Protocol of the Session on October 11, 2017

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und die Finanzministerin spricht immer noch von einer halben Milliarde € plus in der Kasse, als ob morgen das Abendland zusammenbricht - und das, obwohl wir keine finanziellen Herausforderungen in Bezug auf die Flüchtlinge haben. Ich glaube, da ist ein bisschen Leben in der Bude, da kommt noch Freude auf, da haben wir bestimmt noch Spaß miteinander.

Aber das Allerwichtigste, worauf auch meine Eltern immer geschaut haben, ist das Betragen in der Schule. Also: Wie habt ihr euch als Regierung betragen? - Ich kann sagen: Artig wart ihr alle immer. Insofern ist das auch schon ein Wert an sich. Die

(Lars Harms)

Bilanz ist durchwachsen, aber da ist noch Luft nach oben. Wir sind gern bereit, mit euch zusammenzuarbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Beifall Tim Brockmann [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit erkläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungserklärung für beendet.

Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, Tagesordnungspunkt 6 noch vor der Mittagspause zu behandeln.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein - Verbot der Pferdesteuer

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/215

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Sehr geehrter Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, da wurde über die Pläne der Gemeinde Tangstedt zur Einführung einer Pferdesteuer ziemlich breit in unserem Land diskutiert. Die schleswig-holsteinischen Reiterinnen und Reiter leisteten heftigen Widerstand. Mit selbstgemalten Plakaten, Demonstrationen vor dem Tangstedter Rathaus, mit einer ausgiebigen Pressearbeit haben sie gezeigt: Wir wollen nicht zum Objekt der reinen Einnahmeerzielung gemacht werden. Es gab auch landesweit große Solidaritätsbekundungen mit dem Reitsport. Das machte deutlich, welche herausragende Bedeutung dieser Bereich für Schleswig-Holstein hat. Entsprechend sollte daher auch der Reitsport in unserem Lande nicht besteuert werden.

(Beifall CDU und Stephan Holowaty [FDP], Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch wenn der Landesgesetzgeber die Kompetenz für die Erhebung der örtlichen Aufwandsteuern grundsätzlich den Kommunen überlässt, darf er Vorgaben für die Erhebung der Steuern durch Gesetze anordnen. Das widerspricht nicht der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, wie es an mancher Stelle vorgetragen wurde. Zwar umfasst das in Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz gewährte Satzungsrecht auch das Recht zum Erlass von Steuersatzungen sowie das eigene Hebesatzrecht, allerdings gilt es dabei zu beachten, dass Artikel 105 Grundgesetz lediglich eine von den Ländern abgeleitete Kompetenz zum Erlass von kommunalen Steuersatzungen zulässt.

Gesamtgesellschaftliche und sozialpolitische Erwägungen können es daher erforderlich machen, bestimmte Bereiche von den Steuerfindungs- und -erhebungsrechten der Gemeinden auszuschließen und diese gegebenenfalls auch zu entziehen. Grundsätzlich gilt es, die verschiedenen Interessen, die für und gegen eine Steuererhebung stehen, sorgfältig gegeneinander abzuwägen. So spielen beispielsweise Belange des Gemeinwohls eine erhebliche Rolle. Auch ordnungspolitische sowie sozialpolitische Überlegungen sind im Einzelnen denkbar.

Im konkreten Fall spricht eine ganze Reihe von Faktoren gegen eine Steuererhebung: Themen wie die Erhaltung und Erweiterung des Reitsports allgemein, die Entwicklung von Konzepten für Reitwege und Anlagen zur Förderung des Tourismus, die Erhaltung der Gesundheit durch Reiten als Ausgleichssport und auch die Erholung in der Natur. Auch geht es darum, Landschafts- und Naturerlebnisse möglich zu machen. Ein ganz wichtiger Aspekt dabei ist die Förderung von Jugendarbeit in Reitvereinen und nicht zuletzt die Einkommenssituation der Landwirtschaft durch Pferdezucht in Schleswig-Holstein.

(Beifall CDU, FDP und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD])

Es ist daher gerechtfertigt, die Erhebung einer Pferdesteuer landesweit definitiv auszuschließen. Wenn ich die vielen Betriebe vor Augen habe, die im ländlichen Raum Urlaub auf dem Bauernhof anbieten, wo das Reiten eine besondere Attraktion für die Eltern und die Kinder ist, die ansonsten vielleicht kaum eine Möglichkeit haben, den spielerischen Umgang mit diesen Tieren zu erfahren, wenn ich an die Teenager denke, die mit großer Leidenschaft häufig in Reitbeteiligungen Pferde versorgen, um reiten zu können, und wenn ich vor allem an den erfolgreichen olympischen Reitsport denke - gerade auch in Schleswig-Holstein -, finde ich es in der

(Lars Harms)

Gesamtschau richtig, dass es unser erklärtes Regierungsziel ist, keine Pferdesteuer zu erheben.

Daher lege ich Ihnen heute einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vor, wonach die Erhebung der Pferdesteuer zukünftig landesweit ausgeschlossen werden soll. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzesentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war selber vor wenigen Monaten auf den Demonstrationen der Reiterinnen und Reiter in Tangstedt, als um die Pferdesteuer gerungen wurde. Nachdem gerade die liberalen Kommunalpolitiker vor Ort Alarm geschlagen hatten, entwickelte sich in kürzester Zeit im besten Sinne ein Protest der Bürger, der Reiterinnen, der Reiter, der örtlichen Reitunternehmen und der Pferdeställe. Ich konnte das gut verstehen. Es kann doch nicht sein, dass eine einzelne Gruppe quasi willkürlich herausgepickt und mit einer neuen Steuer belegt wird, um gemeindliche Finanzierungslücken zu schließen.

Das ist doch umso befremdlicher, als in Tangstedt mit der Pferdesteuer gerade der beliebteste Sport von Frauen und Mädchen besteuert werden sollte, während wir überall im Lande - übrigens durchaus zu Recht - Fußballplätze mit hohem Einsatz von Steuern zu Kunstrasenplätzen umbauen, um den Sport zu fördern. Ich kann sehr gut verstehen, dass gerade die Reiterinnen dies als extrem ungerecht empfunden haben. In der Gemeindevertretung Tangstedt - so wurde mir jedenfalls von den Reiterinnen immer gesagt - entschieden ältere Herren über den Freizeitsport von jungen Frauen und Mädchen.

(Zuruf - Heiterkeit SPD)

Meine Damen und Herren, Pferdesport ist heute Breitensport. Ein paar Reitstunden sind doch kein Luxussport, sondern die alltägliche Freizeitbeschäftigung von vielen tausend Menschen in SchleswigHolstein. Über 90 % davon sind Frauen und Mädchen. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Besteuerung mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nun ein Ende hat und zumindest der Pferde

sport nicht mehr besteuert werden kann. Das ist gerade auch das Verdienst der vielen Reiterinnen und Reiter und ihrer Vereinigungen in Tangstedt, die beharrlich gegen die Pferdesteuer und die damit verbundene Diskriminierung protestiert und demonstriert haben.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir übrigens auch sehr sicher, dass die Gemeinde Tangstedt am Ende durchaus froh sein wird, ihren Ruf als Reiter- und als Pferdesportgemeinde gerettet zu bekommen und die vielen Reiterhöfe und -betriebe am Ort zu behalten. Auch das ist für Tangstedt ein Wirtschaftsfaktor und, ich denke, für viele andere Gemeinden mit viel Pferdesport ebenso.

Lassen Sie mich noch zwei Dinge anschließen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Ponyhof!)

- Sie mögen sich möglicherweise über den Ponyhof lustig machen, aber ich versichere Ihnen, dass es ganz, ganz viele Menschen in diesem Lande gibt, die einen Ponyhof als eine ganz wichtige, eine spannende, eine hochinteressante Freizeitgestaltung empfinden und die daraus einen großen Wert für sich und ihr Leben gewinnen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens. Ich verstehe die Sorgen vieler Gemeinden, die trotz Rekordeinnahmen feststellen, dass sie die Ausgaben für Kinderbetreuung und für Schulen zunehmend belasten, die große Probleme damit haben, ihre Kernaufgaben erfüllen zu können. Es ist unsere Aufgabe - gerade auch hier im Landtag -, den Gemeinden mehr Möglichkeiten zu verschaffen. Wir haben die große Aufgabe der Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes noch vor uns.

Wir müssen uns auch die Landesplanung genau ansehen. Viele Kommunen - übrigens auch Tangstedt - beschweren sich, dass ihnen die Landesplanung zu wenig Möglichkeiten lässt, beispielsweise durch Gewerbeansiedlung Mehreinnahmen zu erwirtschaften. Lassen Sie uns den Gemeinden also die vorhandenen Möglichkeiten, die es ja gibt, besser aufzeigen. Aber geben wir auch den Gemeinden vor Ort mehr Chancen und mehr Möglichkeiten für eigene Entscheidungen.

Zweitens. Ich kann durchaus verstehen, wenn anhand der Debatte, die wir heute führen, Hundehalter fragen: Warum dürfen, wenn Pferde nicht mehr besteuert werden dürfen, Hunde weiter besteuert

(Minister Hans-Joachim Grote)

werden? Warum keine Katzen? Warum keine Wellensittiche? Welches ist der Sachgrund?

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Es sind auch Tiere. Es gibt auch Hundesport. Auch Hunde erfüllen vielfach eine soziale Funktion. Argumente gibt es sicherlich einige, und doch gibt es einen wesentlichen Unterschied zur Pferdesteuer, meine Damen und Herren. Es wird eben nicht eine ganz bestimmte Gruppe, nämlich gerade Frauen und Mädchen, herausgepickt, die diese Steuern im Wesentlichen zu bezahlen hat.

(Sandra Redmann [SPD]: Sag mal!)

- Das ist nun einmal so. Über 90 % der Reiter in Schleswig-Holstein sind Frauen. Befragen Sie einmal die Reiterliche Vereinigung!

(Unruhe)

Es gibt noch einen wesentlichen Punkt. Pferde werden nicht im heimischen Wohnzimmer gehalten. Die Hundesteuer erfüllt eine Steuerungsfunktion, die Pferdesteuer eben gerade nicht.

Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich durchaus Sympathie für die eine oder andere Gemeinde habe, wenn sie sagt: Lasst uns doch einmal über eine Sozialstaffel zum Beispiel für den ersten Hund nachdenken. - Aber das ist die Entscheidung der einzelnen Gemeinde.

Wir wollen mit diesem Gesetz eines erreichen. Wir wollen eben keine unbegrenzte Steuererhöhungsfantasie, Steuerkreativität der Gemeinde, die letztlich nur zu zwei Dingen führt, erstens zu vollkommen übertriebenen Erhebungs- und Bürokratieaufwänden und zweitens wütenden Bürgern.

Deshalb ist heute ein guter Tag für den Pferdesport, ein guter Tag für die Reiterinnen und Reiter in diesem Land. Ich freue mich, dass wir heute ein paar Leute glücklich machen. - Danke schön.

(Beifall FDP, CDU, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies.