Protocol of the Session on March 18, 2015

Stellen wir uns das vor: Erst 2016 werden mehr oder weniger alle Zuschauerinnen und Zuschauer erfasst werden; 53 Jahre nach Beginn der Quotenberechnung. Es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, bis sich die Verantwortlichen eingestanden haben, dass die Sehgewohnheiten nicht vom Pass abhängen. Es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, bis die tatsächliche Vielfalt in Deutschland erfasst wird.

So lange können wir beim ZDF-Fernsehrat natürlich nicht warten. Die Vielfalt unserer Gesellschaft muss in diesem zentralen Gremium verbessert werden. Das gebietet nicht nur die aktuelle Rechtsprechung, sondern auch die gesellschaftliche Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Medien. Das heißt konkret: Wir brauchen mehr Mut zur Vielfalt.

Der Gedanke hinter dieser Forderung ist, dass die Vielfalt im Fernsehrat einen Niederschlag in einem möglichst vielfältigen Programm finden

muss. Wer zur Gesellschaft in Deutschland gehört, soll sich auch in den entsprechenden Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wiederfinden können. In Deutschland werden mehrere Sprachen gesprochen, ganz unterschiedliche Lebensstile gepflegt und ungleiche Kulturen gelebt. Sie sind im aktuellen Angebot des ZDF aber unterrepräsentiert. Das muss sich umgehend und nachhaltig ändern. Der Anfang wäre die Berücksichtigung dieser Vielfalt im Fernsehrat.

Das ZDF dient der demokratischen Meinungsbildung. Aus dieser Verantwortung heraus fordert der Landtag das ZDF auf, seine Struktur zu ändern. Dabei fordern wir eine umfassende Reform unter anderem der Zusammensetzung der Gremien. Die Gremien sollten aber nicht übergroß werden. Der bisher 77-köpfige Fernsehrat hat meiner Meinung nach schon eine kritische Größe gehabt, um überhaupt noch miteinander ins Gespräch kommen zu können. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns überlegen, dass die angestammten Vertreter Plätze räumen, wir also nicht einfach nur mehr neue Vertreter zusätzlich berufen. Nur auf diese Weise bleibt der Fernsehrat überhaupt noch entscheidungsfähig, dann immerhin auch noch mit 60 Personen. Ansonsten droht er zu einem Debattierclub und zu einer Schaufensterveranstaltung zu verkümmern. Genau das wollen wir natürlich nicht.

Politikerinnen und Politiker sind nicht immer gute Programmgestalter. Im ZDF- Verwaltungsrat, dem anderen Entscheidungsgremium des ZDF, sitzen darum ausdrücklich in der Mehrheit Mitglieder, die keiner Regierung angehören. Auch die Vertreter der Länder im Rundfunkrat gehören nicht ausschließlich der Politik an. Durch Schleswig-Holstein haben zum Beispiel - das haben auch Vorredner schon erwähnt - die Minderheiten einen Sitz im Fernsehrat. Es wird Sie nicht wundern, dass auch wir das begrüßen.

Dass allerdings im Verwaltungsrat nur drei von 14 Mitgliedern Frauen sind, ist ein anderes, aber auch ärgerliches Thema. Auch darauf sollte man bei der Besetzung genau achten.

Aber es muss gelten: Wie im Verwaltungsrat muss auch im Fernsehrat der Anteil der Politikerinnen und Politiker reduziert werden. Das hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zweifelsfrei vorgegeben. Die Staatsferne, die das Gericht ernster zu nehmen anmahnt, muss sich in einer großen Nähe zur gesellschaftlichen Realität ausdrücken. Das bedeutet, dass die Mitgliederstruktur vielfältiger sein muss. Genau deshalb wollen wir, dass beispielsweise die Schwulen- und Lesbenverbände, Menschen

(Sven Krumbeck)

rechtsorganisationen und Bürgerrechtsorganisationen einen Sitz bekommen.

(Beifall SSW)

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass der vorliegende Antrag auch einen guten Anstoß in der anstehenden Gremienreform des ZDF geben wird. Natürlich ist es so, dass wir ganz konkret - so ehrlich muss man als Politiker auch sein vorschlagen werden, wer aus diesem Gremium wegfallen soll. In der Tat spielen die Kirchen dort eine besondere Rolle, weil sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche jeweils zwei Vertreter entsenden. Würde man pro Kirche jeweils einen Vertreter streichen, hätte man immer noch die Vielfalt; denn die Kirchen wären dann immer noch repräsentiert. Ich glaube, je ein Sitz würde insoweit völlig ausreichen. Wir hätten jedoch die riesige Chance, noch mehr Vielfalt im Fernsehrat installieren zu können. Da ist es wert, diese Frage noch einmal anzugehen.

(Beifall SSW und PIRATEN)

Vielen Dank. - Jetzt ereile ich das Wort dem Herrn Kollegen Peter Eichstädt, der sich zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet hat.

Frau Präsidentin! Ich möchte ganz gern noch einmal einen Blick auf den schwerwiegenden Vorwurf des Kollegen Bernstein werfen, der gesagt hat, wir würden bei den Kirchen kürzen, bei den Gewerkschaften jedoch nicht. Das ist natürlich Unsinn. Sehr wohl sind auch die Plätze für die Gewerkschaften reduziert worden. So ist der Sitz der Gewerkschaft ver.di herausgenommen worden, wenn auch aus dem Korb der Journalismusverbände. Aber ver.di ist raus. Bei den Kirchen ist nach dem jetzigen Entwurf überhaupt nicht gekürzt worden; sie behalten ihre Sitze. Allerdings ist ein weiterer Sitz für die Kirche hinzugekommen, nämlich für die islamische Kirche. Von daher kann man dies nicht kritisieren.

(Zuruf Dr. Axel Bernstein [CDU])

- Wollen Sie dazu etwas sagen, Herr Bernstein? Dann tun Sie das. Ich gebe Ihnen gern Gelegenheit dazu. Aber offenbar wollen Sie nichts sagen. So ist es nämlich.

Wir meinen, dass das ein ausgewogener Vorschlag ist. Wir haben auch ausdrücklich gesagt, dass sich

das in keiner Weise gegen die Kirchen richtet; denn wir gehen davon aus, dass sehr wohl natürlich auch die Kirchen ein Interesse daran haben, dass beim ZDF gesellschaftliche Vielfalt vertreten ist und die Kirchen, wie auch schon in der Vergangenheit, auch noch über ihre Wohlfahrtsverbände die Möglichkeit haben, sich einzubringen.

Ihr auf die Zeitungen bezogenes Argument fand ich schon etwas erstaunlich. Denn zu argumentieren, den Zeitungen gehe es schlecht, und deshalb müssten sie auch beim ZDF und bei anderen Fernsehanstalten hineinschauen, damit sie ihre wirtschaftliche Grundlage stabilisieren könnten, das finde ich schon merkwürdig. Ich hatte den Eindruck, Sie haben bei Ihrer Rede selbst gemerkt, dass diese Argumentation ein bisschen schräg war.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Das kann also wirklich nicht der Grund sein. Wir wenden uns ja auch überhaupt nicht gegen Zeitungsverlage oder gegen Zeitungen als solche, ganz im Gegenteil. Wir machen uns genau die gleichen Sorgen wie Sie und wollen sicherstellen, dass die Medienlandschaft in unserem Land erhalten bleibt. Da gibt es allen Grund, sich Sorgen zu machen, gerade was die Vielfalt angeht. Aber wir denken nicht, dass das in dieser Weise geschehen soll, genauso wenig, wie ich mich dafür einsetze, dass Vertreter des ZDF in den Gremien und Aufsichtsräten von RTL, SAT 1 oder ähnlichen Medien vertreten sind.

Ich möchte gern noch etwas zu dem Antrag der Fraktion der FDP sagen. Sie machen es uns wirklich schwer, diesen Antrag abzulehnen; denn dieser Antrag ist so banal und so selbstverständlich, dass ich eigentlich gar nicht weiß, was wir damit machen sollen.

Andererseits würde ich nur ungern einem Antrag zustimmen, der sagt, die Sonne stehe den Tag über am Himmel. In diese Richtung geht der nämlich. Man kann so etwas nicht ablehnen, aber man fragt sich, was das soll, weil jede Stoßrichtung fehlt. Unser Antrag dagegen hat zweifellos etwas Konstruktives, und wir sagen, was wir verändern wollen. Das jedoch ist bei Ihnen überhaupt nicht der Fall.

Ihre Besorgnis, die hier substanziell von Ihnen herausgestrichen worden ist, dass sich letztlich auf heimlichen Wegen wieder Politik einschleichen könnte, ist in dem Entwurf für den 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufgegriffen. Ich kann Ihnen daraus auch gern zitieren. Das bezieht sich immer auf die Gruppe der zwei Drittel, also der Nichtpoli

(Lars Harms)

tischen in diesem Gremium. Da steht nun Folgendes:

„Dem Fernsehrat und dem Verwaltungsrat dürfen nicht angehören

1. Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestags oder eines Landesparlaments,“

Diese also dürfen alle nicht!

„2. Mitglieder der Europäischen Kommission, 3. hauptamtliche kommunale Wahlbeamte, 4. Beamte, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können …“

Das sind also Staatssekretäre und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände auf Leitungsebene.

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Jetzt kommt ein Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist. Ich komme zum Schluss; denn das ist schon der letzte Punkt; aber mit dem Punkt möchte ich die FDP ganze gern noch beruhigen. Da heißt es nämlich weiter:

„6. Mitglieder im Vorstand einer Partei nach § 2 Absatz 1 des Parteiengesetzes auf Bundes- und auf Landesebene …“

Allerdings sind damit nicht einfache Parteimitglieder gemeint; das fände ich dann aber auch übertrieben.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie nun wirklich, jetzt zum Schluss zu kommen.

Es gehört auch zur gesellschaftlichen Vielfalt, Frau Präsidentin, dass Menschen, die in einer Partei sind, trotzdem noch in Gremien sein dürfen; denn dies darf nicht als Nachteil gewertet werden.

(Beifall SPD und SSW)

Zu unserer Vereinbarung gehört, dass ein Dreiminutenbeitrag nach drei Minuten enden sollte und nicht erst nach vier. - Nun hat das Wort der Herr

Abgeordnete Dr. Axel Bernstein ebenfalls zu einem Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Ekkehard Klug, nach den Ausführungen, die Sie zu der Motivation des Antrags der FDP gemacht haben, tue ich mich sehr schwer, dem zuzustimmen. Deswegen möchte ich meiner Fraktion auch empfehlen, den Antrag der FDP abzulehnen. Entweder stimmt das, was der Kollege Eichstädt sagt - dann steht da gar nichts drin -, oder es steckt eben doch mehr dahinter, was die Möglichkeit von politisch engagierten und motivierten Persönlichkeiten angeht, in diesem Gremium mitzuarbeiten. Über die Festlegungen hinaus, die in dem Entwurf getroffen worden sind, halte ich das für keine gute Regelung. Darüber kann man allerdings auch durchaus unterschiedlicher Auffassung sein.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zu den Kirchen. Wenn ich bei der Auswahl, die ich treffen könnte, der Auffassung bin, dass ich drei Sitze anders vergeben möchte, und wenn ich dann gezielt auf die Kirchen komme, dann wünsche ich mir eine positive Begründung, warum das so ist. Rückläufige Mitgliederzahlen bei 25 Millionen sind kein sonderlich starkes Argument an der Stelle. Da steckt dann also doch ein gesellschaftliches Leitbild dahinter, wonach ich gezielt eine geringere Vertretung der Kirchen in diesem Gremium haben möchte. Wenn das so ist, dann ist das ja in Ordnung. Aber dann soll man das auch deutlich sagen.

An dieser Stelle damit zu argumentieren, man wolle die Anzahl der Sitze der Kirchen gar nicht so stark reduzieren, künftig werde es ja auch einen Vertreter der Muslime geben, das ist nun wirklich ein haarspalterisches Argument. Es geht hier nämlich nicht um eine religiöse Vertretung, sondern es geht hier um Kirchen. Außerdem geht es für den Vertreter Niedersachsens darum, aus dem Bereich der Muslime zu kommen. Deshalb kann das genauso gut ein Sportfunktionär, ein Musiker oder ein sonstwie engagierter Muslim sein, der überhaupt keinen religiösen Hintergrund oder Impetus für dieses Gremium haben muss, was ja auch völlig okay ist. Aber deswegen hinkt die Argumentation an dieser Stelle vollkommen.

Zum Thema Zeitungen. Ich finde, es ist schon wichtig und durchaus sinnvoll, dass wir vor dem Hintergrund einer konvergenten Entwicklung im Medienbereich, aufgrund derer sich natürlich Verlage und Rundfunkanstalten im Netz begegnen und

(Peter Eichstädt)

der Diskussion darüber, wer denn welche Inhalte in welcher Form präsentieren können soll - gerade wo wir hier im öffentlich-rechtlich finanzierten Bereich sind -, die Zeitungsverlage weiterhin in den Gremien des ZDFs beteiligen. Denn das bietet die Möglichkeit, Konflikte, die sich bereits abgezeichnet haben, in Zukunft möglicherweise zu vermeiden. Wer sagt, an dieser Stelle sehe er keinen Konflikt, dem antworte ich, dass wir schon ein Beispiel dafür erlebt haben, dass es an dieser Stelle zu Konflikten kommen kann.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Vielen Dank. - Das Wort für die Landesregierung erteile ich nun dem Ministerpräsidenten Torsten Albig.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte drängt in der Tat. Das Urteil gibt uns einen sehr engen Rahmen vor. Wir haben bereits dreimal in der Ministerpräsidentenkonferenz darüber verhandelt. Das vierte Mal steht nächste Woche an. Der Ertrag der heutigen Sitzung wäre zugegebenermaßen wahrscheinlich noch größer, wenn wir sie ein ganz klein wenig früher geführt hätten. Es ist nicht ganz einfach, fünf Tage vor der letzten Verhandlung auf Ministerpräsidentenebene noch einmal Veränderungen einzubringen, wenn wir Beschlüsse mit 16 zu Null herbeiführen müssen.

Es ist richtig, in dieser Woche gibt es in mittlerweile sechs Ländern noch einmal Anträge dazu. Aber für künftige Änderungen von Staatsverträgen sollten wir die Synchronisierung versuchen. Deshalb haben wir das Verfahren ja in dem Parlamentsinformationsgesetzen geregelt und haben bereits vor über einem Jahr damit begonnen, Sie zu informieren. Wir sollten sehen - sowohl die Parlamente untereinander als auch wir hier miteinander -, dass wir das nicht in den letzten fünf Tagen machen.