Angesichts Ihres Umgangs mit den anstehenden Fragen in den letzten Wochen fragen sich die Leute völlig zu Recht: Haben die denn wirklich keine anderen Probleme?
Keine Frage: Eine Geiselnahme in einer Haftanstalt ist ein ernster Vorgang. Allerdings konnten die Täter überwältigt werden. Die ganze Aktion dauerte nur zehn Minuten. Dieser Vorgang muss in seinen Einzelheiten genau aufgeklärt werden, und es müssen Lehren und Konsequenzen daraus gezogen werden. Genau dies ist bereits geschehen, und das wird, nachdem die laufenden strafrechtlichen Ermittlungen Licht in die Gerüchteküche gebracht haben, auch weiterhin geschehen. Frau Spoorendonk macht ihren Job gut, und sie wird ihn auch weiterhin machen.
Die anfangs nicht klar geregelte Frage, in welchem Zeitraum seitens der Anstaltsleitung eine Strafanzeige erfolgen muss, ist durch einen vorläufigen Erlass sofort geklärt worden. Der neue kommissarische Leiter der JVA Lübeck, Tobias Berger, ist ein erfahrener und bewährter Strafvollzugsspezialist, der genau weiß, um was es in Lübeck jetzt geht. Alles andere kann sinnvollerweise erst angegangen werden, wenn Kripo und StA Lübeck die diversen Unklarheiten des Falles durchleuchtet haben, zum Beispiel: Stellt die um 22 Stunden verspätete Anzeige des Geschehens durch die ehemalige Anstaltsleiterin den Versuch einer strafbaren Strafvereitelung dar? Welche Rolle spielte Alkohol bei dem Vorfall? Wurde in der JVA tatsächlich von Gefangenen Schnaps destilliert, oder handelte es sich nur um schwach alkoholhaltigen Aufgesetzten? Wer befreite die Geisel tatsächlich, andere Justizbeamte oder etwa Mitgefangene aus dem Rockermilieu? Wurde dem bereits überwältigten Geiselnehmer durch einen Vollzugsbeamten noch ins Gesicht getreten, und wurde er dabei verletzt? - Wilde Spekulationen auf völlig ungesicherter Faktengrundlage sind in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platz.
Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordern. Ich kann Ihnen aus langjähriger beruflicher Befassung mit Strafgefangenen und Justizvollzugsanstalten versichern: Es gibt kaum einen Ort, an dem Gerüchte und Scheißhausparolen so sprießen wie in einer Haftanstalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Lassen Sie die Behörden ihre Arbeit machen, bevor Sie sich ein Urteil bilden. Sie vermischen Politik und Strafverfolgung. Polizei und Justiz brauchen Zeit und Nichteinmischung bei ihren Ermittlungen. Es gelten Objektivität und die Unschuldsvermutung.
Das passt der Opposition bei ihrem durchsichtigen Spiel aber nicht in den Kram. Sie will skandalisieren und möglichst schnell das Holz für einen hübschen Scheiterhaufen zusammensammeln.
Jetzt komme ich zu der Frage, warum ich den Antrag der CDU auch in der Sache ablehne: Er hinkt in allen Punkten den Realitäten in unseren Haftanstalten hinterher.
Der Umgang mit kritischen Situationen im Dienst ist seit vielen Jahren integraler Bestandteil der Ausbildung unserer Justizvollzugskräfte. Alles andere wäre auch völlig fahrlässig. Eine Haftanstalt ist kein Mädchenpensionat. Dort werden auf engem Raum ganz überwiegend Männer gegen ihren Willen eingesperrt. Diese Menschen haben erhebliche Probleme mit einem angemessenen menschlichen Miteinander. Dies gilt gerade für Schleswig-Holstein; denn hier gibt es eine sensationell niedrige Haftquote. Auf 100.000 Erwachsene Einwohner kommen nur 48 Inhaftierte. Das ist bundesweit die niedrigste Quote. Sogar die meisten skandinavischen Länder haben eine höhere. Dies bedeutet aber auch, dass die Konzentration der harten Fälle in unseren Haftanstalten besonders hoch ist, insbesondere wegen der vielen Langstrafer in Lübeck. Darum ist es gut und wichtig, dass seit vielen Jahren in der Ausbildung von Justizvollzugskräften in SH mindestens ein Viertel der gesamten zweijährigen Ausbildungszeit darauf verwendet wird, die Vollzugskräfte auf kritische Situationen intensiv vorzubereiten. Die Stichworte sind: Gefahrenabwehr, Deeskalation und Selbstverteidigung.
Zum Punkt Krisenmanagement. Diesbezüglich suggeriert der CDU-Antrag, das Land lasse Strafvollzugskräfte, die eine seelische Extremsituation im Dienst erlebt haben, bisher im Regen stehen. Auch diese Unterstellung geht an der Wirklichkeit völlig vorbei. Seit 2003 gibt es im Justizvollzug das Kriseninterventionsteam KIT. Es sorgt mit Psychologen, Seelsorgern und kollegialen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern dafür, dass unverzüglich eine Erstintervention bei betroffenen Vollzugskräften stattfindet. Das ist besonders wichtig im Falle einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung; denn eine fachärztliche Behandlung kann wegen Ärztemangels in diesem Bereich oft erst später aufgenommen werden, als dies medizinisch wünschenswert wäre.
Daran kann das Justizministerium aber nichts ändern. Wenn Sie die Landesregierung „dringend“ auffordern, bei der Erarbeitung des neuen Landesstrafvollzugsgesetzes „den Aspekt der Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Öffentlichkeit zur Grundlage der gesetzlichen Ausgestaltung zu machen“ - so haben Sie es formuliert -,
Strafvollzugsrecht ist per se Sicherheitsrecht. Es kommt vor allem darauf an, wie man den Begriff der Sicherheit in diesem Zusammenhang definiert. Eine Verengung der Vollzugssicherheit auf Pfefferspray, bauliche Hochsicherheitskonzepte und eine restriktive Handhabung von Vollzugslockerungen wird einem modernen Strafvollzug auf jeden Fall nicht gerecht.
Im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen haben wir die tatsächlich wichtigen Stichworte für einen der Sicherheit verpflichteten Strafvollzug benannt. Sicherheit steht nicht im Gegensatz zu einem auf die Resozialisierung ausgerichteten Vollzug, sondern bedingt ihn. Beratungsleistungen, soziales Training und Therapie, Arbeits- und Qualifizierungsangebote und familienorientierter Vollzug gewähren mehr Sicherheit in der Anstalt als der überwiegende Einschluss der Gefangenen. Sinnvolle Beschäftigung während der Haft und der Aufbau einer Entlassungsund Lebensperspektive einschließlich eines funktionierenden Übergangsmanagements mit allen beteiligten sozialen Trägern reduzieren die Rückfallquote. Erst dadurch wird Sicherheit für die Gesellschaft geschaffen.
Solange Daniel Günther sich in dieser Angelegenheit derartig unsubstantiiert aufführt, fehlt uns der Glaube an Ihre Bereitschaft, die Dinge sachlich beraten zu wollen. Ich fordere Sie auf: Finden Sie den Weg zurück zu einer sachlichen Auseinandersetzung über das Thema Strafvollzug.
Jetzt sage ich noch etwas Schönes für Frau Ostmeier: Bei der Beratung des Jugendarrestvollzugsgesetzes in der ersten Hälfte der 18. Wahlperiode hat das doch erfreulicherweise funktioniert.
Danke schön, Herr Präsident. - Ich finde es schön, dass die Regierungsfraktionen schon klatschen, bevor ich meine Rede gehalten habe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Geiselnahme in der JVA Lübeck am 24. Dezember 2014 sind Sachverhalte bekannt geworden, die Zweifel begründen, ob die Sicherheit der Justizvollzugsbeamten in dem Umfang gewährleistet ist, der nicht nur angemessen erscheint, sondern auch durch die Fürsorgepflicht des Dienstherren geboten ist.
In der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom 7. Januar 2015 habe ich die Justizministerin gefragt, ob es zutreffend sei, dass in der JVA Lübeck in jüngster Zeit geprobt worden sei, den Betrieb in einzelnen Häusern, speziell im Haus E, mit nur zwei Bediensteten bei 60 Inhaftierten aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang habe ich darauf hingewiesen, dass uns aus dem Kreis der Mitarbeiter mitgeteilt worden sei, unter den Bediensteten gebe es wegen solcher geplanter beziehungsweise teilweise schon erprobter Änderungen im Strafvollzug ein hohes Maß an Verunsicherung.
Im Protokoll der Sitzung wird auf Seite 20 die Antwort der Ministerin wiedergegeben. Ich zitiere wörtlich:
„Ministerin Spoorendonk antwortet, sie könne durchaus nachvollziehen, dass es eine Verunsicherung bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebe. Das habe aber nichts mit dem konkreten Vorfall zu tun, sondern mit den gerade durchgeführten und auch schon angesprochenen Organisationsveränderungen allgemein. Diese Verunsicherung werde auch ernst genommen, aber solche Prozesse seien immer schwierig.“
Die Zuschrift, die mir Anlass gegeben hat, die erwähnte Frage zu stellen, enthält zu dem Thema die folgende Aussage - auch das lese ich vollständig vor -: Warum wird im E-Haus der Dienst mit über 60 Gefangenen auf drei Etagen mit nur zwei Bediensteten geprobt? Wie soll so Sicherheit garantiert werden? Wie sollen diese beiden Bediensteten im Alarmfall helfen, wenn beide zunächst über 60 Gefangene versperren müssen, das Haus ab
schließen müssen und dann erst zur Hilfe laufen können? Weihnachten hatten wir Glück! Es waren genug Kollegen im E-Haus, und es waren Kollegen aus dem E-Haus, die die Kollegen aus dem D-Haus gerettet haben. Im Hafthaus genau gegenüber! Wären nur zwei Kollegen im Haus gewesen, hätten diese nicht helfen können! Wichtige Minuten wären verstrichen. Wie ist die weitere Planung nun? Weiterhin die Erprobung, das Hafthaus mit nur zwei Bediensteten zu fahren, damit die Gefangenen Aufschluss bekommen? Zulasten der Sicherheit von uns Kollegen!
Ich meine, dadurch wird eindeutig belegt, dass die Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lübeck nicht bloß, wie es die Frau Ministerin im Ausschuss gesagt hat, mit allgemeinen Organisationsveränderungen zusammenhängt, sondern dass sehr wohl ein konkreter Bezug zu der am vorigen Weihnachtstag erfolgten Geiselnahme besteht. Das ist evident.
Meine Damen und Herren, in der Ausschusssitzung am 7. Januar 2015 ergänzte der Justizstaatssekretär die Antwort auf meine Frage mit der Bemerkung, es sei möglich, dass es Überlegungen gebe, nur zwei Bedienstete im Früh- oder Spätdienst einzusetzen. Zitat:
Ob diese Klärung erfolgt ist, und worin ihr Ergebnis gegebenenfalls besteht, ist uns seit dem 7. Januar 2015 nicht mitgeteilt worden. Ich habe dazu keine Informationen vom Ministerium erhalten. Ich wäre Ihnen dankbar, Frau Ministerin Spoorendonk, wenn Sie dazu gleich noch etwas sagen würden.
Ich möchte vor dem Hintergrund des Dargelegten Folgendes feststellen: Es darf nicht sein, dass Änderungen in der Organisation des Strafvollzugs, speziell im Hinblick auf den personellen Einsatz, auf Kosten der Sicherheit der Bediensteten erfolgen. Solche hätten mit einem liberalen Strafvollzug auch nicht das Geringste zu tun.
Solche Änderungen und solche Formen der Durchführung des Strafvollzugs wären schlicht und ergreifend fahrlässig und verantwortungslos. Ich meine, diese Lehre sollte man aus der Geiselnahme vom 24. Dezember 2014 doch ziehen dürfen, ohne
Natürlich wollen wir, dass der Strafvollzug auf bestmögliche Weise dem Ziel der Resozialisierung dient. Resozialisierung hat jedoch mit Nachlässigkeit und Unvorsichtigkeit bei der Aufsicht nicht im Mindesten zu tun.
Noch einmal: Die Sicherheit der Mitarbeiter darf auf gar keinen Fall gefährdet werden, weil zu wenig Personal eingesetzt oder weil der Betrieb der Hafthäuser unter nicht angemessenen Bedingungen durchgeführt wird.