Protocol of the Session on December 10, 2020

Wir hätten uns sehr gewünscht, dass wir den Krankenhäusern neben diesen Dingen auch die Bestellung von Demenzbeauftragten gesetzlich vorgeben. Damit hätte man im Übrigen auch eine wesentliche Empfehlung des Kompetenzzentrums Demenz umgesetzt.

Natürlich lösen die genannten Beispiele Kosten aus. Für uns ist klar, dass wir unsere Krankenhäuser damit nicht alleinlassen dürfen. Gleichzeitig wissen wir, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes zunehmend begrenzt sind. Aber bei allem Verständnis hierfür bleibt es bedauerlich, dass man vorhandene Spielräume nicht nutzt, obwohl man mitunter sogar - das haben die Debatte und die Anhörung ergeben - weitergehenden Handlungsbedarf vollumfänglich erkennt. Bleibt zu hoffen - und einige Signale habe ich empfangen -, dass die eine oder andere Chance vielleicht doch noch genutzt und hier nachgesteuert wird. Hier und heute können wir als SSW dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 19/2042 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU, den Abgeordneten des Zusammenschlusses der AfD, der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein und dem Abgeordneten Brodehl gegen die Stimmen von SPD und SSW in der Fassung der Drucksache 19/2600 (neu) angenommen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Aufbau von Frauenmilchbanken fördern

Antrag der Abgeordneten des SSW und der Fraktion der SPD Drucksache 19/2517 (neu)

Alternativantrag der Abgeordneten des SSW, der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2586

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich gehe davon aus, dass der Antrag Drucksache 19/2517 (neu) durch die Mitantragstellung zum Antrag Drucksache 19/2586 seine Erledigung gefunden hat. - Widerspruch sehe ich nicht.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW wieder der Abgeordnete Christian Dirschauer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir uns beim Thema Frauenmilchbanken nach einigem Hin und Her grundsätzlich einig sind.

(Vereinzelter Beifall)

Der Aufbau und die Inbetriebnahme von Muttermilchbanken für Kliniken mit einem Perinatalzentrum Level 1 sollen geprüft und modellhaft gefördert werden. Dieses vergleichsweise schnelle Zwischenergebnis freut mich besonders, weil es hierfür eine ganze Reihe guter Argumente gibt. So ist zum Beispiel erwiesen, dass Muttermilch vor Infektionen schützt und Kinder weniger anfällig für Übergewicht, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Allergien macht.

Weil wir die Sache von Anfang realistisch angegangen sind, fordern wir hier ja weder einen flächendeckenden Aufbau noch eine dauerhafte Finanzierung. Aber unser Ziel ist schon, dass es im Land zumindest ein grobes Netz von Frauenmilchbanken gibt. Um dies zu erreichen, ist übergangsweise auch die finanzielle Unterstützung des Landes notwendig. Schön, dass Sie alle diese Einschätzung teilen.

Laut Website der Frauenmilchbank-Initiative gibt es derzeit 31 Milchbanken in Deutschland. Davon befindet sich eine oder - eher gesagt - eine halbe in Schleswig-Holstein, eine halbe deshalb, weil die Verfügbarkeit von Spendermilch am UKSH in Lübeck von den Ressourcen der Mitarbeiter abhängt. Ohne das große Engagement vor Ort gäbe es im ganzen Land nichts, was man auch nur ansatzweise

(Christian Dirschauer)

Frauenmilchbank nennen könnte. Eine dauerhaft tragfähige Struktur sieht anders aus.

Hinzu kommt, dass die meisten der bundesweit 31 Frauenmilchbanken ausschließlich Patientinnen und Patienten der eigenen Klinik versorgen können. Nur wenige haben zusätzlich die Möglichkeit, Spendermilch an andere Kliniken abzugeben. Die überwältigende Mehrheit der Perinatalzentren Deutschlands hat also keinen Zugang zu Spendermilch. Es ist nur folgerichtig, dass wir das in unserem Zuständigkeitsbereich in Schleswig-Holstein ändern.

Man könnte meinen, dass eine Frauenmilchbank entbehrlicher Luxus ist. Aber wie angedeutet hat Muttermilch nicht nur einen positiven Einfluss auf die Entwicklung, sondern auch auf den Lebensverlauf eines Menschen. Sie beinhaltet viele Stoffe, die synthetisch nicht herzustellen sind und daher in industriell gefertigten Ersatzprodukten fehlen.

Muttermilch schützt das Kind nachweislich vor Infektionen und Allergien und sorgt für eine gesunde Darmflora. Außerdem wirkt sie auch langfristig präventiv, beispielsweise bei der Vermeidung von Diabetes, Darmentzündungen oder neurologischen Erkrankungen. Oder anders gesagt: Muttermilch ist nicht nur die perfekte Ernährung für Neugeborene, sondern dient auch dem Aufbau eines Selbstschutzes, von dem Menschen das ganze Leben lang profitieren. Gerade dieser präventive Effekt ist uns besonders wichtig, nicht nur, weil er Kosten spart, sondern weil er schlichtweg Leid verhindert.

Leider können aber längst nicht alle Mütter ihr Kind im ausreichenden Maß stillen. Vor allem bei Frühgeborenen und Hochrisikobabys kann der Bedarf die verfügbare Menge deutlich übersteigen. Gleichzeitig gibt es aber auch Frauen, die mehr Muttermilch zur Verfügung stellen können, als ihr eigener Nachwuchs benötigt. Muttermilchbanken bringen beide Seiten zusammen und leisten damit wertvolle Hilfe.

In den Milchküchen, die zumeist Kinderkliniken angeschlossen sind, wird Muttermilch gespendet, gelagert und an bedürftige Säuglinge verteilt. Dieses Verfahren ist jahrzehntelang erprobt und sicher. Denn die Spenderinnen werden wie bei einer Blutspende auf übertragbare Krankheiten wie HIV oder Hepatitis B untersucht, und die Spendermilch wird auf Krankheitserreger und Rückstände überprüft.

Daneben gibt es aber noch weitere Argumente dafür, allen Neu- und insbesondere Frühgeborenen den Zugang zu Muttermilch zu ermöglichen. Denn neben der Möglichkeit, den Allerschwächsten wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, rettet Mutter

milch im Zweifel sogar Leben. Denn es gibt erste Hinweise darauf, dass die enthaltenen Molekülkomplexe vor Krebserkrankungen schützen. Außerdem erhöht sie die Überlebenschancen unreifer Frühgeborener signifikant, weil sie zur Vermeidung der bereits erwähnten entzündlichen Darmerkrankungen beiträgt.

Mir ist bewusst, dass das Land streng genommen nur beim Thema Investitionskosten Hilfestellung geben kann. Noch dazu zeigen die Erfahrungen anderer Länder, dass auch eine Refinanzierung der Betriebskosten im Rahmen der Fallpauschalen nicht vollständig gelingt. Hier sehen wir, wie auch in unserem gemeinsamen Antrag erwähnt, die Krankenkassen in der Pflicht.

Doch die Bereitschaft ist schon jetzt trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen nicht nur in Lübeck, sondern auch an einigen anderen Klinikstandorten im Land durchaus vorhanden. Gleichzeitig ist absehbar, dass wir hier nicht über Millionenbeträge reden. Deshalb sollten wir es anderen Ländern gleichtun und nicht nur prüfen, sondern auch die entsprechende Anschubfinanzierung für diese wirklich wichtige Sache auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hans Hinrich Neve das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der eine oder andere im Hohen Hause wird sich über diesen Tagesordnungspunkt sicherlich gewundert haben: Frauenmilchbanken. Auf Antrag und Initiative des SSW wurde dieses Thema im Sozialausschuss am 22. Oktober 2020 intensiv erörtert. Ich sage noch einmal ein Dankeschön an die Vertreter des SSW.

(Beifall Birte Pauls [SPD] und Burkhard Pe- ters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Sunder-Plaßmann von der FrauenmilchbankInitiative, Frau Naust, Oberärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Itzehoe, und Frau Dr. Longardt, Oberärztliche Leitung an der Kinderund Jugendmedizin am UKSH, haben dem Sozialausschuss berichtet. Uns wurde die Notwendigkeit von Frauenmilchbanken überzeugend vor Augen geführt.

(Christian Dirschauer)

Es ist klar, dass in Schleswig-Holstein Handlungsbedarf besteht. Wenn man sich die Deutschlandkarte anguckt, ist hier noch ein weißer Fleck. 2017 wurde am UKE in Hamburg eine Frauenmilchbank installiert. Die „Welt“ schrieb damals: „Mediziner entdecken die Kräfte der Muttermilch neu.“ In Kanada hat der Staat landesweit Muttermilchbanken aufbauen lassen.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Milchbanken auch in Deutschland noch verbreitet. Das Wissen und der Wille sind dann aber bedauerlicherweise verloren gegangen. Die Muttermilch und besonders das Kolostrum sind unverzichtbar für den Start ins Leben. Der Kollege hat die Vorteile eben schon aufgezählt: Es löst das Darmpech und bereitet den Darm für das Leben vor. Es enthält Lymphozyten, Antikörper und eine Vielzahl weiterer Immunkomponenten. Es enthält mehrere Zytokine, sogenannte Wachstumsfaktoren, Proteine, Enzyme, Vitamine, Mineralien - ich könnte die Liste noch weiterführen.

Kein Pharmaunternehmen ist in der Lage, ein Produkt dieser Komplexität zu produzieren. Die Natur schenkt es uns, wir müssen es nur nutzen und wollen. Für jedes neugeborene Kind ist es lebenswichtig, aber für die Frühgeborenen überlebenswichtig. Wir wollen, dass alle Kinder diese Startgabe fürs Leben erhalten.

Unser Antrag ist weitergehend. Ich freue mich ganz besonders, dass wir erreichen konnten, dass SSW und SPD mit auf unseren Antrag hinaufgegangen sind. Wir wollen die Landesregierung bitten, Gespräche über die Finanzierung mit den Krankenkassen zu führen, sich aber auch auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die DRGs es entsprechend berücksichtigen.

(Anhaltende Unruhe)

Es handelt sich hierbei um höchst wirksame Prophylaxe, und auch die Krankenkassen dürften ein großes Interesse daran haben. Wir alle wissen, dass der Start ins Leben unsere Entwicklung erheblich beeinflusst. Vor ein paar Wochen schrieben die „Lübecker Nachrichten“, dass 2018 insgesamt 630 Säuglinge vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt kamen. Deshalb brauchen wir gerade für die Frühchen die Muttermilch.

(Beifall Anette Röttger [CDU])

Wir setzen uns dafür ein, dass die Kinder bei Bedarf die natürlichste Unterstützung erhalten, die es in der Welt gibt: Das ist und bleibt die Muttermilch.

Meine Damen und Herren, ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. - Danke schön.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Laut einer Mitteilung des Statistikamtes Nord sind im Jahr 2018 insgesamt 1.194 untergewichtige Kinder zur Welt gekommen. Außerdem wurden 630 Kinder vor dem errechneten Geburtstermin entbunden. Durchschnittlich mussten die Kleinen 15,4 Tage im Krankenhaus verweilen. Bei Kindern mit extrem niedrigem Geburtsgewicht dauerte der Aufenthalt im Krankenhaus im Durchschnitt 59,5 Tage. Als untergewichtig bezeichnet man Säuglinge mit einem Geburtsgewicht von unter 2.500 g. Es gibt auch Berichte von einem Kind mit einem Geburtsgewicht von 229 g, das überlebt hat. Zwischen Geburtsgewicht und Säuglingsmortalität besteht ein enger Zusammenhang. Neben der medizinischen, pflegerischen und intensivtechnischen Behandlung benötigen die Säuglinge die bestmögliche Ernährung, und das ist nun einmal die Muttermilch.

Was Muttermilch alles kann, haben wir schon gehört. Sie besitzt eine einzigartige, synthetisch nicht herstellbare Nährstoffzusammensetzung. Sie wirkt krankheitspräventiv, hat einen positiven Einfluss auf die Darmflora, stärkt das Immunsystem, das Wachstum, die Entwicklung und eben auch die spätere kognitive Entwicklung. Sie liefert neben den Nährstoffen wichtige Abwehrstoffe. Dadurch kann die Gefahr einer lebensbedrohlichen entzündlichen Darmerkrankung gesenkt werden. Auch sinkt das Risiko, im späteren Leben an Asthma, Diabetes oder Allergien zu erkranken. Muttermilch ist also die beste Möglichkeit, dem Kind in dieser schwierigen Anfangsphase auf natürliche Art zu helfen.

Leider ist es nicht so, dass alle Kinder davon profitieren können, weil sie nicht immer zur Verfügung steht. Gerade bei Frühgeburten setzt die Milchproduktion erst verspätet ein. Da ist es gut, wenn dem Kind Spenderinnenmilch gegeben werden kann. Jedoch steht auch die nicht allen Säuglingen zur Verfügung, denn es gibt die sogenannten Frauenmilch

(Hans Hinrich Neve)

banken nicht überall, sondern bislang nur 31 Mal in Deutschland.

Die Vertreterinnen der Frauenmilchbank-Initiative haben uns im Sozialausschuss ein bisschen aufgerüttelt. Wir waren alle ein bisschen erstaunt, auch darüber, mit wie wenig Mitteln man hier Gutes erreichen kann.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Christian Dirschauer [SSW])