Protocol of the Session on October 14, 2015

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Glück zum Kern des Themas. Ich freue mich, dass sich der Minister noch einmal geäußert hat. Ich will noch einmal klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass sich die CDU nicht gegenüber irgendwelchen Missständen verschließt, die es im Bereich der Pflanzenschutzmittelanwendung gibt. Wir verschließen uns auch nicht der Diskussion. Im Gegenteil, wir bieten sogar die Diskussion an.

Jetzt komme ich noch einmal zu dem, was ich in meinem Beitrag versucht habe zum Ausdruck zu bringen.

Es gibt einen Bericht aus dem Jahre 2015, nicht aus Ihrem Hause, sondern - da wiederhole ich mich - vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Umweltbundesamt aus Berlin an die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch in Deutschland. Diese Studie aus dem Jahre 2015 kommt durchaus zu anderen Ergebnissen. Deswegen sollten wir darüber diskutieren. Und das will ich auch noch einmal klar und deutlich sagen: Da sind wir nicht weit auseinander. Da sollen wir diskutieren. Wir werden uns, wenn es Schwierigkeiten oder Missstände gibt, auf jeden Fall davor nicht wegducken und in eine falsche Richtung laufen.

Zur Lösung: Hallo, Frau Fritzen, meine Redezeit war leider nicht so lang, dass ich das vorhin zum Ausdruck hätte bringen können. Herr Kumbartzky hat es richtig gesagt: Die Landwirte sind heute top ausgebildet. Die Mittel, die angewendet werden, sind alle auch über das BfR in Berlin zugelassen, oder sie werden eben nicht zugelassen, wenn sie angemeldet werden. Die Technik ist hervorragend, sie kann auch noch verbessert werden. Es gibt, Herr Minister, sogar eine Abmachung zum Gewässerschutz hier in Schleswig-Holstein mit dem Bauernverband. Das können Sie doch nicht ausblenden. Das ist alles freiwillig geschehen. Jetzt kommen Sie

mit Zahlen, die ich anzweifeln kann, weil es einen anderen Bericht gibt. Darüber sollten wir reden.

Senkungseffekte ja - da bin ich sofort bei Ihnen. Jetzt will ich noch eines sagen: Warum ist der Verbrauch oder Einsatz in der Tonnage dermaßen gestiegen? Wir haben von den 90er-Jahren geredet. In den 90er-Jahren ist der komplette Osten dazugekommen. Da ist am Anfang nicht geackert worden. Die Fläche hat sich also immens vergrößert. Herr Voß, wenn Sie an die späten 90er-Jahre denken: Wir hatten bis zu 30 % verpflichtende Stilllegungen auf den Ackerflächen in der EU, damit natürlich auch in Deutschland: Fläche gewachsen, Verbrauch gewachsen, Grünland nicht genutzt, Mais angebaut. Das mögen Sie nicht für richtig halten, aber das heißt nicht, dass pro Hektar damit rumgesaut wurde. Deswegen verwehre ich mich vor solchen Vorgaben - auch im Namen der CDU. Wir wollen gerne diskutieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, diesen Antrag in den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Jetzt frage ich noch einmal: Und das bleibt dabei? - Gut. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Moratorium für die Zulassung von Glyphosat!

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3409

Glyphosat - Neubewertung wissenschaftsbasiert und faktenorientiert vornehmen!

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/ 3470

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zwei freundliche Worte an die CDU vorweg. Fachlich ist es richtig, was Heiner Rickers sagt.

(Beifall CDU)

Seitdem das Patent weg ist, ist Glyphosat so billig geworden, dass eine Steuer eine begrenzte Wirkung hinsichtlich des Einsatzes hat. Es ist aber zugleich so: Hätte man vorher eine Steuer mit den entsprechenden Lenkungswirkungen gehabt, wäre vielleicht früher ein spezielles Messinstrument, mit dem man das einfacher in der Umwelt feststellen kann, entwickelt worden. Vielleicht hätte auch die eine oder andere Analyse die Probleme früher aufgezeigt.

Das andere, was ich Freundliches zur CDU sagen wollte, ist: Wir würden Ihren Antrag in unseren Antrag übernehmen. Wir würden den Text Ihres Antrages gleich als ersten großen Baustein einstellen. Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden.

Der Wirkstoff Glyphosat ist nicht erst seit der Meldung von März dieses Jahres in der Kritik, wonach die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation diesen Stoff als wahrscheinlich krebserregend bezeichnet hat. Lange davor gab es bereits deutliche Hinweise, dass Glyphosat Probleme bei Bodenorganismen macht, Bodenfruchtbarkeit schädigt und so weiter. Besonders bedenklich ist der Stoff auch deswegen, weil Glyphosat ziemlich verbreitet ist. Wir haben in Deutschland in den letzten 15 Jahren eine Zunahme von 300 % gehabt. Aus verschiedenen Gründen, die wir vorhin schon angesprochen haben, sinkt das im Moment.

Es ist das Allroundmittel der Unkrautbekämpfung. Es ist im Hobbygarten, entlang der Bahntrassen 37.000 km in Deutschland - oder auch auf dem Acker, um ihn vor der Saat sauberzumachen, um ein paar Anwendungsbereiche zu nennen. Es ist weltweit das am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel, unter anderen auch, weil es massenhaft im Kombipack zum Anbau von herbizidresistenten Gentechnikpflanzen eingesetzt wird - einer der Gründe auch, warum es sich lohnt, für Gentechnikfreiheit bei uns zu kämpfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die EU hat jetzt die Entscheidung über die Neuzulassung um ein halbes Jahr hinausgeschoben. Damit ist die EU schon einmal ein ganzes Stück weiter als das Bundesamt für Risikoforschung. Damit sind die Forderungen aus unserem Antrag jedoch noch lange nicht erfüllt.

Die Erteilung einer Neuzulassung für Glyphosat, die sich auf die vollständige Bewertung des Bundesamtes für Risikoforschung stützen würde, wäre

grob fahrlässig. Es muss vielmehr neu aufgerollt und vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

(Beifall Angelika Beer [PIRATEN])

Es darf keine Verlängerung der Zulassung geben, solange es Zweifel an der Wissenschaftlichkeit und Objektivität der Begutachtung gibt. Auch das sagt die CDU. Wir bitten daher die Landesregierung, auf EU-Ebene ein möglichst weitgehendes Anwendungsverbot durchzusetzen. Die Verwendung von Glyphosat ist im Haus- und Kleingartenbereich vollkommen überflüssig. Wir kennen ja bereits die Bundesratsbeschlüsse dazu.

Weil die Mittel frei verkäuflich in Bau- und Gartenmärkten zugängig sind, lässt sich das natürlich nicht kontrollieren. Wir können auch nicht hinter jeden Gartenzaun einen Kontrolleur stellen. Zum Glück haben aber eine Reihe von Baumärkten bereits reagiert und das Mittel freiwillig aus dem Markt genommen.

Wir sprechen uns für ein Verbot der Anwendung zur Ernte aus. Viele Landwirte haben in den letzten Jahren schon angefangen, das auch konsequent umzusetzen. Es gibt - ich will gar nicht weitere Punkte aufführen - einen ziemlichen Bedarf an der Entwicklung von Alternativen im Anbauverfahren, um insbesondere von Glyphosat wegzukommen. Wenn ich an unsere letzte Umwelt- und Agrarausschusssitzung denke und die Zielvereinbarung mit der Landwirtschaftskammer sehe, die diese Landesregierung vorgelegt hat und demnächst unterzeichnen wird, da wird auch dieser Punkt sehr deutlich hervorgehoben.

Wir fordern ein möglichst weitgehendes Verbot von Glyphosat. Wir sehen natürlich auch, dass es andere zugelassene Mittel oder Mittelkombinationen gibt, auf die ausgewichen werden könnte, die aber erheblich bedenklicher sind. Darum brauchen wir auch eine Reform des Zulassungsverfahrens auf EU-Ebene beziehungsweise eine entsprechende Umsetzung in den Mitgliedsländern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Pflanzenschutzmittelindustrie darf sich nicht mehr durch selbst in Auftrag gegebene Studien eine Unbedenklichkeitsbescheinigung quasi selber ausstellen. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen es langfristig schaffen, durch neue Anbaustrategien die anstehenden Probleme in den Griff zu bekommen.

Der Bund hat, weil die EU-Pflanzenschutzverordnung aus dem Jahre 2009 ihn dazu verpflichtet, den

(Bernd Voß)

Nationalen Aktionsplan gemacht. Dort sind die Reduktionsziele enthalten: 30 % - Frau Beer hat es vorhin gesagt. Bis 2023 ist noch ein ganzes Stück hin. Es fehlen im Grunde die konkreten Maßnahmen. Ich denke, dass einer der konkreten Vorschläge wirklich in dem Gutachten zur Pflanzenschutzabgabe steht.

Der Handlungsbedarf müsste auch letztlich aus Sicht konventioneller Landwirtschaft ziemlich groß sein. Die Konsequenzen aus dem plötzlich nahenden Verbot von Wirkstoffen wie Neonikotinoiden und Glyphosat machen mehr als deutlich, dass viel zu lange auf kritische Pflanzenschutzmittel gesetzt wurde, und zwar alternativlos, ohne dass man sich wirklich ernsthaft um die Alternativen gekümmert hat.

Bauern brauchen die Alternativen. Sie müssen letztlich handlungsfähig bleiben. Daher müssen wir ziemlich konsequent vorangehen, um innovative Verfahren umzusetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Abgeordneten Heiner Rickers.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Voß, ich begrüße es, dass wir das Thema Glyphosat auch hier im Hohen Hause besprechen, denn es ist durchaus wichtig. Wir haben dank Ihres Wortbeitrages gemerkt, dass wir nicht immer unterschiedlicher Meinung sind.

Damit komme ich zu unserem Änderungsantrag „Glyphosat - Neubewertung wissenschaftsbasiert und faktenorientiert vornehmen!“. Genau das versuchen wir mit dem Antrag zu vermitteln. Denn es ist wichtig - das haben Sie richtig beschrieben -, dass das Mittel Glyphosat, klassisch im Volksbereich Roundup genannt, natürlich massenweise eingesetzt wird - ein günstiges Mittel, in der Wirksamkeit hervorragend, aber, wenn es nicht sachgerecht angewendet wird, wahrscheinlich auch mit den entsprechenden Nachteilen.

Da kommen wir zu dem, was unterschiedlich gesehen wird, besonders auch beim Bundesinstitut für Risikoforschung. Da wundert mich natürlich, dass das Bundesinstitut für Risikoforschung - unabhängig, auf Bundesebene, damals ins Leben gerufen, Herr Voß, über Ihre grüne Kollegin Frau Künast,

als sie Landwirtschaftsministerin war - durchaus zu einer anderen Ausgangslage kommt.

Es stuft in der Anwendung Glyphosat in die sogenannte Gruppe 2 A, also „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“, ein und setzt es damit auf die gleiche Stufe wie zum Beispiel heißen Matetee oder das Arbeiten als Friseur. Die Stufe 1, „krebserregend bei Menschen“ wären dann Alkohol, Sonneneinstrahlung und Zigarettenrauch. Darunter fällt es eindeutig nicht. Es fällt unter die Gruppe 2 A, heißer Matetee oder Arbeiten als Friseur. Da fragt man sich natürlich, ob alles schiefgelaufen ist, wenn ein unabhängiges Institut das so klassifiziert. Dass die WHO das kritisch sieht, ist genau richtig. Das muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Da sind wir überhaupt nicht auseinander.

Die Entscheidung, ob der Einsatz und die Zulassung langfristig verlängert werden, muss diskutiert werden. Dafür sollten wir uns durchaus ein halbes Jahr Zeit nehmen, also Zustimmung von der CDU. Sie laufen dem ganzen Thema ein wenig hinterher, denn das Dokument - auch das haben Sie sicherlich gelesen -, das auf EU-Ebene beschlossen wurde, wonach die Genehmigung für Glyphosat um ein halbes Jahr verlängert werden soll, um in dieser Zeit Studien heranzuziehen und zu forschen, ob die Gesamtverlängerung genehmigt werden soll, stammt vom 30. September 2015. Da war der Zug schon eine Woche aus dem Bahnhof gefahren. Sie laufen einem Thema hinterher.

Für die Zukunft ist wichtig - das will ich hier nicht außer Acht lassen -, dass wir uns politisch damit beschäftigen, diskutieren, was aus Sicht des BfR oder auch der WHO richtig ist, und am Ende zu einem ausgewogenen objektiven wissenschaftlichen Ergebnis kommen, wie und in welcher Form Glyphosat nachhaltig angewendet werden kann oder eben nicht. Dieser Diskussion werden wir uns nicht versperren. Insofern sind wir da nicht so weit auseinander.

Bis dahin freue ich mich, dass Sie zumindest meinen Antrag gelesen und ihn auch nicht als ganz schlecht befunden haben. Ich gebe zu: Es ist nicht nur meiner. Er wird mit der CDU auf Bundesebene abgestimmt, weil uns alle das Problem umtreibt. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

(Bernd Voß)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der EU-Genehmigungsdiskussion für den Wirkstoff Glyphosat hat die Diskussion um dieses Totalherbizid neue Dimensionen erreicht. Im November 2012, als ich den Antrag im Umwelt- und Agrarausschuss zu dem Thema stellte, waren wir noch nicht so weit. Heute ist die gesellschaftliche Debatte breit angelegt, und zwar nicht nur in Schleswig-Holstein, Herr Rickers, sondern weltweit.

Das Herbizid ist im März von der Internationalen Krebsforschungsagentur als „wahrscheinlich krebserregend“ in die zweithöchste Risikostufe eingestuft worden. Dass Sie gerade versucht haben, Herr Rickers, es lächerlich zu machen, indem Sie es mit Matetee vergleichen, halte ich für äußerst problematisch.