Protocol of the Session on July 17, 2015

Öffentlich bekannt ist aber die externe Evaluation zur Arbeit der UPD. Die Arbeit wird, wie folgt, bewertet:

„Nach Auffassung der Evaluatoren erfolgt die Beratung [der UPD] sowohl hinsichtlich subjektiver, personenbezogener als auch hinsichtlich objektiver, sachbezogener Qualitätsstandards inhaltlich informativ, weiterführend und korrekt, neutral, angemessen in ihrer Verweisfunktion, freundlich und verständlich sowie zuverlässig.“

Auch die Bundesregierung, also die vergangene Schwarz-Gelbe, gibt folgende Bewertung:

„[Die UPD] erfüllt die an sie gestellten Qualitätsanforderungen in der Beratung und berät inhaltlich informativ, weiterführend und korrekt, neutral angemessen, freundlich und verständlich sowie zuverlässig.“

Für den interessierten Beobachter sieht es so aus, als ob der unabhängigen Patientenberatung ein - ich würde sagen - sehr gutes Arbeitszeugnis ausgestellt wurde.

Die Großkoalitionäre in Berlin, CDU und SPD, müssen also beantworten, warum bei der Neuvergabe der Leistung der bisherige Anbieter, also Verbraucherzentralen, Sozialverband Deutschland sowie der Verbund der unabhängigen Patientenberatung, nicht berücksichtig wurde. Denn es ist ja auch ein Wert, wenn ein Träger über einen längeren Zeitraum schon nachgewiesen hat, dass er eine Leistung zuverlässig auf hohem Niveau anbieten kann.

Das Gesetz ist so ausgestaltet, dass faktisch die schwarz-rote Bundesregierung jeder Vergabeent

(Bernd Voß)

scheidung zustimmen muss, da die Entscheidung vom Spitzenverband der Krankenkassen nur im Einvernehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patienten erfolgen kann. Das ist im Übrigen nicht irgendwer, sondern der Staatssekretär im Gesundheitsministerium.

Das Gesetz sieht auch vor, dass ein Beirat in die Entscheidung eingebunden ist. Vier Mitglieder dieses Beirates haben sich gegen die vorgenommene Vergabeentscheidung gewendet. Wenn man sich die Zusammensetzung des Beirates anschaut, dann scheinen sich alle unabhängigen Vertreter, also alle die, die nicht Ministerien angehören, gegen die Entscheidung gewendet zu haben. Die Mitglieder stellen infrage, dass das gesetzliche Gebot von Unabhängigkeit und Neutralität nicht mehr gewährleistet ist.

Auch das Verfahren selbst wurde vom Beirat kritisiert. So war dem Beirat keine angemessene Einsicht in die Vergabe ermöglicht worden. Eingereichte Bedenken wurden ignoriert. Aus meiner Sicht hat man es dem Beirat so unmöglich gemacht, seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen zu können und beratend in den Entscheidungsprozess eingebunden zu sein.

Das sind schwere Vorwürfe, die erhoben werden. Schwarz-Rot steht in der Pflicht, diese Vorwürfe auszuräumen. Aus Sicht der FDP muss sichergestellt sein, dass ein sauberes Vergabeverfahren durchgeführt wird. Die Große Koalition muss jeden Vorwurf der Einflussnahme vorbehaltlos ausräumen.

Meine Fraktion stimmt daher dem ersten Absatz des vorliegenden Antrages zu. Die aufgestellten Kriterien müssen auch aus unserer Sicht umgesetzt werden.

Wir können es jedoch beim zweiten Absatz nicht so einfach machen, wie die Koalition. Daher bitte ich auch darum, über die Absätze getrennt abzustimmen. Aus unserer Sicht machen sie es sich im zweiten Absatz zu leicht. Sie machen keinen Lösungsvorschlag, wie der Entscheidungsprozess sonst gestaltet werden sollen. Auch lassen sie völlig offen, ob die Krankenkassen weiter finanzieren sollen, obwohl sie kein Mitspracherecht mehr haben sollen. Oder soll die Finanzierung anders laufen? Dann müssen Sie das auch sagen. So ist es auf jeden Fall viel zu dünn und diesem komplexen Thema nicht angemessen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Zentral bleibt die Stärkung der Verbraucherrechte. CDU und SPD müssen jetzt klarstellen,

wie sie auch in Zukunft sicherstellen wollen, dass die Patientenberatung weiterhin neutral und unabhängig bleibt.

Herr Präsident! Vor wenigen Tagen, am 10. Juli 2015, mussten wir in einer Pressemitteilung des Sozialverbands VdK lesen:

„Der bisherige Verbund der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland soll nicht über das Jahresende 2015 hinaus finanziert werden. 21 Beratungsstellen stehen damit vor dem Aus. GKV-Spitzenverband und der Patientenbeauftragte der Bundesregierung beabsichtigen, gegen den Protest aus dem wissenschaftlichen Beirat der UPD, zahlreicher Politiker und weiterer gesellschaftlicher Kreise die unabhängige Patientenberatung an die Sanvartis GmbH zu vergeben. Die Gesellschafter der UPD gGmbH befürchten, dass die hohe Qualität und die unabhängige Unterstützung für ratsuchende Patientinnen und Patienten auf der Strecke bleiben.“

Vor diesem Hintergrund kommt der Dringlichkeitsantrag der Regierungsfraktionen genau zum richtigen Zeitpunkt. Ein klares Bekenntnis zugunsten der unabhängigen, neutralen, fachkompetenten und bürgernahen auch aus diesem Hause ist zwingend geboten. Für meine Fraktion darf ich feststellen, dass wir den Antrag inhaltlich mit voller Überzeugung unterstützen.

Wo kommen wir denn hin, wenn wir Unabhängigkeit, Bürgernähe und Neutralität einem privaten Unternehmen überlassen wollen? Jeder hier im Hause weiß, wie ich persönlich zur Gesundheitsversorgung stehe und wie kritisch ich bin, wenn ich diese Grundversorgung in den Händen profitorientiert Unternehmen weiß. Da bin ich immer skeptisch, da bin ich immer auf der Hut. Vor diesem Hintergrund lehne ich die Bestrebungen, das bewährte Konzept der Patientenberatung auszuhebeln und durch eine unternehmerische Trägerschaft zu ersetzen, ab.

Geradezu absurd ist darüber hinaus die vorgesehene Konstellation, dass ein Unternehmen, das bisher Dienstleister für verschiedene Krankenkassen war, nun Patientenberatung anbieten darf. Wer das noch „unabhängig“ nennt, versteht den Kern des Begriffs einfach nicht. Vorbehaltlos soll die Beratung sein. Das wäre sie in diesem Falle weiß Gott nicht.

(Anita Klahn)

Wer die bewährten Strukturen ohne medizinischen oder beratungsrelevanten Grund verändert, nimmt den Patienten im Handstreich die Möglichkeit, gut informiert mit den Ärzten zu kommunizieren, die richtigen Frage zu stellen und die besten Entscheidungen zu treffen. Eine unabhängige Beratung kann nur durch unabhängige Berater erfolgen. Wir haben diese Menschen in den Beratungsstellen. Die müssen nicht durch neues Personal ersetzt werden. Sie müssen gesetzlich gestärkt und perspektivisch abgesichert werden.

Der Antrag der Koalition markiert die richtigen Forderungen zur richtigen Zeit. Darum danke ich für Ihre Initiative, die ich voll und ganz mittrage. Vielen Dank.

Herr Präsident! Die Patientenberatung soll in Schleswig-Holstein folgendermaßen aussehen: Wenn Sie eine Beratung möchten, drücken sie die eins. Möchten Sie eine individuelle Gesundheitsleistung prüfen lassen, drücken sie die zwei.

Das ist die Zukunft, wie sie die Bundesregierung in der Patientenberatung sieht. Eine Beratung, die zentral von einem Duisburger Callcenter erfolgt. Bezahlt wird diese Standardverschlechterung ausgerechnet von denen, die von einer Beratung profitieren sollen, von den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen der Krankenkassen. Die regionale Beratung, die derzeit noch persönlich möglich ist, wird zugunsten des Gewinners des Bieterwettbewerbs um die Dienstleistung der unabhängigen Patientenberatung beendet. Sicherlich ist es kein Zufall, dass der Patientenberater der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, der diese Entscheidung zugunsten von Sanvartis getroffen hat, auch aus Nordrhein-Westfalen kommt. Dort ist Sanvartis nämlich tätig.

Persönliche Beratung in allen Fragen rund um die Gesundheit ist alternativlos. Patienten und Angehörige möchten, dass sich das gegenüber Zeit nimmt und ihnen Vertrauen schenkt. Gesundheit ist kein Massengut, das man einfach in Serie herstellen kann. Telefonberatung ist anonym und benachteiligt alle Patienten, denen es nicht gelingt, ihr Anliegen wortgewandt auf den Punkt zu bringen. Gerade ältere Patienten benötigen einen gewissen Anlauf, bis sie sagen, wo der Schuh drückt. Manchmal muss man auch zwischen den Zeilen lesen können. Alles das fällt flach bei einer Callcenter-Beratung, die keine personelle Kontinuität garantiert. Jeder neue Anruf wird zu einem anderen Agenten weiter

geleitet. Eine Beratung am Hörer wird darüber hinaus von vielen älteren Menschen gemieden, weil sie aufgrund ihres eingeschränkten Hörvermögens einfach nicht alles verstehen können. Sie sprechen lieber mit jemandem, den sie auch sehen können. Darum ist eine Beratung mittels eines Callcenters völlig falsch. Fazit: die Entscheidung für Sanvartis ist eine Entscheidung am Klientel vorbei.

Aber auch die Unabhängigkeit der Beratung ist zweifelhaft. Ich habe noch einmal zur Sicherheit im Duden nachgesehen. Unabhängig bedeutet, dass man nicht von jemandem abhängig ist, dass man frei und für sich bestehend handelt. Genau das kann Sanvartis nicht. Der Konzern arbeitet für die Krankenkassen; zum Beispiel für die AOK Sachsen-Anhalt, wie ganz offen als Referenz auf der SanvartisHomepage angegeben wird. Das Geschäftsergebnis von Sanvartis, also der Gewinn, hängt von der Zufriedenheit der Krankenkassen als Sanvartis-Kunden ab. In Pappe geschnitten: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Sanvartis hat überhaupt keinen Anreiz, unabhängig von den Krankenkassen zu beraten. Damit ist die Grundlage einer unabhängigen Patientenberatung nicht gegeben.

Aus beiden Gründen, der zentralen Callcenter-Beratung und der zweifelhaften Unabhängigkeit, ist die Vergabe an Sanvartis falsch. Darüber hinaus verlieren wir durch den Betreiberwechsel in Schleswig-Holstein erfahrene Beraterinnen und Berater. Dieser Verlust an Kompetenz und Sachverstand ist nur schwer zu verkraften.

Ich würde mich freuen, wenn mehr Bundesländer den Verlust ihrer regional verfügbaren, unabhängigen Beratungsqualität eine Absage erteilen würden. Bislang ist der ganze Vorgang allerdings nur eine Randnotiz: eine weitere Seite im Buch mit dem Titel „Gesundheitspolitik muss sparen“. Vor diesem Hintergrund ist mir natürlich völlig klar, dass sich in Berlin niemand von unserem donnernden Signal eines Dringlichkeitsantrags aus der Ruhe bringen lässt - zumal die Entscheidung bereits für Montag ansteht. Dennoch sollten wir über unsere heutige Debatte hinaus sicherstellen, dass sich so eine Entscheidung nicht wiederholt. Darum schlagen wir eine Änderung des Sozialgesetzbuches vor. Ich hoffe, dass wir damit mittelfristig wieder den Beratungsstandard bekommen werden, den wir gerade einbüßen.

(Wolfgang Dudda)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die vorliegenden Informationen zur Vergabe des Auftrags zur zukünftigen Verwirklichung der Unabhängigen Patientenberatung können und müssen irritieren. Da bin ich mit den Vorrednerinnen und Vorrednern völlig einer Meinung.

Wir haben Hinweise, dass ein Bewerber zum Zug gekommen ist, der weder medizinische Expertise verfügt noch - und das ist gravierend - angesichts vielfältiger parallel bestehender wirtschaftlicher Verbindungen zu den Auftraggebern Unabhängigkeit gewährleisten kann. Diese Hinweise sind sehr ernst zu nehmen, und ich meine, dass allein der Anschein, ein solcher Bewerber solle die UPD zukünftig verantworten, dem Interesse der Patientinnen und Patienten schadet.

Sehr ernst zu nehmen sind meines Erachtens aber auch die Kritikpunkte, die von Mitgliedern des Beirates der Unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung gegenüber dem BGM geäußert wurden. Sie monieren, was der Patientenbeauftragte der Bundesregierung gegen erhebliche Bedenken aus dem Beirat durchgesetzt hat: dass nämlich bei der Neuausschreibung die Erhöhung der Mittel nicht zum Ausbau der Beratungsstellen vor Ort eingesetzt werden, sondern überwiegend in die Telefonberatung fließen soll. Das ist aus meiner Sicht auch völlig nachvollziehbar: Wir brauchen Beratung sowohl telefonisch als auch vor Ort. Dabei muss die Beratung vor Ort gestärkt werden.

Berichtet wird auch über einen Dissens zwischen dem Patientenbeauftragten und dem Beirat hinsichtlich der Gewichtung der Anforderungskriterien an die zukünftigen Betreiber der UPD. Die vom Beirat - wie ich meine völlig zu Recht - mit 50 % in der

Gesamtwertung sehr hoch veranschlagte Anforderung „Unabhängigkeit und Neutralität“ wurde von Herrn Laumann massiv zurückgestuft: auf gerade einmal 15% der Gesamtwertung.

Schon dies scheint mir, jenseits der wohl anstehenden juristischen Auseinandersetzungen, eine schlechte Nachricht und keine Grundlage, auf der eine Beratung erfolgen kann, die das Vertrauen der Patientinnen und Patienten hat.

Ich muss sagen, nach meinem derzeitigen Eindruck hätten die Kassen hier besser beraten sein sollen.

Meine Damen und Herren, ich werde den Herrn Patientenbeauftragten zeitnah um eine Stellungnahme bitten und werde ihm vermitteln, dass das in seinem Verantwortungsbereich liegende Vorgehen im Land - weit über den Landtag hinaus - schlicht für Unverständnis und für massive Kritik sorgt. Das wird ihn hoffentlich darin bestärken, strenge Maßstäbe an den gesetzlich geforderten Nachweis der Unabhängigkeit der Einrichtung anzulegen.

Gerade, weil das derzeitige Verfahren zur Vergabe, das in § 65 b Absatz 1 SGB V festgelegt ist, eine unzweideutig unabhängige Beratung auf fachlich hohem Niveau gewährleisten soll, müssen wir uns sehr genau ansehen, welche Konsequenzen hier zu ziehen sind. Dazu werde ich mich auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern zeitnah darüber beraten, welche Konsequenzen aus dem jetzigen Verfahren zu ziehen sein werden.

Eins ist klar: Eine Beschädigung der Institution UPD können wir uns nicht leisten. Die Landesregierung wird - das kann ich Ihnen versprechen - das Ihre dazu beitragen, Schaden von ihr abzuwenden.