Protocol of the Session on September 16, 2015

Auch generelle PPP-Lösungen lehnen wir ab. PPP steht leider immer noch für Pleiten, Pech und Pannen im Straßenbau.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Die Risiken trägt der Staat, der private Träger steckt sich die Taschen voll. Private Unternehmen greifen sich bei der Finanzierung Filetstücke heraus

(Kai Vogel)

und engagieren sich gerne bei den Projekten, mit denen sich viel Geld verdienen lässt.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Ja, aber die Sanierung und die systematische Erneuerung unserer Infrastruktur lohnt sich für private Unternehmen nicht. Ich erinnere mich noch gut an den Vorschlag von Herrn de Jager, Ihrer Regierungskoalition und des französischen Unternehmens Vinci, das ja im Wirtschaftsausschuss berichtet hatte. Ich habe mir noch einmal die Drucksache von vor drei Jahren angeguckt. Vinci forderte neben der Tunnelmaut von 2 € bis 12 € pro Kfz auch 1 Milliarde € Bauzuschuss, und für 150 km sollte rund um den Tunnel 50 Jahre lang die Lkw-Maut durch den Staat weitergeleitet werden. Ich meine, mit einem solchen schönen Finanzierungsmodell ist das für den Privaten natürlich attraktiv. Wir haben teure Infrastruktur vor und hinter dem Tunnel gebaut, und jetzt sollen wir noch Geld dafür zahlen, damit dieser Investor den Tunnel baut. Wie verrückt ist das denn eigentlich? Das ist doch Steuerbeschiss - Entschuldigung, Herr Präsident.

Wir haben also überhaupt keinen Grund, ein Interessenbekundungsverfahren auf den Weg zu bringen. Wir hatten bereits ein inoffizielles Interessenbekundungsverfahren. Damals hat Minister Ramsauer zu Recht gesagt, dieses Verfahren macht keinen Sinn. Der Bund wird nicht auf die Mauteinnahmen vor und hinter dem Tunnel verzichten. Lediglich über eine Anschubfinanzierung dachte man nach. Die hat man jetzt eingestellt. Aber die Frage der Lkw-Maut ist nach wie vor offen. Wie gesagt, 1,8 Milliarden €; die gesamte Linie der A 20 3 Milliarden €. Wer bauen will, muss auch das Geld zur Verfügung stellen und die parlamentarischen Mehrheiten in Berlin dafür sicherstellen. Der Ball liegt nicht in unserem Feld, Herr Arp. Der Ball liegt in Berlin und nicht in Kiel.

Was ich Ihnen auch noch mit auf den Weg geben möchte: Sie haben in Ihrer Rede jetzt wieder diesen Autobahnstummel gefordert, so nach dem Motto: Lasst uns schon mal vorausbauen, wenn eventuell der Tunnel kommt. Das macht keinen Sinn. Das haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert.

(Christopher Vogt [FDP]: Das hat Mecklen- burg auch gemacht!)

Also, hören Sie auf mit diesen Sonntagsreden, Schaufensteranträgen und diesen ewig gleichen Fangesängen zur A 20. Das fördert Politikverdrossenheit. Anstatt über den Erhalt geschaffener Werte zu diskutieren und sich ernsthaft der Frage zu stel

len, wie wir diese Werte erhalten oder verbessern, reden Sie über Luftschlösser.

Sie haben die Planung der A 20 versemmelt, jetzt drücken Sie auf die Tube, ohne zu wissen, wie es weitergehen soll.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie erdreisten sich aber!)

Das ist die Wahrheit, die hier ausgesprochen werden muss. Meine Prognose: Bei einem Interessenbekundungsverfahren wird nichts herauskommen, was wir nicht schon wissen. Die Elbquerung bleibt nach derzeitigen Aussagen unwirtschaftlich. Die Verkehrszahlen, die dort prognostiziert werden, werden nicht erreicht. Investition und Nutzen stehen in keinem Verhältnis zueinander. Da werden Sie auch mit Ihrem Interessenbekundungsverfahren keine Gelddruckmaschine anwerfen, ganz im Gegenteil. Deshalb ist Ihr Antrag unsinnig. Wir werden ihn aber dennoch im Ausschuss diskutieren. Wir wollen Ihnen ja nicht das demokratische Recht des Diskutierens abschneiden. Aber ich bleibe dabei: Dieser Antrag ist unsinnig, er bringt überhaupt nichts für die A 20. Deshalb werden wir ihn in den Ausschuss überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Tietze, Ihre Entschuldigung nehme ich gern an.

Als Nächster hat Herr Abgeordneter Christopher Vogt für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war wirklich wieder eine bahnbrechende Argumentation vonseiten der Grünen. Herr Kollege Dr. Tietze, Sie haben ja recht: Wir diskutieren wirklich fast jedes Mal über die A 20. Jedes Mal kommen Sie uns allein mit finanzpolitischen - so sage ich es einmal Verwirrungen, die Sie hier zu stiften versuchen. In Wirklichkeit geht es Ihnen doch aus ideologischen Gründen darum, dass Sie die A 20 nicht wollen.

(Beifall FDP und CDU)

Sagen Sie das doch wenigstens, und machen Sie nicht solche Verrenkungen.

Es tut mir leid, dass ich schon zu Beginn meines Redebeitrags die Spannung ein bisschen kaputtmachen muss: Die FDP-Fraktion begrüßt die Aufnahme des Elbtunnels in den Bundeshaushaltsent

(Dr. Andreas Tietze)

wurf für das Jahr 2016. Das ist in der Tat ein sehr wichtiges Signal aus Berlin für den Weiterbau der Autobahn, das im Ergebnis zwar nicht wirklich überraschend kommt, aber dennoch eine gute Nachricht für die vielen Befürworter des Projektes ist.

Das geplante ÖPP-Modell - Herr Kollege Dr. Tietze, da bin ich zumindest ein Stück weit bei Ihnen ist zwar auch nur unsere zweitliebste Variante zur Realisierung der Elbquerung, aber entscheidend ist für uns und - so glaube ich - auch für sehr viele Menschen in unserem Bundesland, dass es endlich mit der A 20 vorangeht und dass es entsprechende Signale gibt. Das ist für die Wirtschaft sehr wichtig. Ich glaube, dieser Koalitionsstreit und dieser Stillstand schüren Politikverdrossenheit und nicht die Tatsache, dass es vorangeht.

(Beifall CDU - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Minister hat - wie eben der Kollege Vogel auch - das Modell einer staatlichen Projektgesellschaft nach dänischem Vorbild für den Elbtunnel ins Spiel gebracht. Herr Minister, da würde mich einmal interessieren - Sie sind gleich dran -: Was ist eigentlich daraus geworden? Verfolgt die Landesregierung diesen Vorschlag weiter? Hat Berlin eigentlich jemals auf Ihre entsprechenden Schreiben in dieser Richtung reagiert? Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden. Ich sehe das ehrlich gesagt nicht.

Es sind noch elf Klagen bezüglich des Planfeststellungsbeschlusses anhängig, aber ich will doch - anders als bestimmte Mitglieder dieser Landesregierung - sehr hoffen, dass die Landesregierung bei der Planung ordentlich gearbeitet hat. Ich verlasse mich darauf. Sie reden ja immer - ich kann das schon gar nicht mehr hören - von Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Das werden wir jetzt sehen. Schnell sind Sie tatsächlich nicht; ob Sie gründlich sind, werden wir jetzt sehen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob die 600 Millionen € als Anteil des Bundes am ÖPP-Modell am Ende ausreichen werden. Aber gerade deshalb muss doch das Signal des Landtags nach Berlin gesandt werden: Startet jetzt ein Interessenbekundungsverfahren, damit man das eben abklopfen kann. Genau deshalb bin ich auch der CDU-Fraktion für den vorliegenden Antrag dankbar. Wir wollen in der Sache abstimmen. Wir wollen dem heute zustimmen. Eine Antragsberatung im Ausschuss macht keinen Sinn, da Sie gar nicht darüber befinden wollen, weder heute noch in einigen Monaten.

Insofern ist es wirklich armselig, dass die Sozialdemokraten hier nicht in der Sache abstimmen wollen und auch mit den Grünen keinen Gegenantrag hinbekommen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Minister, ich erwarte auch von Ihnen als angeblich größten auf Erden lebenden A-20-Fan aller Zeiten, dass Sie sich heute klar zum Interessenbekundungsverfahren bekennen, dass Sie deutlich sagen, dass die Landesregierung das ebenso will, wenn sich die Koalitionsfraktionen schon nicht dazu durchringen können.

Ich habe es schon mehrfach gesagt, und Herr Dr. Tietze, ich werde es wahrscheinlich noch einige Male hier sagen müssen: Schleswig-Holstein braucht die A 20 so schnell wie möglich, weil es unserem Bundesland eben bisher an einer leistungsfähigen Ost-West-Straßenverbindung fehlt. Die A 20 würde nicht nur unser Bundesland als Wirtschaftsstandort attraktiver machen, sie würde Hamburg entlasten, sie würde die Menschen in den Wohnorten im Hamburger Umland entlasten, und durch die Elbquerung würde ein neuer Wirtschaftsraum geschaffen. Das wäre für die Westküste wichtig. Ich weise noch einmal darauf hin: Auch für den Kreis Steinburg beispielsweise - zuletzt wirtschaftlich stark gebeutelt - wäre es ein wichtiger Schritt und ein wichtiges Signal.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU] und Heiner Rickers [CDU])

Herr Dr. Tietze, die gesamte Wirtschaft in Schleswig-Holstein wartet darauf, dass es endlich einmal mit der Verkehrsinfrastruktur besser wird und nicht weiter stockt oder eben schlechter wird. Ich glaube, die A 20 wird immer mehr zum Symbol für die verkorkste Infrastrukturpolitik unseres Landes, wenn sich nicht endlich etwas ändert. Das liegt zum einen am Managementproblem im zuständigen Ministerium, das haben wir schon wiederholt besprochen, aber auch am Planungsrecht, Herr Dr. Tietze. Das Planungsrecht ist viel zu kompliziert, es ist ein Verhinderungsrecht geworden. Das kommt natürlich den grünen Verbänden und Ihrer Partei entgegen, aber, Herr Dr. Tietze, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn die Menschen immer mehr das Gefühl haben, dass die Interessen von Fledermäusen und Haselmäusen höher gewichtet werden als die Interessen von Menschen in Wohnorten, die von den Plänen zur A 20 betroffen sind, dann schürt das eben auch Politikverdrossenheit und Unmut.

(Zuruf Lars Winter [SPD])

(Christopher Vogt)

Damit müssen Sie umgehen, Herr Dr. Tietze. Ich bin ja erstaunt, dass Sie nach wie vor starr an Ihrem Koalitionsvertrag festhalten. Dass die Koalition mit diesem Stillstand in den Landtagswahlkampf gehen will, könnte mich zwar freuen, aber es schadet unserem Land. Deswegen ärgert mich das nach wie vor massiv. Ich kann nur sagen: Denken Sie endlich um, sonst können Sie im Landtagswahlkampf nicht erklären, was eigentlich nach der Landtagswahl mit der A 20 passieren soll. Soll die dann auch nur maximal bis zur A 7 gebaut werden? Wenn die Koalition damit in die Wahl geht, freue ich mich schon jetzt sehr auf den Wahlkampf. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So wünschenswert der Weiterbau der A 20 auch sein mag, ihn im Wege eines ÖPP-Modells zu machen - so kann es nicht gehen! Die vom Bund jetzt geplante private ÖPP-Finanzierung der Elbquerung ist ein fataler Irrweg, weil ÖPP-Modelle erfahrungsgemäß viel teurer kommen als eine Finanzierung aus dem Bundesverkehrswegeplan. Immer wieder wird ÖPP durch pauschale Abschläge schöngerechnet. Bisher sind in Deutschland zwei mautpflichtige Tunnel privat realisiert worden, wobei beide Male katastrophale Erfahrungen gemacht worden sind. Im Moment erleben wir das dritte Mal bei der festen Fehmarnbelt-Querung.

Auch bei dem jetzt geplanten Elbtunnel lag die ursprüngliche Kostenschätzung bei 813 Millionen €, im Moment behauptet unser Wirtschaftsminister, es handele sich um 1,1 Milliarden €, während der Bundesrechnungshof schon jetzt mit mindestens 1,5 Milliarden € rechnet. Das heißt aus unserer Sicht ganz klar: Hier wird der nächste Pleitetunnel schon geplant.

(Beifall PIRATEN und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

ÖPP ist auch deswegen unwirtschaftlich, weil die Bedarfskontrolle, die Effizienzprüfung und die Priorisierung ausgehebelt werden. Das ÖPP-Modell soll die Kosten-Nutzen-Bewertung des Bundesverkehrswegeplans umgehen, die ist aber wichtig, weil wir bei knappen Mitteln dafür sorgen müssen, dass

die Projekte mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis zuerst realisiert werden. Gerade wenn man Straßen bauen will, müssten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, daran Interesse haben.

Jetzt Sondermittel von 600 Millionen € im Bundeshaushaltsplan zu veranschlagen, ist falsch, und wir sollten dieses vergiftete Geschenk nicht annehmen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das können Sie nicht entscheiden, Herr Kollege, das ent- scheiden die in Berlin!)

Hinzu kommt, dass der ÖPP-Plan beinhaltet, dass alle Benutzer des Tunnels eine Maut zahlen sollen.

(Zurufe SPD)

Einen solchen bezahlpflichtigen Tunnel brauchen wir erst recht nicht. Eine Mautfinanzierung ist im Vergleich zur Steuerfinanzierung unsozial, weil auch arme Menschen den gleichen Betrag zahlen müssen, und sie ist unökologisch, weil die Maut unabhängig vom Kraftstoffverbrauch anfallen soll. ÖPP führt außerdem zu weniger Transparenz und demokratischer Mitbestimmung, weil Entscheidungen in private Gremien verlagert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, sie ist auch mittelstandsfeindlich, wie die Mittelstandsverbände selbst sagen, weil sie tendenziell bei solchen Verfahren nicht so oft oder sogar nur selten zum Zuge kommen.