Diese Abstimmungen werden uns, werden dem deutschen Volk zumindest auf Bundesebene vorenthalten. Deswegen steht unsere Partei so sehr für direkte Demokratie ein.
- Da können Sie lachen und feixen, das ist aber so. Wir sprechen uns für das Schweizer Modell aus. Wir halten die Bürger - nicht nur bei uns im Land, sondern in ganz Deutschland - für mündig genug, dass wir dieses System auch in Deutschland einführen können.
Wir haben gerade gehört: Hier hält man an der repräsentativen Demokratie fest. Das ist klar, das verstehe ich. Es geht für Sie natürlich darum, das so zu erhalten, wie Sie es seit Jahren kennen. Sie wollen nicht mehr Demokratie wagen. Ich fasse zusammen: Sie halten die Bürger für unmündig. - Vielen Dank.
(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Das stimmt doch gar nicht! - Klaus Schlie [CDU]: Sie haben überhaupt nicht zugehört, oder Sie haben es nicht verstanden! - Weitere Zurufe)
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 19/258 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die Abgeordneten der SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Familienplanung ist ein individuelles Recht; jede und jeder kann selber entscheiden, ob und wie viele Kinder man haben möchte und welcher Zeitpunkt der richtige dafür ist.
In den Aktionsprogrammen der Weltbevölkerungskonferenzen wurde weiter hinzugefügt, dass Frauen, Männer und Paare auch das Grundrecht haben sollen, sich über die Möglichkeiten zur Familienplanung zu informieren, in der Anwendung unterwiesen zu werden und Zugang zu sicheren, wirksamen, erschwinglichen und akzeptablen Familienplanungsmethoden ihrer Wahl zu haben. So weit, so gut. Eine Selbstverständlichkeit, werden viele denken. Ja, aber: Die Praxis sieht leider etwas anders aus, besonders im reichen Deutschland.
Gesunde und sichere Verhütung ist vom Geldbeutel und damit vom sozialen Status abhängig. Frauen über 20 Jahren - die unter 20 Jahren bekommen es ja verschrieben - in der Ausbildung, Studierende, Frauen mit ALG-II-Bezug, Empfängerinnen von Wohngeld und Asylbewerberinnen sind gleichermaßen betroffen.
Ein Beispiel: Bei einem Regelkostensatz im ALGII-Bezug von zurzeit 409 € monatlich und einem darin enthaltenen Bedarf für Gesundheitspflege von 15 € monatlich müssen betroffene Frauen dreimal überlegen, wofür sie das wenige Geld ausgeben. Die Kosten von sicheren Verhütungsmitteln, die nicht in dem Satz enthalten sind, übersteigen dieses Budget um ein Vielfaches. Ein orales Kontrazeptivum kostet im Durchschnitt 20 €, eine Spirale kostet inklusive des Einsetzens 300 bis 400 €, eine Dreimonatsspritze liegt bei 30 € plus Kosten der Injektion, eine Vasektomie bei Männern kostet im Durchschnitt 500 €. Ein Ansparen aufgrund des engen Budgets ist so gut wie nicht möglich.
werden müssen, das Busticket ansteht und so weiter, müssen sich Frauen entscheiden. In dem Moment wird ihnen genau das aberkannt, was international gilt: Jede hat das Recht auf Familienplanung.
Es darf nicht sein, dass Frauen in sowieso schon schwierigen finanziellen Lebenslagen oder prekären Situationen gezwungen sind, aus Kostengründen auf unsichere Verhütungsmethoden zurückzugreifen, und so dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft ausgesetzt sind.
Es ist - das sage ich ganz selbstkritisch - 2004 ein rot-grüner politischer Fehler gewesen, dass Menschen, die über ein geringes Einkommen verfügen, nicht mehr die Möglichkeit haben, einen Antrag auf Kostenübernahme ärztlich verordneter Verhütungsmittel zu stellen.
Gleichzeitig werden die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch sehr wohl übernommen, allerdings bezahlt aus einer anderen Kasse, was den Frauen in einer so schwierigen Gefühlslage wahrscheinlich ziemlich egal sein dürfte.
Gestern wie heute ist das - finde ich - ein Fehler, den wir korrigieren wollen, den wir korrigieren müssen. Deshalb begrüßen wir als SPD die aktuelle Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und Bremen, um die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für gering verdienende Frauen unbürokratisch und bundesweit einheitlich zu regeln. Die Möglichkeiten werden bereits in Modellregionen bis 2019 untersucht. Lübeck beteiligt sich zum Beispiel an dem bundesweiten Projekt „biko“ - Beratung, Information, Kostenübernahme bei Verhütung.
Es soll unter anderem zuverlässige Daten für den tatsächlichen Bedarf an einer Kostenübernahme liefern. Auch Flensburg ist hier schon länger Vorreiter. 2009 startete die Stadt eine Initiative zur Kostenübernahme ärztlich verordneter Verhütungsmittel, und seitdem wird allen Frauen in Flensburg unabhängig vom Einkommen der Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglicht. Neben Flensburg und Lübeck gibt es auch in Geesthacht, in Stormarn, in Norderstedt, in Heide und in Neumünster Projekte zur Kostenübernahme.
Nun fragen Sie sich wahrscheinlich - und das begründet -, warum wir ausschließlich die Frauen in den Fokus unseres Antrags gerückt haben. Eine berechtigte Frage. Nun ist es in der Tat so, dass besonders die langwirkende Verhütung meist von den Frauen übernommen wird. Selbstverständlich hätten wir die Männer gern in gleicher Verantwortung gesehen, aber wir wollen mit dem Antrag die bereits gestartete Bundesratsinitiative unterstützen, und dessen Wortlaut bezieht sich nun einmal auf die Frauen.
Liebe Männer, hier liegt keine Diskriminierung vor. Wenn Pharmaindustrie und Männerpolitik so weit sind, dass wir hier von tatsächlichen gleichberechtigten Entscheidungen reden können, sollten wir das zu dem gegebenen Zeitpunkt herzlich gern tun. Bis dahin wollen wir den Frauen helfen, zu ihrem Recht auf Familienplanung zu kommen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Regelungen zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln - zuerst ist man erstaunt, wenn man den Antrag liest. Wir führen die Debatte heute, da seit dem Jahr 2004 - davor war es besser - mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen, die Sozialhilfe oder Sozialgeld beziehen, nicht mehr möglich ist. Es war eine SPD-geführte Bundesregierung, die dies verursacht hat.
Das bedeutet, dass Frauen seitdem mit dem Regelsatz aus dem Bedarf für Gesundheitspflege - Sie haben es gerade gesagt: 15 € - auskommen müssen. Wenn ich es richtig weiß, sind da auch die Zahnbürste und vieles andere enthalten. Dann sollen daraus auch noch Verhütungsmittel bezahlt werden? Das halten auch wir für problematisch und nicht auskömmlich. Da sind wir auf Ihrer Seite.
Auch wir als CDU wollen uns dafür einsetzen, dass Bezieherinnen und Beziehern von Sozialleistungen eine sichere Verhütung ermöglicht wird. Wir wollen auch verhindern, dass aufgrund von zu hohen Kosten die Konsequenz ist, dass bei Verhütungs
Es ist bei Weitem nicht unser Wille, dass ungewollte Schwangerschaften oder Schwangerschaftsabbrüche infolge einer zu hohen finanziellen Belastung entstehen. Ich glaube, da sind wir uns alle hier im Haus einig. Das gilt auch dafür, jedem die Möglichkeit zu bieten, sich für die Verhütungsmethode zu entscheiden, die für ihn oder sie subjektiv die beste ist. Das können wir im Parlament nicht bewerten, das muss jeder Einzelne entscheiden.
Der SPD-Antrag beruht auf einem Antrag, der bereits im November 2016 erstmals im Niedersächsischen Landtag gestellt wurde; das ist knapp ein Jahr her.
- In Niedersachsen wurde der Antrag erstmals gestellt. Er sieht eine Bundesratsinitiative für eine bundeseinheitliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln vor. Aber - jetzt kommt wieder ein Aber - Ihr SPD-geführtes Haus in Berlin hat einen Modellversuch auf den Weg gebracht, und der Modellversuch ist gerade ein Jahr in Gang. Er ist auf drei Jahre angelegt.
Das Ziel dieses Modellversuches ist es, dass man erstens ungewollte Schwangerschaften vermeidet und zweitens auch den Weg zu einer bundeseinheitlichen Lösung ebnet. Ein Jahr ist gerade um. Lübeck ist ein Teil des Modellversuches, das haben Sie schon gesagt. Ich halte es für sinnvoll, dass man erst einmal den Modellversuch abwartet.
Wenn man es aus diesem Ministerium - SPD-geführt, wie gesagt - in die Wege leitet und jetzt noch einmal die eigene Ministerin überholen will, dann frage ich mich, was das soll.
aber wollen den Ergebnissen nicht unbedingt vorgreifen. Da sollten wir uns auch zwischen den beiden Kammern Bundestag und Bundesrat und mit der Bundesregierung einig sein.
Frau Pauls, trotzdem möchte ich auch nicht vernachlässigen, dass Verhütung nicht nur ein Thema für Frauen ist. Wenn wir über Verhütung sprechen,