Protocol of the Session on May 22, 2015

Warum steigen die Leute nicht in ein Flugzeug?

(Unruhe)

Wir haben die Richtlinie 2001/51/EG des Europäischen Rates, in der es in Absatz 1 heißt:

„Um die illegale Einwanderung wirksam zu bekämpfen, ist es von grundlegender Bedeutung, dass sich alle Mitgliedstaaten einen Regelungsrahmen geben, der die Verpflichtungen der Beförderungsunternehmen festlegt, die ausländische Staatsangehörige in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen. Damit dieses Ziel wirksamer erreicht werden kann, ist ferner unter Berücksichtigung der Unterschiede in den Rechtsordnungen und der Rechtspraxis der Mitgliedstaaten eine möglichst weitgehende Harmonisierung der derzeit in den Mitgliedstaaten vorgesehenen finanziellen Sanktionen für Beförderungsunternehmen, die sich nicht an diese Kontrollverpflichtungen halten, angezeigt.“

(Wortmeldung Wolfgang Kubicki [FDP])

- Nein, bitte jetzt keine Zwischenfrage.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schade! - Anhal- tende Unruhe)

Das heißt auf gut Deutsch: Wenn man ein Ticket bei der Lufthansa kaufen möchte, kann es passieren, dass die Lufthansa sagt: Nein, wir befördern

(Minister Stefan Studt)

dich nicht, weil du gar nicht EU-einreiseberechtigt bist; wir müssen die Kosten tragen, um dich wieder zurückzubefördern. - Das ist der Grund dafür, dass die Leute am Ticketschalter abgewiesen werden, weil die Dame am Ticketschalter sagt: Ich kann nicht prüfen, ob du asylberechtigt bist; du darfst nicht in das Flugzeug einsteigen.

Ich fände es gut, wenn wir darüber nachdenken, ob wir diese Richtlinie etwas anders auslegen, sodass das Asylrecht nicht am Ticketschalter gebremst wird, sondern von einem Beamten, der im Asylrecht ausgebildet ist, ordentlich geprüft werden kann und nicht die Dame am Ticketschalter sagen muss: Ich weiß nicht, ob dein Asylrecht in Deutschland - oder in welches Land auch immer du fliegen willst - gilt.

Das ist meine Bitte. Es ist nur ein Denkanstoß. Vielen Dank.

Als Nächstes hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nur gemeldet, weil ich es unangemessen finde, auf diese Art und Weise die Problematik, vor der wir stehen, zu banalisieren.

(Beifall)

Ich möchte sie fragen, von welchem Flugplatz die Flüchtlinge in Syrien und im Irak starten sollten,

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

unabhängig von der Frage der Sinnhaftigkeit Ihrer Einlassungen. Soll ein Beamter vor Ort prüfen, ob eine Asylberechtigung vorliegt? Das ist eine granatenmäßig gute Idee. Der Beamte hat dann täglich 10.000 Menschen vor seiner Tür und soll die innerhalb von Sekunden abarbeiten. Das ist so absurd, was Sie hier vorgeschlagen haben. Dann wäre es viel sinnvoller, Transallmaschinen dahin zu schicken, die jeden aufnehmen, der in die Maschinen hineinpasst. Dann haben wir das Problem auch gelöst. - So einfach lässt sich die Situation, vor der wir stehen, nicht bewältigen.

(Beifall)

Ich möchte darum bitten, dass wir über beide Anträge alternativ abstimmen. Ausschussüberweisung will - glaube ich - keiner mehr. Wir haben das Problem, dass wir in der Kürze der Zeit mit den neuen

Vorlagen heute einige unserer Bedenken nicht haben artikulieren und in einem Antrag formulieren können. Ich hoffe, dass wir alternativ abstimmen. Wenn wir das nicht machen, werden wir uns beim Antrag der regierungstragenden Fraktionen und PIRATEN enthalten und dem Antrag der Union unter Bedenken zustimmen. Darin kommt uns der Aspekt etwas zu kurz, dass die bisherige Flüchtlings- und Asylpolitik der Europäischen Union gescheitert ist und wir andere Maßnahmen ergreifen müssen, um der Situation Herr zu werden. Andererseits glauben wir aber auch, dass der Impetus des Antrags der regierungstragenden Fraktionen, jeder, der will, darf kommen, mit dem, was uns situativ bevorsteht, nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

Wir müssen uns dagegen wehren - auch das ist ein drängendes Problem -, dass über den Flüchtlingsweg IS-Kämpfer nach Deutschland und Europa einsickern, um hier die Taten zu begehen, die sie für gerechtfertigt halten und die sie in den Ländern, aus denen sie kommen, menschenrechtswidrig begangen haben. Das ist ein Riesenproblem, vor dem wir stehen und vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen.

Herr Abgeordneter Kubicki, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Jederzeit gern.

Bitte schön, Herr Dr. Stegner.

Lieber Herr Kollege Kubicki, Sie sind in Ihrem Abstimmungsverhalten natürlich frei, aber ich möchte dafür werben, dass Sie - vielleicht auch mit Bedenken - auch unserem Antrag zustimmen. Denn präzise der Gedanke, den der Kollege Klug ausgeführt hat, steht hinter unserem Antrag. Wir haben ein paar Ziele, die sehr weitreichend sind, von denen wir wissen, dass sie schwer zu erreichen sind. Niemand von uns geht davon aus, dass alle Menschen zu uns kommen können oder sollen. Im Gegenteil, wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen. Das ist unsere Überzeugung.

(Uli König)

Das steht in Ihrem Antrag so nicht drin.

- Das ist zur Begründung hier mit vorgetragen worden, zum Beispiel in meiner Rede vorhin. Die Union setzt sehr stark auf das Thema Grenzsicherung und Ähnliches. Wenn Sie deren Antrag mit Bedenken zustimmen, müssten Sie in der Lage sein, auch unserem Antrag mit Bedenken zuzustimmen. Das würde ich gut finden.

(Zurufe)

- Bei einer alternativen Abstimmung geht das leider nicht. Wenn es nicht um die Einheit ginge, würden wir zur Not zustimmen. Im neu gefassten Antrag ist eine wunderbare Ansammlung von guten Sachen enthalten, die - wie Sie erklärt haben - absoluten Vorrang vor dem Schutz der Grenzen haben. Einen absoluten Vorrang vor dem Schutz der Grenzen sehen wir nicht. Es gibt keinen absoluten Vorrang vor dem Schutz der Grenzen.

Europa ist nicht grenzenlos und darf nicht grenzenlos sein. Wer das propagiert, wird sehr schnell feststellen, dass er in Europa keine weiteren Mitstreiter findet. Uns muss es in Anbetracht der Realpolitik, der wir uns gegenübersehen, darum gehen, in Europa Mitstreiter zu finden und nicht einfach nur - das hat der Kollege Klug gesagt - unserem Gewissen zu folgen.

Unsere Freunde vom SSW haben darauf hingewiesen: Die meisten europäischen Staaten - übrigens auch die politischen Kräfte in den meisten europäischen Staaten - sehen das dezidiert etwas differenzierter, als Sie das eben vortragen. Unser Anliegen muss daher darin bestehen, eine einheitliche Meinung herbeizuführen und nicht unserem eigenen guten Gewissen zu frönen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist kein Antrag - jedenfalls für mich nicht sichtbar; er müsste jetzt ganz schnell erfolgen - auf Überweisung gestellt worden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das würden wir gern machen, aber er würde abgelehnt wer- den! - Astrid Damerow [CDU]: Das macht keinen Sinn!)

- Das kann möglich sein, Herr Abgeordneter. Das kann ich nicht ausschließen. Aber Sie können, wenn Sie wollen, einen Überweisungsantrag stellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das macht keinen Sinn!)

- Das macht keinen Sinn, okay.

Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/3031, abstimmen. Sie möchten sicherlich noch etwas zum Abstimmungsverfahren sagen. Herr Dr. Garg. Bitte schön.

Herr Präsident! Der Fraktionsvorsitzende der FDP hat alternative Abstimmung über die beiden Anträge beantragt.

Hat er das?

(Zurufe)

- Wenn Sie das wünschen - ich sehe allgemein keinen Widerspruch -, können wir auch alternativ abstimmen.

Es gibt zwei Anträge, einen Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 18/3031, und einen Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/2970 (neu). Diese beiden Anträge stehen nun zur Abstimmung. Sie haben eine Stimme. Sie müssen sich entscheiden.

Zunächst stelle ich den Antrag der CDU-Fraktion zur Abstimmung, Drucksache 18/3031. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von FDP und CDU.

Ich stelle den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/2970 (neu) , zur Abstimmung. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die Piratenfraktion. Enthält sich jemand? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 18/2970 (neu) angenommen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 44 und 48 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Willkommen in Schleswig-Holstein