zu gern um ihre Familie kümmern. Wir können auch darüber streiten, ob die Unternehmen schuld sind oder die Politik schuld ist. Wir können auch darüber streiten, ob wir Gesetze schaffen, in denen das geregelt wird, oder ob wir auf Freiwilligkeit setzen in der Hoffnung, dass sich im Laufe der Zeit alles ändern wird. Fakt ist und bleibt: Erwerbsarbeit der Frauen ist im Jahr 2015 immer noch weniger wert als die von Männern, und das ist nicht in Ordnung.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages den Vorsitzenden des Landesverbandes der Gartenfreunde, Herrn Dieter Schiller. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin von Kalben, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Bei vielem, was Sie gesagt haben, würde ich Ihnen gar nicht widersprechen. Ich will einmal mit einem Punkt anfangen: die bessere Bezahlung von Sozial- und Gesundheitsberufen. Ich habe es in der eigenen Familie erlebt, wie Frauen bezahlt werden. Im Übrigen ist es bei Doppelverdienern - der Vater ist Lehrer, die Mutter arbeitet in der Altenpflege - ganz selbstverständlich, wer in die Steuerklasse fünf geht. Wer trotz Vollzeittätigkeit ein Gehalt erhält, von dem fast nichts mehr übrigbleibt, ist also auch selbstverständlich. Ich glaube nur, dass Sie diese Probleme durch ein Entgeltgleichheitsgesetz beziehungsweise durch die Forderung, die Sie aufgestellt haben, nämlich die sogenannten klassischen Frauenberufe, von denen auch die Kollegin Rathje-Hoffmann gesprochen hat, aufzuwerten und gerade Pflegeberufe besser zu bezahlen, nicht lösen werden. Vielmehr glaube ich, hier demaskiert genau die Forderung, die ich unterstreiche, dass das Entgeltgleichheitsgesetz, für das Herr Dr. Stegner geworben hat, am Ende bedauerlicherweise Symbolpolitik bleiben muss; denn ein solches Gesetz wird an vielen Realitäten des Erwerbslebens und der Erwerbsbiografien nichts, aber auch gar nichts ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es wäre überzeugender gewesen, wenn Sie Ihrer Philosophie gefolgt wären, die Sie hier vorgetragen haben, und die ich zunächst einmal respektiere. Es wäre überzeugender gewesen, wenn Sie dort, wo Sie Regelungskompetenz haben, ganz konkret dieser Philosophie gefolgt wären. Und das ist nun einmal die Grundschullehrerbesoldung derjenigen Grundschullehrer, die ihre Ausbildungszeit beendet haben.
Ich will überhaupt niemandem - weil ich das albern finde -, die ein paar Semester Statistik gehört haben, vorwerfen, wie aussagekräftig im Zweifel Zahlen von 22 %, 7 % oder auch 2 % sind. Ich will mich darüber überhaupt nicht streiten. Zu den Fakten, wie es zu dem sogenannten unbereinigten und bereinigten Gender Pay Gap gekommen ist, die die Kollegin Rathje-Hoffmann herunterdekliniert hat, gehört natürlich die hohe Teilzeitquote bei Frauen. Für mich ist die viel spannendere Frage: Entscheiden sich Frauen freiwillig? Dort hat im Zweifel die Politik in den vergangenen Jahrzehnten nicht richtig angesetzt. Das ist für mich jetzt keine Schuldfrage,
sondern es ist die Frage: Haben wir die Strukturen geschaffen, dass Frauen - Frauen und Männer wirklich eine Wahlmöglichkeit haben, oder stellt die Politik Frauen und Männer nach wie vor vor die Wahl: Familie oder Karriere? Ich glaube, dass das Zweite zutreffend ist.
Wenn man die Untersuchungen, die es gibt, zu den 22 %, zu den 7 % oder auch zu den 2 % Gehaltsunterschied weiter durchdekliniert, wenn man sie näher untersucht, was es ja auch gab, dann stellt man fest, dass der sogenannte Gender Pay Gap abnimmt, je jünger die Frauen sind. Also es geht ganz offensichtlich um die Frauen, die nach 1980 geboren sind. Das sind möglicherweise, Frau von Kalben, inzwischen die etwas mutigeren Frauen, die Frauen, die im Zweifel auch bei Gehaltsverhandlungen selbstbewusster auftreten.
Es tritt noch etwas Weiteres zutage, dass nämlich die Frage der Industrialisierung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich ein ganz entscheidender Faktor ist. Da sind wir dann wieder bei den klassischen Frauenberufen und den klassischen Männerberufen. Der Lohnunterschied,
ausgedrückt im Gender Pay Gap, ist in BadenWürttemberg deutlich höher als in Schleswig-Holstein. Baden-Württemberg hat sehr viel mehr klassische Industrie, Schleswig-Holstein hat sehr viel mehr klassische Dienstleistungen. Auch das ist etwas, was aus meiner Sicht nichts mit Schuld zu tun hat, sondern es ist die derzeitige Erwerbsrealität.
Für mich ist die zentrale Frage, die ich mir bei der Vorbereitung für diesen Tagesordnungspunkt immer wieder gestellt habe: Warum ist es in Deutschland so, dass nur ein Drittel aller Mütter nach der Elternzeit auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren? Ein Drittel der Mütter, der Rest, zwei Drittel - das sind zum großen Teil exzellent ausgebildete Frauen - gehen nach der Elternzeit noch nicht einmal mehr in die Teilzeitarbeit zurück. Hier muss Politik ansetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das hat sehr viel mit der Infrastruktur von Betreuungsmöglichkeiten zu tun, den Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen sowohl im U 3-Bereich als auch im Ü 3-Bereich. Das hat damit zu tun, wie geht der Staat bei der Frage um: Helfen wir Unternehmen, wenn es darum geht, Betriebskindergärten einzurichten, oder helfen wir nach wie vor mit unseren staatlichen Mitteln, ein bestimmtes Rollenbild zu zementieren?
Ich will gar nicht auf den Klassiker, über den wir uns hier relativ häufig auseinandergesetzt haben, auf das sogenannte Betreuungsgeld, eingehen. Das ist der denkbar misslungenste Versuch gewesen, Wahlfreiheit darzustellen.
Ich glaube, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Das sage ich auch sehr selbstkritisch, weil wir damals mit von der Partie waren. Diese 4,5 Milliarden € in die Betreuungsinfrastruktur zu investieren, wäre ein viel besserer Schritt gewesen, als es ein Entgeltgleichheitsgesetz jemals sein könnte,
Man muss sich einmal andere Länder anschauen. Ich finde, da ist Frankreich ausgesprochen spannend und interessant, weil dort das gesamte Arbeitsmarkt- und Sozialsystem ganz anders ausgerichtet ist, sehr viel familienfreundlicher ausgerichtet ist. Frankreich finanziert eben nicht das möglichst lange Fernbleiben vom Arbeitsplatz, sondern Frankreich unterstützt junge Familien, insbesondere junge Frauen, damit sie möglichst schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren können, um all die negativen Aspekte, die hier schon aufgezählt wurden, zu vermeiden.
Ich will hier sehr deutlich die Frage stellen: Ist es Aufgabe des Staates, junge Frauen, gut ausgebildete Frauen, staatlich finanziert möglichst lange vom Arbeitsplatz fernzuhalten, ja oder nein? - Ich sage, es ist nicht die Aufgabe des Staates.
Wenn man dieser Auffassung stringent folgt, das gilt für diejenigen, die jetzt klatschen, wenn man diese Auffassung teilt, dann muss man sich auch fragen, ob die Konstruktion des Elterngeldes, so wie sie derzeit läuft, wirklich die richtige ist, denn das Elterngeld in Deutschland trägt genau dazu bei, dass Frauen möglichst lange vom Erwerbsleben ferngehalten werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich glaube vielmehr, dass es Aufgabe des Staates ist, dabei mitzuhelfen, die Betreuungsinfrastruktur so auszubauen, dass Familien eine echte Wahlmöglichkeit haben, dass Menschen gerade nicht vor die Wahl gestellt werden, ob sie sich für das eine oder für das andere entscheiden. Die Politik sollte dafür die Voraussetzungen schaffen. In anderen europäischen Ländern funktioniert das zum Teil sehr viel besser, im Übrigen seit vielen Jahrzehnten in Frankreich.
Bevor wir uns hier in diese klassische Auseinandersetzung begeben - ich habe sie beim Mindestlohngesetz erlebt, jetzt führen wir sie beim Entgeltgleichheitsgesetz -, mögen Sie sich darüber freuen, dass etwas auf den Weg gebracht wird. Ich glaube aber, dass das die Problematik komplett verengt, dass die Diskussion über das Entgeltgleichheitsgesetz im Zweifel davon ablenkt, dass wir ganz andere Strukturen in Deutschland brauchen. Im Übrigen möchte ich nicht - damit ich nicht falsch verstanden werde von den Frauen in meiner Partei -, dass in Zukunft Frauen, die sich im Zweifel für etwas ganz anderes entscheiden, dafür gesellschaftlich entschuldigen oder rechtfertigen müssen.
Aber Wahlfreiheit schaffen bedeutet eben, dass Frauen eine echte Wahl haben. Die haben sie bis heute nicht. Daran sollten wir arbeiten und weniger die Formalismen, die hier so groß vorgetragen wurden, weiter diskutieren,
(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP], Anke Erd- mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Barbara Ostmeier [CDU])
weil sie vom echten Problem, vom Kern des Problems, abweichen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung - auch mit Ihnen, Frau von Kalben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Einleitung zum Anlass nehmen zu erklären, warum nicht Frau Beer, sondern ich hier spreche. Frau Beer hat in ihrem politischen und privaten Leben die Emanzipation nie gebraucht, und braucht sie auch heute nicht. Von daher sagt sie, sie möchte sich gar nicht tiefer damit beschäftigen, das könnten auch andere tun. Deswegen mache ich das für meine Fraktion.
- Nein, nein. Aber jetzt zu den Anträgen der Koalitionsfraktion und der CDU. Beide Anträge sind nett. Gegen das, was nett ist, kann man nichts haben. Das darf man auch nicht kritisieren, und damit kann man auch nett umgehen. Das werden wir auch tun. Ich komme auf unser Abstimmungsverhalten am Ende meiner Rede zurück.
Natürlich ist es ungerecht, dass Männer und Frauen für gleichwertige Arbeit immer noch nicht gleich bezahlt werden, und natürlich muss das Land als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen und diesen Missstand mit allen Mitteln bekämpfen.
Natürlich ist es gut, auf dieses immer noch herrschende Problem der Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Wo es zusätzliche gesetzliche Regelungen braucht, müssen diese geschaffen und belastbare Umsetzungsstrategien gestaltet werden.
Natürlich ist es unhaltbar, dass zwischen Frauen und Männern immer noch ein Lohnunterschied von 22 % besteht. Weil das so ist, hat mein Kollege Sven Krumbeck eine Kleine Anfrage auf den Weg gebracht, in der er danach fragt, wie viele Lehrer sofern es bei den jetzigen Planungen der Landesregierung für eine künftige Lehrerbesoldung bleibt bei gleichwertiger Arbeit nicht den gleichen Lohn wie andere, zum Beispiel jüngere Kollegen erhalten sollen und wie viel Prozent Lohnunterschied sie werden hinnehmen müssen. Ich finde es bemerkenswert, dass wir in der gleichen Landtagssitzung über zwei völlig unterschiedliche Ansätze einer Landesregierung von Equal Pay sprechen, eine Landesregierung, die von der Sozialdemokratie geführt wird und
die hinnehmen musste, dass am vergangenen Samstag die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zum Landesparteitag der SPD nach Neumünster gefahren ist, um gegen die politisch gewollte mögliche ungerechte Behandlung der Bezahlung der Lehrkräfte zu demonstrieren,
die laut einer sozialdemokratischen Bildungsministerin im gleichen Lehrerzimmer sitzen, seit vielen Jahren gleichwertige Arbeit wie die der jüngeren Kollegen tun, nur leider in Zukunft weniger Geld dafür erhalten werden.