Protocol of the Session on May 21, 2015

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort - - Ich bin unsicher, weil es hier noch keine Redeliste gibt. Haben sich die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW darauf verständigt, wer beginnt? - Das ist der Kollege Bernd Voß von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick mag man sich wundern: Die EU hat jetzt beschlossen, dass Mitgliedstaaten in ihren Hoheitsgebieten den Einsatz der Agrogentechnik verbieten können. Da sagt die Bundesregierung: Liebe Länder, wir überlassen euch die Sache, regelt das so, wie ihr das wollt. Wir Grüne hier im Land sind in der Regierung, und trotzdem haben wir etwas zu meckern.

Warum also sind wir nicht zufrieden, warum fassen wir nicht einfach einen Beschluss und sagen: Minister, regele das schnell, mach das einmal klar im Land, halte uns von Gentechnik frei. - So einfach ist die Welt nun einmal nicht. Es steht hier einiges auf dem Spiel. Für die Land- und Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein ist Gentechnikfreiheit im landwirtschaftlichen Anbau ein unverzichtbarer Standortvorteil, den wir nicht wieder aufs Spiel setzen dürfen.

Wir haben in der Vergangenheit dafür gekämpft, und wir werden auch weiter entschieden dafür kämpfen, auch wenn starke Interessen internationaler Konzerne dagegenstehen. Diese mächtigen Interessengruppen sind real. Sie haben am Zustandekommen der jetzigen Opt-Out-Regelung auf EUEbene mitgewirkt. Viele gute Vorschläge, die aus dem Europaparlament kamen, sind nicht umgesetzt worden beziehungsweise sind im Rat, also letztlich von den Regierungen der Mitgliedstaaten, also auch von der Bundesregierung, bekämpft worden.

Das, was dabei herausgekommen ist, bedeutet, dass die Mitgliedstaaten zwar theoretisch frei entscheiden können und Agrogentechnik für sich oder für bestimmte Gebiete in ihren Ländern ausschließen können, aber dies ist mit vielen Pferdefüßen behaftet. Meine Redezeit ist viel zu kurz, um all die Konsequenzen, die sich aus dieser Richtlinie ergeben, aufzuzählen.

Ich belasse es bei der Feststellung: Es ist äußerst fraglich, ob rechtssichere Verbote nach dieser Regelung für einzelne Regierungen in Europa überhaupt möglich sind. In jedem Fall ist damit ein enormer Aufwand an Begründungen und argumentativer Absicherung erforderlich, mit vielen Gutachten und mit einem hohen Risiko, dass manche der Gentechnikkonzerne trotzdem einen Marktzugang einklagen werden, wenn sie wollen. Wir müssen leider davon ausgehen, dass sie dies wollen, denn sie stehen in Brüssel schon mit einer ganzen Reihe von Neuzulassungsanträgen und Wiederzulassungsanträgen für Gentechnikpflanzen Schlange.

Deshalb haben wir Grüne im Europäischen Parlament auch gegen die Opt-out-Regelung in dieser Form gestimmt. Mit ihr wird jetzt wahrscheinlich ermöglicht, dass eine Reihe von neuen Gentechnikpflanzen die Zulassung für den Anbau bekommen werden. Die Bundesregierung muss im EU-Rat endlich klar Position beziehen und darf einer Zulassung neuer Gentechnikpflanzen nicht zuzustimmen. Sie darf sich nicht enthalten, sondern sie muss ganz konsequent dagegen stimmen. Das ist hier die einzige Maßnahme.

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Kai Dolgner [SPD])

Ich freue mich darüber, dass zumindest im Bundesrat die Mehrheit der Länder gegen diese Pläne der Bundesregierung steht und dass auch in der AMK in dieser Frage eine klare Position besteht.

Die Bundesregierung will die Verantwortung für die Umsetzung den Ländern zuschieben und damit bei der Gentechniktechnikzulassung einen Flickenteppich in Deutschland riskieren.

Wir haben vorhin bei der Debatte über den Haushalt mehrfach darüber diskutiert, was es letztlich bedeutet, wenn hier ständig Personal reduziert werden muss. Das könnte bedeuten, dass wir in Deutschland 16-mal erhebliche Kosten hätten, um hier Rechtssicherheit herzustellen. Wir riskieren, dass einzelne Länder von Gentechnikkonzernen auf die Zulassung ihrer Gentechniksaaten verklagt werden - mit allen Konsequenzen. Wir kennen dies aus der Debatte über TTIP.

Wir müssen jetzt vielmehr alles daran setzen, diese schlechte EU-Regelung so gut umzusetzen, wie es geht, um - soweit es möglich ist - Rechtssicherheit herzustellen. Das geht am besten durch eine bundesweite Regelung und eine klare Haltung der Bundesregierung. Es muss endlich Schluss damit sein, dass in der Frage der Gentechnik herumgeeiert wird. Das gilt an erster Stelle für Bundeskanzlerin Frau Merkel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf von der Bundeskanzlerin Frau Merkel auf die PIRATEN kommen: Sie haben sich diesem Antrag angeschlossen, und ich möchte darum bitten, dass sich auch die Oppositionsparteien überlegen, sich diesem Antrag anzuschließen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Unverzichtbar ist letztlich für den wirtschaftlichen Erfolg der Land- und Ernährungswirtschaft hier im Land, dass wir gentechnikfrei bleiben. Das bleiben wir nur, wenn wir hier eine konsequente Politik verfolgen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt SPD und PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nur mutmaßen, in welche Richtung das gehen soll. Der Minister hat angekündigt, nach Berlin zu gehen. Sehr geehrter Herr Minister, ich könnte nun denken: Wenn Sie in Berlin sind, dann wollen Sie dort eine Spitzenstellung einnehmen und aus Berlin heraus Ihren Einfluss geltend machen. Deshalb wollen Sie die Verantwortung hier im Land Schleswig-Holstein im Moment - was die GVO angeht - nicht tragen. Das wäre schade. Sie haben ja zwei Jahre Zeit, wenn der Gesetzentwurf so, wie es besprochen ist, im Bund durchgeht. In diesen zwei Jahren könnten Sie natürlich tätig werden und letztlich dazu beitragen, dass Schleswig-Holstein gentechnikfrei bleibt.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Eine zweite Frage, die ich auch direkt an Herrn Voß richte: Denken Sie nicht auch einmal darüber nach, dass in Berlin ein Regierungswechsel stattfindet, und zwar ohne Ihre Regierungsbeteiligung? Denken Sie daran, dass wir schon einmal eine schwarz-gelbe Regierung hatten. Es gab Zeiten, in denen Schwarz-Gelb propagierte, dass in der Gentechnik nicht alles Teufelszeug sei, sondern dass auf Bundesebene durchaus Zulassungen genehmigt werden könnten und auch genehmigt wurden. Also: Es gibt in Berlin einen Regierungswechsel, die Grünen und die SPD sind nicht dabei und haben mit einem Mal keinen Einfluss mehr. Sie fordern nun, dass alles beim Bund bleibt und dass nichts auf die Länder heruntergebrochen wird. Das kann eigentlich nicht Ihr Anliegen sein.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich spreche für die CDU. Jetzt komme ich zur Linie der CDU und erkläre Ihnen ganz kurz, wie das im Moment bei der Zulassung des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen läuft. Sie wissen, dass dies grundsätzlich in der EU entschieden wird. Im Moment können die Mitgliedstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet begründet den Anbau ausschließen. Ich denke dort an die Entscheidung von Frau Aigner, CSU, zu MON 810 im Jahre 2009. Das ist eine Maissorte, deren Anbau sie aus Risikogründen auf dem Bundesgebiet untersagt hat. Herr Voß hat es richtig beschrieben: Die Antragsteller können dem widersprechen. Im Moment hat keiner so einem Widerspruch stattgegeben, und es wird in der gesamten Bundesrepublik im Freiland keine gentechnisch veränderte Pflanze angebaut.

(Bernd Voß)

Schauen Sie auf Österreich. Dort gibt es eine aktuelle Pressemitteilung: Niederösterreich, das ist ein Bundesstaat von Österreich, hat jetzt schon die neue EU-Vorgabe umgesetzt und sich gefreut. Österreich war für Sie immer ein positives Beispiel zum Ausschluss von GVO. Dort hat man sich gefreut und angekündigt, dass man auf Landesebene Niederösterreichs diese EU-Gesetzgebung sofort umsetzt und als erstes Land international und auch national in Österreich den richtigen Weg geht und damit GVO in diesem Landesteil in Österreich ausschließt. Das können Sie hier auch. Ich frage Sie: Warum wollen Sie das nicht machen?

Jetzt kommt die neue Opt-out-Regelung auf EUEbene. Laut eines Zitats unseres Sprechers der CDU im Bundestag, Herrn Holzenkamp, unterstützen wir alle ein flächendeckendes Anbauverbot. Das ist das Ziel. Der richtige Weg ist, auch auf die spezifischen Verhältnismäßigkeiten in den einzelnen Ländern einzugehen.

Agrarminister Schmidt hat gesagt, eine rechtssichere Ablehnung könne nur erfolgen, wenn sie gut begründet, verhältnismäßig und nicht diskriminierend erfolgt. Ansonsten hätten genau diese Unternehmen, die Sie genannt haben, Herr Voß, Grund zur Klage und berechtigte Hoffnungen, dass ihre Klagen durchgehen.

Für jede einzelne Pflanze oder Pflanzengruppe muss gesondert und dezidiert begründet werden, warum man einen Anbau nicht möchte und diesen letztlich auch ablehnt. Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden für ein Land zwischen den Meeren oder für ein Bundesland, das von anderen Bundesländern umgeben ist, die durchaus unterschiedliche Agrarstrukturen und eine unterschiedliche biologische Vielfalt haben. Hier wäre es schwierig, ohne eine dezidierte Begründung rechtssicher GVO-Anbau auszuschließen.

Ich stelle also zusammenfassend fest: All das, was man im Föderalismussystem auf Länderebene gern nutzt und bei dem man immer wieder Forderungen stellt wie zum Beispiel zu Fracking, zu CCS oder zu einer gentechnikfreien Zone, nimmt man dann gern in Anspruch, wenn man meint, man könne dies mit einem schlanken Aufwand in irgendeiner Form auch umsetzen. Wenn es aber einmal richtig haarig wird und wenn Sie, Herr Habeck, das in Ihrem Ministerium letztlich auch fachlich begleiten und begründen müssen, warum ja oder nein, dann kneifen Sie und haben nicht den Mumm, diese Verantwortung zu übernehmen. Ich stelle fest, dass Sie nicht bedenken, dass es auf Bundesebene durchaus Mehrheiten geben könnte, die Ihren im

Moment gefahren Kurs nicht unbedingt in die richtige Richtung bringen.

Abschließend möchte ich eines sagen: Auch die FDP scheint dazuzulernen. Herr Kumbartzky, Ihre Kollegin Happach-Kasan hat sich an einer Petition an den Deutschen Bundestag beteiligt. Dabei geht es darum, und das können wir nur unterstützen: Alle Lebensmittel, alle Arzneimittel, alle Futtermittel, alle Wasch- und Reinigungsmittel sowie alle Textilien sollen in Zukunft gekennzeichnet werden müssen, sofern sie bei der Verarbeitung oder Herstellung mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Berührung gekommen sind. Wenn wir eine Kennzeichnung aller dieser Produkte hätten, dann würden wir ganz schnell erkennen, dass die Akzeptanz entweder in die eine Richtung geht, dass es den Bürger nicht stört, dass es so ist, oder in die andere Richtung. Dann hätten wir durchaus politisch eine größere Vielfalt bei den Entscheidungen. Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wahlprognosen der Union begeistern mich immer wieder aufs Neue. Genauso wie Ihr Landesvorsitzender und Spitzenkandidat gehen offensichtlich auch die Mitglieder der CDU-Fraktion dieses Hauses davon aus, dass wir nach der nächsten Landtagswahl wieder die Regierung stellen. Nur so kann Ihre Logik stimmen. Sie behaupten, wir gäben ein Instrument aus der Hand, das wir auf Landesebene noch hätten, dessen Nutzung aber im Bund von einer eventuellen schwarz-gelben Koalition vereitelt werden könnte. Da die Landtagswahl ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl stattfindet, gehen Sie davon aus, dass wir nach der nächsten Landtagswahl noch regieren; davon gehen auch wir aus. Danke, dass wir darin übereinstimmen.

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

- Sie können mir eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege König.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Auch Sie können mir eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Arp.

(Heiner Rickers)

Herr Habeck könnte übrigens das Kabinett von Herrn Albig nur dann verlassen, wenn es nach der nächsten Landtagswahl noch ein Kabinett von Herrn Albig gäbe. Davon gehen wir und Sie aus, wie ich gerade festgestellt habe. Hier herrscht also breite Übereinstimmung darüber, dass wir die nächste Wahl gewinnen werden.

(Zuruf CDU: Unlogisch!)

Dass Sie das stört und Sie das unlogisch finden, ist mir schon klar. - Ich muss etwas lauter reden, da die Kollegen von der CDU angesichts ihrer eigenen Prognosen offensichtlich sehr aufgeregt sind. Darüber würde ich mich an Ihrer Stelle auch aufregen.

Sie konstatieren gleichzeitig, Herr Habeck kalkuliere damit, künftig im Bund das umsetzen zu können, was er umsetzen wolle. Damit kalkuliert die CDU damit, dass zumindest die Grünen im Bund bei der nächsten Wahl zulegen werden. Gleichzeitig erzählen Sie von der CDU, es könne wieder SchwarzGelb an die Regierung kommen, und dann werde der GVO-Anbau möglicherweise freigegeben. Letzteres entspricht vermutlich der Wahrheit. Die CDU möchte also gern, dass auf deutschen Äckern gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Diese Absicht hat die CDU bisher nur verklausuliert geäußert. Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie Ihre Drohkulisse, nach der nächsten Wahl werde Schwarz-Gelb in Berlin regieren, als Begründung für Ihre Ablehnung anführen.

(Beifall SPD)

Das ist schon eine ziemliche Volte, die Sie vollzogen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Das passt aber zu Ihren Versuchen, Entscheidungen, die in dieser Frage den Willen der Mehrheitsbevölkerung Europas widerspiegeln, zu unterminieren.

19 von 28 Mitgliedsländern waren gegen den Anbau von Genmais 1507. Leider hat die Enthaltung von Angela Merkel Anfang 2014 dazu geführt, dass dieser erste Damm gebrochen ist. Das war übrigens eine bewusste Enthaltung.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wer war damals Umweltminister?)

- Angela Merkel hat sich enthalten, Herr Kollege Dr. Klug. Ich glaube, die Kanzlerin arbeitet auf europäischer Ebene selbstständig, jedenfalls nicht unter Anleitung der FDP. Das wäre 2014 auch nicht mehr möglich gewesen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Die SPD hat in dieser Frage wohl nichts zu sagen?)