Protocol of the Session on May 21, 2015

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann brauchen Sie doch kein Sondervermögen!)

Herr Koch, nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder glauben Sie, dass wir weiter regieren, und unterstellen uns, wir würden es nicht ernst meinen. Das wäre ein bisschen skurril, denn wir haben es selbst reingeschrieben. Oder Sie glauben, dass Sie regieren, und vermuten, dass Sie dann sofort alles wieder zulasten der Hochschulen plündern. Andere Möglichkeiten gibt es nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, die über 140 Millionen €, die wir für die humanitäre Hilfe der Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollen, nehmen wir aus allen Reserven, aus allen Haushaltsstellen. Es ist ein großer Kraftakt. Ich wundere mich ein bisschen über die Debatte, dass dies jetzt der Punkt sei, um noch ganz viel obendrauf zu packen. Es ist ein großer Kraftakt, es ist viel Geld. Wir machen das,

wir machen das gern. Es geht ein Dank an alle Ministerinnen und Minister, an die Landesregierung, dass alle bereit sind, mit einer globalen Minderausgabe zu leben. Das ist nicht einfach, das ist nicht schön, aber das gehört zur Wahrheit dazu. Deshalb mein Dankeschön dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben den Nachtragshaushalt vorgestern dem Landtag zugeleitet. Wir schaffen alles ohne neue Schulden - ungeachtet der großen Unkenrufe, wir würden das alles nicht hinkriegen und irgendwann Verfassungsgrenzen reißen. Das stimmt alles nicht. Wir haben noch immer über 135 Millionen € Abstand zur Verfassungsgrenze. Wenn die Steuerschätzung so kommt, wird die Neuverschuldung sogar sinken. Ob die Steuerschätzung so kommt, weiß kein Mensch. Deshalb ist es gut, an der Stelle vorsichtig vorzugehen.

Rot-Grün-Blau ist auch im Sturm stark aufgestellt. Wir präsentieren gemeinsam Lösungen für Herausforderungen, die so nicht absehbar waren. Die Küstenkoalition weiß, dass auch der Haushalt 2016 angesichts der Dynamik der Flüchtlingszahlen eine Konzentration auf das Wesentliche erfordert. Aber auch das werden wir gemeinsam meistern, ohne unseren politischen Gestaltungswillen aufzugeben. Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 6 Minuten überzogen. Diese Zeit steht jetzt allen anderen Fraktionen zur Verfügung.

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin Heinold, man mag über die Sinnhaftigkeit des Vorgehens der CDULandtagsfraktion, einen eigenen Nachtragshaushalt einzubringen -

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir auch in der Stun- de getan, in der Sie nicht hier waren!)

- Herr Kollege Andresen, im Gegensatz zu Ihnen sitze ich nicht nur herum. Ich kann die Debatte

(Ministerin Monika Heinold)

auch in meinem Büro verfolgen. Auch Sie sollten die modernen Techniken vielleicht einmal nutzen. Man kann über die Frage streiten, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, einen Monat zu warten, die Vorschläge zu sammeln und mit dem zu diskutieren, was die Regierung vorlegt.

Ihren Ansatz, Debattenbeiträge in einen Kontext zu stellen zum Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer, dass dort Menschen ertrinken und sterben, weil sie nicht rechtzeitig gerettet werden, halte ich für völlig unangemessen. Ich will kurz begründen, warum.

(Zurufe)

Das Land Schleswig-Holstein investiert nicht einen einzigen Cent in die Rettung der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Nicht einen einzigen Cent. Deshalb weise ich Ihren Ansatz, wenn wir hier über Hochschulen und anderes debattieren und Begrifflichkeiten wie Sturm, Wind oder Schlauchboot in den Mund nehmen, zu diskreditieren, indem Sie sagen, das sei angesichts der Tatsache, dass auf dem Mittelmeer Menschen sterben, unerhört, entschieden zurück, weil die Debattenkultur in unserem Land bisher eine völlig andere war.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Es gab in der Flüchtlingsfrage in diesem Hause bisher dankenswerterweise nie große Kontroversen, ob und wie wir Flüchtlinge aufnehmen, dass wir sie menschenwürdig unterbringen müssen und die Tatsache, dass viele Asylbewerber und Flüchtlinge zu uns kommen, von diesem Land bewältigt werden muss. Sie wissen, dass die wenigsten davon diejenigen sind, die im Mittelmeer gerade versuchen, ein neues Leben zu beginnen. Die meisten kommen über die Landwege, vor allem aus den Balkanstaaten. Das hat mit der Situation auf dem Mittelmeer, die wir morgen diskutieren werden, nichts zu tun.

Ich will das nur vorweg sagen, denn wenn wir beginnen, auf diese Art und Weise mit moralischen Implikationen zu arbeiten, dann können wir uns Debatten in der Sache in diesem Hause ersparen.

Ich möchte etwas dazu sagen, dass ich verstehe, dass diese Küstenkoalition unruhig wird, weil sich das, was Sie immer vor sich hertragen, Bildungspolitik - auch Hochschulpolitik - sei ein zentrales Anliegen, in der Praxis nicht komplett umsetzen lassen wird. Herr Kollege Dr. Stegner, ich sage es noch einmal: Die Bildungspolitik der letzten 27 Jahre in diesem Land wurde 24 Jahre von der SPD verantwortet - 24 Jahre von der SPD! Die Ergebnisse, die wir heute sehen, sind Ergebnisse einer Bildungspo

litik der Sozialdemokraten und von niemandem sonst. Das kann man nicht wegwischen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die Hochschulen sind nicht in zweieinhalb Jahren einer Regierung von CDU und FDP marode geworden, also unter unserer Beteiligung, die Straßen sind nicht marode geworden, und die soziale Spaltung im Bildungsbereich haben nicht CDU und FDP zu verantworten, sondern diejenigen, die die letzten 28 Jahre hier Verantwortung getragen haben.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Einige Anmerkungen zur Logik, Frau Ministerin. Ich finde es sehr schön, dass Sie Sondervermögen eingerichtet haben, obwohl wir alle darüber debattiert haben, ob Sondervermögen überhaupt einen Sinn machen, wenn sie aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden sollen. Jetzt sagen Sie: Aus dem Sondervermögen, das wir gegründet haben, das ja dazu dienen sollte, gerade nicht bedarfsgerecht Gelder anzusammeln, nehmen wir jetzt diejenigen Gelder, die wir nicht mehr brauchen, und führen sie ab 2018 bedarfsgerecht zurück. - Was soll uns das denn sagen?

(Beifall FDP und PIRATEN)

Dann brauchen wir kein Sondervermögen, dann können wir es sofort auflösen, weil Sie bedarfsgerecht immer nur aus dem laufenden Haushalt finanzieren. Ihre eigene Logik der Begründung beispielsweise widerspricht dem, was Sie jetzt gerade machen. Dann lösen Sie Sondervermögen komplett auf, weil Sie bedarfsgerecht immer aus den laufenden Haushalten die entsprechenden Ausgaben tätigen können. Das war ja gerade nicht Ihre Intention, sondern die war eine völlig andere. Aber die Logik, Herr Kollege Dr. Stegner, ist diesmal nicht aufseiten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern die Logik liegt einfach auf unserer Seite, weil wir sagen: Das, was Sie machen, widerspricht Ihren bisherigen eigenen Ansätzen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Frau Ministerin, auch in anderer Hinsicht bin ich sehr begeistert über Ihre Ausführungen, weil Sie mit der moralischen Überschrift, wir müssten jetzt alles dafür tun, Menschen in diesem Land menschenwürdig unterzubringen, Debatten über die Frage, ob es nicht in bestimmten Bereichen auch alternative Verwendungsmöglichkeiten für die zusätzlichen Steuereinahmen gibt, schlicht und ergreifend abwürgen würden. Wir müssen uns selbstverständlich fragen: Bleibt die Konjunktur so, wie sie

(Wolfgang Kubicki)

ist? Bleiben die Steuereinnahmen so, wie sie sind? Und vor allen Dingen: Werden wir unserer Verantwortung gegenüber den Menschen gerecht, die zu uns kommen, den künftigen Generationen, wenn wir darauf verzichten, beispielsweise mehr zu investieren als gegenwärtig? Die Frage ist, ob es da nicht vielleicht eine andere Möglichkeit der Abschichtung gibt.

Werden wir diesem Auftrag gerecht? - Ich sage Ihnen: eindeutig nein! Ein Land, das sich damit begnügt, eine Investitionsquote von 6,8 % zu haben, verabschiedet sich aus dem Konzert derjenigen, die die künftige Leistungsfähigkeit dieser Republik sicherstellen sollen. Wie wollen Sie mit einer so niedrigen Investitionsquote sicherstellen, dass die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden können? Hier erinnere ich die Sozialdemokraten, Herr Kollege Dr. Stegner, gern an den letzten Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, der in diesem Hause einmal gesagt hat: Eine Investitionsquote von weniger als 10 % ist ein Verbrechen an der Zukunft.

(Beifall FDP und CDU)

Nun kann man über Peer Steinbrück denken, was man will. Da haben auch Sozialdemokraten unterschiedliche Auffassungen, aber er war Ihr Kanzlerkandidat. Und in seinem Buch „Unterm Strich“ wiederholt er diese Aussage ja.

(Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Aber nur ge- gen gutes Geld!)

- Nicht gegen gutes Geld! Das Buch hat sich ja ordentlich verkauft, was man nicht von allen Ideen von Sozialdemokraten sagen kann, sonst lägen die auf Bundesebene über 22 %. Aber in aller Ernsthaftigkeit: Der Finanzausgleich läuft irgendwann aus, Frau Ministerin Heinold, das wissen Sie doch auch, darüber haben wir doch eigentlich früher auch einvernehmlich debattiert. Wenn wir sicherstellen wollen, dass wir als Land unsere eigene Leistungsfähigkeit behalten wollen, wenn wir nicht - wie die Griechen - dauernd von Transferzahlungen anderer abhängig sein wollen, dann müssen wir in diesem Bereich mehr tun.

Ich wünsche mir eine nicht emotional geführte, sondern ergebnisoffene Debatte über die Frage, wie wir möglicherweise beides hinbekommen, einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen, die zu uns kommen, eine möglichst schnelle Integration in unsere Gesellschaft, sodass sie auch zu Leistungsträgern werden können, und eine Erhöhung unserer Investitionstätigkeit als Land SchleswigHolstein. Ansonsten können wir so viel reden, wie

wir wollen, es wird dann ab 2019 zappenduster. Noch einmal: Ich bitte darum, nicht zu moralisieren und nicht rationale Argumentationen in den Senkel zu stellen, sondern wirklich darüber nachzudenken, wie wir die Herausforderungen, die wir in beiden Bereichen haben, bewältigen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die Piratenfraktion hat Frau Abgeordnete Angelika Beer.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Restzeit werden der Kollege Uli König und ich uns teilen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das macht es nicht besser!)

Ich nehme Bezug auf den sehr sachlichen Beitrag von Herrn Kubicki. Wir werden die europäische Flüchtlingspolitik und ihre Folgen morgen diskutieren. Ich glaube, dass eine Haushaltsdebatte eine Generaldebatte ist, gehört zum guten parlamentarischen Stil. So soll es heute auch sein.

Was ich zu dem Bereich der Flüchtlinge aber sagen möchte, denn wir haben hier weitestgehend einen Konsens, das zeigen auch die vorliegenden Anträge: Ich will hier gar nicht darüber streiten, wann wer wie gehandelt hat, Frau Midyatli. Es ist gut, dass jetzt gehandelt wird. Das andere ist dann extra zu bewerten. Aber ich möchte in einem Punkt warnen: Es ist in der Vorstellung der Vorhaben für den Nachtragshaushalt zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik von der Finanzministerin geäußert worden, unter Umständen auch das Wohngeld zu kürzen. Das ist ein gefährlicher Weg. Das ist ein gefährlicher Weg, wenn nicht vorher sichergestellt ist, dass nicht soziale Spannungen, Vorurteile und auch bestimmte Ressentiments, die gegen Flüchtlinge geschürt werden, dazu führen, dass die Willkommenskultur bei uns in Schleswig-Holstein beschädigt wird.

(Beifall PIRATEN)

Das möchte ich in einer sachlichen finanzpolitischen, aber dann auch flüchtlingspolitischen Diskussion ansprechen. Ich glaube, dazu haben wir dann auch noch Gelegenheit. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

(Wolfgang Kubicki)

Nun hat der Kollege Uli König von der Fraktion der PIRATEN das Wort.