Protocol of the Session on May 21, 2015

Ich erteile das Wort zunächst der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich verweise auf die Vorlage.

Vielen Dank für die ausführliche Berichterstattung. - Mit den Anträgen zu a) und b) werden mündliche Berichte in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen - - Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Herdejürgen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist durchaus üblich, dass in diesem Hause Berichtsanträgen die Zustimmung gegeben wird. Das setzt allerdings voraus, dass die mündlichen Berichte, die hier abgefragt werden, eine Form haben, die sich für einen mündlichen Bericht eignet. Das ist aus unserer Sicht bei diesen Berichtsanträgen der PIRATEN nicht der Fall. Wir möchten vermeiden, dass hier Tabellen und Haushaltsstellen verlesen werden müssen.

Wir möchten selbstverständlich die geforderten Berichte zum G-7-Gipfel hören, stimmen aber diesen Fragestellungen ausdrücklich nicht zu. Sie sind denke ich - für Kleine Anfragen oder einen schriftlichen Bericht geeignet.

Zu unserem Abstimmungsverhalten: Wir werden dem Berichtsantrag selbstverständlich zustimmen, aber teilen damit ausdrücklich nicht die Fragestellungen, die hier aufgeworfen worden sind.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

(Wolfgang Kubicki)

Vielen Dank für diese Bemerkung zur Geschäftsordnung.

Ich frage jetzt also noch einmal: Wer zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile dann für die Landesregierung dem Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Stefan Studt, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerne berichte ich zum G-7-Gipfel. Ich denke, bei der einen oder anderen Frage, die in den Berichtsanträgen dargestellt ist, mögen Sie überlegen, ob Sie sie in einer Kleinen Anfrage präzisieren. In der Tat wäre es etwas schwierig, das jetzt hier im Einzelnen darzustellen.

Ich möchte zunächst an die besonderen Herausforderungen erinnern, die das Außenministertreffen als wahrlich nicht alltäglicher Großeinsatz nicht nur an unsere Landespolizei gestellt hat. Nicht nur die Tagung im Hansemuseum selbst, sondern auch das Begleitprogramm hatte eine nicht unwesentliche Bedeutung für die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen. Jeder Minister und die EU-Außenbeauftragte wurden durch je etwa 30-köpfige Delegationen begleitet. Zudem waren mehrere hundert Medienvertreter aus aller Welt in Lübeck anwesend, um über das Gipfeltreffen zu berichten.

Erfahrungen aus vergleichbaren Einsatzanlässen ließen insbesondere Protestaktionen und Demonstrationen erwarten. Aus Anlass des Gipfels hatten verschiedene Organisationen bei der Versammlungsbehörde der Stadt Lübeck insgesamt zwölf Demonstrationen in Form von Kundgebungen oder Aufzügen angemeldet.

Nach den schweren Gewalttaten durch linksextremistische Gewalttäter am 18. März 2015 anlässlich der offiziellen Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main hat sich die Polizei natürlich darauf vorbereitet, einer entsprechenden Lageentwicklung in Lübeck frühzeitig begegnen und sie auch verhindern zu können. Stadt- und Landespolizei haben eine Reihe vorbereitender Maßnahmen ergriffen. Durch eine offensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wurde frühzeitig und umfassend über das Sicherheitskonzept und über mögliche Einschränkungen, die auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen, informiert. Jeder In

teressierte konnte sich bei der Polizeidirektion Lübeck unmittelbar oder über ein Bürgertelefon Auskünfte einholen.

Viele Betroffene in den Sperrbereichen wurden im Vorfeld von der Polizei persönlich kontaktiert, ergänzend wurden Flyer an Anwohner mit gezielten Hinweisen zu Einschränkungen und Wegen als tagesaktuelle Informationen verteilt. Erstmals hat die Polizei bei einem derartig großen Einsatz die sozialen Medien genutzt. Über 32.000 User haben dieses Angebot wahrgenommen. Insgesamt waren in Lübeck dann über mehrere Tage rund 3.500 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Dabei wurden die 1.600 Einsatzkräfte unserer Landespolizei durch 1.900 Einsatzkräfte aus den Bundesländern Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie der Bundespolizei unterstützt.

Dieser ohne Zweifel erhebliche Kräfterahmen war notwendig, weil einerseits sehr viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen waren und andererseits der Einsatz mehrere Tage dauerte. Nachfolgend will ich Ihnen einige wenige Informationen zu behördlichen Maßnahmen geben. Aus Anlass des Außenministertreffens hat die Polizei bei 75 Personen die Identität festgestellt. 14 Verdächtige wurden aus Anlass von Straftaten festgenommen und durchsucht. Gegenüber 15 Personen wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Einer Person, die einen gefährlichen Hund mitführte, wurde ein Betretungsverbot für die Innenstadt erteilt.

Diese Maßnahmen erfolgten zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen der Strafprozessordnung und des Landesverwaltungsgesetzes. Sie wurden ergriffen wegen Beleidigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigungen, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. An neun Objekten wurden temporär Schutzmaßnahmen angeordnet. Es wurden jedoch weder Gefahrengebiete eingerichtet noch Videoüberwachungen durchgeführt. Bei den notwendigen polizeilichen Maßnahmen wurde selbstverständlich darauf geachtet, die Beeinträchtigungen für die Bürgerinnen und Bürger in Lübeck und ihrer Gäste möglichst gering zu halten.

Erlauben Sie mir auch einen kurzen Hinweis zu den Kosten. Mit zunehmender Nähe zum Gipfel entwickelte sich die Kostenschätzung auf rund 4,7 Millionen €. Diese Summe setzt sich zusammen aus Aufwendungen für die Unterbringung der Einsatzkräfte in Wohncontainern, Jugendherbergen, Bildungsstätten und Hotels, für Verpflegung, für

die Erstattung einsatzbedingter Mehrausgaben für die Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei, für externe Dienstleister, zum Beispiel das Technische Hilfswerk, die Miete von Liegenschaften, für Bewachungsunternehmen, die zum Beispiel in der Musik- und Kongresshalle und am Rathaus eingesetzt waren, und für sonstige Einsatzbedarfe, wie zum Beispiel Kartenmaterial. Davon wurden bislang 2,2 Millionen € zur Auszahlung gebracht.

Die Finanzierungslücke aus den tatsächlich entstandenen Kosten abzüglich der vorsorglich über die Nachschiebeliste in den Haushalt 2015 eingesteuerten Mittel in Höhe von 500.000 € wird im Haushaltsvollzug im Rahmen der Deckungsfähigkeit verschiedener Haushaltstitel geschlossen werden. Das endgültige Kostenvolumen war im Herbst 2014 zur Nachschiebeliste 2015 überhaupt nicht kalkulierbar und damit auch nicht etatreif. Einsätze dieser Größenordnung, Einsatzlagen generell, können nicht mit einem solchem zeitlichen Vorlauf finanziell abschließend geplant werden. Aktuelle Lagebeurteilungen und Lageentwicklungen bestimmen den Umfang notwendiger Maßnahmen, die dann natürlich mehr oder auch weniger Kosten verursachen können. Im Zeitraum des Außenministertreffens sind für die Landespolizei rund 40.000 Mehrarbeits- und Überstunden angefallen. Unmittelbar nach dem Einsatz wurden durch Freizeitausgleich bereits 10.000 Stunden abgebaut. Die Gewährung weiteren Freizeitausgleichs beziehungsweise die Bezahlung dieser Mehrarbeit läuft natürlich weiter.

Lassen Sie mich abschließend den Planungs- und Einsatzverlauf noch einmal zusammenfassen. Die Vorbereitung und die Zusammenarbeit mit der Hansestadt Lübeck, der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und dem Auswärtigen Amt waren von Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt.

Ich stelle auch fest, dass die Landespolizei in größtmöglicher Weise zu jeder Tages- und auch Nachtzeit für Sie Parlamentarier für Fragen und Beobachtungswünsche zur Verfügung stand und jedem transparent Einblick in das Einsatzgeschehen und den Einsatzverlauf gewährt hat. Damit hatten auch Sie Gelegenheit, Ihrer oder besser unserer Landespolizei bei diesem außergewöhnlichen Einsatz einmal über die Schulter zu schauen. Für dieses Interesse möchte ich mich bei Ihnen ganz ausdrücklich bedanken, weil das auch für uns, für die Landespolizei, ein Zeichen von Wertschätzung ist.

Das Treffen der Außenminister ist ohne nennenswerte Zwischenfälle wie geplant durchgeführt wor

den. Die angemeldeten Demonstrationen sind alle störungsfrei - und zwar mit und wegen des versammlungsfreundlichen Kooperationsverhaltens der Polizei mit den Veranstaltern - verlaufen. So soll es sein.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Bilder von massiven Gewaltausbrüchen, wie wir sie zuletzt eben aus dem schon benannten Ereignis in Frankfurt gesehen haben, hat es in Lübeck nicht gegeben. Das, das will ich Ihnen sagen, ist für mich das Allerwichtigste. Ich habe mir bei mehrfachen Besuchen vor Ort ein eigenes Bild von der Einsatzbewältigung und dem professionellen Auftreten unserer Polizei machen können. Die Polizei hat damit ihren Beitrag für ein freundliches, positives und weltoffenes Bild der Stadt Lübeck und auch des Landes Schleswig-Holstein geleistet.

(Beifall SPD, SSW, Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Herr Präsident, erlauben Sie mir in dem Zusammenhang ein Zitat aus dem Dankesschreiben von Bundesaußenminister Steinmeier:

„Darüber hinaus möchte ich dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten in Kiel und dem Polizeipräsidenten Lübeck meinen Dank aussprechen. Die bürgernahe Kommunikation über die bei einem derartigen Großereignis zu erwartenden temporären Sicherheitsmaßnahmen und der umsichtige Einsatz der Polizeikräfte während des G-7-Treffens verdienen großes Lob.“

Mir bleibt abschließend nur, mich bei unserer Landespolizei und natürlich auch bei den Unterstützungskräften für dieses Engagement und die absolut professionelle Einsatzbewältigung zu bedanken. Sie haben einen richtig guten Job gemacht! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, FDP und PIRATEN)

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen Dank, Herr Minister, für den ausführlichen Bericht. Dass er in den Zahlen

(Minister Stefan Studt)

nicht so genau sein konnte, wie unser Berichtsantrag ist, versteht sich von selbst. Wir hatten aber schon in Vorgesprächen klargemacht, dass wir darauf nicht bestehen. Genauso freue ich mich darüber, dass der G-7-Gipfel so gewaltfrei verlaufen ist, wie er verlaufen ist und wie Sie es geschildert haben.

Trotzdem muss ich im Nachhinein sagen, dass ich es heute bedauere, dass er in Lübeck stattgefunden hat. Ich möchte Ihnen erklären, warum. Ich habe mir die Rede von Außenminister Steinmeier auf dem Rathausplatz zur Eröffnung angeschaut, und da hat er die auf der Hand liegenden Vergleiche mit der Hanse als Globalisierungsvorläufer mit einem einheitlichen Rechtssystem bemüht. Was er vergessen hat zu erzählen - sonst wäre das Bild vollständig gewesen -, war, dass beim Hanse-Tag, der alljährlich oder zumindest regelmäßig stattfand, auf keinen Fall so viele hellebarden- und waffentragende Soldaten das Treffen der Bürgermeister schützen mussten, wie es hier in Lübeck der Fall war. Wenn sieben Außenminister so geschützt werden müssen, dass pro Außenminister 500 Polizeikräfte im Einsatz sind, dann ist irgendetwas gesellschaftlich aus dem Ruder gelaufen.

(Beifall PIRATEN)

Und wenn sich dann auch noch der, der Musik und Essen bestellt, nur zu einem Bruchteil an den Kosten der Veranstaltung beteiligt, dann ist das auch nicht in Ordnung. Auf der offensichtlich nach oben offenen Kostenskala von G-7-Treffen bleiben wir, wie wir heute erfahren haben, auf mindestens 4,2 Millionen € sitzen, die dem Land angelastet werden und von denen man gewiss sicherlich bessere Dinge hätte finanzieren können.

(Beifall PIRATEN)

Ich habe einmal nachgerechnet: Davon könnte man etwa sechs Jahre lang alle Frauenhäuser gut ausstatten.

Die Motivation derer, die die Demonstration angemeldet und durchgeführt haben, geht weit über das hinaus, für das wir uns als Land verantwortlich zeichnen. Daher gehe ich auch nicht näher darauf ein. Einen kleinen Hinweis möchte ich mir doch nicht verkneifen: Die Legitimation der Bürgermeister beim Hanse-Tag war deutlich größer als die der G-7-Staaten aufgrund ihrer starken Wirtschaftskraft.

(Beifall PIRATEN)

Zurück zu dem, was in Lübeck passiert ist. Teile der Lübecker Altstadt wurden zu einer Festung, in die deren Bewohner nur nach Ausweiskontrolle ka

men. Das ist das, was auch wir vor wenigen Tagen hier im Landtag erleben mussten,

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

als der israelische Staatspräsident hier zu Gast war nur mit einem Unterschied: Wir wollten nur zu unseren Arbeitsplätzen und nicht in unsere vertraute Wohnung und Umgebung. Wenn Sicherheitsmaßnahmen sich in der Form auf die eigene Lebensgestaltung auswirken, dann muss man sich fragen: Ist das verhältnismäßig? - Die dürfen nur stattfinden, wenn es verhältnismäßig ist.

(Beifall PIRATEN)

Genau da sind beim G-7-Gipfel durchaus Zweifel angebracht. Das betrifft genauso die Ebene der Resultate wie die Ebene des Anspruchs auf ein historisches Ambiente im Hintergrund.

Trotzdem muss man ja sagen, wenn man das mit dem vergleicht, was in den nächsten Tagen - am 8. Juni 2015 - in Bayern passiert, war das mit 5 Millionen € ein Schnäppchen, denn in Bayern fallen jetzt 200 Millionen € für den Einsatz von 17.000 Polizisten an. In der Stadt Garmisch-Partenkirchen hat man sogar eine zentrale Schadensausgleichstelle eingerichtet, weil da der Bund mit dem Land Bayern eine Haftpflichtversicherung für Demonstrationsschäden abgeschlossen hat. Ob wir so etwas hier hatten, weiß ich nicht; das können Sie uns vielleicht beantworten, Herr Minister.