Protocol of the Session on June 19, 2015

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die konventionelle Landwirtschaft ermöglicht ein Mehr an Naturschutz, weil hier zum Wirtschaften weniger Flächen gebraucht werden als beim Ökolandbau. Daher bleiben mehr Flächen übrig, die man der Natur überlassen kann. Sie honorieren dies damit, dass Sie im Bereich der konventionellen Landwirtschaft mit einem Mehr an Ordnungsrecht regieren oder einfach untätig bleiben. Das ist definitiv der falsche Weg. Selbstverständlich muss die Agrarpolitik sowohl die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch die Umwelt im Blick haben, aber Sie dürfen nicht die Erzeuger vergessen.

Letztlich zeugt die Verteilung der ELER-Mittel von einer ziemlich selektiven Wahrnehmung des ländlichen Raums. Konventioneller und ökologischer

Landbau müssen gleichwertige Zweige der Landwirtschaft sein. Dies muss sich in einer ausgewogenen Förderung niederschlagen. Wenn man - so wie Sie, Herr Dr. Habeck - mit dem Anspruch antritt, den ländlichen Raum stärken zu wollen, aber einen großen Teil der Fördersumme nur auf 4 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche zur Verfügung stellt, dann fördert man nicht den ländlichen Raum, dann fördert man allenfalls eine kleine Ecke.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Den Effekt kann ich dabei wirklich nicht erkennen. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Wortmel- dung Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch? - Für die Piratenfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Grüne und PIRATEN bei Naturschutz und Landwirtschaft häufig sehr nah beieinander sind, ist kein Geheimnis. So wird es Sie nicht wundern, dass sowohl das Landesprogramm ländlicher Raum als auch die Programmierung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz unsere Zustimmung finden.

(Beifall PIRATEN, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Burk- hard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landesregierung greift regelmäßig unsere Ideen auf, beispielsweise die Umweltpartnerschaft zur Vermeidung von Plastikmüll oder die Erhöhung des Erdölförderzinses, um externe Umweltkosten und -risiken auszugleichen. Wir revanchieren uns dann entsprechend an anderer Stelle.

In der Natur würde man so etwas als Symbiose bezeichnen - eine Partnerschaft, von der beide Seiten profitieren können, wenn sie das denn wollen.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere derzeitige Agrarpolitik entfernt sich von einer solchen Symbiose leider immer weiter. Ein Beispiel ist die Tierhaltung. Für viele Tierarten ist es ursprünglich durchaus von Vorteil gewesen, sich domestizieren

(Oliver Kumbartzky)

zu lassen, etwa weil die Tiere in der Obhut des Menschen besser vor Räubern geschützt sind als in der freien Wildbahn.

Bei Milchkühen muss man sich allerdings fragen, ob diese Rechnung noch aufgeht. So geben Hochleistungskühe heute nur noch rund drei Jahre lang Milch. Danach sind sie in der Regel ausgezehrt und verbraucht. Innerhalb dieser Zeit haben viele Kühe gesundheitliche Probleme, ich nenne zum Beispiel die Euterentzündung, wodurch die Milch von Hochleistungskühen deutlich häufiger und mehr Eiter enthält als die Mich von Kühen, die nicht so extrem überzüchtet sind.

Auch das Beispiel Pute möchte ich noch einmal ansprechen. Sie sind inzwischen so überzüchtet, dass der Puter die Pute gar nicht mehr decken kann. Es geht nicht nur um künstliche Besamung. Von „natürlich“ kann auch hier kaum noch die Rede sein.

Als Symbiose - ich glaube, darin werden wir uns schnell einig - kann man das Zusammenleben von Mensch und Nutztier also kaum noch bezeichnen. Ich weiß, viele von Ihnen wird das jetzt aufregen, aber der Begriff der einseitigen Ausbeutung trifft es wohl eher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ähnlich verhält es sich mit der Luft, dem Boden und den Gewässern, an deren Reinhaltung und langfristiger Fruchtbarkeit unzählige Organismen beteiligt sind. Es ist ein komplexes Zusammenspiel von Lebewesen, die hier gemeinsam am Werke sind. Auch hier bringen wir uns derzeit wenig partnerschaftlich in den Gesamtprozess ein. Wir beschlagnahmen immer mehr Fläche für unsere Zwecke, wobei die lebensfreundlichen Nischen, die die Kulturlandschaft zu bieten hat, immer weniger werden. Das belegen sowohl der jüngste Jagdund Artenschutzbericht des MELUR als auch die Artenschutzberichte des Bundesamtes für Naturschutz.

Dass wir hier deutlich besser werden müssen, liegt also auf der Hand. Wir müssen uns wieder stärker an der Symbiose orientieren, und die Landwirtschaft ist hier der zentrale Wirkungsbereich. Sie ist deshalb so zentral, weil kaum ein anderer Wirtschaftszweig so unmittelbar in die natürlichen Kreisläufe eingreift, wie die Agrarwirtschaft es tut. Idealerweise sollten verbesserte Tier- und Umweltschutzstandards über den Verkaufserlös sichergestellt werden, denn es ist ja ganz klar, dass die Landwirte wie jeder andere Unternehmer auch am Ende des Tages auch einen Gewinn erwirtschaften müssen.

Leider stellt der Markt derzeit nicht genug Geld bereit, um eine flächendeckende nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen. Die Preise sind abhängig vom Weltmarkt, und der Preiskampf im Lebensmittelhandel ist so hart wie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig. Wo Gewinnmargen teilweise nur noch im Promillebereich liegen - das haben wir oft genug diskutiert –, entsteht beinahe zwangsläufig ein Markt, in dem Masse vor Klasse geht. Mit Blick auf den Naturschutz kann man hier sogar von einem Marktversagen sprechen.

Glücklicherweise - das zeigt sich sowohl im Bio-, als auch im Faitrade-Sektor - gibt es immer mehr Menschen, denen Herkunft und Produktion der von ihnen gekauften Lebensmittel wichtig sind. Das ist gut, und das soll auch unterstützt werden. Insgesamt reicht es bislang aber noch nicht aus, um die Auswirkungen der allein auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Produktion auszugleichen. Im Gegenteil: Dass Bio und Faitrade im Mainstream angekommen sind - das ist hier schon unterstrichen worden -, führt inzwischen sogar dazu, dass auch in diesen Bereichen die Erwartungen an niedrige Preise stetig zunehmen. Bio und Fairtrade werden also auch immer konventioneller.

Der Ansatz unserer Landesregierung, die Agrarförderung verstärkt für nachhaltige Anbaumethoden, freiwillige Agrar- und Umweltmaßnahmen sowie Verbesserungen des Tierwohles zu vergeben, ist daher nicht nur legitim, sondern vollkommen richtig. Dort, wo es der Markt systembedingt nicht richten kann, ist es absolut sinnvoll, Subventionen so einzusetzen, damit die Gesellschaft insgesamt davon profitiert. Schließlich ist es die Gesellschaft, die die zu verteilenden Mittel erarbeitet.

Zur Förderung des ländlichen Raumes ist schon einiges gesagt worden, und ich möchte mich daher auf den Bereich konzentrieren, der uns PIRATEN besonders wichtig ist, den Breitbandausbau. Insbesondere für den ländlichen Raum sind damit viele Chancen verbunden, sowohl wirtschaftlich als auch für die Gesellschaft selbst.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

So hat der ländliche Raum das Problem, dass die Jobangebote hier recht überschaubar sind. Ein schnellere Internetanbindung, ein schneller Internetzugang bietet nun sowohl im Bereich der HomeOffice als auch hinsichtlich der Möglichkeiten, sich selbstständig zu machen, zahlreiche Perspektiven, die wir unterstützen möchten.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

(Angelika Beer)

Wir alle wissen, dass die Unterhaltung öffentlicher Bibliotheken im ländlichen Raum relativ teuer ist, weshalb viele Gemeinden ihr Angebot in den letzten Jahren zurückgefahren haben. Das Internet kann die öffentliche Bibliothek zwar nicht vollständig ersetzen, aber der Zugang zu Informationen und Wissen bleibt so grundsätzlich erhalten.

(Beifall PIRATEN)

Außerdem verbessert sich mit dem Breitbandausbau die Aussicht auf eine vernünftige Online-Ausleihe. In dem Dorf, in dem ich lebe, ist das ein wunderbares Angebot und wird auch von fast allen genutzt.

(Beifall PIRATEN)

Zur Art der Breitbandförderung möchte ich noch anmerken, dass wir Maßnahmen wie das Verlegen von Leerrohren und Planungsvorarbeiten absolut richtig finden, denn bei der Schließung von Wirtschaftlichkeitslücken ist es aus unserer Sicht wichtig, Mitnahmeeffekte zu vermeiden.

(Beifall PIRATEN)

An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es sicher sinnvoll, sich die zukünftigen Förderprojekte genau anzugucken. Auch wir kennen das Problem und haben die Frage: Ist es so, dass diese Projekte wirklich abgerufen werden? An dieser Stelle richten wir die Bitte an die Landesregierung, regelmäßig Zwischenergebnisse über den Mittelabfluss zur Verfügung zu stellen, damit wir gemeinsam beraten können, wie vielleicht noch eine Feinjustierung erfolgen kann, damit diese Mittel tatsächlich abgerufen werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und Bernd Voß [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im März letzten Jahres haben wir im Landtag über die Verwendung der ELER-Mittel für die neue Förderperiode von 2014 bis 2020 debattiert. Damals befand sich das Programm auf der Zielgeraden, und es ging eigentlich nur noch um die Feinjustierung. Seit letztem Monat wissen wir es: Das Programm ist mit der EU-Kommission abgestimmt und genehmigt. Damit haben wir nun end

lich Planungssicherheit, und das ist eine unheimlich gute Nachricht für unser Land.

(Beifall SSW, SPD und Bernd Voß [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Programmierung abzustimmen und festzulegen, ist immer eine große Herausforderung, besonders für die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Dafür gilt auch von unserer Seite ein besonderer Dank.

(Beifall Kirsten Eickhoff-Weber [SPD])

Rund 420 Millionen € ELER-Mittel stehen zur Verfügung. Das sind 117 Millionen € mehr für Schleswig-Holstein als in der alten Förderperiode. Dazu kommen noch die Mittel zur Kofinanzierung vonseiten des Bundes, des Landes und der Kommunen, was insgesamt rund 200 Millionen € zusätzlich auslöst. Damit haben wir circa 620 Millionen € für die neue Förderperiode, die dem ländlichen Raum zur Verfügung stehen. Wie der Minister schon sagte, ist das eine beachtliche Summe.

Es mag wohl kaum jemanden wundern, dass die Förderschwerpunkte dieser Landesregierung anders gesetzt wurden und es für die kommende Förderperiode deshalb neue Schwerpunkte gibt. Wichtig ist und bleibt aber, dass die Fördermittel für Maßnahmen für die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum weiter genutzt werden. Dies stellen wir sicher.

Die Förderung der Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben beispielsweise des Vertragsnaturschutzes, der Wasserrahmenrichtlinie oder zur biologischen Vielfalt trägt zur Stärkung des ländlichen Raums bei und schafft Einkommen und Beschäftigung.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit werden künftig Maßnahmen stärker gefördert, die insbesondere umweltpolitischen Zielen gerecht werden. Diesen Ansatz verfolgt auch die EU in ihrer Zielsetzung.

Wenn wir über europäische Agrarpolitik reden, dann reden wir über den größten EU-Haushaltsposten, wir reden über Steuergelder, und wir reden über das süße Gift von Subventionen.

(Lars Harms [SSW]: Wohl war!)

Über Jahrzehnte wurden die Mittel überwiegend für Direktzahlungen oder für Produktionsprämien genutzt. Diese Art der Subventionspolitik hat die europäische Landwirtschaft in ein Abhängigkeits