Das soll meine Schlussbemerkung sein - das gilt nicht nur für dieses Gesetz, sondern für alle Gesetze -: Nichts ist in Stein gemeißelt. Lassen Sie uns gemeinsam Erfahrungen mit dem Gesetz sammeln. Herr Kubicki, wenn es, wie Sie es darstellen, notwendig sein sollte, Regelungen des Gesetzes zu verändern, werde ich der Erste sein, der hier entsprechende Regelungsvorschläge vorlegt. - Ganz herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar kurze Anmerkungen zum Schluss der Debatte möchte ich noch machen. Herr Peters und Herr Innenminister, wenn Sie den Entwurf als mustergültig bezeichnen, möchte ich darauf hinweisen, dass er sich sehr deutlich von dem Musterentwurf unterscheidet, der von den Bundesländern auf den Weg gebracht wurde. Daher können Schwierigkeiten entstehen, wenn beispielsweise Polizeikräfte aus anderen Bundesländern je nach Einsatzort und unterschiedlichen Versammlungsrechten tätig werden müssen. Das ist eine Problematik, die wir in Schleswig-Holstein weiter befördern.
Herr Innenminister, vor dem Hintergrund des Hinweises, es habe beim G-7-Gipfel in Lübeck keine Kontrollstellen gegeben, darf ich einmal fragen, auf wessen Bitte das Versammlungsrecht erst nach der G-7-Konferenz in Lübeck verabschiedet werden sollte. Es wäre ja vorher fertig gewesen, aber es gab den dringenden Wunsch, das Gesetz erst in Kraft zu setzen, nachdem wir diese Großlage hinter uns haben. Wenn das alles so unproblematisch ist, wäre das wohl kaum erforderlich gewesen.
Wenn sich der Innenminister hier explizit als Polizeiminister ans Rednerpult stellt, hätte ich schon ein Wort zu den Äußerungen von Mitgliedern der regierungstragenden Fraktionen erwartet, das neue Gesetz sorge dafür, dass unangemessenes Handeln der Polizei, beispielsweise Drangsalieren durch Kontrollstellen, so nicht mehr stattfinden könne. Das finde ich eine unerträgliche Unterstellung gegenüber der verantwortungsvollen Tätigkeit der Landespolizei. Herr Minister, ich hätte erwartet, dass Sie dazu eine Formulierung finden, die das geraderückt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zwar gewarnt, dass gegen bewusstes Missverstehen nicht viel rhetorisches Kraut gewachsen ist, aber trotzdem: Herr Dr. Bernstein, was Sie gesagt haben, hat hier kein Redner behauptet. Die Frage von innerer Versammlungsfreiheit ist richterlich ausgeurteilt. Maßnahmen können auch einen Chilling-Effekt haben und die innere Versammlungsfreiheit negativ beeinträchtigen, ohne dass ich diejenigen, die diese Maßnahmen durchführen, die Kontrollstellen oder Videoüberwachung, irgendwelche bösartigen Motive unterstelle. Diesen Punkt scheint die CDU nicht zu verstehen.
Wir können uns lange darüber unterhalten, ob die Übersichtsaufnahme einen so starken Chillingeffekt ausübt, dass ich mich in der Abwägung dafür entscheide, auf meine innere Versammlungsfreiheit komplett zu verzichten. Das ist die Meinung von Herrn Breyer. Wir sagen in unserer Abwägung, weil wir in bestimmten Fällen Übersichtsaufnahmen brauchen: Ja, diesen Effekt gibt es, aber er ist nach unserer Auffassung nicht so groß, dass jemand nicht zur Demo geht.
Wir haben das Für und Wider von Kontrollstellen ernsthaft diskutiert und uns in der Abwägung gegen Kontrollstellen entschieden. Denn wenn es erhebliche Gefahrenhinweise gibt - Herr Kollege Kubicki, das wissen Sie selbst -, greift das allgemeine Polizeirecht, das Landesverwaltungsgesetz. Dann ist auch die Nichterwähnung von Kontrollmaßnahmen im Versammlungsrecht kein Grund für die Polizei, nicht einzuschreiten, wenn sie weiß, dass zum Beispiel 1.000 bewaffnete Hooligans auf dem Weg nach Lübeck sind. Das kann man alles an dieser Stelle konstruieren.
Es bleibt aber dabei - insofern bin ich ganz beruhigt -: Es kann nicht beides gleichzeitig wahr sein, dass wir hier ein total repressives Versammlungsrecht beschließen und dass es ein viel zu liberales Versammlungsrecht ist, das die Polizei schwächt.
Herr Kollege Peters hat hier vollkommen zu Recht gesagt: Es gibt völlig unterschiedliche, legitime Interessenslagen bei der Durchführung einer Versammlung. Da macht die Polizei einen ganz schweren Job, weil sie gleichzeitig die Versammlungsfreiheit der Demonstranten - häufig auch der Gegendemonstranten - schützen und Gefahren abwehren muss. Wir halten unseren Instrumentenkasten an dieser Stelle schlicht und ergreifend für ausgewogen. Das ist überhaupt keine Unterstellung gegenüber der Polizei.
Sie können das noch 1.000- und 2.000-mal wiederholen, nur belegen können Sie es nicht. Es bleibt bei dem, was der Minister gesagt hat: Kontrollstellen waren in Schleswig-Holstein nicht notwendig.
Beim Thema Gewalttäter unterschlagen Sie: Wenn Gewalttäter vorher bekannt werden - das ist das, was Herr Breyer die ganze Zeit kritisiert -, dann ist es das mildere Mittel, sie von der Versammlung fernzuhalten. So kann man die Versammlungsfreiheit schützen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, dass es diese Instrumente noch gibt. Wir haben bei den Instrumenten eine Abwägung getroffen. Die FDP hat bei den Instrumenten eine leicht abweichende Abwägung getroffen.
Aber weder die Rhetorik der CDU, dass die Polizei jetzt gar nichts mehr machen dürfe, noch die Rhetorik der PIRATEN, dass die Polizei jetzt alles machen dürfe und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit auch im normalen Handeln komplett ausgeschlossen werde, ist wahr. Diese Fraktionen meinen offensichtlich, mit dieser Rhetorik ihren oppositionellen Auftrag besonders ernst zu nehmen. Das dürfen sie gern tun.
Ich glaube, das ist ein gutes Gesetz, mit dem auch der Polizeiminister sehr gut leben kann. Übrigens war auch die Pressemitteilung der GdP sehr differenziert. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Chuzpe des Kollegen Dolgner immer wieder bemerkenswert. Er erklärt hier, wir bräuchten keine Bestimmung zu Kontrollstellen, weil das allgemeine Polizeirecht solche Maßnahmen erlaube. Unabhängig davon, dass das Versammlungsrecht als Lex specialis dem allgemeinen Polizeirecht als Lex generalis vorgeht, handelt es sich das muss man vielleicht noch einmal erklären - um zwei völlig unterschiedliche Anknüpfungstatsachen. Es kommt nicht darauf an, ob man weiß, dass Leute Waffen - beispielsweise Pfefferspray - mitführen, sondern darauf, ob es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Möglichkeit besteht.
Ich versuche, Sie einmal daran zu erinnern, was in Köln los war, als es dort eine „kleine“ Demonstration mit gewaltbereiten Hooligans gab. Ich will daran erinnern, dass wir davon ausgehen müssen, dass das, was wir in Hamburg erlebt haben, noch häufiger zu erleben sein wird. Vielleicht treffen Salafisten und Kurden aufeinander, die mit Waffen unterwegs sind. Eine Kontrollstelle am Zugang zur Demonstration kann dazu führen, dass Polizeibeamte diesen Gefahren gar nicht ausgesetzt werden.
Wir sind wirklich Vertreter der Versammlungsfreiheit, aber wir sind trotzdem nicht naiv und blöd. Ich wundere mich, dass ausgerechnet der Innenminister als Mitglied der Sozialdemokraten, die in der Vergangenheit in verschiedenen Funktionen leidvolle Erfahrungen gemacht haben, hier locker sagt: Kontrollen beim Zugang zu Demonstrationen brauchen wir nicht. - Ich halte das für abgrundtief gefährlich. Herr Minister, das Gesetz zu ändern, wenn schon etwas passiert ist, hilft denen, denen schon etwas passiert ist, nicht weiter. Ich halte das wirklich für eine nicht akzeptable Weise, an diese Frage heranzugehen.
Herr Kollege Breyer, wir haben weniger die Situation, dass sich ein Ehepaar mit Kind, das an einer Demonstration gegen Atomkraft teilnehmen will, vermummen will, weil möglicherweise eine Drohne in der Luft hin und her fährt. Ich bin ohnehin der Auffassung, dass man bei Demonstrationen seine persönliche Meinung kundtun will und das Zeigen des Gesichtes deshalb eigentlich dazugehört, weil man ja dokumentieren will, wofür man steht.
Das Problem ist, dass Demonstranten selbst in Gefahr geraten, wenn Dritte als vermummte Blocks aufmarschieren, um die Demonstration für ihre Ziele zu nutzen. Genau dafür brauchen wir das Instrument der Wahrnehmbarkeit der Aufzeichnung. Dafür brauchen wir das Instrument, dass die Polizei in einem solchen Fall einschreiten kann, um diese Form der Vermummung zu unterbinden und die Demonstration als solche im wahrsten Wortsinn zu retten, um also die Menschen, die wirklich demonstrieren wollen, weil es ihnen um die Sache geht und nicht um Randale, davor zu schützen, dass sie mit denen, die vermummt auftauchen - schwarzer Block ist das Stichwort -, in einen Topf geworfen werden.
Die Annahme, dass jede Aufzeichnung von Demonstrationsteilnehmern per se etwas ganz Schlimmes sei, weil der Staat an sich etwas ganz Schlimmes sei, teile ich nicht. Wir müssen immer
davon ausgehen, dass wir in einem demokratischen Rechtsstaat von den staatlichen Organen erwarten können und auch erwarten dürfen, dass sie sich an die grundgesetzlichen Vorgaben halten.
Der Staat ist böse, und die Demonstranten vermummen sich, weil sie Angst davor haben, dass der böse Staat mit ihren Daten etwas Böses anfängt - diese Auffassung teilen wir als FDP grundsätzlich nicht. Herzlichen Dank.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/3019, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von FDP und CDU. Wer ist dagegen? - Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die Fraktion der PIRATEN. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Ich lasse dann über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP, Drucksache 18/119, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von PIRATEN und CDU. Wer enthält sich? Das sind die Abgeordneten der Fraktion der FDP. Damit ist dieser Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache 18/2988 angenommen.
Ich erteile das Wort zunächst der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.