Protocol of the Session on March 20, 2015

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt genügend gute Gründe, den Gesetzesentwurf, sollte er denn so kommen, im Bundesrat abzulehnen. Nach alldem

nehmen wir den Antrag der Piratenfraktion gern zum Anlass, den Themenkomplex in Bezug auf mögliche Auswirkungen auf unser Landesamt für Verfassungsschutz im Innen- und Rechtsausschuss ausführlich zu erörtern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Uli König [PIRATEN])

Herr Kubicki, ich habe das eben falsch verstanden. Sie reden ganz regulär für die FDP-Fraktion?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das entscheiden Sie in Ihrer eigenen Weisheit. Ich dachte, das sei eine Meldung zu einem Dreiminutenbeitrag, weil mir in der Redeliste genannt wird, dass der Kollege Klug dazu redet. Selbstverständlich erteile ich Ihnen das Wort. Für die FDP-Fraktion spricht also jetzt Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Klug ist durch die Debattenbeiträge heute schon so erschöpft, dass ich die Aufgabe übernommen habe, zu dem Thema zu reden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Glatte Unterstel- lung!)

Herr Kollege Peters, in der Sache kann ich vieles von dem, was Sie gesagt haben, teilen. Was die jetzige Bundesregierung angeht, so ist dies nicht der grundsätzliche Ansatz dessen, was die PIRATEN, durch den Redebeitrag von Herrn König vorgetragen, eigentlich vorhaben. Im Hintergrund steht tatsächlich, die Tätigkeit der Geheimdienste insgesamt infrage zu stellen und die Frage zu erörtern, ob wir -

(Zuruf)

- Ja, damit will ich mich befassen, weil einige der Insinuierungen schlicht und ergreifend unzutreffend sind.

Angesichts der Tatsache, dass wir es mit einer terroristischen Bedrohung zu tun haben, die wirklich exorbitant ansteigt - was nicht bestritten werden kann angesichts der Vorgänge, die in Syrien und im Irak passieren und die auch mit Heimkehrern aus diesen Ländern passieren; Herr Kollege König, das wissen Sie vielleicht auch -, werden wir mit jeder Form von Telekommunikation in diesem Fall gar nicht weiterkommen ohne V-Leute, die sich dort

(Burkhard Peters)

engagieren. Ohne sie würden wir die Strukturen weder erkennen noch sie wirksam bekämpfen können.

(Beifall FDP)

Das mag mir nicht gefallen, das mag anderen nicht gefallen, aber schlicht und ergreifend ist es eine Tatsache, an der wir nicht vorbeikommen.

Deshalb halte ich die Beschlusslage des Landes Thüringen, V-Männer grundsätzlich nicht mehr einzusetzen, für eine mittlere Katastrophe. In Thüringen muss man damit im Zweifel selbst fertigwerden. Die LINKEN wollten ja den Verfassungsschutz insgesamt abschaffen, was ihnen nicht gelungen ist. Aber allein die Tatsache, dass man jetzt aus Thüringen heraus möglicherweise keine sinnvollen Informationen mehr gewinnen kann, wird unter Umständen dazu führen, dass Thüringen ein Ort der Bewegung der Erstrückkehrer werden wird - im Gegensatz zu allen anderen Ländern in Deutschland.

Herr Kollege König, ich möchte Sie auch darauf hinweisen - Herr Kollege Peters, das ist vielleicht auch für uns ganz wichtig -, dass die Kontrollmechanismen eigentlich alle vorhanden sind. Bedauerlicherweise werden sie von denjenigen, die in diese Kontrollfunktion hineingewählt werden, nicht ausreichend wahrgenommen. - Ja, Herr Kollege König, auch bei Ihnen nicht.

Ich möchte darauf verweisen, dass im Deutschen Bundestag diese Kontrollgremien vorhanden sind, sie in aller Regel genauso wenig Zeit haben wie in anderen Bundesländern und das auch möglichst schnell abgehandelt werden soll. Die Fragetiefe ist in der Tat so zu sehen, dass sie mit der Zeitinanspruchnahme zu tun haben kann. Noch einmal: Die rechtliche Grundlage dafür, die komplette Kontrolle auszuüben, ist vorhanden, auch in Schleswig-Holstein.

Interessanterweise - ich bin seit über 20 Jahren in diesen Gremien - kann ich Ihnen sagen, das ist mein Kenntnisstand bundesweit, dass wir das hier in diesem Land wirklich intensiver wahrnehmen, als das woanders der Fall ist. Im Juli haben wir, glaube ich, ein Treffen der jeweiligen Vorsitzenden der G-10-Kommission oder der TKÜ-Kommission, um dieses Problem weiter zu erörtern. Selbstverständlich muss man immer hinterfragen, ob das, was uns berichtet wird, aus den jeweiligen Gremien zutreffend ist. Selbstverständlich, Herr Kollege König, können Sie bis auf den Einzelfall auch in Schleswig-Holstein ohne Namensnennung nachfragen, ob und wie viele V-Leute im Einsatz sind.

Wir sollen ja über aktuelle Dinge nichts berichten. Deshalb versuche ich, aus der Vergangenheit von vor 20 oder 15 Jahren zu berichten, weil natürlich auch in Schleswig-Holstein wie auch sonst die Gefahr besteht, dass, wenn Menschen in Strukturen eingeschleust werden, sie unmittelbar in Straftaten verwickelt werden können, nicht aktiv, sondern passiv, beispielsweise wegen unterlassener Hilfeleistung oder Schlägerei. Oder man lässt jemanden liegen und geht einfach weg. Das sind Beispiele für unterlassene Hilfeleistung.

Die spannende Frage ist nur - das war damals in Schleswig-Holstein jedenfalls Konsens - wenn solche Gefahrenlagen bestehen, dass es vorab mit dem Parlament und mit den Funktionsträgern darüber eine Diskussion gibt, bis zu welcher Grenze man so etwas zulassen könnte oder auch nicht. Denn das ist anschließend auch eine Frage der politischen Wertung. Wir können nicht Menschen in solche Gefahrenlagen hineingehen lassen und uns anschließend einen schlanken Fuß machen. Wenn dann etwas passiert, heißt es, das Parlament hat damit nichts zu tun, und die Dienste sind an allem schuld.

Noch einmal: Ich bin für jede Form der Intensivierung von parlamentarischer Kontrolle, von jeder Form. Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die mit dieser Funktion beauftragt werden, sie auch wirklich wirksam wahrnehmen, was ja nicht immer in ausreichender Weise der Fall gewesen ist.

Herr Kollege Voß hat die grundsätzlichen Probleme bei der gesetzlichen Neuregelung auf Bundesebene angesprochen. Auch hier stimmt meine Fraktion - und zwar nicht nur hier, sondern die FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Fraktionen der Länder; wir sind im Bund ja nicht mehr vertreten - mit einer Reihe von Fragestellungen überein, was die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen angeht. Aber dass wir das grundsätzlich brauchen, dass wir Geheimdienste sowohl im Inland als auch im Ausland brauchen, das ist eine Selbstverständlichkeit.

Herr Kollege Peters, ich habe mich bei der Snowden-Enhüllung immer wieder gefragt, warum wir alle so überrascht gewesen sind. Was haben wir geglaubt, was die Amerikaner in Bad Aiblingen machen? Das ist eine Station, die in Bayern liegt, die größte Abhörstation für Telekommunikation in Europa. Haben wir gedacht, die schalten all das ab, was an deutschen Grenzen nicht ankommt? Gucken Sie sich nur Bulgarien oder Russland oder welches Land auch immer an, es war doch klar, dass sie die Telekommunikation abgreifen. Die spannende Fra

(Wolfgang Kubicki)

ge ist nur: Warum haben wir so lange weggeschaut? Warum haben wir uns nicht intensiver dafür interessiert, was dort gemacht wird?

(Beifall FDP)

Das können wir jetzt nicht den Amerikanern anlasten, das müssen wir uns selbst anlasten, weshalb ich dafür bin, die Kontrolle zu verstärken und die Funktionsträger der Kontrolle besser darauf vorzubereiten, dass sie ihr Amt dann auch wirksam ausüben, aber nicht daran zweifeln, dass wir Geheimdienste zur Bekämpfung von größten Straftaten brauchen, die Deutschland oder auch die Bürger in Schleswig-Holstein begegnen können. Das ist der entscheidende Punkt. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. - Nun hat der Kollege Lars Harms für die Abgeordneten des SSW das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Betrachtet man den Wortlaut des Antrages der PIRATEN unter Punkt 1, wird eine Schwierigkeit deutlich: Die PIRATEN nennen eine Vielzahl von angeblichen rechtlichen Beeinträchtigungen und subsummieren diese unter Grundrechtsbeschränkungen. Diese von den PIRATEN definierten Grundrechtsbeschränkungen sollen nun von der Landesregierung pauschal verhindert werden. Ob hier in jedem Einzelfall, der beschrieben wird, wirklich Grundrechte berechtigterweise beschränkt werden oder nicht, will ich gar nicht thematisieren. Dies könnte ein Gericht viel besser tun. Allerdings weiß der Nichtjurist Lars Harms, dass Grundrechte immer nur dann eingeschränkt werden können, wenn sie mit anderen Grundrechten, die es zu schützen gilt, abgewogen werden. Das gilt sowohl in der konkreten Rechtsgüterabwägung als auch im Gesetzgebungsprozess.

Wenn man eine Forderung aufstellen wollte, müsste man konsequenterweise eine faire Rechtsgüterabwägung in diesem Gesetzgebungsprozess einfordern. Denn es kann durchaus notwendig sein, die im PIRATEN-Antrag genannten Bereiche einzuschränken, wenn damit beispielsweise das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geschützt werden kann. Wie weit diese Abwägung zum Beispiel bei der Übermittlung personenbezogener Daten zur Verhinderung eines terroristischen Angriffs geht, kann man sicherlich nicht in einer Fünfminutenrede

abschließend darstellen. Fest steht allerdings, dass pauschale Forderungen ohne Abwägungsprozess nicht unserer Rechtsordnung entsprechen.

Im Gegenteil, die Staaten, die Grundrechte ohne eine entsprechende Abwägung mit anderen Grundrechten politisch beeinflussen wollen, sollten nicht unser Vorbild sein. Eine politisch motivierte Entscheidung ohne Abwägungsprozess erscheint uns auch rechtsstaatlich nicht der richtige Weg zu sein. Man kann die politischen Vorstellungen, die im PIRATEN-Antrag enthalten sind, ganz oder teilweise teilen oder auch nicht. Aber immer, wenn es darum geht, einen Gesetzgebungsprozess durchzuführen, sollten wir sehr genau darauf achten, dass wir auch in unserer Antragstellung die rechtsstaatlichen Prinzipien nicht außer Acht lassen.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Verfassungsschutzbehörden nach Artikel 20 des Grundgesetzes an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden sind.

Wir können also gern über alle diese Punkte im Antrag der PIRATEN diskutieren, aber ich bin mir sicher, dass es durchaus auch sein kann, dass in der Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten Zwischenlösungen die Lösung sein können.

Die Nummer 2 des Antrags befasst sich mit V-Leuten und Undercover-Agenten. Natürlich ist der Idealzustand, dass man keine Menschen finanziell unterstützt, die Straftaten begehen oder Straftäter unterstützen. Allerdings hätten wir dann überhaupt keine Erkenntnisse mehr, weil alle Organisationen, die beobachtet werden, natürlich auch verfassungsfeindliche Tendenzen haben und entsprechende Personen potenziell Straftaten begehen.

(Zuruf FDP: Genau!)

In Nordrhein-Westfalen sind Undercover-Agenten in einer terroristischen oder verfassungsfeindlichen Organisation nur erlaubt, solange sie keine Führungsrollen übernehmen und keine Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ begehen. Vielleicht ist eine solche abgestufte Regelung die Lösung. Ganz auf V-Leute zu verzichten und sie rechtlich unmöglich zu machen, ist aber keine Alternative.

Punkt 3. Was die Auslandsüberwachung angeht, kann man hier über erweiterte Formulierungen nachdenken. Man könnte beispielsweise grob formulieren, welche Maßnahmen im Ausland denkbar wären. Was wäre aber dann gewonnen? Die Formulierungen müssten trotzdem immer noch so vage sein, dass sie genügend Spielraum lassen, dass die Auslandstätigkeit weiter fortgesetzt werden könnte.

(Wolfgang Kubicki)

Ich weiß nicht, ob wir hier wirklich so viel echten praktischen Spielraum haben.

Das gilt auch für die Frage, ob Daten, die auf einer ausländischen Rechtsgrundlage erhoben wurden, die nicht der unsrigen Rechtslage entspricht, genutzt werden dürfen. Wenn die ausländische Rechtsgrundlage einwandfrei ist, sehe ich erst einmal keine Schwierigkeiten, da auch ausländische Staaten mit anderen Gesetzen durchaus auch Rechtsstaaten sein können. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob Daten, die in Deutschland entgegen unserer rechtlichen Bestimmungen erhoben werden, rechtlich einwandfrei erworben worden sind. Dabei macht es dann aber keinen Sinn, diese Daten im konkreten Fall - beispielsweise bei einem terroristischen Angriff - nicht nutzen zu wollen. Vielmehr stellt sich doch schon im Vorwege die Frage, ob man den betreffenden Staat nicht davon abhalten kann, zukünftig solche Daten entgegen unserer Rechtsgrundlagen in Deutschland zu erheben. Das allerdings, meine Damen und Herren, ist entweder eine geheimdienstliche Aufgabe oder Sache der Diplomatie zwischen zwei Staaten.

Gerade diese internationalen Fragen lassen sich wahrscheinlich nicht per Bundesgesetz regeln, sondern hier müsste es eigentlich bilaterale Verträge geben, an die man sich dann auch hält. Da, meine Damen und Herren, spielt Vertrauen eine größere Rolle als rechtliche Fragen. Das mit dem Vertrauen klappt auch nicht immer. Das wissen wir alle. Aber ein rechtlicher Weg, an den sich dann die ganze Welt bei Geheimdiensten hält, das, glaube ich, können wir alle nicht so sehen, wird es nicht geben. So ist das Leben eben nicht. Deswegen meine ich, man muss sich darüber unterhalten und abstimmen, dann werden wir das mit den ausländischen Geheimdiensten besser hinkriegen. Aber eine Ideallösung, da bin ich mir sicher, werden wir nie hinkriegen.

Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Stefan Studt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir diese Debatte heute hier im Landtag in Freiheit führen können, verdanken wir der deutschen Verfassung, unserem Grundgesetz. Diese Freiheit für unsere Gesellschaft gilt es zu bewahren. Die Vergangenheit hat uns jedoch gelehrt, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Verbrecher haben in

Deutschland den Menschen schon einmal ihre Freiheit geraubt und durch ein Unrechtsregime ersetzt. Nichts anderes wollen Extremisten, gleich aus welcher Überzeugung, auch heute. Sie wollen unsere freiheitlich-demokratische Verfassung abschaffen. Dazu benutzen sie demokratische Mittel, sie nutzen aber auch Gewalt und Terror.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben nach Ende des Dritten Reiches die richtige Antwort gefunden. Sie haben eine Verfassung geschaffen, die es der Demokratie möglich macht, sich gegen extremistische Bestrebungen zu wehren. Unverzichtbarer Teil dieser Verfassungsarchitektur, der Abwehrbereitschaft, sind die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern.

Das sieht die Fraktion der PIRATEN offenbar etwas anders. Bereits vor über einem Jahr hat sie in einer Pressemitteilung erklärt, dass es in einer freien und demokratischen Gesellschaft keine geheim operierenden Dienste geben dürfe und dass die Abschaffung der deutschen Geheimdienste ihr klares Ziel bleibe.