Protocol of the Session on October 14, 2015

Wenn es um EU-weite Regelungen geht, ist die Gefahr immer groß, dass man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen kann. Zugegeben, damit wären die hohe Qualität und die Standards gefährdet, und darum kann und darf es bei dieser Regulierung von Berufszugängen nicht gehen.

Das bestehende System der Gebühren- und Honorarordnung der freien Berufe trägt auch zur Qualitätssicherung bei. Es dient dem Verbraucherschutz dadurch in zweierlei Hinsicht; denn es ist auch transparent. Daher unterstützen wir das grundsätzlich. Gleichwohl kann man einmal genauer nachschauen, ob es Regulierungsbedarf gibt.

Es darf aber nicht um den Erhalt von Pfründen gehen oder um Regularien, um die freien Berufe im eigenen Land zu schützen. Anders gesagt: Es darf nicht um Missbrauch von Regelungen gehen, um andere im Land vom Arbeitsmarkt künstlich auszugrenzen. Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben. Ansonsten würde uns dies auf die Füße fallen; denn so etwas würde auf EU-Ebene nicht akzeptiert.

Aus meiner Sicht wäre es durchaus wünschenswert, den Antrag dem Ausschuss zu überweisen, um zu erfahren, wie derzeit der Stand der Dinge ist und wie die Evaluierung und die Ergebnisse in den anderen Mitgliedstaaten aussehen. Zudem wäre es interessant zu erfahren, worin die Unterschiede bestehen, wenn wir über freie Berufe in der EU sprechen. Daher plädiere ich für die Ausschussüberweisung. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem ganzen Getümmel des Besucherstroms habe ich übersehen, dass der ehemalige SPD-Abgeordnete Hans-Jürgen Wolter auf der Besuchertribüne sitzt. Sie begrüße ich nun ganz besonders. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Landesregierung spricht in Vertretung für den Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf heute für den Kollegen Reinhard Meyer sprechen, der sich derzeit in Berlin aufhält, um an einer Sitzung des Vermittlungsausschusses teilzunehmen.

Die Transparenzinitiative der EU-Kommission zur Bewertung der nationalen Reglementierung des Berufszugangs beschäftigt den Bund und die Länder schon seit Längerem. Die Bundesländer haben sich über den Bundesrat bereits eindeutig zu diesem Vorschlag geäußert und Stellung genommen.

Grundsätzlich begrüßt die Landesregierung das Ziel der Kommission, mehr Transparenz in die Zugangsstrukturen und Reglementierungen für die unterschiedlichsten Berufe in den Bereichen Handwerk und freie Berufe zu bringen. Aber die Annahme der Kommission, dass sich Zugangsbeschränkungen generell negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, hält die Landesregierung schlichtweg für falsch.

Deregulierung um der Deregulierung willen führt entgegen der Einschätzung der EU-Kommission nicht zu nachhaltig mehr Wachstum und Beschäftigung. Freiberufliche Dienstleistungen sind ihrem Wesen nach individuell auf die spezifischen Bedürfnisse des Nachfragers beziehungsweise des Verbrauchers zugeschnitten. Gleichzeitig dienen sie auch gemeinwohlorientierten Belangen, zum Beispiel der Sicherung der Rechtspflege, der Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung und der Wahrung der Sicherheit von Bauwerken.

Das hat Bezug zu unserer staatlichen Daseinsfürsorge. Dafür bedarf es verbindlicher Regelungen und Qualitätsstandards. Allein der Titel und die Angabe des Herkunftsstaates reichen dafür nicht

(Flemming Meyer)

aus, um Qualifikation und Qualität hinreichend deutlich und transparent zu machen.

Als Konsequenz dieser strukturellen Besonderheit setzt deshalb der deutsche Rechtsrahmen für freiberufliche Dienstleistungen auf einen qualitätsbasierten Ansatz. Darauf zielt das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine des Gesamtrahmens für freiberufliche Tätigkeiten von den jeweiligen Zugangsvoraussetzungen, den Berufsrechten und auch den Berufspflichten, über die Gebühren- und Honorarordnung, das Fremdkapitalverbot bis hin zur Berufsaufsicht durch die berufsständische Selbstverwaltung durch Kammern und Verbände ab.

Das deutsche Gesamtsystem für freiberufliche Tätigkeiten ist in Deutschland sorgfältig austariert und hat sich bewährt. Meine Damen und Herren, deshalb wollen wir daran festhalten. Es ist ein Gesamtpaket.

Der Landtag hat sich bereits im Juni des vergangenen Jahres mit der Transparenzinitiative der EUKommission befasst und einen entsprechenden Beschluss gefasst. Wir sind natürlich auch schon längst in diesem Sinne aktiv geworden.

Kollege Meyer war im Juni dieses Jahres gemeinsam mit Vertretern des Handwerks in Brüssel bei der Generaldirektion Binnenmarkt. Sie haben sich dort vor dem Hintergrund der Transparenzinitiative für die Erhaltung des deutschen Meisterbriefs starkgemacht. Reinhard Meyer hat dabei gegenüber den Vertretern der Generaldirektion Binnenmarkt Folgendes deutlich gemacht.

Im Gegensatz zu den in Deutschland bestehenden klaren und transparenten Regeln im Handwerk wie bei den freien Berufen gibt es bei anderen EU-Mitgliedstaaten eher informelle, eher indirekte Regelungen. Diese indirekten Regelungen muss die EU anstelle der transparenten deutschen Regeln in den Fokus nehmen; denn die indirekten Reglementierungen sind es, die die Dienstleistungsfreiheit erschweren, aber nicht das bewährte deutsche Regelungssystem, das eine der wesentlichsten Grundlagen unserer überdurchschnittlich guten Beschäftigungslage sowie einer geringen Jugendarbeitslosigkeit ist

(Vereinzelter Beifall SPD)

und zudem seit Jahrzehnten zur Stabilität und zum Wachstum unserer Volkswirtschaft beiträgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt abzuwarten, wie die Kommission mit den Ergebnissen der gegenseitigen Evaluierung und den Aktionsplänen der Mitgliedstaaten weiter verfahren

wird. Die Landesregierung jedenfalls wird diesen Prozess auch weiterhin intensiv verfolgen und kritisch begleiten.

Für das Land steht fest: Die freien Berufe, so wie sie bei uns aufgestellt sind, erfüllen aufgrund des Fremdkapitalverbots und des bewusst unabhängigen Status wichtige gesellschaftliche Aufgaben. Sie sind ein bedeutender Teil unserer Wirtschaft und schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze. Wir brauchen und schätzen die freien Berufe in SchleswigHolstein. Deshalb unterstützen wir die Anliegen der freien Berufe im Zusammenhang mit der Transparenzinitiative der Kommission.

Die Landesregierung wird sich weiterhin bei der Bundesregierung und bei der EU-Kommission für eine Beibehaltung der bewährten deutschen Standards und für die Sicherung von Qualität und Verbraucherschutz einsetzen. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 18/3350 (neu), dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Initiative „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3341

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile das Wort für die Landesregierung der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk.

(Ministerin Kristin Alheit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ setzt Maßstäbe. Ich bin froh, dass wir an dem Programm partizipieren können, und zwar trotz anfänglicher Kritik, die sich in erster Linie mit dem Verständnis der kulturellen Bildung an sich auseinandergesetzt hat und so eine intellektuelle Debatte über Inhalt und Art kultureller Bildung wurde. Meine Damen und Herren, das Programm sollte unbedingt über das Jahr 2017 hinaus fortgesetzt werden. Denn wie Frau Staatsministerin Professor Monika Grütters bei der Verleihung des BKM-Preises für kulturelle Bildung im Juni zu Recht sagte - ich zitiere -:

„Der sehr abstrakte, etwas unsinnliche Begriff der ‚Kulturellen Bildung‘ wird sofort mit Leben erfüllt, wenn man sich anschaut, welche fantastischen Projekte in diesem Jahr für unseren Preis nominiert worden sind.“

Weiter sagte sie, diese Projekte seien Ausdruck einer lebendigen kulturellen Bildungslandschaft. Diese lebendige kulturelle Bildungslandschaft gibt es auch bei uns. Diese zu stärken, ist ein wichtiger Bestandteil des Kulturkonzepts dieser Landesregierung, der Kulturperspektiven. „Kultur macht stark“ spielt uns damit also absolut in die Karten.

Durch die Mittel des Bundesprogramms, die über 33 Bundesdachverbände an Antragsteller in allen künstlerischen Sparten vergeben werden, wird die kulturelle Bildung massiv gestärkt. „Kultur macht stark“ wird in Schleswig-Holstein in allen Bereichen gut angenommen. Bis zum 1. Juli dieses Jahres erhielten schleswig-holsteinische Antragsteller circa 2,8 Millionen € für insgesamt 313 Maßnahmen und Projekte. Das sind rund 4 % der Fördersummen, die bis zu diesem Zeitpunkt für abgeschlossene, laufende oder geplante Maßnahmen verausgabt wurden. Ich denke, damit liegen wir noch über dem Königsteiner Schlüssel. Das heißt, wir sind gut aufgestellt.

Aus der Vielzahl der spannenden Projekte will ich nur einen kleinen Ausschnitt nennen.

Von Gelting bis Lauenburg finden Theaterprojekte statt. In Museen werden MuseobilBOXEN gestaltet. Kinder und Jugendliche setzen sich mit den jeweiligen Sammlungen künstlerisch auseinander. Jugendliche in Orten wie Nortorf und Bordesholm gestalten ihr eigenes Kinoprogramm. Das Programm der Deutschen Sportjugend ermöglicht die Erforschung von Bewegungsräumen im öffentlichen

Raum. Allein 30 Projekte werden in Flensburg von der Universität realisiert.

Der Bereich der Jugend- und Jugendverbandskultur ist mit 29 Projekten im Land aktiv. Die Zirkusprojekte in Schleswig-Holstein fanden in Mildstedt, Norderstedt und Harksheide statt. Im Bereich „Erkunden und Erfahren“ ist insbesondere die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein aktiv. Die Volkshochschulen haben mit ihrem Programm TalentCampus landesweit mit 67 Maßnahmen insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund gefördert und die Chance geboten, sich kreativ zu betätigen.

Literatur und Lesen sind weitere Schwerpunkte der Projekte, die durch dieses Programm gefördert werden. Die Büchereien im Land, aber auch der Friedrich-Bödecker-Kreis, die Stiftung Lesen, die neun betreute Schulbüchereien eingerichtet haben, sind in Schleswig-Holstein engagiert.

Meine Damen und Herren, durch das Programm „Kultur macht stark“ wird die ganze Breite der Kulturbereiche abgedeckt. So haben die Musikschulen mit 52 verschiedenen Projekten mit weit über 800.000 € den größten Anteil an der Fördersumme für bedürftige Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein akquiriert. Vom Musical bis zum integrativen Musikprojekt, vom Unterricht an Tasteninstrumenten für afghanische Jugendliche bis zu einem ganzheitlichen ästhetischen Unterricht für die Jüngsten reichen diese Projekte der Musikschulen. Auch Musikzüge, Orchestervereinigungen oder die Initiative Popularmusik haben in Schleswig-Holstein Angebote unterbreitet. Seit September steht fest, dass die Musikschule Plön zum Januar 2016 ein integratives Projekt für Flüchtlinge startet.

Meine Damen und Herren, das Programm „Kultur macht stark“ mit seinen vielfältigen Angeboten hat bewirkt, dass die verschiedensten Einrichtungen Kooperationen vereinbart haben, um für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche Angebote der kulturellen Bildung anzubieten. Dabei unterscheiden sich die Angebote nicht nur in den Sparten, sondern auch im zeitlichen Rahmen. So sind einige Projekte für eine Woche ausgelegt, während andere langfristig ausgelegt sind und wöchentlich Stunden anbieten.

Darüber hinaus bietet das Programm die Möglichkeit, Anträge zu stellen, die ein Projekt über einen Zeitraum von vier Jahren finanzieren. Diese Chance wurde zum Beispiel vom Türkisch-Deutschen Mädchenchor in Lübeck genutzt. Von der Servicestelle „Kultur macht stark“, die mit Landesmitteln in der

Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Schleswig-Holstein eingerichtet worden ist, werden Antragstellende gezielt unterstützt.

Von dort konnten vor allem die Initiativen und Kooperationen Hilfe bekommen, die keine feste Bindung an einen der Bundesprogrammpartner haben. Zurzeit befindet sich das Programm in der Evaluation, um dann bis 2017 und hoffentlich darüber hinaus, möglicherweise in modifizierter Form - ich weiß, dass auch mehr Integration, mehr Interkulturalität angedacht ist -, weitergeführt zu werden.

Von großer Bedeutung ist die Frage, wie der ländliche Raum kulturell angemessen gestärkt werden kann. Dazu hat die LKJ zum Beispiel am 7. Oktober 2015 in Lübeck eine Tagung ausgerichtet. Wie Sie sich vorstellen können, stehen Initiativen aus dem ländlichen Raum immer vor besonderen Herausforderungen. Der von dieser Tagung ausgehende Impuls wird dazu führen, dass Maßnahmen im ländlichen Raum gestartet werden können.

Meine Damen und Herren, dies alles sind wichtige Mosaiksteine, die zusammen das deutliche Profil einer lebendigen kulturellen Bildungslandschaft formen.

Gemeinsam mit unseren Initiativen, mit dem Projekt „Schule trifft Kultur - Kultur trifft Schule“, das die Stiftung Mercator in Kooperation mit den beiden federführenden Ressorts im Land, nämlich dem Bildungs- und dem Kulturministerium, bis 2017 gestaltet, mit den fünf Kulturschulen, mit den Projekten unserer Hochschulen, insbesondere der Muthesius Kunsthochschule und der Musikhochschule, und nicht zuletzt mit den zahlreichen Akteuren der kulturellen Bildung in unserem Land, mit all diesen Akteuren zusammen werden wir eine nachhaltige, lebendige Struktur erhalten und, wo nötig, auch schaffen, die die kulturelle Teilhabe vieler Kinder, vieler Jugendlicher und Erwachsener ermöglicht. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.