichte Sprache hinausgehenden Angebote für die Leute, die diese Sprache unbedingt benutzen müssen, weil sie sonst keinen Zugang haben, sind barrierefreie Angebote. Das können beispielsweise Videos mit Gebärdensprache für die Menschen sein, die hörbehindert sind. Das können aber auch Audioangebote für die Menschen, die blind sind, sein. Das war bisher rechtlich nicht vorgegeben.

Man konnte es machen, man musste es aber nicht machen. Jetzt steht im Gesetz, dass man sich damit zu befassen hat. Das ist sehr wichtig. Außerdem steht drin: Man soll auch noch mit anderen Sprachen arbeiten. Das sind auf der einen Seite die Minderheitenund Regionalsprachen; das wäre durchaus auch eine Förderung von heimischer Kultur. Das betrifft auf der anderen Seite die Migrantensprachen. Ich gehe davon aus, dass man mit Sicherheit auch die wichtigsten Migrantensprachen wird nutzen können, um auch denjenigen, die neu Deutsche geworden sind, die aber mit einer anderen Sprache großgeworden sind, den Zugang zum Wahlrecht zu erleichtern.

Das alles bedeutet also: Hier passiert viel mehr als das, was wir vorher gemacht haben. Das, was wir vorher gemacht haben, war gut, war eine tolle Idee, hat aber nicht ganz geklappt. Deshalb haben wir jetzt etwas Besseres daraus gemacht. Das ist, gemessen an dem kurzen Zeitraum, der uns zur Verfügung stand, wirklich eine gute Sache. Wir sollten uns nach der Kommunalwahl darüber Gedanken machen, wie wir so etwas vielleicht auch für die

(Kay Richert)

nächste Landtagswahl implementieren können. Vielen Dank.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Dringlichkeitsantrag ist es nun doch noch gelungen, das Thema Leichte Sprache auf die Tagesordnung zu nehmen. Das begrüße ich ausdrücklich. Dies verschafft uns auch die nötige Zeit, noch in diesem Jahr den rechtlichen Rahmen für die Gemeinde- und Kreiswahlordnung zu vervollständigen.

Es ist auch ein sinnvolles Vorgehen, den ursprünglich ebenfalls in die Beratung eingebrachten Teil, der sich mit dem Landeswahlgesetz befasst, auf einen Zeitpunkt nach der Kommunalwahl zu vertagen.

Wir werden uns in der Folge die bei der Kommunalwahl gewonnen Erkenntnisse ganz genau anschauen und im Haus unsere Folgerungen daraus ziehen. Ziel muss es allerdings sein, dass das Landtagswahlrecht und das Kommunalwahlrecht unbedingt wieder in einen Einklang kommen. Unterschiedliche Ansätze, zum Beispiel bei der Gestaltung der Wahlbenachrichtigung, wären kaum vermittelbar; sie wären sogar kontraproduktiv.

Der hier vorgelegte überarbeitete Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht gut geeignet, um den berechtigten Anliegen, Informationen zur Wahl verständlich zu vermitteln, Geltung zu geben. Das Ziel, Informationen zur Wahl verständlich zu vermitteln und damit breite Bevölkerungsschichten zu erreichen, bleibt richtig. Es kann und sollte aber auch auf anderen Wegen verfolgt werden.

Die obligatorische Versendung von Wahlunterlagen in Leichter Sprache hat sich allerdings als nur bedingt gut herausgestellt. Der vorgelegte Gesetzentwurf und die Begründung lassen klar erkennen, dass es sich bei dem neuen Ansatz mitnichten um einen Rückschritt oder gar um eine Rolle rückwärts handelt. Vielmehr werden die Möglichkeiten der Darstellung erweitert, ohne dass ein starres Korsett vorgegeben wird.

Der Gesetzentwurf schafft einen Rahmen für kreative Lösungen, die es nun auch zu nutzen heißt. Um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, werden wir gemeinsam mit dem Beauftragten für Menschen mit Behinderung und dem Beauftragten für politische Bildung ein praxisorientiertes Konzept ausarbeiten und umsetzen. Die ersten Gespräche dazu sind schon sehr konkret terminiert.

Ich halte es zum Beispiel für sinnvoll, ein gutes Internetangebot rund um das Thema Wahlen anzubieten. Dies hat den Vorteil, dass die unterschiedlichen Wahlarten ausführlich beleuchtet werden können, ohne dass es dabei auf jede juristische Feinarbeit ankommt. Zusätzliche Angebote für den barrierefreien Zugang zur Information können durchaus einen Mehrwert schaffen.

Neu - das hat Herr Harms hier ausdrücklich betont ist, dass zur Kommunalwahl Informationen auch in anderen Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, dies ist in unserem Miteinander ein ganz wichtiger Baustein, den der Ausschuss eingebracht hat.

Meine Damen und Herren, das gemeinsame Ziel muss es sein, so vielen Menschen wie möglich die Teilnahme an einer Wahl zu ermöglichen, und zwar unkompliziert. Das bedeutet selbstverständlich auch klare Informationen und eine große Reichweite. Ich glaube, dass der vom Ausschuss skizzierte Ansatz eine breite Akzeptanz auch bei den Wählerinnen und Wählern finden kann. Ich würde mich deshalb freuen, wenn das Parlament diesen Weg weitergeht und dieses mit möglichst großer Mehrheit auf den Weg bringt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.