Wir können dem Patienten, wenn er im Krankenhaus ankommt, nicht von einem Tresen zum nächsten schicken, sodass er zum Schluss überhaupt nicht mehr weiß, wohin er gehen soll. Hier muss es also eine vorgelagerte Triage-Zone geben, in der kompetent beraten werden kann.
Ob der Patient in eine ambulante Anlaufpraxis gehen soll, die unmittelbar an das Krankenhaus angegliedert ist, oder direkt in die Notaufnahme, muss in der Triage-Zone entschieden werden.
Dieses Modell entlastet die Notfallambulanzen, reduziert die Wartezeiten und ermöglicht es vor allem dem medizinischen Personal, sich auf jeden Patienten und Notfall einzustellen. Das Modell dieser Anlaufpraxen bietet so den Patientinnen und Patienten die bestmögliche bedarfsgerechte Behandlung.
Ein weiterer Punkt wurde ebenfalls schon genannt. Das sind die Notrufnummern. Die Notrufnummer 112 kennt jeder, aber die Notrufnummer des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes - 116117 - ist in der Bevölkerung unbekannt. Man versucht, das durch Werbung zu ändern. Aber jeder weiß: Die Notrufnummer 112 gilt von Montag bis Sonntag, jeweils 24 Stunden, also jeden Tag. Auf Deutsch gesagt, sie gilt immer. Das ist bei der Notrufnummer 116117 deutlich anders. Sie ist nur außerhalb der Öffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte erreichbar. Dieses Problem müssen wir lösen. Wir müssen prüfen, wie eine engere Verzahnung dieser Notrufnummern im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erreicht werden kann.
Im § 75 SGB V Absatz 1 b heißt es, die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten mit den Rettungsleitstellen der Länder kooperieren. Wir müssen hier prüfen, inwiefern wir die Kooperation dieser beiden Nummern verbindlich gestaltet können - im Sinne der Patientinnen und Patienten dieses Landes. Denn was am Ende nach all den Diskussionen zu diesem Thema immer im Raum stehen bleibt, ist die Tatsache, dass sich Patienten nicht steuern lassen. Die deutsche Notfallversorgung wird sich anpassen müssen.
Dieses kann nur ein erster Schritt sein. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sind meine Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern immer für Sie da. Das ist gut. Wir sind alle froh, dass sie da sind.
Es ist allerdings auch so, dass nicht alle Patienten, die - auch jetzt, um diese Zeit, in der Nachmittagsschicht - behandelt werden, nachher im Krankenhaus länger stationär behandelt werden müssen. Der Kollege Neve hat es eben sehr deutlich gemacht: Wenn die Notfallversorgung selbst zum Notfall wird, dann besteht allergrößter Handlungsbedarf.
Ich freue mich riesig, dass wir heute einen wichtigen Schritt dazu beitragen, dass die Notfallambulanzen in den Krankenhäusern - auch am UKSH weniger belastet werden. Das ist gut für die Patienten, insbesondere die mit schweren Erkrankungen, die jetzt lange Wartezeiten haben. Das hat der Kollege Bornhöft sehr deutlich gemacht. Es ist auch für das medizinische Personal gut, das bei extrem hoher Arbeitsbelastung in die Schwierigkeit kommt, ganz schwer Kranke von leichter Erkrankten zu unterscheiden.
Es ist richtig: Mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit fühlen sich viele krank und möchten eine Behandlung. Das ist aber nichts, was in einem Krankenhaus geschehen muss. Trotzdem passiert so etwas nach 18 Uhr. Es passiert an den Wochenenden. Wir brauchen eine Lösung, weil die Patientinnen und Patienten nicht immer selbst entscheiden können: Ist es ein Husten, der eine gefährliche Symptomatik darstellt, oder ist es ein eher harmloser Husten, der auch mit Hausmitteln oder mit hausärztlicher Behandlung behandelt werden kann.
Es muss die Situation verbessert werden. Ein Anliegen ist es uns, mit unserem Antrag auf die Telefon
nummer 116117 hinzuweisen. Sagen Sie doch einmal, wer von Ihnen vor dieser Landtagstagung gewusst hat, wer sich dann am anderen Ende der Leitung meldet. Diese Telefonnummer muss weiter bekannt gemacht werden. Deswegen haben wir uns von grüner Seite etwas überlegt und werden das mit den Kolleginnen und Kollegen von Jamaika besprechen.
Wir haben uns überlegt, dass es doch sinnvoll wäre, zum Beispiel Patienten eine kostenlose App zur Verfügung zu stellen. Im Zeitalter der Digitalisierung müssen wir neue Wege finden, wie wir die Patienten besser informieren und wie wir dafür sorgen, dass die schwer erkrankten Patienten als Notfall dort behandelt werden, wo sie behandelt werden müssen.
Ein anderer Punkt - ich bin sehr froh, dass wir das heute auf den Weg bringen werden - ist die Bundesratsinitiative für die Portalpraxen. Es ist wichtig, dass dieses Modell aus Schleswig-Holstein auf Bundesebene weiter abgesichert wird, dass wir diese Lösung für unser Gesundheitsland SchleswigHolstein weiter nach vorne bringen. Da es auch weiterhin im Bereich der Notfallversorgung - das ist uns, glaube ich, allen klar - noch viele weitere Aspekte gibt, können wir die gerne, liebe Kollegin Pauls, im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss zusammen mit dem Gutachten - der Kollege Heinemann war bei dem Fachgespräch auch dabei besprechen. Wir würden mit Jamaika heute gern den Startschuss geben. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich habe die Reportage „Notaufnahme - Ein Ort für starke Nerven“ gesehen. Das Filmteam verbrachte hierfür eine Woche in der
Notaufnahme des Hamburger Marienkrankenhauses. Die dortige Situation steht sicherlich exemplarisch für die Situation auch hier im Land. Menschen suchen diese Notfallaufnahmen nicht aus Boshaftigkeit aus, sondern aus verschiedenen Gründen, die ich alle aufgeschrieben habe, aber die auch alle schon genannt worden sind.
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht dann aber auch die Lage der Notfallambulanzen und zeigt, dass tatsächlich ganz dringender Handlungsbedarf besteht. Die personelle und finanzielle Belastung in den Krankenhäusern darf sich auf keinen Fall noch weiter verschärfen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellte in ihrem Pressegespräch im Dezember 2016 fest, wie sich die Gruppe der in den Notfallambulanzen behandelten Personen zusammensetzt. Herr Bornhöft, das weicht jetzt ein bisschen von Ihren Zahlen ab. Ich habe erfahren: 20 bis 25 Millionen Fälle. Sie haben 20 Millionen gesagt?
- Ja, und ich habe die Zahl 20 bis 25 Millionen gefunden. Wichtig ist: Die eine Hälfte wird stationär aufgenommen. Von der anderen Hälfte entpuppen sich nur 3 % als wirklicher Fall für die Notaufnahme. Wir haben also die Situation, dass fast die Hälfte aller Behandelten problemlos auch in vertragsärztlichen Praxen versorgt werden könnte, sie braucht weder eine akute Diagnostik noch eine unaufschiebbare Versorgung. Dieses Verhältnis verdeutlicht die gesamte Problematik der Notfallambulanzen. Es geht hierbei nicht nur um die personellen Belastungen, sondern auch um ganz erhebliche finanzielle Belastungen der Krankenhäuser. Denn aufgrund des einheitlichen Bewertungsmaßstabes EBM - bekommen die Krankenhäuser im Schnitt circa 32 € von den Krankenkassen für die Behandlungskosten erstattet. Der Aufwand aber beträgt im Durchschnitt etwa 120 € pro Patient, was laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft im vergangenen Jahr zu einer Unterdeckung von sage und schreibe 1 Milliarde € geführt hat.
Wie ist es also möglich, dass wir die Notfallambulanzen entlasten und diese von den eher unnötigen Behandlungen befreien, um so auch wieder den wirklichen Notfällen gerecht werden zu können? Einige Vorschläge sind schon angeklungen. Ich möchte hinzufügen, dass unserer Meinung nach dem im SGB V verankerten Grundsatz „ambulant vor stationär“ - ich wandele das jetzt einmal in „Praxis vor Krankenhaus“ ab - wieder mehr Geltung verschafft werden muss.
Eine andere Möglichkeit wäre diese bundeseinheitliche Rufnummer, die Sie jetzt schon alle auswendig können, so hoffe ich, 116117, wieder viel stärker als bisher zu verbreiten. Hier fiel schon, ich weiß nicht, von wem, das Stichwort Modellprojekt. Ich kannte diese Nummer vorher auch noch nicht.
Letztlich ist es ja genau dieser, der für die Sicherstellung und Durchführung eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes zuständig ist. Krankenhäuser sind für diese Aufgabe vom Grundsatz her gar nicht ausgelegt, und das ist auch nicht ihre primäre Aufgabe.
Dennoch begrüßen wir es auch, dass zur Entlastung der Notfallambulanzen in Schleswig-Holstein bereits 32 allgemeine und zwölf kinderärztliche sogenannte Anlaufpraxen geschaffen worden sind, die quer über unser Bundesland verteilt sind, die zumeist an Krankenhäusern angesiedelt sind und die gleich im Vorwege die wirklichen Notfälle von den „unwirklichen“ oder Bagatellfällen trennen. Das führt zu einer Entlastung der Notfallambulanzen.
Mit Ihrem Antrag möchten Sie die bereits bestehende Regelung nun erweitern, indem Sie den Regelbetrieb dieser Portal- oder Anlaufpraxen nicht nur außerhalb der vertragsärztlichen Sprechstunden anbieten, sondern ihn auch darüber hinaus ausweiten möchten. Dem ist im Grundsatz nicht zu widersprechen, wenngleich wir als AfD-Fraktion anmerken möchten, dass eine derartige Regelung zu möglichen Konflikten zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhäusern führen kann; denn letztlich - das wissen wir - geht es im Gesundheitswesen nicht immer nur um die Gesundheit des Einzelnen, sondern auch immer um die Verteilung von Geldern.
Es ist also wichtig, dass von vornherein in die Beratungen alle beteiligten Akteure einzubeziehen sind. Diesem Aspekt darf in allen weiteren Beratungen nicht nur der Status einer Fußnote eingeräumt werden. Wir begrüßen den Ansatz Ihres Antrages, die gemeinschaftliche, intersektoriale Zusammenarbeit zu fördern, und unterstützen als AfD-Fraktion deshalb Ihren Antrag ausdrücklich - Jamaika, go on! Ein bisschen Werbung von mir für Jamaika. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich kann für den SSW vorwegnehmen, dass wir diesen Vorstoß begrüßen; denn wir stehen im Bereich der Notfallversorgung vor ganz erheblichen Problemen, die dringend intensiver bearbeitet werden müssen. Ich hatte jetzt eigentlich auch damit gerechnet, dass wir dann diese Ansatzpunkte intensiver im Ausschuss beraten werden, aber ich finde, es ist ganz in Ordnung, ich werde dem trotzdem zustimmen, wenn wir das Versprechen bekommen, dass wir dann in Selbstbefassung einige Punkte im Ausschuss aufgreifen können.
Egal ob ich mit den Pflegekräften oder mit Ärztinnen und Ärzten in der Notaufnahme spreche: Die Situation ist mehr als angespannt. Die Überlastung wird wirklich sehr deutlich. Hilfebedürftige können oft einfach nicht mehr den Ansprüchen entsprechend versorgt werden. Auf der einen Seite wächst damit die Überforderung und auf der anderen Seite natürlich die Unzufriedenheit. Das ist nachvollziehbar, aber im Ergebnis ist die Stimmung oft feindselig und sogar richtig aggressiv. Viele, die in diesem Bereich arbeiten, berichten, dass verbale Gewalt an der Tagesordnung ist. Ich denke, eines ist damit ganz klar: Solche Rahmenbedingungen sind für alle Beteiligten schlecht. Wir sollten uns deshalb weiter dafür einsetzen, dass sich die Verhältnisse hier deutlich verbessern.
Eine ganz wesentliche Ursache für die hohe Arbeitsbelastung in den Notfallambulanzen liegt bekanntlich darin, dass hier zum Teil Menschen behandelt werden, die woanders genauso oder sogar besser versorgt werden könnten. Verschiedene Gutachten zeigen, dass rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten unnötige Kapazitäten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser binden. Untersuchungen belegen, dass es in Deutschland jährlich rund 3,5 Millionen vermeidbare Notaufnahmen gibt - 3,5 Millionen Behandlungen, die eben eigentlich keine Notfälle sind - alles Fälle, die durch entsprechende Aufklärung oder durch rechtzeitige Beratung und Zuweisung ebenso gut auf einem anderen Weg hätten versorgt werden können.
Leider deutet bisher nichts darauf hin, dass sich diese Entwicklung abschwächt. Für den SSW ist deshalb klar, dass wir Entlastung schaffen müssen.
Wir sind vor allem der Auffassung, dass noch deutlich mehr Aufklärung nötig ist. Wie wir schon gehört haben, kennen viele zum Beispiel nicht die Rufnummer 116117 des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes. Für viele ist die Hemmschwelle, di
rekt den Rettungswagen zu rufen, zu gering, sodass sie hiervon auch bei kleineren Anlässen Gebrauch machen. Dabei darf man gerade hier nicht die psychologische Komponente unterschätzen. Oft hilft den Betroffenen schon ein Gespräch mit einer sachkundigen Person. So lassen sich nicht selten schon vorhandene Symptome einordnen und Sicherheit gewinnen - vorausgesetzt man weiß von diesen anderen Möglichkeiten und Anlaufstellen.
Doch daneben ist natürlich auch der im Antrag beschriebene Ansatz der Stärkung der intersektoralen Angebote wichtig. Durch eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen den Anlaufpraxen, die sich ja in den meisten Fällen ohnehin an den Krankenhäusern befinden, und den Kliniken können beispielsweise Doppel- oder Fehldiagnosen vermieden werden. Auch die angeregte verbesserte Ersteinschätzung in vorgelagerten Zonen ist aus unserer Sicht absolut sinnvoll. Denn die passende Zuordnung der Patientinnen und Patienten spart Zeit und Ressourcen und bringt damit die dringend nötige Entlastung für die Notaufnahmen.
Trotz der guten Ansätze und trotz des guten Willens hier im Hause, diese Dinge anzugehen, muss uns allen klar sein: Auch bei der Notfallversorgung haben wir es langfristig mit sehr hohen Fallzahlen zu tun. Unsere Krankenhäuser im Land leisten hier wirklich enorme Arbeit. Die bessere Aufklärung und die richtige Zuordnung der Patientinnen und Patienten werden hoffentlich helfen, diese Situation zu entspannen.
Aber machen wir uns nichts vor: Das Ganze ist auch eine Ressourcenfrage. Wir brauchen trotz allem mehr Mittel für die Kliniken und eine verbesserte Vergütung ihrer Leistungen, und wir brauchen ausreichend Personal für diese Aufgabe. Wir könnten zum Beispiel auch gern einmal über eine eigene Ausbildung von Notfallmedizinern nachdenken.