Protocol of the Session on October 14, 2015

Das Herbizid ist im März von der Internationalen Krebsforschungsagentur als „wahrscheinlich krebserregend“ in die zweithöchste Risikostufe eingestuft worden. Dass Sie gerade versucht haben, Herr Rickers, es lächerlich zu machen, indem Sie es mit Matetee vergleichen, halte ich für äußerst problematisch.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Denn zahlreiche Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände und Ärzte warnen vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen eines übermäßigen Einsatzes. Da sind durchaus ernstzunehmende Menschen dabei.

Der Wirkstoff Glyphosat galt lange als nicht gefährlich und schnell abbaubar. Mittlerweile ist aber klar, dass die giftigen Wirkungen von Glyphosat nicht ausreichend erforscht sind. Man sieht eben nur das, was man sehen will. Die Problematik der Zusatzstoffe haben wir vorhin schon gehört.

Glyphosat ist mittlerweile fast überall. Es ist in unserem Grundwasser - das hat Frau Sandra Redmann vorhin ausführlich dargestellt -, in unseren Böden, in unseren Lebensmitteln, im Urin von Menschen und Tieren und auch in der Muttermilch. Die Tatsache, dass das Gift in uns angekommen ist, empfinde ich als äußerst besorgniserregend.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Kumbartzky, Ihr Hinweis auf den volkswirtschaftlichen Nutzen dieses Mittels im Zusammenhang mit Agrarproduktionen ist ja ganz spannend, aber dann stellen Sie doch bitte auch die Frage nach den volkswirtschaftlichen Kosten im Zusammenhang mit diesem Mittel.

(Beifall SPD und SSW)

Eine besondere Verantwortung für die Frage des weiteren Einsatzes oder eben eines Verbots liegt bei Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt. Denn der Bericht des Deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung, den Herr Rickers gerade zitiert hat, ist eine Grundlage für die Entscheidung in der EU. Der Minister hat nach einer Risikoneubewertung durch das BfR dem Wirkstoff eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Das haben wir auch schon gehört. Aber was wir von Herrn Rickers nicht gehört haben, ist der unglückliche Umstand, dass dieses Institut im Rahmen der humantoxischen Bewertung insgesamt 14 Leserbriefe von Monsanto-Mitarbeitern, die in Fachartikeln erschienen waren, als „Studien“ gewertet hat. Das heißt, von den 92 wissenschaftlichen Studien, die das Institut nennt, sind 14 von Monsanto-Mitarbeitern. Das geht gar nicht. Es tut mir leid.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Kritische Untersuchungen wurden unter den Tisch gekehrt. Das ist nicht fair. So geht es nicht. Wir brauchen Ehrlichkeit und Transparenz. Sonst ist nämlich der Weg, den auch Sie beschrieben haben, nicht möglich.

Die EU-Kommission hat die Entscheidung zurückgestellt. Auch das sagten Sie bereits. Dies weckt Hoffnungen bei den Kritikern. Dennoch wissen wir, dass Glyphosat ein wesentlicher Faktor auch in der deutschen landwirtschaftlichen Produktion ist. Darüber hinaus wird Glyphosat von den Lobbyisten der Agrarchemie und der Agrarindustrie gehütet wie ein Gral. Denn damit wird weltweit eine ganze Menge Geld verdient.

(Beifall SPD)

In Schleswig-Holstein - das hatten wir schon - wird es verwandt in den Ackerbauregionen zur Vorsaatbehandlung, zur Stoppelbehandlung, zur Unkrautbeseitigung während des Wachstums, auch im Gemüseanbau und nur noch in Ausnahmefällen zur Vorerntebehandlung. In Grünlandregionen sieht man es, wenn man aufmerksam durch die Landschaft fährt. Die Wiesen, die ab und zu ganz gelb aussehen, sind die, die mit Glyphosat für den Umbruch vorbereitet sind.

Ich bin mir sicher, dass eine auf den Einsatz von Glyphosat basierte Landwirtschaft ein Irrweg ist. Um den langfristig erforderlichen Ausstieg aus dem Einsatz zu erleichtern, brauchen wir dringend eine gezielte unabhängige Erforschung sicherer und alternativer Anbaumethoden, wie Bernd Voß es bereits gesagt hat. Wir brauchen einen Ausstiegs

plan. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen noch an Dichlordiphenyltrichlorethan, besser bekannt als DDT, Anfang der 40er-Jahre entdeckt, völlig unbedenklich in den ersten Jahren. In den 60er-Jahren begann mit der Bürgerinitiative „Silent Spring“ die Diskussion um den Ausstieg aus DDT. Dann hat es noch fast drei Jahrzehnte gedauert, bis es endlich so weit war. Es ist höchste Zeit, Glyphosat aus Vorsorgegründen umgehend aus dem freien Verkauf für Privatanwender zu nehmen. Mein Gott, bückt euch doch, wenn Gras zwischen den Steinen ist!

(Heiterkeit und Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Einsatz in der Landwirtschaft muss zudem stufenweise möglichst bis zu einem völligen Ausstieg reduziert werden. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und eine nachhaltige Landwirtschaft sind uns wichtig. Daher bitten wir um die Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 22. September dieses Jahres hat der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette der Europäischen Kommission beschlossen, die Genehmigung für Glyphosat um ein halbes Jahr zu verlängern, da die Genehmigung vor dem Abschluss des Prüfverfahrens auszulaufen drohte. Dazu war er nach Artikel 17 der EU-Verordnung Nummer 1107/2009 verpflichtet.

Heute will die Koalition einen Antrag beschließen, dass sich die Landesregierung - entgegen der für den vorliegenden Fall vorgesehenen Regelungen der eben genannten Verordnung - für ein Moratorium für die Zulassung von Glyphosat einsetzt. Sie bitten die Landesregierung also ein paar Wochen zu spät um etwas, von dem zumindest sehr fraglich ist, ob es rechtlich überhaupt möglich ist. Deswegen drängt sich für mich die Sinnhaftigkeit des Antrags und die Sinnhaftigkeit, schon heute darüber zu beschließen, nicht wirklich auf.

Aber auch wenn es ein rein symbolischer Antrag mit rein deklaratorischem Charakter ist, verdient dieses sensible Thema natürlich eine angemessene Auseinandersetzung. Dabei ist es wichtig, die De

batte sachlich und nüchtern zu führen. Da schließe ich mich natürlich mit ein. Das betrifft aber auch Ihren Antrag. Daran muss sich der Antrag auch messen lassen. Der Antrag lässt jedoch an der einen oder anderen Stelle eben die erforderliche Objektivität vermissen. So heißt es in der Begründung, die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) habe Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ eingestuft. Das ist zwar richtig, wahr ist aber auch, dass es in der Wissenschaft unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob Glyphosat krebserregend ist. Sowohl das schon erwähnte Bundesinstitut für Risikobewertung als auch die Bewertungsbehörden der EU, Kanadas und der USA, und zwar teilweise auch unter Berücksichtigung der IARC-Monografie, sind zu dem Ergebnis gekommen, dass bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist. So deren Studien.

Das wird in Ihrem Antrag natürlich - natürlich! mit keinem Wort erwähnt, obwohl es sich hierbei keinesfalls um eine wissenschaftliche Mindermeinung handelt. Ich will nicht verhehlen, dass die Bewertungen des BfR in der Wissenschaft nicht unumstritten sind. Die Kritik, soweit ich das beurteilen kann, ist in Teilen sicherlich berechtigt. Das Gleiche gilt aber auch für die Monografie der IARC. Professor Helmut Greim, Toxikologe an der TU München, beanstandet etwa, dass die Ergebnisse bestimmter von der IARC berücksichtigter Studien zweifelhaft sind und darüber hinaus eine Gewichtung der Beweise unterlassen wurde.

Im Übrigen weist sogar das IARC selbst in seiner Monografie darauf hin, dass die untersuchten Studien für die Bewertung des reinen Wirkstoffs Glyphosat nur von geringer Relevanz sind. Auch das erwähnen Sie in Ihrem Antrag lieber nicht. Solche Auslassungen sind, Herr Voß, nicht unbedingt ein Indiz für die Sachlichkeit eines Antrags. Ganz im Gegenteil: Solche Anträge sind geeignet, Verunsicherung zu schaffen. Das finde ich falsch.

(Beifall Heiner Rickers [CDU])

Frau Eickhoff-Weber, ich glaube aber auch nicht, dass das Ihre Absicht ist, Verunsicherung zu schaffen. Allerdings - das müssen Sie aushalten können ist das bei den Grünen durchaus anders. Da ist vor kurzer Zeit medienwirksam wegen des Nachweises von Glyphosat in Muttermilch Alarm geschlagen worden, wobei Sie bewusst verschweigen und auch heute wieder verschweigen, dass der Säugling, der am stärksten belasteten Mutter täglich - täglich! mindestens 2.778 l Muttermilch trinken müsste, um

(Kirsten Eickhoff-Weber)

den in Deutschland geltenden Grenzwert zu überschreiten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie viel?)

- 2.778 l Milch täglich, um an den Grenzwert zu kommen!

Wirklich problematisch ist es aber, wenn Sie auch noch versuchen, die Befürworter einer Erlaubniserteilung zu diskreditieren, indem Sie ihnen fehlende Unabhängigkeit unterstellen. Wenn Sie nämlich eine unabhängige Vergabe von Risikostudien durch die Zulassungsbehörde bei Finanzierung durch den Antragsteller fordern - so wie es im Antrag dargestellt ist -, suggerieren Sie ja, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung von der Pflanzenschutzmittelindustrie beeinflusst worden ist.

(Sandra Redmann [SPD]: Ist es ja auch!)

- Ja, ist es ja auch, ist es ja auch. - Wer hat es denn gegründet? Es ist unter Rot-Grün von Renate Künast gegründet worden. Frau Beer, eben in Ihrem Zwischenruf riefen Sie: Man kann dem BfR einfach nicht trauen! - Wer war denn 2002 für die Grünen im Bundestag? - Das waren Sie. Sie haben wahrscheinlich sogar mitgestimmt.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] und Heiner Rickers [CDU] - Zuruf SPD: Das ist aber lange her!)

- Ja, aber das BfR ist doch von Gesetzes wegen schon verpflichtet, Studienergebnisse allein nach wissenschaftlicher Qualität und Evidenz der Studien zu beurteilen. Es bewertet also nach wissenschaftlichen Kriterien ohne Ansehen des Auftraggebers. Sonst müssen Sie tatsächlich einmal mit Ihrer Bundesregierung reden, wenn Sie das BfR dermaßen kritisieren. Dann erwarte ich, dass Sie da ordentlich in Ihrer Bundesregierung für Aufklärung sorgen.

Eine Änderung des rechtlichen Rahmens würde doch nur die Glaubwürdigkeit des BfR beschädigen, ohne die Objektivität des Zulassungsverfahrens in irgendeiner Weise zu stärken, zumal sich auch die von der Industrie in Auftrag gegebenen Studien an Richtlinien der OECD und EU halten müssen.

Ich beantrage, dass über den Antrag heute nicht beschlossen wird, sondern wir im Umweltausschuss wirklich einmal darüber und auch über die verschiedenen Studien diskutieren. Ich weiß nicht, ob Sie eine Abstimmung in der Sache beantragen wollen oder ob wir das dem Ausschuss überweisen wollen.

(Zuruf)

- Sie wollen in der Sache abstimmen? - Damit beweisen Sie doch wieder einmal, dass das ein reiner Schaufensterantrag ist. Sie wollen gar nicht tiefgehender darüber diskutieren. Sie wollen einfach einen Punkt setzen: Wir haben uns gegen Glyphosat ausgesprochen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich finde es schade, dass Sie das nicht im Ausschuss diskutieren wollen.

(Beifall FDP, Hans-Jörn Arp [CDU] und Heiner Rickers [CDU] - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich Frau Abgeordneter Angelika Beer das Wort.

(Zurufe Dr. Heiner Garg [FDP] und Kirsten Eickhoff-Weber [SPD])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren steht Glyphosat in der Kritik. Die Tatsache, dass dieses Pflanzengift noch nicht verboten wurde, muss eigentlich jeden Natur- und Artenschützer auf die Barrikaden treiben.

(Beifall PIRATEN und Sandra Redmann [SPD])

Die Bundesregierung hat hinsichtlich der Senkung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft in den letzten Jahren gar nichts erreicht. Ganz im Gegenteil: Allein in Deutschland werden jährlich rund 5.900 t Glyphosat eingesetzt - Tendenz steigend. Die Folgen trägt die Natur, denn dieses Gift gefährdet Insekten und Vögel. Selbst der wirtschaftliche Nutzen muss infrage gestellt werden, denn der exzessive Einsatz führt dazu, dass die Unkräuter gegen das Herbizid resistent werden.

Aber nicht nur Insekten und Vögel werden durch dieses Pestizid gefährdet, schon lange gibt es Hinweise darauf, dass der Wirkstoff Erbgutschäden, Missbildungen und Krebs verursachen kann. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stuft - das ist hier gesagt worden - das Herbizid Glyphosat als wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen ein - eine fatale Nachricht, da derzeit das Wiederbewilligungsverfahren läuft. Deswegen ist es gut, dass wir heute diskutieren und heute entscheiden, weil jetzt klare politische Signale

(Oliver Kumbartzky)