Protocol of the Session on October 14, 2015

Meine Damen und Herren, bevor wir zu den Dreiminutenbeiträgen kommen: Es gibt auf der Zielgeraden des heutigen Parlamentstages weitere Gäste auf der Tribüne, und zwar den Frauentreff Stormarn. - Seien Sie uns herzlich willkommen zur Schlussphase, meine Damen!

(Beifall)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe Ser- pil Midyatli [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich würde jetzt keine frauendiskriminierenden Äußerungen von mir geben.

(Weitere Zurufe)

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Kollegin, ich verfolge selbstverständlich Ihre wesentlichen Debattenbeiträge an den Radiogeräten und an den Schirmen, wie viele andere Deutsche auch. Ich habe mich auch nicht zu Wort gemeldet, damit das hier eine Schauveranstaltung wird, sondern weil ich auf einen Punkt hinweisen will, der in den Ausschussberatungen vielleicht noch intensiviert werden sollte, und zwar auf der Grundlage Ihrer Äußerungen, Frau Kollegin Waldinger-Thiering.

Ich warne dringend davor, die Dokumentation der Grenzsituation, ausgelöst durch Staatsorgane der ehemaligen DDR, in Verbindung zu bringen mit der Verstrickung Schleswig-Holsteins in das nationalsozialistische Unrecht. Das hat nichts miteinander zu tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- rufe Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Dann verstehe ich die Ausführungen meiner Vorrednerin nicht, denn sie hat genau darauf hingewiesen, dass dies in ein Gesamtkonzept zur Aufarbeitung der Geschichte Schleswig-Holsteins eingebettet werden soll. Das eine hat mit dem anderen relativ wenig zu tun, weshalb man das auch isoliert voneinander betrachten kann.

Wir wären bereit und dafür, diesen konkreten Punkt sofort in der Sache abzustimmen, weil es darum geht, die Stelle finanziell zu dotieren und damit aufrechtzuerhalten und nicht lange zu warten, bis es ein Konzept gibt.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Da hat Ihr Kolle- ge etwas anderes gesagt!)

Dann ist der FDP-Antrag wieder zurückgenommen, Herr Abgeordneter?

Ich finde es sehr bemerkenswert, wenn ich auf einen Beitrag der vor mir redenden Kollegin eingehe, der den Beifall eines Teils des Hauses findet, dass mir anschließend erklärt wird, dass dies völlig überflüssig sei. Ich frage mich, warum die Kollegin vorher diese Rede gehalten hat. Die war dann ja in sich auch überflüssig.

Noch einmal: Ich warne dringend davor, beides miteinander zu verquicken, weil es keinen Sinn

(Jette Waldinger-Thiering)

macht und auch zu falschen Schlussfolgerungen und Ergebnissen führen würde.

Ich wäre bereit, in der Sache abzustimmen, aber der Ausschuss -

(Weitere Zurufe)

- Ich weiß nicht, Frau Midyatli, ob das in der SPDFraktion anders ist. Bei uns jedenfalls ist es so, dass die Abgeordneten alle eine eigene Meinung haben, die sie im Zweifel auch durchsetzen können.

(Heiterkeit)

Selbst der Fraktionsvorsitzende darf eine eigene Meinung haben, was Sie heute Morgen schon sehen konnten bei dem wunderbaren Antrag, bei dem man sich für die Mitarbeit des Herrn Kollegen Dr. Garg bedankt hat, während der Rest der Fraktion zwar die Mitarbeit des Kollegen Dr. Garg auch positiv gesehen hat, sich aber im Ergebnis anders entschieden hat.

(Beifall CDU - Heiterkeit)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Fritzen?

Selbstverständlich.

Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Ich wollte keine Zwischenfrage stellen, sondern ich wollte zum Ersten bemerken, dass ich mich über die Meinungsfreiheit und auch die spontane Meinungskundgebung, die in der FDP-Fraktion möglich ist, sehr freue.

Zum Zweiten wollte ich sagen, dass wir uns genau in Ihrem Sinne - und jetzt ernsthaft: Ich bedanke mich dafür, dass Sie das noch einmal betont haben - vorhin ziemlich einig darüber waren, dass wir über diese Problematik doch noch einmal etwas ausführlicher im Ausschuss diskutieren sollten. Ich glaube, dass dies einer längeren Debatte bedarf. Man hat ja auch gesehen, dass hier offensichtlich mit verschiedenen Vorzeichen gearbeitet wird.

Deshalb war es wahrscheinlich eine Frage der Tonqualität an den Bildschirmen und an den Radiogeräten,

(Heiterkeit)

die dafür gesorgt hat, dass Sie von diesem Hinweis des geschätzten Herrn Kollegen Klug nichts mitbekommen haben.

Es geschieht häufiger, dass ich den geschätzten Hinweisen des Herrn Kollegen Klug intellektuell irgendwie nicht folgen kann.

(Heiterkeit)

Aber ich gebe zu, dass ich den Ausführungen der Kollegin Jette Waldinger-Thiering etwas mehr und intensiver gelauscht habe als den vorherigen Ausführungen, was mich ja auch dazu veranlasst hat, darauf zu reagieren. Ich habe mir das extra von dem Herrn Kollegen Garg notieren lassen. Aber wenn wir in dieser Frage Einigkeit erzielt haben, Frau Vizepräsidentin, dann bin ich zufrieden; denn dann ist das erreicht, was ich wollte. - Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.

Dies hat jetzt einen weiteren Dreiminutenbeitrag ausgelöst. Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering für einen Dreiminutenbeitrag.

Vielen Dank, Herr Kollege Kubicki, dafür, dass Sie mir so spontan zugehört haben.

Ich habe in meiner Rede gesagt, dass unsere Kulturministerin ein Gedenkstättenkonzept angestoßen hat für die nationalsozialistische Vergangenheit, dass wir aber auch so etwas Ähnliches benötigen, um unsere deutsch-deutsche Geschichte aufgreifen zu können. Das ist das, was ich gesagt habe. Ich habe nicht gesagt, dass wir das beides in einem Topf vermengen wollen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das klang vorhin aber anders!)

- Deshalb wollte ich das hier noch einmal klarstellen. Wir wollen nicht beides miteinander vermengen. Aber wir müssen auch für die deutsch-deutsche Geschichte Erinnerungsorte haben, und wir müssen auch dafür ein Konzept haben. Genau das habe ich gesagt.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Weitere Wortmeldungen aus der Mitte des Parlaments sehe ich nicht mehr. - Damit hat jetzt die Landesregierung das Wort. Ich erteile das Wort der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich jetzt zurückhalten,

(Beifall)

möchte aber dennoch Folgendes ausführen: Die innerdeutsche Grenze zur DDR hat die Entwicklung Schleswig-Holsteins 28 Jahre lang auf besondere Weise geprägt. Als Bundesland mit extremer Randlage - im Südwesten von der Elbe begrenzt und von Nord- und Ostsee umgeben - wurde Schleswig-Holstein durch die Grenze zwischen Travemünde-Priwall und Lauenburg fast vollständig vom übrigen Westdeutschland abgeschnitten. Der Weg in den Westen führte allein über Hamburg.

Kein anderes westdeutsches Bundesland war derart isoliert, Westberlin einmal ausgenommen. Kein anderes Bundesland besaß eine Meeresgrenze zur DDR, eine Grenze, die ganz eigene Dramen für Menschen schrieb, die aus der DDR flüchten wollten. Und keine westdeutsche Großstadt lag so unmittelbar an der innerdeutschen Grenze wie Lübeck. Das war ein großer Nachteil für die Stadt.

Die Grenze, die Deutschland geteilt und SchleswigHolstein isoliert hat, dürfte in ihrer Absurdität und ihrem Verlauf wohl nur noch wenigen Menschen genau bekannt sein. Etwa, dass die Pötenitzer Wiek beim Seehafen Travemünde mitsamt einem schmalen Uferstreifen zu Schleswig-Holstein gehörte. Bei Hochwasser gab es diesen schleswig-holsteinischen Landstreifen nicht mehr. Die Staatsgrenze West der DDR verlief dann am Wasser.

Nur wenige haben wohl noch in Erinnerung, dass ein Ereignis an der schleswig-holsteinischen Landgrenze zur DDR das ohnehin negative Ansehen der DDR noch stärker mitgeprägt und zugleich die deutsch-deutschen Kontakte mit beeinflusst hat: Im April 1976 gelang es Michael Gartenschläger bei Bröthen im Kreis Herzogtum Lauenburg, eine Selbstschussanlage vom DDR-Grenzzaun abzumontieren. Gartenschläger, als politischer Häftling

in der DDR von der Bundesrepublik freigekauft, übergab diese dem „Spiegel“. Es stellte sich heraus, dass die sogenannte SM 70 scharfkantige Eisenwürfel über einen Schusstrichter feuerte und Flüchtige zerfetzen konnte. Das internationale Echo war verheerend. Gartenschläger selbst wurde beim Versuch eines weiteren Abbaus von DDR-Grenzaufklärern an der innerdeutschen Grenze im Kreis Herzogtum Lauenburg, am sogenannten Valluhner Sack, erschossen.

1983 baute die DDR diese mehr als 50.000 in Augenhöhe am Grenzzaun montierten Minen stillschweigend ab. Es spricht viel für den begründeten Zusammenhang, dass ein von Franz Josef Strauß eingefädelter Milliardenkredit der alten Bundesrepublik für dieses Vorgehen den Ausschlag gab.