Protocol of the Session on December 11, 2020

Dabei geht es übrigens nicht um unsere Eitelkeiten als Abgeordnete, sondern es geht um die nötige Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürger. Sie zeigt eben, dass Beschlüsse nicht in Hinterzimmern getroffen werden, wie das immer behauptet wird. Ich will hinzufügen: Die Debatte im Parlament ist der sehr viel bessere Weg als im Akkord versandte Pressemitteilungen, Hintergrundgespräche oder die Social-Media-Soundbites, bei der die eine Überschrift versucht, die andere zu übertrumpfen. Inszenierungen mögen in Normalzeiten zur Politik dazugehören. In dieser Krise wirken sie schal angesichts der Herausforderungen, die wir gemeinsam zu stemmen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Sechstens. Der Lockdown braucht ein klar benanntes Ende, damit er breite Akzeptanz finden kann, aber auch wegen der Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes. Darum ist es wichtig, dass der 9. Januar 2021 als Begrenzung jetzt festgehalten wird. Das gibt Planungssicherheit für alle betroffenen Bereiche, und es schafft Akzeptanz für einen Schritt, der für viele Menschen eine große Zumutung ist.

Wir verbinden damit auch einen klaren Appell, Herr Ministerpräsident.

Wir gehen davon aus, dass die Vereinbarungen von diesem Wochenende länger Bestand haben als nach der letzten Runde. Das war nicht hilfreich. Wir brauchen in den nächsten Tagen keine Wortmeldungen, was im Februar oder Mitte April geschieht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es wäre schön, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger auf unser Wort verlassen könnten und die Halbwertzeit länger dauert als der Jahreswechsel.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Familien in Schleswig-Holstein haben sich zwei Wochen vor Weihnachten auf die Festtage eingestellt. Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass unsere bisherigen Regeln für die Weihnachtsfeiertage bei strikter Beachtung und vernünftiger Auslegung beibehalten werden können, und das haben Sie ja auch vor. Die Veränderung betreffend die Hotels meine ich nicht, sondern ich meine die Familienbesuche zu Hause. Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner haben in diesem Jahr unter Beweis gestellt, wie verantwortungsbewusst die überwältigende Mehrheit ist.

Aber wir sollten als Politik auch einen klaren Appell formulieren: Bitte beschränken Sie Ihre Kontakte auch an den Festtagen auf das absolut notwendige Minimum! Silvester 2020 kann nicht so sein wie die Jahreswechsel zuvor, jedenfalls dann nicht, wenn wir alle ein gutes neues Jahr 2021 haben wollen. Bitte führen Sie die Beschränkungen nicht ad absurdum, indem Sie sie in der Weise ausreizen, dass Sie vormittags die eine Gruppe, nachmittags die andere und abends noch eine weitere treffen! Es geht immer auch um den Schutz der eigenen Freunde und Verwandten.

So schwer es an den Festtagen fällt: Verzichten Sie, soweit es irgend möglich ist, auf Reiseverkehr! Das hilft unserer ganzen Gesellschaft, damit im neuen Jahr möglichst bald wieder Treffen im Familienkreis ohne schlechtes Gewissen möglich sind. Das ist doch unser aller Neujahrswunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und FDP)

Hinter uns liegt ein Jahr, in dem viele Menschen in Schleswig-Holstein über sich hinausgewachsen sind. Viele Beispiele des Engagements für andere sind berührend und inspirierend zugleich. Das ist ein entscheidender Grund, warum wir nach wie vor

(Dr. Ralf Stegner)

verhältnismäßig gut durch die Krise kommen. Diesen Menschen gilt unser aller Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Zugleich ist das vorbildliche Verhalten so vieler beschämend für die, die mit Egoismus und Rücksichtslosigkeit dazu beitragen, die Risiken für andere Menschen ohne Not zu erhöhen. Davon brauchen wir weniger, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD)

Wir alle wussten, dass die Weihnachtszeit 2020 nicht so werden würde wie in den letzten Jahren. Doch hätten wir alle einen anderen Ausklang, ein bisschen mehr Normalität verdient gehabt. Die kommenden Wochen werden uns als Gesellschaft noch einmal enorm fordern. Das wird eine Zeit, in der unsere Solidarität gefragt ist - in der Familie, in der Nachbarschaft, mit den kleinen Läden in der Innenstadt und dem Gasthof im Nachbarort, vor allem aber mit denen, die in dieser ohnehin dunklen Zeit alleine und einsam sind. Lassen Sie uns an all diese Menschen denken oder - noch besser - überall mit gutem Beispiel vorangehen, wo wir etwas für sie tun können. Wenn wir heute richtig, konsequent, besonnen und vor allen Dingen gemeinsam handeln, werden wir diese Krise erfolgreich bestehen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, SSW, vereinzelt CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir in dieser Woche erleben, ist Politik wie im Zeitraffer. Erst am Montag dieser Woche hat Schleswig-Holstein die 50er-Inzidenzmarke überschritten. Wir alle waren alarmiert, aber natürlich ist eine eintägige Überschreitung noch kein Grund, die bestehenden Regeln sofort grundsätzlich infrage zu stellen. Am Dienstag stiegen die Zahlen weiter, und bundesweit hatten wir einen traurigen neuen Höchststand von 590 Toten an einem einzigen Tag zu verzeichnen. Das hat uns dazu gebracht, dem Gedanken an einen harten Lockdown näherzutreten.

Am Mittwoch, bei weiter steigenden Zahlen, hat der Ministerpräsident hier im Landtag genau das sehr klar und deutlich spätestens für die Zeit ab

Weihnachten angekündigt. Am gestrigen Donnerstag dann haben wir einen bundesweiten Rekordwert an Neuinfektionen verzeichnet, und das trotz des mittlerweile über sechs Wochen andauernden Lockdown light. Daraufhin hat sich die Landesregierung für einen strengen Lockdown zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen.

Am heutigen Freitag erleben wir gleich den nächsten bundesweiten Rekordwert. Knapp 30.000 Neuinfektionen bedeuten einen sprunghaften Anstieg von 6.000 Fällen, und das ausgehend von dem ohnehin schon hohen Niveau der letzten Wochen. Nach dem heutigen Bericht des Ministerpräsidenten zeichnet sich nunmehr ein Beginn des Lockdowns bereits im Laufe der kommenden Woche ab. Dessen Ausgestaltung als harter Lockdown wird zunehmend konkreter.

Man mag jetzt kritisieren, dass die Politik an fünf Tagen dieser Woche mehr oder weniger fünf unterschiedliche Botschaften ausgesandt hat und dass bislang getroffene Entscheidungen jetzt wieder revidiert werden müssen. Tatsächlich halte ich den Verlauf des Entscheidungsprozesses in den letzten Tagen aber für nahezu mustergültig und vom Tempo her sogar für rekordverdächtig. Es ist nämlich nicht die Politik, die sich jeden Tag etwas Neues ausdenkt, es ist die Dynamik der Pandemie, die uns zum Handeln zwingt. Wir handeln faktenbasiert, und es sind die Fakten, die sich derzeit in unglaublicher Geschwindigkeit tagtäglich verändern.

Dieser Entscheidungsprozess hat bei uns nun fünf Tage gebraucht. Das haben andere Bundesländer nicht einmal in fünf Wochen geschafft. Berlin hat die 100er-Inzidenz erstmals am 21. Oktober 2020 überschritten. Das ist jetzt nicht fünf Tage, sondern 50 Tage her. Von einem harten Lockdown war trotzdem bis gestern aus Berlin keine Spur zu sehen. Selbst nach der gestrigen Ankündigung des Berliner Bürgermeisters soll dieser erst in zwei Wochen in Kraft treten.

Aus Sachsen hieß es zwar schon am 3. Dezember 2020, dass man notfalls im Alleingang einen harten Lockdown einführen werde. Allerdings lag die landesweite Inzidenz damals schon bei dramatischen 260. Dennoch wollte man lieber noch zwei Wochen abwarten und gucken, ob sich das nicht von alleine wieder regelt. Das Ergebnis dieses Abwartens ist eine Inzidenz von heute 315.

Bayern unterstützte bereits vor einigen Tagen die Forderung nach einem harten Lockdown, allerdings geknüpft an die Bedingung, dass die Ministerpräsidentenkonferenz das vorher bundesweit empfehlen

(Dr. Ralf Stegner)

müsse. Ich sage es erneut: Das hätte man einfach auch selber beschließen können.

Oder schauen wir nach Thüringen. Thüringen hat sich in den letzten zwei Wochen mit einem steilen Anstieg der Infektionszahlen auf den zweitschlechtesten Platz bundesweit vorgeschoben mit einer Inzidenz von jetzt 190. Bislang war von Herrn Ramelow ausschließlich zu vernehmen, dass deshalb die über die Weihnachtstage geplanten Lockerungen gestrichen würden.

In Schleswig-Holstein waren die Coronamaßnahmen dagegen schon das ganze Jahr über davon bestimmt, dass wir frühzeitig und konsequent gehandelt haben, obwohl unsere Zahlen immer deutlich niedriger lagen als im Rest der Bundesrepublik. Gerade in dieser Woche zeigt uns eine repräsentative Umfrage, dass die Zufriedenheit der Menschen mit dem Corona-Krisenmanagement in keinem anderen Bundesland höher ist als in Schleswig-Holstein. Wir belegen hier noch vor Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bundesweit den ersten Platz. Das, denke ich, sollte uns darin bestärken, unseren schleswig-holsteinischen Weg weiterzugehen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht erst abwarten und das Unheil seinen Lauf nehmen lassen, sondern schnell und entschieden handeln, damit die dramatisch hohen Infektionszahlen anderer Bundesländer bei uns möglichst gar nicht erst Realität werden.

Meine Damen und Herren, wir haben noch am Mittwoch hier im Plenum darüber diskutiert, ob ein bundesweiter harter Lockdown in dieser Situation angemessen ist oder ob nicht Schleswig-Holstein aufgrund seiner vergleichsweise geringen Inzidenz davon auszunehmen wäre.

Wenn wir jetzt selbst als Niedrig-Inzidenzland feststellen, dass der Anstieg bei uns so stark ist, dass wir dieser Dynamik nur mit einem harten Lockdown begegnen können, dann erwarte ich umso mehr, dass sich die anderen Bundesländer ebenfalls für diesen harten Kurs entscheiden. Nur gemeinsam werden wir die Coronawelle stoppen. Wir brauchen deshalb eine bundesweite Regelung. Das muss das Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz am Wochenende sein.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, in der Sache hat der Ministerpräsident alles Notwendige zu den weiteren Details gesagt. Ich will deshalb nur noch einmal be

tonen, dass mit dem heutigen Bericht und der Debatte hier im Plenum des Landtags auch die Parlamentsbeteiligung vorbildlich ist. Nachdem ich am Mittwoch noch die Begründung für die von der SPD-Fraktion beantragte Aktuelle Stunde kritisiert habe, will ich heute ausdrücklich feststellen, dass ich den Berichtsantrag der SPD für absolut angemessen und richtig halte.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Allerdings bin ich mir auch sicher, dass die Landesregierung im Zweifelsfall selbst eine Regierungserklärung angemeldet hätte, wenn es diesen Berichtsantrag nicht gegeben hätte - sei es drum.

Offener und direkter kann man solche Entscheidungen nicht kommunizieren und miteinander politisch diskutieren, als Regierung und Parlament das hier im Schleswig- Holsteinischen Landtag tun.

Wer die Forderung nach einem strengen Lockdown nicht teilt, hat alle Möglichkeiten, diese Meinung mit einem Antrag in den Landtag einzubringen und dafür eine Mehrheit zu suchen. Geschieht dies nicht oder findet sich dafür keine Mehrheit, stellt das die demokratische Legitimation des Handelns der Landesregierung in keiner Weise infrage, ganz im Gegenteil.

Auch heute gilt einmal mehr: Die Maßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise werden nicht nur von der Jamaika-Koalition, sondern dankenswerterweise auch von der Opposition aus SPD und SSW unterstützt. Eine breitere demokratische Legitimation für das Handeln unserer Landesregierung kann es kaum geben. Herzlichen Dank für diese Gemeinsamkeit!

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, dennoch hätten wir uns alle einen anderen Jahresausklang gewünscht und würden diese Krisensituation lieber heute als morgen hinter uns lassen. Indem wir jetzt aber zu dem Mittel eines harten Lockdown greifen, ist zumindest wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Wir alle wissen: Ein solcher Lockdown war im März und April erfolgreich, und er war es auch in unseren europäischen Nachbarländern. Belgien hatte zwischenzeitlich eine landesweite Inzidenz von 1.000, Frankreich von 600. Beide Länder haben harte Maßnahmen ergriffen, und beide Länder haben das Infektionsgeschehen damit ganz entscheidend reduziert.

(Tobias Koch)

Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt genauso handeln und uns damit die Chance auf einen guten Start ins neue Jahr eröffnen. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen! - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich danke für Ihren Bericht, und ich danke vor allem auch für Ihre klare Haltung in dieser Sache. Ich bin wirklich froh, dass ich in Schleswig-Holstein lebe. Sie haben die volle Unterstützung von mir, meiner Fraktion und - wie wir eben gemerkt haben - von allen Fraktionen in diesem Haus.