Protocol of the Session on November 27, 2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Pandemie wird unser Leben in der Tat mindestens noch einige Monate erheblich prä

gen. Mit den Folgen - das ist sehr klar - werden wir noch deutlich länger zu kämpfen haben. Ich bin aber nach wie vor froh, dass ich diese Pandemie in Deutschland und vor allem in Schleswig-Holstein erlebe. Trotz der massiven Probleme, die die Pandemie mit sich bringt, sind wir bislang vergleichsweise glimpflich durch diese Krise gekommen.

Das liegt in erster Linie an der großen Disziplin fast aller Bürgerinnen und Bürger und dem großen Engagement vieler Menschen, zum Beispiel in den Gesundheitsämtern, in den Kitas, in Schulen oder auch in den Krankenhäusern. Es liegt am großen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, den wir immer wieder befördern sollten und nicht riskieren dürfen.

Im Frühjahr wurde Ärzten und Pflegekräften applaudiert. Man muss aber in der Tat sagen: Die sind vor allem jetzt gefordert, und ich hoffe, dass sie in den nächsten Monaten nicht überfordert werden. Es ist unsere Aufgabe, diese Menschen zu unterstützen. Es gilt ihnen vor allem jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten unseren Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Der Winter bleibt eine große Herausforderung. Es gibt keinen Anlass zur Entwarnung. Immerhin sind wir in Schleswig-Holstein auf einem ordentlichen Weg, und die entwickelten Impfstoffe machen vielen Menschen und auch mir wirklich Hoffnung, dass ein Ende der Pandemie zumindest absehbar ist. Beim Impfen ist aber, da sollten wir uns nichts vormachen, noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich freue mich aber, dass wir bei den entsprechenden Vorbereitungen in Schleswig-Holstein wieder einmal sehr gut davor sind und die benötigten Impfzentren sich bereits im Aufbau befinden. Ich habe festgestellt, dass man in anderen Bundesländern noch nicht so weit ist. Insofern ist das eine gute Nachricht.

Mein Dank dafür gilt insbesondere dem Gesundheitsminister und seinen Leuten, aber auch unseren Kommunen, der Bundeswehr und allen weiteren Akteuren, die daran sehr engagiert mitwirken.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Reduzierung von Kontakten ist für uns alle besonders schmerzlich. Sie ist auch keine besonders kreative Lösung, sie ist aber immer noch die effektivste Methode zur Eindämmung des Infektionsgeschehens. Jeder Einzelne von uns trägt nach wie vor Verantwortung. Die Eigenverantwortung wurde

(Eka von Kalben)

nicht abgeschafft, auch wenn man manchmal den Eindruck haben kann. Sie ist gerade jetzt besonders gefordert. Die Kontaktregeln, die wir seit einigen Wochen in Schleswig-Holstein haben, sind - aus meiner Sicht - leicht verständlich. Das ist ein Wert an sich. Sie sind angemessen und haben sich somit bewährt.

Sie wurden zunächst auch kritisch gesehen, auch innerhalb der Koalition, Herr Ministerpräsident. Es ist aber absolut der richtige Weg, dass wir mit Blick auf die stabile Situation beim Infektionsgeschehen in den nächsten Wochen daran festhalten. Das Hin und Her bei den Kontaktregeln über die Feiertage möchten wir den Menschen in Schleswig-Holstein gern ersparen. Wo wir erhebliche Ausreißer nach oben haben, wie aktuell leider im Kreis Pinneberg, können wir zeitweise nachschärfen, wie es in Absprache mit dem Landrat zu Recht geschehen ist. Der Kreis Pinneberg hat nun einmal die Besonderheit, dass es der Landkreis ist, der besonders eng mit Hamburg verbunden ist. Ich muss aber dazu sagen, dass die Hamburger und der Hamburger Senat die Situation für eine Großstadt ihrer Größe wirklich gut im Griff haben. Davon profitieren wir auch in Schleswig-Holstein. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin sehr froh, dass jetzt klargestellt ist, Herr Ministerpräsident, dass Kitas und Schulen bundesweit im Winter grundsätzlich geöffnet bleiben sollen. Das ist eben auch eine Frage der Chancengerechtigkeit. Kinder, Jugendliche und ihre Eltern haben insbesondere im Frühjahr bereits die Hauptlast der Maßnahmen tragen müssen und werden auch noch lange mit den Schulden zu kämpfen haben. Die Halbierung der Klassen, die nun auch gefordert wird, klingt im ersten Moment populär. Sie würde allerdings erheblichen Unterrichtsausfall für viele Kinder bedeuten, wenn man sich das ehrlich anschaut. Das ist leider so.

Die Digitalisierung der Bildung muss natürlich dennoch mit aller Kraft vorangetrieben werden. Ich sage ganz deutlich: Ich finde auch, dass man Hybridunterricht an den Schulen bei älteren Jahrgängen wir haben ja viele Schulen, die bei der Digitalisierung relativ weit sind - ermöglichen sollte. Frau Krämer sieht das für ihren Sohn noch nicht. Ich sage ja: Man sollte es einsetzen können. Frau Krämer, als Liberale sind wir ja für Freiheit. Insofern wäre das eine gute Möglichkeit!

(Beifall und Heiterkeit FDP und SSW)

Die Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt muss überarbeitet werden, um daraus mehr Endgeräte bezahlen zu können. Die Schulträger brauchen zum Teil auch bei den Konzepten noch mehr Unterstützung. Das Problem dieser Bund-Länder-Vereinbarung ist, dass maximal 20 % für Endgeräte ausgegeben werden dürfen. Wir haben aber schon viele Schulen in Schleswig-Holstein, die schon ein gutes WLAN oder gute Konzepte dafür haben. Die brauchen jetzt iPads - Entschuldigung, ich wollte keine Werbung machen -, die brauchen Tablets. Sie brauchen auf jeden Fall mehr Geld für Endgeräte. Das muss aus diesem Geld finanziert werden. Das Geld fließt viel zu langsam ab. Das liegt auch an den Vorgaben, die teilweise praxisfern sind. Da müssen wir nacharbeiten.

(Beifall FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Auch bei der Sicherheit in den Schulen wollen wir noch mehr tun. Ich habe kürzlich eine Schule im Lauenburgischen besuchen dürfen, die nicht nur bei der Digitalisierung vorbildlich ist, sondern in fast allen Räumen fest installierte Belüftungssysteme eingebaut hat. Aus meiner Schulzeit kannte ich das, ehrlich gesagt, nicht und habe es auch sonst selten gesehen. Ich finde, das sollte künftig Standard in unseren Schulen werden.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Gute-Luft-Politik kann auch nach der Pandemie nicht schaden.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Wo es möglich ist, sollten zunächst mobile Systeme angeschafft und auch die Schülerverkehre entzerrt werden. Mir ist klar, dass dies leichter gesagt als getan ist. Am Geld scheitert es jedoch nicht, die Kreise haben das Geld. Einige Kreise tun dies auch. Es ist jedoch in der Praxis nicht so einfach, wie es manchmal im ersten Moment klingt.

Ich bin wirklich erleichtert, dass die völlig lebensfremden Vorstellungen - ich muss es leider so sagen -, jede Familie solle sich für den Winter einen festen anderen Hausstand oder jedes Kind einen festen Freund als Kontakt aussuchen, jetzt endgültig vom Tisch sind.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos] - Dr. Frank Brodehl [fraktionslos]: Ja!)

Ich weiß nicht so ganz, wie dies entstanden ist, aber das hat, ehrlich gesagt, der Akzeptanz der Maßnah

(Christopher Vogt)

men wirklich nicht geholfen - um es freundlich auszudrücken.

Auch wir sind für eine bundesweite Abstimmung der notwendigen Coronamaßnahmen. Wenn sich aber das Infektionsgeschehen derartig unterschiedlich entwickelt, ist eben nicht jede Maßnahme auch überall angemessen. Wir sprechen hier über erhebliche Grundrechtseingriffe. Die müssen immer verhältnismäßig und zielgenau sein. Sie bedürfen einer konkreten Begründung. Der politische Wunsch nach Einheitlichkeit reicht da eben nicht aus.

(Beifall FDP)

Ich begrüße es sehr, dass sich diese Sichtweise mittlerweile nicht nur in Schleswig-Holstein durchgesetzt hat. Auch das neue Infektionsschutzgesetz gibt übrigens ganz klar vor, dass es so gehandhabt werden muss. Dieses Infektionsschutzgesetz ist ja schließlich die rechtliche Grundlage für die Maßnahmen, die die Länder ergreifen. Man kann über dieses Gesetz trefflich streiten, aber wir sehen vor allem beim Begleitthema der Krankenhausfinanzierung, dass dieses Gesetzespaket aus der letzten Woche leider mit heißer Nadel gestrickt wurde.

Herr Dr. Stegner, ich muss mich wirklich sehr wundern, wie Sie das an dieser Stelle thematisiert haben.

(Lebhafter Beifall FDP)

Man kann unser Abstimmungsverhalten kritisieren. Die Grünen haben das auch gemacht, ich habe es entsprechend beantwortet. Das ist in einer Koalition und in einer Demokratie völlig normal: Man kann das alles unterschiedlich sehen. Aber der Versuch, uns hier in eine Gesellschaft zu rücken, in die wir nicht gehören, nämlich in die Gesellschaft von Menschen, die dieses Murks-Gesetz, das es leider ist - - Es gab übrigens auch von der FDP-Bundestagsfraktion bessere Alternativen.

(Beifall FDP)

Es wäre staatspolitische Verantwortung gewesen, auf die konstruktive Opposition im Bundestag zuzugehen und zu versuchen, zusammenzukommen. Das wurde mehrfach angekündigt, ist aber bis zur Abstimmung im Bundestag nicht passiert. Das ist aus meiner Sicht ein Problem.

(Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Abgeordneter?

Nein, ich möchte noch einen Satz sagen, Herr Präsident: Uns in die Nähe von Menschen zu rücken, die dieses Gesetz mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis gleichsetzen, finde ich unanständig und daneben. Das passt nicht ins Parlament.

(Beifall FDP und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Ich interpretiere Ihre Ausführung so, dass Sie jetzt die Bemerkung des Abgeordneten Dr. Stegner gestatten. - Bitte.

Lieber Kollege Vogt: Die Freie Demokratische Partei hat eine großartige Tradition und mit solchen Parteien überhaupt nichts zu tun. Deswegen habe ich vorhin in meinem Satz gesagt: Natürlich gab es im Bundestag kritische Einwendungen von den Grünen, es gab sie übrigens auch von der Linkspartei und der FDP. Dann hat man Kompromisse gemacht, über die man diskutieren kann, es gab sie aber.

Ich hätte es richtiger gefunden, dann im Bundesrat nicht parteipolitisch zu entscheiden. Das habe ich gesagt, weil man damit in unfreiwillige Nähe - ich habe ausdrücklich gesagt: unfreiwillige Nähe - von denen gerät, die dieses Infektionsschutzgesetz, das ja der Rahmen ist, mit etwas gleichsetzen, was wirklich komplett daneben und schwierig ist. Es läge mir völlig fern, sie gleichzusetzen. Die FDP hat eine ganz andere Tradition. Ich glaube trotzdem, dass es falsch war, im Bundesrat in dieser Frage parteipolitisch zu agieren. Ich hätte gedacht, dass es sinnvoller gewesen wäre, es so zu machen wie die anderen Länder, wie der Freistaat Thüringen, der von der Linkspartei geführt wird, wie die Regierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, und im Bundesrat zu sagen: Das ist staatspolitische Verantwortung, dass wir da zustimmen.

Das war der Inhalt meiner Bemerkung, alles andere läge mir völlig fern. Sie wissen das, Herr Kollege Vogt, ich möchte es hier aber noch einmal ausdrücklich sagen.

(Beifall SPD)

Ich nehme diese Klarstellung zur Kenntnis. Ich habe Ihnen aber eben sehr genau zugehört, und Sie

(Christopher Vogt)

haben von einer Gesellschaft gesprochen und das auch bei Twitter vor ein paar Tagen gemacht. Sie haben es hier wiederholt. Herr Dr. Stegner, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie es nicht so gemeint haben. Ich sage trotzdem: Da sollten Sie in Zukunft genauer auf Ihre Wortwahl achten. Es ging über die Grenze dessen hinaus, was wir hier an Gemeinsamkeiten haben. Deswegen denke ich, dass Sie in Zukunft besser auf Ihre Wortwahl achten sollten.

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])