Protocol of the Session on March 20, 2015

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Nein!)

- Herr Kollege Patrick Breyer, ich war bei den Koalitionsverhandlungen anwesend. Ich habe das für die SPD verantwortet. Sie können mir gern meine Wirklichkeit an der Stelle erklären. Dann erklären Sie mir vielleicht einmal Ihre Wirklichkeit. Das fände ich sehr spannend.

Den Koalitionsvertrag schließen wir ab. Wenn wir dazu kommen, dass Dinge, die im Koalitionsvertrag stehen, nicht vernünftig machbar sind, dann - große Überraschung für Sie! - machen wir sie nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wenn wir Ihnen erklären, dass Dinge nicht vernünftig machbar sind, dann bestehen Sie trotzdem darauf - schlicht und ergreifend. Sie flüchten sich dann in semantische Detaildebatten, die überhaupt nichts bringen. Denn wir haben hier Demonstrationsbeobachtung gehabt - Herr Peters hat Ihnen das erklärt -, natürlich untergesetzlich, ohne besondere Rechte.

Sie haben überhaupt keine Grundlage für dieses Dokument. Der Antrag war ein bisschen arbeitsscheu, so möchte ich es einmal nennen. Es steht überhaupt nicht darin, was Sie mit den Dokumenten dürfen und nicht dürfen, wer sie ausgibt und so weiter - und das drei Wochen vor Toresschluss. Guten Morgen! Sie sind beim Thema Demonstrationsbeobachtung aufgewacht. Wahrscheinlich haben Sie mit jemandem gesprochen, der das seit 20 Jahren fordert. Aber müssen wir dem gleich folgen?

Über Mittag schreiben Sie dann „Frankfurter Modell“, ohne dass Sie das näher erläutern können, und fordern von uns jetzt eine Entscheidung in der Sache auf Ihr Wort zu einem Frankfurter Modell in der Plenardebatte - in einer Sache, die Sie kurzfristig einreichen - und nennen das wahrscheinlich sorgfältige parlamentarische Arbeit. Wir nennen es: keine sorgfältige parlamentarische Arbeit.

Wenn Sie meinen, nächste Woche im Ausschuss sei es zu spät, darüber zu reden - wobei ich das zeitlich nicht zusammenbekomme -, mag das bestimmt

auch eine besonders sorgfältige Arbeit sein. Wenn Sie meinen, es sei zu spät, um es in den Ausschuss zu überweisen - auch ein Ausschuss kann übrigens eine Landesregierung auffordern, die Landesregierung muss es aber in ihrem Rahmen selber bestimmen -, wenn Sie meinen, dass Sie darüber im Ausschuss gar nicht mehr reden wollen, dann wissen wir, welche Funktionalität dieser Antrag haben sollte, und stimmen eben in der Sache ab.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN]: Wunderbar!)

Nun gibt es aber tatsächlich keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe deshalb die Beratung.

Jetzt gibt es zwei unterschiedliche Ansagen. Der Kollege Tobias von Pein - jedenfalls habe ich seinen Redebeitrag so verstanden - möchte den Antrag überweisen.

Dann stimmen wir darüber ab. Wer diesen Antrag in der Drucksache 18/2783 (neu) in den Innen- und Rechtsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Wer lehnt die Überweisung ab? - Das sind die Kollegen der FDP und der Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit des Hauses in den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen worden.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Aufrüstung der Geheimdienste stoppen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2804 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Uli König.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das kleine Wünsch-dir-was der Geheimdienste hat vor rund einem Monat seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden - natürlich nicht dank der Intransparenz unserer Bundesregierung, sondern dank Journalisten, und zwar der Journalisten von netzpolitik.org.

(Dr. Kai Dolgner)

Der publik gewordene Wille der Bundesregierung ist von Verblendung, Ignoranz und Schamlosigkeit geprägt.

(Beifall PIRATEN)

Die Geheimdienste sind schon heute die wichtigste Bastion der Gegner einer demokratisch kontrollierten Exekutive. Das hat sich in den letzten Monaten nicht zuletzt im NSA-Untersuchungsausschuss gezeigt. Was der Bundesnachrichtendienst da als Auslegung von Gesetzen bezeichnete, würde jedem Richter eine weitere Anklage wegen Rechtsbeugung einbringen.

(Beifall PIRATEN)

Deshalb bekommt der BND gleich eine neue Kompetenz zur Abwehr von sogenannten Cyber-Gefahren. Selbstverständlich soll er auch hierfür sämtliche elektronische Kommunikation überwachen und unkontrolliert nutzen können. Gleich 21-mal kommt der Begriff „Cyber“, der wahrscheinlich in den 80er-Jahren einmal modern war, in diesem Papier vor. Cyber, meine Damen und Herren, das ist ungefähr so, wie die Kraftdroschke in der StVO zu früheren Zeiten.

Auch die NSU-Untersuchungsausschüsse haben uns deutlich dargelegt, dass die Dienste offenbar den Realitätsbezug verloren haben. V-Leute, offenbar als Allheilmittel für Behörden, die sich zu weit vom Volk entfernt haben, wurden eingesetzt. Sie wurden mit eigenem Geld bezuschusst, geschützt, aber Erkenntnisse hat man durch sie nicht. Was folgt daraus? Die Protegierung und teilweise Legalisierung von Straftaten durch verdeckte Ermittler und V-Leute. Selbst Straftaten von erheblicher Bedeutung sollen nicht zum Abbruch des Einsatzes führen. Statt Taten im Amt ernsthaft zu verfolgen, sollen sie nun legalisiert werden. Meine Damen und Herren, heute wurde gemeldet, dass in Thüringen beschlossen wird, die V-Leute komplett abzuschaffen. Ich finde das sehr löblich.

(Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das begrüßen Sie?)

Dazu kommen mehr gemeinsame zentrale Dateien, die erweiterte Weitergabe von Befugnissen und Pflichten, alles beim Bundesverfassungsschutz. Der darf in Zukunft dann nahezu überall mitspielen. Die Landesverfassungsschützer sollen wohl in Zukunft nur noch die Laufarbeit für den zentralen Bundesverfassungsschutz leisten.

Die fachlich föderale Trennung der Sicherheitsbehörden wird durch den Gesetzentwurf weiter marginalisiert. Diesem grundrechtlichen Schutzme

chanismus steht in der politischen Debatte der nahezu wahnhafte Wunsch nach Effektivität der Geheimdienste gegenüber. Zunehmende Verwebung von organisatorischer, informativer und personeller Ebene sind klare Zeichen für den Erfolg dieses Wahns. Gerade die Sicherheitsapologeten halten die föderalistische und fachliche Trennung von Macht immer wieder für sach- und weltfremd. Sie sind das größte Übel der ultimativen Sicherheitsarchitektur.

(Beifall PIRATEN)

Es ist ja nicht so, als wenn das Scheitern der Verfassungsschützer maßgeblich an fehlenden Rechten zur Informationsweitergabe gelegen hätte. Sie sind auch jetzt schon mehr als umfangreich. Nein, es liegt an der Grundeinstellung der Dienste, dass sie ihrem Auftrag nicht nachkommen. Daran wird dieser Gesetzentwurf nichts ändern. Ich habe auch Zweifel, ob das bei den starren Strukturen überhaupt möglich ist. Die Dienste brauchen nicht mehr Möglichkeiten. Die Dienste brauchen mehr und eine bessere Kontrolle.

(Beifall PIRATEN)

Was wollen die Dienste? Faktisch keine Kontrolle, dafür mehr Macht. Da braucht es schon ein ganz erhebliches Vertrauen in die Institution der jeweiligen Dienste, um das zu rechtfertigen. Ganz egal, woher dieses Vertrauen kommen soll, es darf kein blindes Vertrauen sein, sondern bestenfalls ein Vertrauensvorschuss. Allein in der jüngeren Vergangenheit unserer Dienste gab es schon Anlass genug, den bisher gewählten Vertrauensvorschuss infrage zu stellen. Da gibt es aber Leute in Deutschland, die sich nicht zu schade sind, auch noch mehr Vertrauen einzufordern. Sie werfen sich den Diensten an den Hals und vergessen dabei ihren demokratischen Auftrag, die Dienste zu kontrollieren. Nein, weiteres Vertrauen darf es erst geben, wenn es eine signifikante Stärkung der Kontrolle dieser Dienste und weitreichende Konsequenzen bei Überschreitung ihrer Befugnisse gibt und ein deutliches Mehr an Offenheit gelebt wird. Deshalb ist dieses Gesetz zu verhindern. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Axel Bernstein das Wort.

(Uli König)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege König, wenn ich Ihren Redebeitrag jetzt noch einmal zusammenfasse, dann bleibt unter dem Strich: Wenn man die Geheimdienste insgesamt abschaffen will, dann sollte man das auch beantragen und sich nicht hinter solchen Formalismen verstecken.

(Beifall CDU und FDP)

Eine solche Einschätzung halten wir für fahrlässig und falsch. Wir können dem natürlich in keinster Weise folgen.

Ich möchte zwei Passagen aus der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom 15. Januar 2015 zitieren:

„Wir müssen den Sicherheitsbehörden insgesamt die erforderliche personelle und finanzielle Ausstattung verschaffen, die sie benötigen, um unsere Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten.“

Das Protokoll vermerkt an dieser Stelle Beifall bei allen Fraktionen des Bundestags mit Ausnahme der LINKEN.

„Wir müssen sie in die Lage versetzen, ihre Arbeit auch unter veränderten Lageanforderungen und veränderten technischen Rahmenbedingungen zu erbringen. Dem dient auch die Novelle des Bundesverfassungsschutzgesetzes, und ich möchte diese Möglichkeit nutzen, um allen, die sich um die Sicherheit unseres Landes verdient machen, ein herzliches Dankeschön zu sagen.“

(Beifall CDU und Beate Raudies [SPD])

Das entspricht dem Protokollauszug des Bundestags. An dieser Stelle erfolgt der Beifall sogar unter Einschluss der LINKEN. Abschließendes Zitat:

„Bei der Arbeit unserer deutschen Nachrichtendienste und auch bei der Zusammenarbeit mit unseren Partnerdiensten muss ohne jeden Zweifel stets die Balance von Freiheit und Sicherheit gewahrt werden. Aber ebenso ohne jeden Zweifel ist und bleibt der Informationsaustausch auch über Ländergrenzen hinweg für unsere Sicherheit absolut unverzichtbar.“

Das fasst, glaube ich, die Situation relativ gut zusammen.

Unser Dank als CDU-Fraktion gilt dem Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein und auch den

übrigen Diensten; denn sie leisten einen wichtigen Beitrag und wichtige Arbeit für die Sicherheit in unserem Land. Wir kommen an der Wahrnehmung nun einmal nicht vorbei, dass wir ein Ziel des internationalen Terrorismus sind. Dass es bislang keine schweren Anschläge mit großen Opferzahlen in Deutschland gegeben hat, ist auch ein Verdienst der effektiven und verantwortungsvollen Arbeit dieser Dienste.

(Beifall CDU)