Zum Schluss möchte ich die Kanzlerin zitieren. Ich hoffe, sie meint es ernst und sie lässt de Maizière nicht weiter an der langen Leine laufen. Die Kanzlerin hat gesagt:
„Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass weitere Opfer im Mittelmeer vor unserer Haustür umkommen, auf quälende Art und Weise. Das vereinbart sich nicht mit unseren Werten.“
Ich nehme die Kanzlerin hier ernst. Sie hat bis Juni nur noch wenige Tage Zeit, dies umzusetzen. Dabei sollte sie unsere Unterstützung haben. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Außenminister Steinmeier hat in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Jordanien die aktuelle Flüchtlingsdebatte treffend zusammengefasst: Wir sollten es uns in Europa auch nicht zu einfach machen.
In der Vergangenheit haben wir es uns ganz unverkennbar zu einfach gemacht. Den größten Teil der Flüchtlinge aus den Krisengebieten in Nahost und vom Hindukusch nehmen die direkten Nachbarländer auf - selbst bitterarm und auch nicht gerade durch staatliche Stabilität getragen. Mittlerweile stehen der Libanon sowie Jordanien kurz vor einem Zusammenbruch der kompletten Infrastruktur. Auch da können wir Europäer uns es nicht mehr leisten, die einfache Lösung zu wählen und wegzugucken.
In den vergangenen Tagen hat sich die Debatte rund um die Flüchtlingsthematik verschärft. Nun kommt endlich auf EU-Ebene etwas ins Rollen, was wir als SSW lange angeprangert haben. Denn auch innerhalb der EU gibt es große Unterschiede zwischen den Aufnahmezahlen der Mitgliedstaaten. Es kann einfach nicht sein, dass allein vier Mitgliedstaaten den größten Anteil der zu uns Kommenden aufnimmt, wenn sich der Rest einfach entspannt zurücklehnt. Ein gemeinsames An-einemStrang-Ziehen ist das jedenfalls nicht.
Mehr noch, es wird noch nicht einmal in dieselbe Richtung geguckt. Dann ist es auch wirklich kein Wunder, wenn die EU durchaus aberwitzige Vorschläge wie etwa das Errichten von Begrüßungszelten auf dem afrikanischen Kontinent einbringt. Auch einer Debatte über einen möglichen Militäreinsatz stehen wir als SSW sehr kritisch gegenüber. Das Ganze hat fast den Anschein, dass sämtliche Vorschläge präsentiert werden, nur um von einer gerechten Verteilungsquote abzulenken. Was kann denn an der einfachen Lösung so misslich sein, dass man einen Militäreinsatz bevorzugt?
Fest steht, dass der Widerstand gegen eine solche Quote enorm ist. Die Maßnahmen, um den Widerstand in Bezug auf die Quote aufzubrechen, sind
dementsprechend provozierend, wie wir erst vor einigen Tagen in Rom mitverfolgen konnten. Wichtig ist, dass dieser Widerstand durchbrochen wird; denn eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union ist wirklich mehr als überfällig. Was auch überfällig ist, ist die Erörterung der Handlungen von einigen Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen in Bezug auf die nationalen Zoll- und Grenzbeamten, oder auch an ihren eigenen Staatsgrenzen. Auch hier vermisst man nicht nur ein gemeinsames europäisches Handeln. Frontex ist mit Sicherheit nicht das einzige Organ, das in der Vergangenheit völkerrechtswidrige Grenzzurückweisungen durchgeführt hat.
Hier liegt bestimmt noch einiges mehr in der Grauzone verborgen. Was man in dieser Sache auch nicht gebrauchen kann, ist, dass jedes Land versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen. Mitgliedstaaten, die in Eigenregie handeln, handeln alles andere als zielführend.
Fakt ist auch, dass schnell etwas passieren muss, denn der Sommer steht vor der Tür. Dann werden noch mehr Schutzsuchende versuchen, zu uns nach Europa zu kommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Flüchtlingsfrage immer weiter zuspitzt. Insofern muss auf EU-Ebene endlich einmal Butter bei die Fische. Das gilt besonders im Gespräch mit den Gegnern einer gemeinsamen Verteilungsquote. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Es ist also Zeit für ein gemeinsames Handeln, eine gemeinsame Antwort auf die vielen Fragen, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben.
Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament sehe ich zurzeit nicht. Dann hat jetzt für die Landesregierung der Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Herr Stefan Studt, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag zur europäischen Flüchtlingspolitik greift ein aktuelles Thema auf, das mit seinen Schreckensmeldungen aus dem Mittelmeer immer wieder die Nachrichten beherrscht, und ich denke, der Herr Präsident hat in seiner Vor
rede zur Schweigeminute darauf hingewiesen, wie sehr uns dieses Thema berührt und wie sehr wir auch in Verantwortung für dieses Thema stehen.
Ebenso wie Sie ist auch die Landesregierung bestürzt darüber, wie viele Menschen bei dem Versuch, Europa von Nordafrika aus über das Mittelmeer zu erreichen, bisher ihr Leben verloren haben. Wir halten es daher ebenso wie Sie für dringend erforderlich, die Maßnahmen zur Seenotrettung in den entsprechenden Teilen des Mittelmeeres zu intensivieren. Den verantwortungslosen und nur von Profitgier geprägten Treiben von kriminellen Schleusern und Menschenhändlern ist ein möglichst schnelles Ende zu bereiten.
In den zahlreichen politischen Bund-Länder-Gesprächen hat stets Einigkeit darüber bestanden, dass sich der Bund auf EU-Ebene dafür einsetzt, diesen schlimmen Zuständen in einer gemeinsamen europäischen Anstrengung zu begegnen. Auf einer außerordentlichen Sitzung des Europäischen Rates am 23. April 2015 ist ein 17-Punkte-Programm verabschiedet worden, das viele Maßnahmen enthält, die auch im vorliegenden Entschließungsantrag genannt werden. Für die Nachfolge der Mission „Mare Nostrum“ ist der im Moment wirksamste Ansatz nach meiner Auffassung die beschlossene Verstärkung europäischer Präsenz auf dem Mittelmeer. Damit sollen die gemeinsamen Operationen „Triton“ und „Poseidon“ als Nachfolger der Operation „Mare Nostrum“ rasch und spürbar verstärkt werden - Frau Beer, ich will es deutlich sagen -, um Präsenz und Seenotrettung im Moment überhaupt möglich zu machen.
Daneben werden durch die EU natürlich auch Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten begrüßt. Die deutsche Marine - das haben wir schon gehört - hat Anfang Mai zwei Schiffe zur Unterstützung der Flüchtlingsrettung ins Mittelmeer entsandt und ist auch schon erfolgreich vor Ort zum Einsatz gekommen. Da bin ich auch froh, dass jetzt gerade beschlossen wurde, dass die Marine zunächst vor Ort verbleibt.
Diese positiven Meldungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Tat eine ganze Menge zu tun bleibt. Dazu gehören auch flankierende Maßnahmen, um die Flüchtlingsströme zu verringern. So sind Maßnahmen zur Eindämmung von Schleusung und Menschenhandel in jedem Fall ein richtiger und zwingend notwendiger Ansatz. Genauso wichtig sind aber Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Ursachen von Flüchtlingsbewegungen, insbesondere durch ge
Viele Vorschläge in dem Entschließungsantrag wurden oder werden bereits umgesetzt. So hat sich Schleswig-Holstein sehr ernsthaft an den Aufnahmeprogrammen des Bundes für syrische Staatsangehörige beteiligt und setzt sich auch für eine entsprechende Fortsetzung dieser Aufnahmereglungen ein. Daneben hat Schleswig-Holstein bereits im Sommer 2013 als eines der ersten Bundesländer eine eigene Landesaufnahmeregelung geschaffen, um Familien die Einreise zu ihren engen Verwandten zu ermöglichen. Wir treten dafür ein, dass Menschen, die bei uns mit einem Schutzstatus oder einem Aufenthaltsrecht leben, ihren syrischen Familienangehörigen so einfach wie möglich den Nachzug ermöglichen können.
Bereits 2009 hat sich der Landtag für die Teilnahme Schleswig-Holsteins an einem dauerhaften Resettlement ausgesprochen. Nach der bundesweiten Aufnahmeaktion für 2.500 Iraker in den Jahren 2009/2010 ist Resettlement seit 2012 in Deutschland durch ein zunächst auf drei Jahre angelegtes Aufnahmeprogramm für jährlich 300 Personen institutionalisiert worden. Aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz vom Dezember 2014 wird das deutsche Resettlement-Programm ab 2015 dauerhaft fortgeführt und die Aufnahmezahl auf jährlich 500 Personen erhöht.
Ein weiteres wichtiges Signal: In dem aktuell vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung soll dieser Schutz erstmalig auch gesetzlich verankert werden. Das verdeutlicht, dass Resettlement zukünftig dauerhaft zu dem Katalog der humanitären Aufnahmeinstrumente Deutschlands zählt.
Der weitere Vorschlag, EU-weite Standards für die Aufnahme und den Umgang mit Flüchtlingen zu schaffen, ist bereits durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem rechtlich in einem hohen Maße umgesetzt worden. Gleichwohl wissen wir alle, dass es vielerorts in Europa aber noch an der praktischen Umsetzung hapert.
Diesem Manko soll im Rahmen der kürzlich gestarteten Europäischen Migrationsagenda begegnet werden. Nach Überzeugung der Europäischen Kommission verfügt die EU weltweit über einen der am weitesten entwickelten Rechtsrahmen für den Schutz derer, die in Not sind. Es ist allerdings an der Zeit, dass dieses Gemeinsame Europäische
Bei aller nachvollziehbaren Kritik und dann auch der entsprechenden Forderung einer vollständigen Abschaffung des Dublin-Systems als Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sehe ich im Moment allerdings auf europäischer Ebene nicht die Aussicht einer entsprechenden Mehrheit. Aus unserer und meiner Sicht haben wir daher momentan nur zwei Möglichkeiten: Wir können versuchen, dass Gemeinsame Europäische Asylsystem so schnell wie möglich in allen Asylsystemen zu verankern, um diesem System die aktuellen Kritikpunkte zu nehmen. Oder aber - das scheint der aussichtsreichere Weg zu sein - wir schaffen einen europäischen Verteilungsmechanismus, der Regelungen über die verfahrensrechtliche Zuständigkeit einzelner Mitgliedstaaten erübrigt. Die entsprechenden Überlegungen zu einem europäischen Verteilungsmechanismus sind nicht zuletzt durch den Bund aktuell auf europäischer Ebene ins Gespräch gebracht worden.
Derzeit plant die EU-Kommission im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda offenbar, einen zunächst zeitlich begrenzten Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Mitgliedstaaten vorzuschlagen, um die Situation im Mittelmeerraum zu entschärfen. Der Verteilungsschlüssel soll sich dabei im Wesentlichen an der Bevölkerungsgröße und dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt orientieren.
Dass dieser Vorschlag - das können wir täglich den Medien entnehmen - in den Ländern heftig kritisiert wird, die momentan weniger belastet sind, sich weniger in der Verantwortung fühlen, ist zu befürchten gewesen. Ich hoffe dennoch, dass sich aus der Diskussion hier und besonders der Diskussion in Brüssel der Geist der Solidarität des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durchsetzen wird.
Die Europäische Migrationsagenda beinhaltet aber nicht nur die Rettung von Menschenleben und die Schaffung eines neuen Verteilungsmechanismus, sondern auch die Reduzierung von Migrationsanreizen in den Herkunftsstaaten, Überlegungen für legale Migrationswege und die Zerschlagung von Schleusernetzen sowie die Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Ich hoffe im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Schleuserkriminalität, dass sich in den notwendigen Verhandlungen die mäßi
Mit dem aktuellen Änderungsantrag ist der Maßnahmekatalog um zwei Punkte erweitert worden. Lassen Sie mich kurz auf die beiden Aspekte eingehen. Eurosur soll einerseits der verbesserten Vorbeugung, Erkennung und Bekämpfung illegaler Einwanderungsströme dienen. Darüber hinaus - mir ist wichtig, das zu betonen - haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bei der Verabschiedung der Eurosur-Verordnung mehrheitlich darauf bestanden, das System zur Rettung von Zuwanderern in Not einzusetzen. Dieses Ziel ist eindeutig im Verordnungstext in den einleitenden Erwägungsgründen normiert worden. Ich halte es im Moment für erforderlich, alle Möglichkeiten zur Rettung von Menschen zu nutzen. Der weitere Vorschlag, sich für die Einrichtung von Europabotschaften in Krisenregionen einzusetzen, ist bereits inhaltlich in der Diskussion.
Der aktuelle Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen und der PIRATEN und die Auffassung der Landesregierung darüber, was in Europa und Deutschland flüchtlingspolitisch notwendig ist, zeigen, dass wir die aktuellen Probleme der Fluchtbewegungen nach Europa gleich einschätzen und sehr ähnliche, wenn nicht gleiche Vorstellungen haben. Es darf auf dem Mittelmeer, es darf auf den Fluchtwegen keine weiteren Opfer geben.
Ich bin entschlossen, in diesem Sinne weiterzuarbeiten. Die nächste Gelegenheit, das, was wir hier in Kiel debattieren, nach Brüssel zu tragen, ist die auswärtige Kabinettsitzung Anfang Juni in Brüssel. Ein wesentlicher Tagesordnungspunkt bei allen Gesprächen, die wir dort führen, ist die Flüchtlingssituation, die Flüchtlingspolitik. Daher bin ich Ihnen dankbar für die Diskussion und die Debatte hier. Den Rückenwind nehme ich mit nach Brüssel. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überzogen. Diese 3 Minuten stehen allen Fraktionen zur Verfügung. - Das Wort für die Piratenfraktion hat der Abgeordnete Uli König.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute der Toten auf dem Mittelmeer in einer Schweigeminute gedacht, und wir beraten hier über die Frage, wie wir den Tod weiterer Flüchtlinge verhindern können, die versuchen, von Afrika nach Europa zu kommen. Ich habe mich ganz naiv gefragt, warum sich Leute auf nicht seetüchtige Boote trauen, warum sie sich aufs Mittelmeer trauen, warum sie für Schlepper 1.000 € und mehr bezahlen.
Warum steigen diese Leute nicht einfach in ein Flugzeug? Man könnte doch mit einem Flugzeug für ungefähr 300 bis 400 € von Afrika in die EU fliegen.
- Herr Garg, lassen Sie mich bitte ausreden. Das ist ein ernstes Anliegen. Es klingt vielleicht nicht ganz ernst, aber ich versuche, Ihnen das ernst darzulegen.