Die FDP ist daher der Ansicht, dass die Erörterung möglicher Umbesetzungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden muss. Eine Verringerung der Zahl der Kirchenvertreter zugunsten der Berücksichtigung weiterer gesellschaftlicher Gruppen beziehungsweise Organisationen ist dabei unseres Erachtens durchaus erwägenswert.
Für nicht angebracht halten wir dagegen einen Ausschluss der Zeitungsverleger aus dem Fernsehrat des ZDF. Die in der Begründung des Koalitionsund PIRATEN-Antrags genannte Konkurrenzsituation gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen halten wir hier nicht für stichhaltig. Würde man der Argumentation der Antragsteller folgen, so dürfte auch die SPD keinen Sitz mehr im Fernsehrat des ZDF haben, da die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ja über ihren Medienkonzern DDVG an mehr als 40 Zeitungen beteiligt ist und etwa jede zehnte in Deutschland verkaufte Zeitung aus dem sozialdemokratischen Presseimperium stammt.
gericht formulierten Vorgaben zur Staatsferne der Gremienbesetzung nicht in der erforderlichen Weise betont. In Zukunft dürften nicht mehr unter dem Deckmantel der Vertretung vermeintlich staatsferner gesellschaftlicher Bereiche mehr Parteienvertreter und Politikerinnen und Politiker in den Fernsehrat gehievt werden, als dies verfassungsrechtlich zulässig ist.
Kollege Bernstein, besonders deutlich wird das Problem, wenn man die bisherige Besetzung der 16 sonstigen Sitze im ZDF-Fernsehrat betrachtet: Für welchen Bereich ist zum Beispiel Herr Ministerpräsident a. D. Klimmt in diesem Gremium? Für den Tierschutz oder die freien Berufe? Wen repräsentiert die SPD-Fraktionsvorsitzende aus SachsenAnhalt? Die Familienarbeit oder die Kunst? Und wofür stehen der ehemalige CDU-Kultusminister Henry Tesch aus Mecklenburg-Vorpommern oder die CSU-Europaabgeordnete Niebler in dieser Gremienliste? Etwa für den Verbraucherschutz, die Jugendarbeit oder den Kinderschutz?
Dies sind alles Themen, die als Oberbegriff für die Besetzung dieser 16 Positionen genannt sind. In Zukunft werden die 16 Sitze bekanntlich von einzelnen Bundesländern benannt; jeweils für bestimmte fest definierte Bereiche. Aber auch hier gibt es die theoretische Möglichkeit, unter dem Deckmantel der Vertretung bestimmter Interessen oder bestimmter Bereiche tatsächlich Leute aus dem politischen Bereich einzusetzen.
- Doch, es sind zwar keine Mandatsinhaber oder Regierungsmitglieder mehr zulässig, aber die Vergabe von Posten an wohlverdiente ehemalige Abgeordnete, Ministerinnen oder Minister kann man hervorragend so regeln, dass der Parteieneinfluss indirekt über die Besetzung dieser Positionen dann doch verstärkt wird. Genau dem müssen wir einen Riegel vorschieben.
Herr Kollege, jetzt höre ich einen deutlichen Punkt in Ihren Ausführungen. Diesen Moment nutze ich. Ich versuche schon eine Weile, Sie zu fragen, ob Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Bernstein gestatten.
Vielen Dank, lieber Kollege Klug. Eine Verständnisfrage von mir: In der Tat werden in dem Entwurf bestimmte Positionen, Mandate, Parteivorstandsämter geregelt, die sich an dieser Stelle von einer Berücksichtigung ausschließen. Verstehe ich Ihre Ausführungen richtig, dass die FDP-Fraktion der Auffassung ist, dass jemand, der Mitglied einer Partei ist oder einmal ein politisches Amt bekleidet hat, künftig nicht mehr eine solche Position im Fernsehrat einnehmen darf?
Die Mitgliedschaft in Parteien ist sicherlich kein Grund. Ich sage aber noch einmal: Wir haben heute den Fall, dass eine ganze Reihe von Positionen, die eigentlich nach dem Wortlaut des Staatsvertrags nicht der Politik zugeordnet sind, von Vertretern aus der Politik besetzt sind. Eine solche Praxis wollen wir in der Zukunft nicht mehr haben, auch nicht unter den neuen Rahmenbedingungen, die der neue Staatsvertrag formuliert.
Herr Kollege, das ist großartig, dass Sie das fordern. Genau das ist der Hauptgegenstand dessen, was das Bundesverfassungsgericht beklagt hat und was jetzt im 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gerade gerückt wird, nämlich dass genau diese Gruppierungen zumindest in der bisherigen Anzahl nicht mehr berücksichtigt werden können.
Sie haben es sicher aufmerksam gelesen: Es gibt nebenbei für bestimmte Inhaber von politischen Ämtern in Zukunft eine Art Abkühlphase. Diese dürfen nämlich 18 Monate lang nach ihrem Ausscheiden nicht für diese Po
sten kandidieren. Das ist doch der Sinn all dieser Regelungen. Sie können nun doch nicht sagen, all dies sei unbefriedigend, weil es in der Vergangenheit falsch war.
- Lieber Herr Kollege Eichstädt, wenn all das Sinn dieser ganzen Unternehmungen sein soll und wenn Sie dies auch befürworten, dann stimmen Sie doch bitte für unseren Antrag, der auf einen Appell hinausläuft, nicht die Bestimmungen des Staatsvertrags trickreich dadurch zu unterlaufen, dass man so wie bisher bestimmte Positionen, die eindeutig nicht für den politischen Bereich gedacht sind, doch mit Politikerinnen und Politikern besetzt. Darum geht es in unserem Antrag.
Wir möchten darum bitten, dass er als selbstständiger Antrag abgestimmt wird, weil ich glaube, dass dies für die Abstimmung die bessere Ausgangsposition ist. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die politische Unabhängigkeit und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss aus Sicht der PIRATEN der oberste Grundsatz sein.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Programms von Repräsentanten möglichst vieler gesellschaftlich relevanter Gruppen bestimmt wird. Zum Zeitpunkt seiner Gründung hat der ZDF-Fernsehrat sicherlich die damalige Gesellschaft repräsentiert. Jetzt hat sich unsere Gesellschaft in den letzten 50 Jahren doch deutlich weiterentwickelt und neu organisiert. Während der politische Einfluss von Parteien und Kirche nachgelassen hat, haben seit den 70er- und 80er-Jahren Bürgerbewegungen und nicht staatliche Organisationen an Rückhalt in unserer Gesellschaft gewonnen. Diese Entwicklung unserer Zivilgesellschaft muss auch im ZDF-Fernsehrat abgebildet werden.
Dass die evangelische Kirche und die katholische Kirche jeweils zwei Vertreter in den Fernsehrat entsenden, ist in Zeiten massiver Kirchenaustritte und der zunehmenden Entfremdung zwischen Kirche und Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß.
Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die beiden Kirchen im 21. Jahrhundert im Fernsehrat überrepräsentiert sind. Es wäre daher wünschenswert, wenn der kirchliche Einfluss zugunsten von Vertretern relevanter zivilgesellschaftlicher Organisationen reduziert wird.
Auch die Rolle des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger sollte kritisch hinterfragt werden. In Anbetracht sinkender Auflagen und einer Verlagerung publizistischer Aktivitäten ins Netz entwickeln die Zeitungsverleger konkurrierende Angebote zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dass ein direkter kommerzieller Wettbewerber an der inhaltlichen Ausrichtung eines Konkurrenten mitwirken kann, ist aus Sicht der PIRATEN ein Interessenkonflikt, der aufgelöst werden muss.
Gerade um die gesellschaftliche Vielfalt zu repräsentieren, ist eine zeitgemäße Zusammensetzung des Fernsehrats dringend erforderlich. Menschenrechtsorganisationen, Schwulen- und Lesbenverbände und Netzaktivisten sind ebenso Teil unserer Gesellschaft und sollten daher die Chance erhalten, Vertreter in den Fernsehrat zu entsenden.
Diese Anträge sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aus Sicht der Piratenpartei wäre es wünschenswert, wenn sich auch der politische Einfluss auf das unabhängige und staatsferne ZDF reduzieren würde. Deshalb würden wir PIRATEN es begrüßen, wenn die Vertreter gesellschaftlicher Gruppen nicht mehr durch den Ministerpräsidenten berufen werden, sondern den vertretungsberechtigten Organisationen das Recht eingeräumt wird, ihre Vertreter selbst und unabhängig zu benennen.
Auch wenn wir uns weitreichendere Reformen des Fernsehrats gewünscht hätten, bieten diese Initiativen die Chance, die Zusammensetzung zeitgemäßer zu gestalten. Daher haben wir PIRATEN uns
entschieden, den Antrag von SPD, Grünen und der Abgeordneten des SSW zu unterstützen. Wir werden dem nun für selbstständig erklärten FDP-Antrag ebenfalls unsere Zustimmung geben. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland hat sich verändert, und die Medienlandschaft sollte diese Veränderung auch widerspiegeln. Tatsächlich tut Sie dies aber nur mit enormer Langsamkeit und oftmals erst nach starkem politischem Druck.
Ein Beispiel ist die Feststellung der Quote. Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung untersucht und protokolliert das Fernsehverhalten in sogenannten installierten Haushalten. Erst seit dem Jahr 2001 wurden erstmals auch die Haushalte berücksichtigt, deren Mitglieder keinen deutschen, aber einen EUPass haben. Letzte Woche wurde nun gemeldet, dass ab 2016 die Quote auch bei Zuschauerinnen und Zuschauern erfasst werden wird, die weder einen deutschen noch einen europäischen Pass haben, aber trotzdem deutsches Fernsehen sehen.
Stellen wir uns das vor: Erst 2016 werden mehr oder weniger alle Zuschauerinnen und Zuschauer erfasst werden; 53 Jahre nach Beginn der Quotenberechnung. Es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, bis sich die Verantwortlichen eingestanden haben, dass die Sehgewohnheiten nicht vom Pass abhängen. Es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, bis die tatsächliche Vielfalt in Deutschland erfasst wird.