Protocol of the Session on December 10, 2020

Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Justizminister für seinen Bericht. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Rechtsanwalt bestätigen, dass die Justiz während der Coronapandemie sehr gute Arbeit geleistet hat. Natürlich hat es zu Beginn der Pandemie etwas gebraucht, bis unsere Gerichte einen gewissen Regelbetrieb unter Krisenbedingungen aufgenommen haben. Aber wir können heute gemeinsam feststellen.

Erstens. Den Bürgerinnen und Bürgern wurde der Zugang zu den Gerichten nicht unmöglich gemacht und auch nicht unangemessen erschwert. Wer Rechtsschutz suchte, dem wurde Rechtsschutz gewährt.

Ich kann auch bestätigen, dass die Justiz erfolgreich sichergestellt hat, dass insbesondere Eilverfahren so durchgeführt wurden, wie dies auch ohne Krise der Fall gewesen wäre. Dafür gebührt der Justiz hier im Land ausdrücklich Lob und Anerkennung.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [fraktionslos])

Ein besonderes Lob - das will ich hier an den Anfang stellen - gilt dabei aber den Richtern des Verwaltungsgerichtes und des Oberverwaltungsgerichtes in Schleswig, die mehr als 200 Eilverfahren im Zusammenhang mit Coronamaßnahmen abwickeln und entscheiden mussten. Das ist - das haben wir auch in unseren Debatten hier gehört - echtes juristisches Hochreck - und das Ganze auch noch unter zeitlichem Hochdruck. Denn unsere Gerichte mussten jeweils prüfen, ob einzelne Infektionsschutzmaßnahmen stets und ständig verfassungsgemäß, sprich: erforderlich, geeignet und angemessen, waren.

Das ist als reine juristische Übung schon extrem anspruchsvoll und verantwortungsvoll. Denn diese Richter waren immer dem Risiko ausgesetzt, Entscheidungen zu treffen, die sich am Ende als verheerend erweisen könnten, indem sie Maßnahmen verboten hätten, was dazu hätte führen können, das Infektionsgeschehen in Schleswig-Holstein anzuheizen. Dann wären diese Richter, die hier entscheiden mussten - häufig auch allein -, dafür verantwortlich gewesen, wenn es mehr schwer erkrankte Menschen gegeben hätte, möglicherweise auch eine deutlich gesteigerte Zahl von Sterbefällen. Unter diesem Druck standen diese Richterinnen und Richter, als sie hier in zahlreichen Eilverfahren über die Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen entscheiden mussten. Auch dafür gebührt diesen Richterinnen und Richtern unser ausdrücklicher Respekt. Das ist keine leichte Aufgabe, und das erfordert Mut.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD und SSW)

Die Justiz - das kann man sagen - hat in allen Gerichtszweigen, soweit mir das bekannt ist - und ich kann das vor allem für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit beurteilen - wirklich in hochprofessioneller Art und Weise die Herausforderungen angenommen und hat das getan, was getan werden musste, nämlich den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Sie haben die Bürgerinnen und Bürger nicht alleingelassen, wenn es darum ging, staatliche Maßnahmen auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Wenn man sich die Urteile unserer Gerichte, insbesondere der Verwaltungsgerichte, des Verwaltungsgerichts und des OVG, einmal anschaut, erkennt man, es sind sehr besonnene Entscheidungen. Es gehört auch Mut dazu, zum Beispiel bei der Schlie

(Burkhard Peters)

ßung von Gastronomiebetrieben am Anfang einer Woche in die eine Richtung zu entscheiden und dann am Ender der Woche - wenig später - in die andere Richtung zu entscheiden. Denn es ist klar und das ist auch jedem Richter bewusst, damit setzt man sich dem Vorwurf der Widersprüchlichkeit aus. Aber aufgrund der guten Begründungen der jeweiligen Urteile waren diese Vorwürfe dann schnell vom Tisch.

Auch wenn der ein oder andere mit den gerichtlichen Entscheidungen nicht einverstanden gewesen sein mag, können wir heute auch feststellen: Unsere Justiz hat sich in den letzten Monaten als krisenfest erwiesen. Das hat sie in eindrucksvoller Weise unter Beweis gestellt.

Zweitens. Ich möchte hier aber noch einen anderen Punkt herausstellen, der mit Corona eigentlich gar nicht so viel zu tun hat. Es geht hier um den Stand und den Grad der Digitalisierung der schleswigholsteinischen Justiz. Der Kollege Peters hat es schon angemerkt: Hier sind wir im Bundesvergleich wirklich vorbildlich.

Ich bin in den letzten Monaten aus verschiedenen Gründen auch in anderen Bundesländern unterwegs gewesen und habe versucht, Schutzschriften zu hinterlegen, und dabei festgestellt, dass teilweise der Zugang zum Schutzschriftregister fast nicht mehr funktionierte. Die Justiz war hier großen Herausforderungen ausgesetzt. Auch im Bundesvergleich das ist meine persönliche Wahrnehmung; und das sage ich hier nicht ganz ohne Stolz als SchleswigHolsteiner -: Hier im Land haben die Gerichte am besten funktioniert. Darauf können wir alle in diesem Land stolz sein.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind bundesweit in meinen Augen einzigartig, was die Digitalisierung in der Arbeitsgerichtsbarkeit anbelangt. Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist der einzige Gerichtszweig in ganz Deutschland, der vollständig die Digitalisierung abgeschlossen hat. Es gibt die E-Akte, der Schriftverkehr zwischen Gericht, Anwälten, Gewerkschaftsvertretern und Arbeitgebervertretungen erfolgt ausschließlich elektronisch. Alle Arbeitsprozesse mussten in den letzten Monaten - trotz Krise - auf diese neue Arbeitsumgebung umgestellt und auf die neue Arbeitsweise angepasst werden.

Solche Change-Prozesse - das wissen wir auch alle - sind Kraftakte und erfordern eine klare und straffe Führung mit einer klaren und deutlich kommunizierten Zielvorstellung. Das hat die Arbeitsgerichts

barkeit, insbesondere hier die Präsidentin und die Direktorin, hinbekommen, dass sie ihre Mannschaften auf diesem Weg mitgenommen haben. Das hat sich in der Krise bewährt, diese starke Digitalisierung, dieses Projekt erfolgreich abgeschlossen zu haben.

Als Arbeitsrechtsanwalt bin ich bundesweit tätig. Schon früh fiel mir auf, dass die schleswig-holsteinische Arbeitsgerichtsbarkeit effizienter ist als jede andere in Deutschland. Das führt manchmal sogar zu Schwierigkeiten für die Prozessbevollmächtigten, weil in einer Frequenz Schriftsätze eingereicht werden müssen, die als sportlich zu bezeichnen ist. Aber man darf eben auch nicht vergessen, dass es für die Beteiligten, beispielsweise in einem Kündigungsschutzprozess, wichtig ist, dass diese Verfahren mit Hochdruck betrieben werden, damit möglichst schnell, nach wenigen Monaten, eine Entscheidung im Raum steht und die Parteien Klarheit über die Rechtslage haben.

Auch hier müssen wir der Arbeitsgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein einen großen Dank aussprechen und sie ermutigen, den Weg fortzusetzen und auf ihm voranzugehen.

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])

Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass wir heute diesen Bericht des Justizministers gehört haben. Es ist wichtig, dass die Justiz Raum hat und einen Platz in unseren Debatten bekommt. Sie sind die Dritte Gewalt - wie der Kollege Peters auch schon gesagt hat -, und sie spielt eine ganz wichtige Rolle im Zusammenspiel der drei staatlichen Gewalten. Das ist zu würdigen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende, Lars Harms, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Coronavirus macht auch vor den Justizvollzuganstalten keinen Halt, auch nicht vor den Gerichten. Schon seit einem Dreivierteljahr herrscht dort, wie überall anders, die sogenannte Coronalage. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass der Justizminister dem Parlament eine Gesamtdarstellung vorträgt.

Der Bericht des Ministers hat zumindest mir noch einmal deutlich gemacht, dass die Coronakrise im

(Jan Marcus Rossa)

Grunde genommen nur die Spitze des Eisbergs ist. So sehe ich es jedenfalls. Leider ist es so, dass wir schon lange Kummer mit dem Personal in den JVAs und den Gerichten haben - nicht, weil sie keine gute Arbeit leisten, im Gegenteil, sondern weil es einfach nicht genug Personal gibt.

Hinzu kommt nicht nur eine hohe Arbeitsbelastung für das örtliche Personal, sondern bisweilen auch ein hoher Krankenstand. Es ist kein einfaches Arbeitsumfeld, und die arbeitsbedingten Herausforderungen sind groß. Hier müssen wir als Landespolitik dringend Abhilfe schaffen.

Wir als SSW haben in den vergangenen Jahren genau das in unseren Haushaltsanträgen deutlich gemacht. Wir haben daher schon viele Jahre immer wieder beantragt, dass die Stellen im Justizbereich, die künftig wegfallen sollen, in bleibende Stellen umgewandelt werden. Dieses Ansinnen werden wir abermals in unseren Änderungsanträgen zum Landeshaushalt darstellen. Hier gilt es, das bestehende Potenzial zu nutzen. Wir müssen gerade in diesem Bereich vom Gedanken des Personaleinsparens wegkommen. Vor diesem Hintergrund war es richtig, dass die ehemalige Landesregierung eine Personalbedarfsanalyse für die Justizvollzugsanstalten erarbeitet hat. Das schafft endlich Klarheit.

Was auch klar ist, ist, dass die Rechtsprechung auch in den nächsten Jahren nicht einfacher werden wird. Auch das Thema Corona wird die Gerichte spürbar beschäftigen. Selten hat ein Thema - besser gesagt: eine Lebenssituation - die Gesellschaft als Ganzes so klar betroffen gemacht. Noch nie war die Dichte der Änderungen von Verordnungen so hoch wie in den letzten Monaten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, eine funktionsfähige Justiz zu haben. Das haben wir nicht erst beim Thema Beherbergungsverbot gemerkt.

Es braucht hier daher qualifiziertes Personal, um dieser komplexen Rechtsprechung gerecht werden zu können. Was mir an dieser Stelle noch wichtig zu betonen ist, ist, dass es eben nicht ausschließlich um Richterstellen geht, sondern eben auch um den nachgeordneten Bereich wie etwa der Rechtspfleger. Auch diesen Bereich sollten wir im Blick haben. Hier gilt es nicht nur, die Richter zu entlasten, sondern es geht eben auch darum, die Attraktivität beispielsweise des Berufs des Rechtspflegers zu steigern. Dazu haben wir als SSW bereits Initiativen auf den Weg gebracht. Die entsprechende Debatte hat also begonnen.

Zusammen mit der Jamaika-Koalition haben wir im Ausschuss eine Stärkung des Berufsstands der

Rechtspfleger durch zusätzliche Aufgabenübertragungen beschlossen. Ab 2021 können diese also auch Dinge, die das Handelsregister betreffen, bearbeiten. Auch dies könnte unserer Auffassung nach zu einer Beschleunigung der Verfahren beitragen, zumindest für diesen Teilbereich. Eine Beschleunigung ist - gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie - eine gute Sache.

Deshalb möchte ich ansprechen: Wir haben beantragt, beispielsweise auch Erbschaftssachen den Rechtspflegern zu übertragen. Das haben wir bisher noch nicht gemacht. Wir wollen das noch einmal prüfen. Ich glaube, losgelöst von Corona, dass solche Schritte richtig sind, weil wir die Richterinnen und Richter von Arbeiten entlasten können, die ohnehin - sage ich einmal - nach den Buchstaben des Gesetzes ablaufen, bei denen man eigentlich nichts Großartiges deuten kann. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, Stück für Stück Dinge auf eine untere Ebene weiterzugeben, wo das entsprechend möglich ist.

(Beifall Christian Dirschauer [SSW])

Fest steht also, dass die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit für uns - für niemanden unter den demokratischen Parteien - kein nice to have ist, sondern sie ist gewissermaßen Pflicht. Daher ist eine angemessene Personalausstattung im Rechtswesen grundsätzlich eine absolute Notwendigkeit. Ich kann mich den Appellen gerade der Kollegin Ostmeier nur anschließen und die große Bitte an die derzeit abwesende Finanzministerin - ich weiß, sie liest die Protokolle immer sehr genau - richten, das Geld zur Verfügung zu stellen, damit der Justizminister die Justiz stärken kann.

Ich kann mich an Zeiten der Vorgängerregierung erinnern - das ist noch gar nicht so lange her -, da klappte das sehr gut. Ich wünsche der Jamaika-Koalition, dass es in diesem Bereich genauso gut klappt wie seinerzeit in der Küstenkoalition. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe somit die Beratungen und stelle fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/2588, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 7 auf:

(Lars Harms)

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes Schleswig-Holstein (BQFG-SH)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/2472

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 19/2602

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, dem Abgeordneten Dr. Andreas Tietze, das Wort.

Frau Präsidentin, ich verweise auf die Vorlage.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)