Protocol of the Session on March 18, 2015

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag „Wohnungseinbruchdiebstahl ist eine schwere Straftat“, mein Kollege Wolfgang Dudda wird auf den Antrag „Gewährleistung der Sicherheit muss Kernaufgabe des Staates bleiben“ eingehen.

Zunächst einmal darf ich feststellen, dass auch die Piratenpartei trotz ihres Namens eine Vermögensumverteilung durch Wohnungseinbruch nicht gutheißen kann, Herr Kollege Kubicki.

(Beifall PIRATEN - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Robin Hood! - Weitere Zurufe)

Zentraler Punkt für uns PIRATEN ist das Anliegen, der Hysterisierung der Sicherheitsdebatte endlich ein Ende zu setzen. Der schlimmste Auswuchs dieser Hysterisierung ist die Vorratsdatenspeicherung. Auf die werden wir aber noch einmal gesondert zu sprechen kommen - und das ist gut so.

(Beifall PIRATEN)

Wir haben die bayerische Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Vorgehens gegen Wohnungseinbruchdiebstahl beziehungsweise des Strafrechts und Strafprozessrechts vor diesem Hintergrund ernsthaft, unaufgeregt, aber auch eingehend diskutiert. Im Ausgangspunkt stimmen wir auch darin überein, dass es beim Wohnungseinbruch eben nicht nur um ein Vermögensdelikt geht, sondern dass das Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung betroffen ist und dass solche Straftaten zur Traumatisierung von Menschen, der Opfer, führen können, was gerade bei älteren oder hilflosen Menschen schlimme Folgen haben kann. Dem muss der Staat auch Rechnung tragen.

Auf der anderen Seite ist natürlich auch das Telekommunikationsgeheimnis ein Grundrecht. Schon heute ist eine Telekommunikationsüberwachung bei dem Verdacht einer bandenmäßigen Begehung von Wohnungseinbruchdiebstahl möglich, und was heute auch schon allgemein bei Einbruchdiebstahl möglich ist, ist die Verkehrsdatenabfrage. Das heißt, auch bei nicht bandenmäßigem Wohnungseinbruchdiebstahl ist dieses Instrument anwendbar.

Dass nun das Abhören von Telefonen dort, wo nicht einmal der Verdacht einer bandenmäßigen

(Wolfgang Kubicki)

Begehung besteht, also bei Einzeltätern, die ihre Einbrüche ja gerade nicht telefonisch absprechen müssen, nennenswert zur Verhinderung von Einbrüchen beitragen könnte, vermag ich nicht zu erkennen.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

Auch eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten selbst in weniger schweren Fällen oder eine sonstige Strafverschärfung ist offensichtlich ungeeignet, um besser vor Einbrüchen zu schützen. Denn dass das Strafmaß einen messbaren Einfluss auf den Entschluss hat, eine Straftat zu begehen oder nicht, ist nun schon wirklich lange von der Kriminologie widerlegt.

Herr Kollege Kubicki, übrigens hat eine Studie des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen Aufklärungsquote und Tatbegehung im Zusammenhang mit Wohnungseinbruchdiebstählen nicht nachweisbar ist. Deshalb wäre ich an der Stelle vorsichtig mit der Argumentation.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, es gibt auch minderschwere Fälle im Bereich des Wohnungseinbruchs, bei denen eine sechsmonatige Freiheitsstrafe nicht angemessen ist. Denken Sie beispielsweise an Fälle der Provokation, wo der Täter vielleicht herausgefordert worden ist. Da muss man jedem Einzelfall gerecht werden können. Deshalb ist eine generelle Anhebung des Mindeststrafrahmens der falsche Weg.

Dementsprechend ist diese bayerische Initiative in den Bereich - wie meine Vorredner schon gesagt haben - der Symbolpolitik und der Sicherheitshysterie zu verweisen. Es ist gut, dass der Rechtsausschuss des Bundesrates bereits seine Ablehnung empfohlen hat. Wir PIRATEN tun das auch.

Welche alternativen Maßnahmen tatsächlich einen besseren Schutz vor solchen Taten gewährleisten können, zum Beispiel die Förderung von Eigenschutzmaßnahmen, haben wir hier im Plenum bereits an anderer Stelle ausgeführt. Das muss ich nicht wiederholen. Insofern verbleibt mir, Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu danken.

(Beifall PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Abgeordneten des SSW. Das Wort für sie hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den beiden eingereichten Anträgen produziert die Union ein Bild, das den Eindruck erwecken soll, die Sicherheit in Schleswig-Holstein sei gefährdet. Dabei ist genau eine solche Aussage äußerst gefährlich. Mit einer solchen Aussage ist wirklich niemandem geholfen. Sie führt lediglich zur allgemeinen Verunsicherung und macht uns als Land möglicherweise zusätzlich angreifbar. Solche Aussagen, Anträge, Geschichten oder Bilder bewirken genau das, wovor man sich in diesem Fall eigentlich zu schützen versucht, nämlich Unsicherheit.

An dieser Stelle kann ich nur zur Sachlichkeit raten. Denn Fakt ist, dass die Sicherheit in unserem Land nicht gefährdet ist. Dafür reicht auch ein kurzer Blick auf die Kriminalitätsstatistik des vergangenen Jahres. Schleswig-Holstein verzeichnet für das Jahr 2014 die höchste Aufklärungsquote seit einem ganzen Jahrzehnt. Darüber hinaus werden weniger Fallzahlen im Bereich der Jugendkriminalität verzeichnet, und der steigenden Anzahl von Wohnungseinbrüchen wurde ebenfalls ein Riegel vorgeschoben. Die gestiegene Anzahl der Straftaten insgesamt begründet sich vor allem durch die Verstöße der zu uns kommenden Flüchtlinge, die allein durch ihre Einreise meist einen formell unerlaubten Aufenthalt im Inland begehen. Dies ist eine Tatsache und wird dementsprechend natürlich auch im Register so aufgeführt. Jedoch handelt es sich in diesem Fall absolut nicht um eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit.

Vielmehr zeigt die Statistik doch, dass die Landespolizei eine hervorragende Arbeit leistet. Mehr noch, meine Damen und Herren: Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass der größte Teil der Straftaten auch aufgeklärt wird. Dies sollten wir als Wert an sich anerkennen und auch zu würdigen wissen und eben keine Panik machen.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Wenn wir unsere Nachbarländer anschauen, kann man dort mit Sicherheit nicht so ein gutes Ergebnis

(Dr. Patrick Breyer)

wie das von Schleswig-Holstein vorweisen. Das hat auch etwas mit unserer Landespolizei zu tun.

Ein ernsthaft besorgniserregender Zustand sieht aus Sicht des SSW jedenfalls anders aus. Die Union spricht vom wachsenden Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung. Abgesehen von der Frage der Messbarkeit oder der Definition eines sogenannten zunehmenden Gefühls der Unsicherheit stellt sich doch die Frage, woher dieses Gefühl so plötzlich kommt. Dazu hat der Kollege eben schon richtig genannt, dass das gerade daher kommt, dass die Union diese Unsicherheit schüren will. Das wird von den Medien dann auch noch sehr gern aufgenommen: bad news are good news. Das muss man als Politiker wohl so hinnehmen. Aber es liegt die Vermutung nahe, dass gerade der regionale Medienkonsum einen nicht unbedeutsamen Einfluss auf dieses Gefühl hat.

(Zurufe SPD)

Wenn man ehrlich ist: Personen, die die hiesigen Medien nicht in Anspruch nehmen, werden sicher etwas anderes äußern, sie werden die dargestellte Unsicherheit kaum wahrnehmen.

Von daher nehmen wir vom SSW auch von den sogenannten Bürgerwehren Abstand. Natürlich ist nichts gegen ein funktionierendes wachsames Nachbarschaftsnetzwerk mit abendlichen Spaziergängen einzuwenden. Jedoch sollte allen Beteiligten klar sein, dass die Polizei für die Sicherheit zuständig ist und sonst niemand. Das Phänomen der Bürgerwehr erschließt sich mir jedenfalls nicht. Die Union sollte sich an dieser Stelle eine größere Portion Objektivität gönnen und somit vom subjektiven Storytelling abrücken. Damit wäre der Bevölkerung wirklich geholfen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wir aber stattdessen tatsächlich feststellen können, ist, dass die Landespolizei auf einem sehr hohen Niveau arbeitet. Das gilt auch, wenn es um Wohnungseinbrüche geht. Dieses Thema wurde als Schwerpunkt der aktuellen Tätigkeit auch benannt. Neben den allgemeinen Fahndungsmaßnahmen befürworten wir als SSW es zudem, dass in begründeten Einzelfällen - ich betone: Einzelfällen! - in der Grenzregion und im Hamburger Umland anlasslose Kontrollen durchgeführt werden können - Konjunktiv! Diese Kontrollen können im Einzelfall ein effektives und deshalb auch wichtiges Mittel sein, um die Einbruchsfälle aufklären zu können. Immer dann, wenn es tatsächlich Verdachtsmomente gibt, mag es sein, dass man ein solches Mittel nutzt.

Aber nur dann sollte man dieses Mittel auch nutzen. Ich glaube, dies kann dann auch effektiv sein.

Abschließend möchte ich noch einmal klarstellen, dass wir davon Abstand nehmen, eine Strafrahmenänderung in Bezug auf Wohnungseinbruch vorzunehmen. Auch das hat der Kollege Peters gerade eben schon einmal verdeutlicht.

Der Freistaat Bayern steht mit seinem Vorschlag allein da. Unser Interesse ist es nicht, dies zu ändern. Denn im Grunde genommen sollte es eigentlich darum gehen, eine mehrheitliche Regelung zu finden, die sich auf die gesamte Republik erstreckt. Eigentlich geht es nicht darum, die Strafrahmen zu erhöhen, sondern eher darum, Einbruchdiebstähle entsprechend zu verfolgen, da kriminalistisch ranzugehen, um nicht unbedingt mit der großen Strafkeule zu kommen. Alleingänge sind deshalb kontraproduktiv.

Das sollte eigentlich auch die Union wissen. Statt bei diesem Thema in Panik zu verfallen, sollten Sie eigentlich immer wieder die gute Arbeit unserer Polizei loben. Wir vom SSW tun das jedenfalls. Weil die Polizei so gut arbeitet, gibt es hier in diesem Land keine gefühlte Unsicherheit. Sondern in diesem Land leben die Bürger viel sicherer als an vielen anderen Orten der Welt. Diese Unsicherheit gibt es anscheinend nur in den Köpfen der CDU.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Als Nächstes hat Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda das Wort.

Herr Präsident! Herr Kollege Peters, ich bin völlig bei Ihnen, wenn es um die Einordnung Bayerns geht, und die Rechtsprechung, die in Bayern stattfindet, möchten wir hierzulande unter keinen Umständen haben. Ich war oft genug in Bayern als Zeuge vor Gericht und habe erleben müssen, wie Dinge, die hier oder woanders mit Geldbußen belegt werden, dort in Freiheitsstrafe ohne Bewährung münden. Das sind Verhältnisse, die auch ich ablehne.

(Beifall PIRATEN)

Aber wenn wir schon einmal dabei sind, dann müssen wir trotzdem einiges, was in Bayern besser gemacht wird als bei uns, auch ansprechen können.

(Lars Harms)

Dazu gehört beispielsweise etwas, was mich an der Debatte heute als Einziges freut, nämlich der Antrag der Koalition und das Bekenntnis zur Polizei in der Fläche.

Wir müssen uns folgende Zahlen vergegenwärtigen: Bei uns gibt es 7.000 Einbrüche, in Bayern gibt es 6.000 Einbrüche - bei einer Bevölkerungszahl von fast 13 Millionen in Bayern.

Noch eindrucksvoller wird die Zahl, wenn wir uns einmal Nordrhein-Westfalen mit 50.000 Einbruchstaten bei 17 Millionen Einwohnern greifen und eben nur 6.000 in Bayern. Das ist schnell erklärt. Deshalb auch Sympathie für Ihre Passage: Polizei in der Fläche! Die Quote von Polizei pro 1.000 Einwohner ist in Bayern exakt doppelt so hoch wie in Nordrhein-Westfalen. Offensichtlich wirkt Polizei in der Fläche. Das ist der richtige Weg, wie man das Thema angehen kann.

(Beifall CDU und FDP)

Was ich an der Debatte hier ganz schlimm finde, ist, dass wir Bürgerwehren überhaupt das Wort reden. Dies zur Begründung des einen oder anderen Antrags zu nehmen, halte ich für demokratisch nicht erbaulich.

(Beifall PIRATEN, FDP und SSW)

Wir machen quasi einen parlamentarischen Ritterschlag für diese Bürgerwehren, die wir nicht brauchen. Es ist nichts gegen das zu sagen, was der Kollege Harms sagt, nämlich aufmerksame Nachbarn, die mit der Polizei kooperieren, ihnen Hinweise geben. Von der Bürgerwehr bis zur Selbstjustiz ist der Weg sehr kurz. Das mag ich mir gar nicht zu Ende vorstellen.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Ich möchte noch auf den Kollegen Kubicki eingehen. Er hat völlig recht. Wenn wir in den Parlamenten eine Politik machen, die weniger Wutbürger erzeugt, wenn Fußballspiele friedlich und vernünftig stattfinden, ohne dass polizeiliche Einsätze sie begleiten müssen, dann haben wir auch genügend Polizei auf der Straße, um die Präsenz zu haben, die wir uns wünschen, oder die zu erhalten, die notwendig ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.